TE OGH 1987/9/2 1Ob610/87

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Veröffentlicht am 02.09.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Schobel, Dr. Hofmann und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Edith S***, Hausfrau, Wien 23, Speisingerstraße 222, vertreten durch Dr. Franz Klaban, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Walter E***, Pensionist, Bad Wildungen, Am Unterscheid 7, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Walter Strigl und Dr. Gerhard Horak, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 470.000,-- s.A. infolge Revisionen der klagenden und der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 28. Jänner 1987, GZ 17 R 286/86-121, womit infolge Berufungen der klagenden und der beklagten Parteien das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau vom 9. Mai 1986, GZ 3 Cg 264/81-100, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Keiner der Revisionen wird Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Anton E***, der Vater der Streitteile, war Eigentümer einer Figurengruppe, bestehend aus drei ca. 1,30 m hohen Buddha- bzw. Bodhisattvas-Figuren, die aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts stammen. Die Figuren wurden schon um 1900 einer Restaurierung unterzogen, nicht restaurierte Figuren aus dieser Zeit sind praktisch nicht vorhanden. Anton E*** starb am 27. September 1952. Eine letztwillige Verfügung wurde im Abhandlungsverfahren nicht vorgelegt. Gesetzliche Erben waren Mathilde E***, die Gattin des Verstorbenen, sowie die Streitteile als dessen Kinder. Die Erben gaben im eidesstättigen Vermögensbekenntnis an, daß der Nachlaß aus einer Sammlung von asiatischen Kunstgegenständen und Objekten im Wert von ca. S 65.000,-- bestehe. Zugleich mit der Vorlage des eidesstättigen Vermögensbekenntnisses brachte der Erbenmachthaber vor, daß sich die Erben über die Teilung des Nachlasses außergerichtlich geeinigt hätten; er beantragte, die erbl. Tochter, die Klägerin, zu ermächtigen, frei über "die Reste der erblasserischen Sammlung von asiatischen Kunstgegenständen, welche sich im Museum für Völkerkunde, Dorotheum, Kunstabteilung, Dorotheum Schanzstraße sowie bei der S*** Gesellschaft mbH befinden", zu verfügen. Der Nachlaß nach Anton E*** wurde Mathilde E*** zu einem Viertel, und den Streitteilen zu je drei Achteln eingeantwortet. In der Einantwortungsurkunde wird auf eine außergerichtliche Erbteilung Bezug genommen. In der Folge ließ sich die Klägerin alle Kunstgegenstände aus dem Besitz ihres verstorbenen Vaters ausfolgen, auch diejenigen, die ihrer Mutter und dem Beklagten zukommen sollten. In einer von ihr unterfertigten Bestätigung findet sich auch unter der Bezeichnung "Kwannon mit zwei Bodhisattvas, kupferbronzierte Papiermasseplastiken" die streitgegenständliche Figurengruppe. Diese Figuren ließ die Klägerin in der Wohnung der Mutter der Streitteile in Wien 4, Paniglgasse 18-20/9, aufstellen. In der Wohnung wohnte damals nur die Mutter der Streitteile, die 1960 in die Wohnung der Klägerin in Wien 23 zog. Die Klägerin sorgte in den folgenden Jahren bis zu deren Tod für ihre Mutter. Im Hinblick auf diese Obsorge und die Bezahlung verschiedener Kosten erklärte die Mutter der Klägerin, daß sie ihr den gesamten Inhalt der Wohnung, darunter auch die klagsgegenständlichen Figuren, schenke. Die Klägerin meldete sich in der Folge zwar in der Wohnung Wien 4, Paniglgasse 18-20/9, als Mieterin an, wohnte aber weiter in Wien 23. Sie verfügte auch bereits seit 1960 über Schlüssel zur Wohnung. Mathilde E*** starb am 4. Jänner 1961. Die Klägerin benützte die Wohnung ihrer verstorbenen Mutter gelegentlich zum Übernachten und übergab sie im Jahre 1964 ihrem Sohn Werner S***. Im Jahre 1964 ersuchte der Beklagte die Klägerin, sie solle ihm die Figurengruppe als Leihgabe für eine von ihm veranstaltete Ausstellung zur Verfügung stellen. Dabei äußerte er sich dahin, daß ihm die Klägerin die Figuren "pro forma" schenken solle. Die Klägerin stellte darauf am 4. August 1964 dem Beklagten eine Bestätigung aus, daß sie ihm "drei chinesische Buddhas in Lebensgröße, 18. Jahrhundert, beschädigt, Wert S 12.000,--" geschenkt und übergeben habe. Diese Bestätigung wurde für die zollamtliche Abfertigung bei der Überstellung der Figuren von Österreich in die Bundesrepublik Deutschland verwendet. Andererseits bestätigte der Beklagte der Klägerin am 5. August 1964, "daß die drei lebensgroßen Buddhas, die demnächst von Wien nach Bad Wildungen gebracht werden, mir von Dir leihweise zur Verfügung gestellt werden. Du behältst also das volle Verfügungsrecht". Die Figuren wiesen bereits damals Beschädigungen auf, die jedoch im einzelnen nicht mehr näher festgestellt werden können.

Am 24. August 1978 brachte die Klägerin gegen den Beklagten beim Kreisgericht Krems an der Donau zu 3 Cg 231/78 eine Klage auf Herausgabe der Figurengruppe, "darstellend drei einzelne lebensgroße Buddhas (Kwannon mit zwei Bodhisattvas), kupferbronzierte Plastiken aus dem 18. Jahrhundert", ein. Am 30. Oktober 1978 wurde ein dem Klagebegehren stattgebendes Versäumungsurteil gefällt. Im Jahre 1978 führte der Beklagte einen Briefwechsel mit dem Museum für Völkerkunde in Wien, dem er mitteilte, daß seines Erachtens die drei Buddafiguren von Anton E*** dem Museum geschenkt wurden und daher Eigentum der Republik Österreich seien. Das Museum für Völkerkunde bezweifelte, daß die klagsgegenständlichen Figuren ident mit jenen seien, die im Jahre 1936 in das Inventar des Museums für Völkerkunde aufgenommen worden waren. Mit Schreiben vom 9. November 1979 teilte der Direktor des Museums für Völkerkunde dem Beklagten mit, daß er im Hinblick auf die von der Klägerin erhobenen Ansprüche "bis zu einem etwaigen neuen Gerichtsbeschluß keinerlei Veranlassung zu irgendwelchen weiteren Maßnahmen" sehe. Am 20. November 1978 schlug der Vertreter der Klägerin dem Beklagten als geeigneten Frachtführer für den Rücktransport der Figurengruppe die S*** Spedition und Transportgesellschaft mbH vor. Tatsächlich beauftragte der Beklagte die Speditionsunternehmung Karoline W*** & SÖHNE mit dem Rücktransport der Figurengruppe. Der Transport nach Wien wurde mit einem Sammeltransport durchgeführt, erst die Verteilung der einzelnen Stücke innerhalb von Wien erfolgte mit Einzeltransporten. Die Anlieferung erfolgte am 28. Februar 1979. Im Zeitpunkt der Anlieferung waren die Figuren in Decken gewickelt, freistehend und unverpackt an der Wagenwand festgezurrt. Ob dies auch beim Transport von Deutschland nach Österreich der Fall war, kann nicht festgestellt werden. Nach dem Transport der Figuren in die Wohnung wurden im Stiegenhaus und im Aufzug einzelne Bruchstücke aufgefunden; es wurde außerdem von der Transportunternehmung Karoline W*** & SÖHNE in Aussicht gestellt, daß eine Schachtel mit Bruchstücken nachgeliefert werde, was dann aber nicht geschehen ist. Die Klägerin und ihr Sohn rügten die Beschädigungen, die im Beisein des Sachverständigen Mario P*** festgestellt wurden. Im Schreiben vom 9. März 1979 nahm das Speditionsunternehmen Karoline W*** & SÖHNE zu den Beanstandungen dahin Stellung, daß es sich um keine Transportschäden handle. Ein sachgemäßer Transport von Kunstgegenständen dieser Art erfolgt in aller Regel in Klimakisten. Damit werden die größten Gefahren, die insbesondere aus Temperaturschwankungen, aber auch aus Erschütterungen des Fahrzeuges resultieren, nach Möglichkeit ausgeschaltet; auch bei bestmöglicher Verpackung ist es aber möglich, daß durch die transportbedingten Erschütterungen Absplitterungen entstehen. Bei fachgemäßer Behandlung der Figuren ist es aber nicht möglich, daß ohne Einwirkung von außen Absplitterungen in dem tatsächlich aufgetretenen Ausmaß verursacht werden. Der Transport einer Skulptur in der Form, daß sie an der Wagenwand festgezurrt wird, ist als höchst unfachmännisch zu beurteilen.

Am 19. März 1979 richtete der Vertreter der Klägerin an den Beklagten ein Schreiben, in dem er darauf hinwies, daß die Skulpturen die im angeschlossenen Sachverständigengutachten näher angeführten Schäden aufweisen. Es wurde darauf verwiesen, daß ein Sockelteil nach Urgenz nachgeliefert wurde, daß ein weiterer Untersockel aber fehlte. Der Vertreter des Beklagten wurde ersucht, wegen der Nachlieferung des Untersockels Nachfrage zu halten, da ohne diesen Originalteil die ganze Figurengruppe an Wert verliere, und bekanntzugeben, ob der Beklagte die Behebung der vom Sachverständigen aufgezeigten Schäden durch einen geeigneten Fachmann auf seine Kosten anerkenne. Über die Wertminderung werde erst nach Behebung der äußeren Schäden Klarheit geschaffen werden können.

Die Klägerin begehrte den Betrag von S 1,110.000,-- s.A., davon S 60.000,-- für Restaurierungskosten und S 1,050.000,-- als Ersatz für die durch Beschädigung der Figurengruppe bzw. den Verlust des Untersatzes eingetretene Wertminderung. Sie habe dem Beklagten die Figurengruppe leihweise zur Ausstellung in seinem Museum zur Verfügung gestellt. Nachdem der Beklagte sein Museum aufgelöst hatte und zudem persönliche Differenzen mit ihm aufgetreten waren, habe sie die Figurengruppe im Jahr 1978 zurückverlangt. Der Beklagte sei mit rechtskräftigem Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau zur Herausgabe der Figurengruppe verpflichtet worden. Er habe in der Folge die Übersendung durch die Speditionsunternehmung Karoline W*** & SÖHNE veranlaßt; dabei seien die Figuren beschädigt worden; ein Untersatz zur Figurengruppe sei ihr nicht zurückgestellt worden. Sie habe durch ihren Rechtsvertreter am 19. März 1979 die Mängel beanstandet, auf den unsachgemäßen Transport hingewiesen, die Nachlieferung des fehlenden Sockels gefordert und die Erhebung von Schadenersatzansprüchen angekündigt. Die Kosten einer fachgemäßen Restaurierung betrügen S 60.000,--; eine Ausdehnung dieses Begehrens behalte sie sich vor. Darüber hinaus sei der Wert der Figurengruppe auch nach fachgemäßer und künstlerisch gelungener Behebung der Schäden um mindestens S 1,050.000,-- gemindert.

Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Er bestritt, daß die Klägerin Eigentümerin der Figurengruppe sei. Der Vater der Streitteile Alois E*** habe diese Figurengruppe im Jahre 1936 dem Museum für Völkerkunde geschenkt und übergeben. Ein allfälliger Schaden an den Figuren sei daher nicht im Vermögen der Klägerin eingetreten. Der Vater der Streitteile habe weiters in einem Kodizill verfügt, daß die von ihm während des Krieges im Museum für Völkerkunde eingelagerten Gegenstände - darunter auch die streitgegenständliche Figurengruppe - ihm, dem Beklagten, zufallen sollten. Bei den festgestellten Schäden handle es sich nicht um Transportschäden, sondern um Altersschäden, die schon bei der Übergabe der Figurengruppe an ihn im Jahre 1964 vorhanden gewesen seien. Der Wertminderungsanspruch sei auch gemäß § 982 ABGB präkludiert.

Das Erstgericht erkannte den Beklagten schuldig, der Klägerin den Betrag von S 260.000,-- s.A. zu bezahlen. Das weitere Begehren auf Zuspruch von S 850.000,-- s.A. wies es ab. Das Erstgericht stellte fest:

Anton E*** habe im Jahre 1936 dem Museum für Völkerkunde eine Reihe von ostasiatischen Kunstgegenständen geschenkt; es sei jedoch nicht erwiesen, daß auch die drei Buddhafiguren dem Museum geschenkt worden seien. Die Figurengruppe sei nach dem Tod des Alois E*** der Witwe Mathilde E*** übergeben worden, weil diese Gruppe des Erbübereinkommens der Mutter der Streitteile zukommen sollte. Mit den drei Figuren seien auch zwei Sockel für die Mittelfigur zum Beklagten transportiert worden. Die Restaurierung der Figurengruppe erfordere rein konservatorische Arbeiten, um einen weiteren Verfall der Figuren hintanzuhalten, und Wiederherstellungsarbeiten. Die Restaurierungskosten seien pro Skulptur mit je S 90.000,-- zuzüglich 10 % Umsatzsteuer zu veranschlagen; jeweils die Hälfte entfalle auf konservatorische Arbeiten bzw. eigentliche Wiederherstellungsarbeiten. Nicht in den Restaurierungskosten enthalten seien die Kosten für die Wiederbeschaffung des unteren Sockels der mittleren Figur. Ein solcher Sockel sei in Wien nicht zu beschaffen. Der Schätzwert und Verkehrswert der Figurengruppe sei, da der untere Sockel der mittleren Figur fehle, mit S 1 Mio. zu veranschlagen. Wäre der untere Sockel vorhanden, würde sich ein um 20 % höherer Wert ergeben. Der Betrag von S 1 Mio. stelle den Schätzwert der Figurengruppe dar, wenn sie ordnungsgemäß und fachgerecht restauriert sei. Da die Figurengruppe um etwa 1700 geschaffen worden sei und bei Antiquitäten dieses Alters davon auszugehen sei, daß sie mindestens einer Restaurierung unterzogen worden seien, veränderten Restaurierungen den Wert solcher Figuren nicht. Bei einwandfreier und sachgemäßer Restaurierung verbleibe keine Wertminderung. Im Zeitpunkt der Ablieferung der Figuren in Wien im Februar 1979 hätten die Restaurierungskosten 60 % der nun geschätzten Kosten betragen. 20 % der geschätzten Kosten entfielen auf die Restaurierung jener Schäden, die sich aus den Absplitterungen jener Teile ergeben, von denen Bruchstücke noch vorhanden seien.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, die Streitteile hätten in Ansehung der Figurengruppe einen Leihvertrag abgeschlossen. Der Beklagte hafte für alle Schäden, die er selbst oder die das von ihm beauftragte Transportunternehmen als sein Erfüllungsgehilfe verschuldet habe. Die Klägerin könne die Restaurierungskosten unabhängig davon begehren, ob sie Eigentümerin der Figurengruppe sei. Die Frist des § 982 ABGB sei durch die außergerichtliche Geltendmachung des Anspruchs gewahrt worden. Die gesamten Restaurierungskosten beliefen sich auf S 90.000,-- pro Figur zuzüglich 10 % Umsatzsteuer. Es seien allerdings nicht alle festgestellten Schäden vom Beklagten zu verantworten, da das Leihgut bereits bei der Übergabe Schäden aufgewiesen habe. Genaue Feststellungen über den Umfang dieser Beschädigungen könnten nicht mehr getroffen werden, so daß bei der Festsetzung des vom Beklagten zu leistenden Ersatzbetrages von der Bestimmung des § 273 ZPO Gebrauch gemacht werden könne. Der von der Klägerin begehrte Betrag von S 60.000,-- sei unter diesem Gesichtspunkt jedenfalls angemessen. Ersatz für eine eingetretene Wertminderung könne grundsätzlich nur der Eigentümer begehren. Die Klägerin habe aber echten und redlichen Besitz an der Figurengruppe nachgewiesen, so daß sie gemäß § 1466 ABGB durch Ersitzung nach drei Jahren Eigentümerin geworden sei. Tatsächlich sei aber nach den Bekundungen des Sachverständigen eine Wertminderung als Folge der Beschädigungen nicht eingetreten. Eine solche ergebe sich lediglich aus dem Fehlen des zweiten Sockels der mittleren Figur. Dem Sachverständigengutachten folgend sei dieser Schaden mit S 200.000,-- anzunehmen, so daß das Wertminderungsbegehren in dieser Höhe gerechtfertigt sei.

Das Berufungsgericht gab den Berufungen der Streitteile in der Hauptsache nicht Folge. Es übernahm die Tatsachenfeststellungen des angefochtenen Urteils. Die Klägerin sei zur Geltendmachung der Reparaturkosten und einer eingetretenen Wertminderung auch dann aktiv legitimiert, wenn sie nicht Eigentümerin der Figurengruppe wäre. Der Beklagte habe als Entlehner für den von ihm oder seinem Erfüllungsgehilfen verschuldeten Schaden einzustehen. Den Beweis, daß eine Beschädigung ohne sein oder seines Erfüllungsgehilfen Verschulden eingetreten sei, habe er nicht erbracht. Der Transport sei unsachgemäß erfolgt, wie allein der Umstand erweise, daß im Stiegenhaus und im Aufzug Bruchstücke der Skulpturen vorgefunden worden seien; daß nach den Bekundungen des Sachverständigen auch bei völlig sachgemäßem Transport in Klimakisten Beschädigungen eintreten könnten, reiche für einen Entlastungsbeweis nicht aus. Der Klägerin könne jedoch an Restaurierungskosten kein höherer als der in der Klage geltend gemachte Betrag von S 60.000,-- zugesprochen werden. Da nicht festgestellt werden konnte, welche Schäden die Figurengruppe bereits im Zeitpunkt der Entlehnung durch den Beklagten aufgewiesen habe und welche Schäden erst später etwa durch unsachgemäße Lagerung oder Manipulation entstanden seien, sei die Ausmessung des Schadensbetrages gemäß § 273 ZPO geboten. Dabei sei grundsätzlich von den Wertverhältnissen im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz auszugehen. Unter Bedachtnahme auf die Restaurierungskosten im Gesamtbetrag von S 270.000,-- zuzüglich 10 % Umsatzsteuer sei der von der Klägerin begehrte Betrag von S 60.000,-- angemessen. Was den für Wertminderungen begehrten Betrag betreffe, so verbleibe bei ordnungsgemäßer Durchführung der Restaurierung kein Schaden, so daß nur das Fehlen des Sockels ein Schadenersatzbegehren rechtfertige. Die dadurch verursachte Wertminderung der Figurengruppe sei vom Erstgericht zutreffend mit S 200.000,-- angenommen worden, so daß dieses Teilbegehren gerechtfertigt sei.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richten sich die Revisionen beider Streitteile. Die Klägerin ficht das Urteil insoweit an, als ihr nicht ein weiterer Betrag von S 210.000,-- s.A. zugesprochen wurde. Der Beklagte bekämpft die Entscheidung des Berufungsgerichtes insoweit, als der dem Klagebegehren stattgebende Teil der Entscheidung des Erstgerichtes bestätigt wurde. Keiner der beiden Revisionen kommt Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

I. Zur Revision des Beklagten:

Die Ausführungen zum Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens erachtet der Oberste Gerichtshof nach Prüfung als nicht gegeben (§ 510 Abs. 3 letzter Satz ZPO).

Es ist nicht strittig, daß zwischen den Streitteilen ein Leihvertrag in Ansehung der Figurengruppe zustandegekommen ist. Gemäß § 979 ABGB trifft den Entlehner grundsätzlich eine Verschuldenshaftung. Er haftet zwar nicht für die durch den vertraglich vereinbarten bzw. üblichen Gebrauch bewirkte Abnützung, wohl aber für verschuldete Beschädigungen und für den verschuldeten Verlust der Sache (Schubert in Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 979). Der Entlehner hat auch für das Verschulden von Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Pflichten bedient, einzustehen (SZ 3/18).

§ 979 ABGB enthält keine Aussage darüber, wem der Entlehner haftet. Die Vorinstanzen erachteten die Klägerin schon auf Grund des abgeschlossenen Leihvertrages als legitimiert, den Schadenersatzanspruch geltend zu machen; das Berufungsgericht ließ die Frage, ob die Klägerin Eigentum erworben habe, dahingestellt. In der Rechtsprechung und Lehre wird der Standpunkt vertreten, daß die Haftung des Gastwirtes als Verwahrer für die von den aufgenommenen Gästen eingebrachten Sachen (§ 970 ABGB) ohne Rücksicht darauf bestehe, ob die eingebrachten Sachen Eigentum des Gastes sind (SZ 34/154; SZ 32/71; SZ 20/173; Gschnitzer in Klang, Komm.2 IV/1, 664; Koziol, Österreichisches

Haftpflichtrecht2 II 369). Der Gast kann, auch wenn er selbst keinen Schaden erleidet, Ansprüche für den Geschädigten geltend machen. Dem Geschädigten, der nicht Gast war, stehen keine Schadenersatzansprüche aus dem Vertrag mit dem Gastwirt, jedoch gegebenenfalls Ansprüche aus deliktischer Schädigung gegen diesen zu. Auch der Hinterleger, der nicht Eigentümer der Sache ist, wird als berechtigt angesehen, vertragliche Ersatzansprüche gegen den Verwahrer geltend zu machen, weil das Vertragsverhältnis nur ihm gegenüber besteht (Stanzl in Klang a.a.O. 648). Dem Eigentümer stehen Vertragsansprüche nur ausnahmsweise zu, wenn nach der Lage des Falles ein Vertrag mit Schutzwirkung zu seinen Gunsten angenommen werden kann (Koziol a.a.O. I 281). Für den Leihvertrag wurde ausgesprochen, daß der Entlehner dem Herausgabeanspruch des Verleihers nicht dessen mangelndes Eigentum entgegenhalten kann (7 Ob 648/78). Auch der Schadenersatzanspruch gemäß § 979 ABGB wird dem Verleiher zuerkannt, selbst wenn er nicht Eigentümer der Sache ist, da nicht das Eigentum, sondern der Leihvertrag Grundlage dieses Anspruches ist (Swoboda in Klang, Komm.1 II/2, 704). Den genannten sogenannten Obhutsfällen ist gemeinsam, daß der Schaden im Vermögen einer Person eintreten kann, der gegenüber sich der Verwahrer bzw. Entlehner nicht zur Sorgfalt verpflichtet hat. Der Mangel einer Vertragsbeziehung zum Eigentümer soll aber nicht dazu führen, daß der verantwortliche Schädiger von seiner Schadenersatzpflicht aus dem Vertrag befreit wird. Die dingliche Rechtslage bewirkt, daß der normalerweise beim Hinterleger bzw. Verleiher eintretende Schaden von einem Dritten, dem Eigentümer, zu tragen ist. In diesen Fällen der Schadensüberwälzung ist dem Vertragspartner die Schadensliquidation im Drittinteresse zu gestatten

(vgl. Koziol a.a.O. I 281), zumal anzunehmen ist, daß der Verleiher ohnehin dem Eigentümer gegenüber verantwortlich ist und damit selbst einen Schaden erleidet. Es ist dann aber, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, entbehrlich zu klären, ob die Klägerin Eigentümerin der Figurengruppe wurde. Zu den Ausführungen der Revision sei aber bemerkt, daß eine Schenkung der Figurengruppe an die Republik Österreich (Museum für Völkerkunde) nicht als erwiesen erachtet wurde. Andererseits wurde, wie der Revisionswerber selbst einräumt (Revisionsschrift S 7), die Feststellung getroffen, daß die Figurengruppe nach dem Erbenübereinkommen der Mutter der Streitteile Mathilde E*** zukommen sollte. Festgestellt wurde auch eine Vereinbarung der Mutter der Streitteile und der Klägerin über eine Schenkung dieser Figurengruppe. Ob der sachenrechtliche Übergabsakt nicht schon in der Einräumung der Verfügungsgewalt über die von der Mutter verlassene Wohnung, deren Schlüssel der Klägerin ausgefolgt wurden, lag und die Klägerin damit Eigentum erworben hat, bedarf bei der dargestellten Rechtslage keiner abschließenden Prüfung. Es sei aber doch erwähnt, daß die Klägerin zumindest vom Tod der Mutter 1961 bis zum Vertrag mit dem Beklagten 1964 offenbar unbestritten im Besitz der Figuren war.

Die Vorinstanzen stellten fest, daß dem Beklagten auch beide Sockel zur mittleren Figur der Gruppe übergeben wurden. Da ein Sockel der Klägerin nicht zurückgestellt wurde und der Beklagte den ihm obliegenden Beweis, daß der Verlust ohne sein Verschulden bzw. das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen eingetreten sei (SZ 56/12), nicht erbrachte, hat er hiefür gemäß § 979 ABGB Ersatz zu leisten. Das Fehlen des Sockels wurde im Schreiben des Vertreters der Klägerin vom 19. März 1979, somit innerhalb eines Monats nach Ablieferung der Figurengruppe, dem Vertreter des Beklagten angezeigt. Gemäß § 982 ABGB ist der "Mißbrauch" oder die "übertriebene Abnützung" des verliehenen Gegenstandes binnen 30 Tagen nach Rückstellung zu rügen. Es handelt sich hiebei nur um eine Meldefrist (Swoboda a.a.O. 708). Die wenn auch nur außergerichtliche Geltendmachung eines ziffernmäßig konkretisierten Schadenersatzanspruchs fordert das Gesetz nicht. Ein solcher Anspruch kann innerhalb dieser kurzen Frist vielfach auch noch gar nicht präzisiert werden. Der Rügeobliegenheit wurde durch die Anzeige des Mangels entsprochen. Durch den Verlust des Sockels ist der Wert der Figurengruppe um S 200.000,-- gemindert, so daß der Zuspruch dieses Betrages dem Gesetz entspricht.

Was den geltend gemachten Ersatzanspruch für die Beschädigung der Figurengruppe betrifft, so wies diese schon im Zeitpunkt der Übergabe an den Beklagten Schäden auf, deren Ausmaß nicht mehr einwandfrei festgestellt werden konnte. Der Gesamtaufwand der Reparaturkosten beträgt (einschließlich Umsatzsteuer) S 297.000,--. Beide Vorinstanzen gelangten unter Anwendung der Bestimmung des § 273 ZPO zum Ergebnis, daß der Zuspruch des in der Klage hiefür begehrten Betrages von S 60.000,-- gerechtfertigt sei. Die Entscheidung des Gerichtes darüber, ob die Bestimmung des § 273 ZPO anzuwenden ist, stellt nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung eine verfahrensrechtliche Frage dar (1 Ob 690/86; JBl. 1976, 370; JBl. 1973, 257; Fasching, JBl. 1981, 225, 234). Das das Berufungsgericht die Anwendung des § 273 ZPO durch das Erstgericht billigte, ist eine nochmalige Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof im Revisionsverfahren nicht mehr möglich (1 Ob 690/86; SZ 51/8; JBl. 1972, 569). Eine Frage der rechtlichen Beurteilung stellt es dar, ob das Ergebnis der Anwendung des § 273 ZPO richtig ist (1 Ob 690/86; 8 Ob 627/84; EvBl. 1980/91; JBl. 1973, 257 u.a.). Dieser Prüfung sind die für die Schadenshöhe festgestellten Umstände zugrundezulegen. Nur in dem Rahmen, in dem der Beweis der Höhe des Schadens nicht erbracht werden konnte, also nur mehr oder weniger wahrscheinliche Annahmen möglich sind, ist der Schaden nach dem Ermessen des Gerichtes festzusetzen (4 Ob 109/83 u.a.). Nach den getroffenen Feststellungen wurden der Figurengruppe beim Transport in die Wohnung Schäden zugefügt. 20 % der geschätzten Restaurierungskosten entfallen, wie die Revision zutreffend aufzeigt, auf die Restaurierung jener Schäden, die sich aus Absplitterungen von Teilen ergeben, die im Stiegenhaus und im Aufzug gefunden wurden. Die Figurengruppe erlitt allerdings während des Transports weitere Schäden, wie dies aus der Zusage der Transportunternehmung, daß eine Schachtel mit Bruchstücken noch nachgeliefert werde, zu schließen ist. Eine präzise Feststellung, welche Schäden schon bei Übergabe der Figurengruppe an den Beklagten vorhanden waren, konnte nicht getroffen werden. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände ist die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, daß ein Schadenersatzbetrag von S 60.000,-- gerechtfertigt ist, nicht zu beanstanden. Die Klägerin war auch nicht gehalten, eigene Mittel zur Schadensbehebung einzusetzen, so daß ihr eine Verletzung der Schadensminderungspflicht nicht zur Last fällt (ZVR 1982/195; ZVR 1981/216; Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 13 zu § 1323; Schwimann-Harrer, ABGB V § 1323 Rz 12). Da der Ersatzbetrag dem Geschädigten die Möglichkeit der Ersatzbeschaffung bzw. Wiederherstellung geben soll, ist der zu leistende Betrag, wie das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend erkannte, nach den Verhältnissen im Zeitpunkte des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz zu bemessen (Reischauer a.a.O. Rz 5 zu § 1332).

II. Zur Revision der Klägerin:

Die Ausführungen zum Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens erachtet der Oberste Gerichtshof nach Prüfung als nicht gegeben (§ 503 Abs. 2 letzter Satz ZPO).

Die Klägerin begehrt den Zuspruch eines weiteren Betrages von S 210.000,-- s.A. sowohl für Restaurierungskosten als auch wegen der nach Restaurierung der Figurengruppe verbleibenden Wertminderung. Was den Anspruch auf Ersatz der Wertminderung betrifft, so kann den Ausführungen der Klägerin, daß ein altes Kunstwerk nach einer neuzeitlichen Reparatur ein Konglomerat darstelle, das im Kunsthandel abgelehnt werde, was erfahrungsgemäß zu einer wesentlichen Preiseinbuße führe, so daß ein "merkantiler Minderwert" verbleibe, nicht beigepflichtet werden. Die Klägerin bezieht sich auf die bei Beschädigung von Kraftfahrzeugen entwickelte Judikatur, die sie auch im vorliegenden Fall für anwendbar erachtet. Danach ergibt sich bei Kraftfahrzeugen eine Wertminderung aus der gefühlsmäßigen Abneigung des Käuferpublikums gegen wenn auch vollständig reparierte Fahrzeuge (ZVR 1983/280; ZVR 1981/96; ZVR 1977/298; Reischauer a.a.O. Rz 16 zu § 1332). Die über die Reparaturkosten hinausgehende Wertminderung resulitiert aus dem Verdacht unentdeckter Mängel und schlägt sich in einem geminderten Verkehrswert der Sache nieder (Koziol a.a.O. I 197). Reischauer vertritt zwar a.a.O. Rz 16 zu § 1332 ABGB den Standpunkt, daß die dargestellte Einstellung der Käuferkreise auch bei anderen Sachen zur Wertminderung führen könne und dann zu berücksichtigen sei, doch wurde eine solche Wertminderung vom Sachverständigeng mit dem Hinweis, daß der Käufermarkt bei antiken Figuren dieser Art stets mit Restaurierungen rechne, weil unbeschädigte Figuren aus dieser Zeit "unvorstellbar" seien, verneint. Die Vorinstanzen gelangten zum Ergebnis, daß bei einwandfreier und sachgemäßer Restaurierung keine Wertminderung verbleibe. An diese Feststellung ist der Oberste Gerichtshof gebunden; sie entzieht dem Begehren auf Ersatz weiterer Wertminderung die Grundlage.

Was den Zuspruch eines weiteren Betrages für Restaurierungskosten betrifft, ist auf die Ausführungen zur Revision des Beklagten zu verweisen, wonach unter Anwendung des § 273 ZPo ein Schadenersatzbetrag von höchstens S 60.000,-- gerechtfertigt ist, weil auf die Restaurierung jener Schäden, die sich aus der Absplitterung der Teile ergeben, die von der Klägerin im Stiegenhaus und im Aufzug gefunden wurden, nur 20 % der gesamten Restaurierungskosten entfallen, aber anzunehmen ist, daß die Figurengruppe am Transport weitere, ihrem Umfang nach allerdings nicht genau feststellbare Schäden erlitten hat. Es kann dann dahingestellt bleiben, ob der Zuspruch eines höheren Betrages als S 60.000,-- prozessual zulässig gewesen wäre.

Demzufolge ist beiden Revisionen der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 43 ZPO.

Anmerkung

E11702

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0010OB00610.87.0902.000

Dokumentnummer

JJT_19870902_OGH0002_0010OB00610_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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