TE OGH 1987/9/8 11Os102/87

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.09.1987
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.September 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Levnaic-Iwanski als Schriftführer, in der Strafsache gegen Ernst M*** wegen des Verbrechens der versuchten schweren Erpressung nach den §§ 15, 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z 1 und 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 10.Juni 1987, GZ 8 d Vr 727/87-110, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Scheibenpflug, des Angeklagten Ernst M*** und der Verteidigerin Dr. Huber zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ernst M*** - im zweiten Rechtsgang - des Verbrechens der versuchten schweren Erpressung nach den §§ 15, 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z 1 und 2 StGB (1), des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 und Abs. 2 Z 3 StGB (2), des Vergehens der Sachbeschädigung nach dem § 125 StGB (3) und des Vergehens der gefährlichen Drohung nach dem § 107 Abs. 1 StGB (4) schuldig erkannt.

Den Schuldspuch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 4, 5, 8 und 10 - der Sache nach auch auf die Z 9 lit. a - des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Verfahrensmängel im Sinn des erstgenannten Nichtigkeitsgrundes erblickt der Angeklagte in der Ablehnung seiner in der Hauptverhandlung vom 10.Juni 1987 (Band II/S 166, 167) gestellten (erneuerten) Beweisanträge auf "neuerliche Ladung" der Gabriele S*** und Gegenüberstellung dieser Zeugin mit dem Angeklagten sowie Vernehmung des am 26. und 27.Dezember 1984 im Hotel "P***" (in Padua) diensthabenden Hotelpersonals. Die Vernehmung der Zeugin S*** sollte offenbar (vgl. Band I/S 300 iVm Band I/S 341 und Band II/S 75 ff, 166, 167) dem Nachweis dienen, daß der Angeklagte am 27.Dezember 1984 von 12 Uhr bis 16 Uhr 30 in Padua mit ihr zusammen gewesen sei (und sich mithin nicht bis 15 Uhr dieses Tages im Hotelzimmer bei der Zeugin Dr. M*** befunden haben könne, wie letzere angab).

Der Versuch der Ladung der Gabriele S*** zur Hauptverhandlung vor das erkennende Gericht scheiterte daran, daß es die in der Bundesrepublik Deutschland wohnhafte Zeugin schriftlich ablehnte, vor dem österreichischen Gericht zu erscheinen (Band II/S 13 bis 23) und folglich nur im Rechtshilfeweg in der Bundesrepublik Deutschland vernommen werden konnte (Band II/ON 100). Ihre Angaben - ebenso wie der übrige wesentliche

Akteninhalt - wurden in der Hauptverhandlung vom 10.Juni 1987 verlesen (Band II/S 167). Bei dieser Vernehmung bekundete die Zeugin, daß sie den Angeklagten überhaupt erst am 1.Jänner 1985 kennenlernte. Damit ist aber der zu beweisende Umstand nicht dargetan.

Da die Vorladung der Zeugin S*** vor das erkennende Gericht also "füglich nicht bewerkstelligt werden konnte" (§ 252 Abs. 1 Z 1 StPO), erging die Abweisung des Antrages auf (neuerliche) Vernehmung - diesmal durch die Tatrichter - zu Recht, ohne daß hiedurch Verteidigungsrechte der Angeklagten verletzt worden wären. Eine neuerliche Vernehmung der Zeugin Gabriele S*** im Rechtshilfeweg in der Bundesrepublik Deutschland - wie nunmehr vom Angeklagten in seiner Beschwerdeausführung ventiliert - wurde in erster Instanz nicht beantragt, weshalb das Unterbleiben einer solchen Beweisaufnahme auch nicht wirksam im Rahmen der Verfahrensrüge angefochten werden kann. Im übrigen vermochte der Angeklagte nicht einmal anzugeben, worüber konkret und sachbezogen die Zeugin noch hätte ergänzend befragt werden sollen. Ihre ersichtlich enge, mehrmonatige Freundschaft mit dem Angeklagten hatte Gabriele S*** - entgegen dem Versuch der Verteidigung (S 167/II), ihr in diesem Zusammenhang mangelndes Erinnerungsvermögen vorzuwerfen - ausdrücklich "zugestanden" (S 55/II).

Aber auch der Beweisantrag auf Vernehmung des zur Tatzeit diensthabenden Personals im Hotel "P***" in Padua verfiel zu Recht der Abweisung, weil sich die beantragte Beweisaufnahme bereits im ersten Rechtsgang als unzulässiger Erkundungsbeweis herausgestellt hatte (vgl. hiezu die Ausführungen des Obersten Gerichtshofes in seinem Urteil ON 84) und nunmehr für eine solche Beweisaufnahme überhaupt kein Beweisthema angeführt wurde.

Die Verfahrensrüge versagt daher auch in diesem Punkt schon aus formalen Gründen.

Rechtliche Beurteilung

Mit dem übrigen, teils noch in die Verfahrensrüge aufgenommenen, teils sich aus der Mängelrüge ergebenden weitwendigen Vorbringen sucht der Angeklagte bloß in einer im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen und daher unbeachtlichen Weise, nach Art einer Schuldberufung, die Beweiswürdigung des Erstgerichtes zu bekämpfen, welches aber alle entscheidungswesentlichen Feststellungen eingehend, denkfolgerichtig und im Einklang mit der allgemeinen Lebenserfahrung begründete und sich hiebei insbesondere auch ausführlich mit der Verantwortung des Angeklagten und mit der Aussage der Zeugin Dr. Eva M*** sowie mit der Beziehung dieser beiden Personen zueinander auseinandersetzte. Eines näheren Eingehens auf diese Beschwerdeausführungen bedarf es daher nicht. Wenn unter Anrufung des Nichtigkeitsgrundes der Z 8 des § 281 Abs. 1 StPO eine Anklageüberschreitung darin erblickt wird, daß durch die Voransetzung der Buchstaben "u.a." bei der Aufzählung der einzelnen Verletzungen, welche Dr. Eva M*** im Zuge ihrer Mißhandlungen (§§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 und Abs. 2 Z 3 StGB) erlitt, der Eindruck erweckt werde, der Angeklagte habe der Zeugin über die ausdrücklich aufgezählten Verletzungen hinaus noch weitere zugefügt, genügt es zu erwidern, daß eine Floskel im Urteil, welche nur indirekt auf im übrigen ungenannt bleibende (weitere) Verletzungszufügungen hinzudeuten scheint, schon mangels Konkretisierung weder als Anklageüberschreitung gewertet werden kann, noch sonst geeignet ist, den Angeklagten in irgendeiner rechtserheblichen Weise zu beschweren. Davon abgesehen zählt der Urteilsspruch - außer dem Schädelbasisbruch, dessen Vorliegen vom gerichtsärztlichen Sachverständigen verneint und der vom Erstgericht daher zu Recht nicht als Verletzungsfolge angeführt wurde - zumindest eine Verletzung nicht auf, welche in der Anklageschrift angeführt worden war, nämlich die Beckenprellung, so daß die Buchstaben "u.a." im Urteilsspruch auch darauf bezogen werden können. Von einer Anklageüberschreitung kann jedenfalls keine Rede sein.

Seinerseits einem Rechtsirrtum unterliegt der Angeklagte, soweit er - der Sache nach nicht den Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO, sondern jenen der Z 9 lit. a der genannten Gesetzesstelle relevierend - die Auffassung vertritt, die gegenüber der Zeugin Helga G*** telefonisch abgegebene Äußerung, sie werde ihn kennenlernen, wenn er nach Graz komme, dann werde sie "was erleben" (Punkt 4 des Schuldspruches), sei objektiv nicht geeignet gewesen, die Bedrohte in Fucht und Unruhe zu versetzen, sondern stelle sich als bloße Unmutsäußerung dar. Denn wie schon das Erstgericht in den Entscheidungsgründen zutreffend ausführte (Band II/S 205), ergeben sich aus den besonderen Umständen jenes Telefongesprächs (Band II/S 187) im Zusammenhalt damit, daß Helga G*** damals bereits wußte, daß ihre Bekannte vom Angeklagten schon früher mißhandelt und verletzt worden war, durchaus reale Gründe für einen Durchschnittsmenschen, die dann folgenden verbalen Drohungen eines offenkundigen Gewalttäters zumindest als Bedrohung mit einer Körperverletzung aufzufassen. Damit besaß aber die Drohung objektiv die im § 74 Z 5 StGB vorausgesetzte Eignung. Hingegen ist es - der in der Rechtsrüge zum Ausdruck gebrachten Ansicht des Angeklagten zuwider - rechtlich unbeachtlich, daß im konkreten Fall das Opfer aus welchem Grund auch immer subjektiv keine Angst empfand und die Drohung als "Gewäsch" abtat.

Soweit der Angeklagte aber beim Faktum 4 des Schuldspruches (§ 107 Abs. 1 StGB) die Erfüllung der subjektiven Tatseite zu bestreiten versucht, bringt er keinen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund zur gesetzmäßigen Darstellung, weil er nicht von den Urteilsfeststellungen, sondern von urteilsfremden Prämissen ausgeht.

Als Subsumtionsirrtum im Sinn der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO rügt der Angeklagte schließlich, neben seiner Verurteilung wegen Verbrechens der versuchten schweren Erpressung nach den §§ 15, 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z 1 und 2 StGB hätte er nicht auch des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 und Abs. 2 Z 3 StGB schuldig erkannt werden dürfen, weil das letztgenannte Delikt im ersteren aufgehe. Auch darin irrt er, weil weder das Delikt der Erpressung nach dem § 144 StGB noch jenes der schweren Erpressung nach den §§ 144, 145 StGB eine Körperverletzung des Opfers voraussetzt, sodaß der Schuldgehalt der Körperverletzungstat durch die Bestrafung wegen Erpressung nicht völlig abgegolten wäre, weshalb zwischen den beiden Delikten der (hier: versuchten) schweren Erpressung und der schweren Körperverletzung echte Idealkonkurrenz besteht (vgl. Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB2, RN 26 zu § 83 und RN 22 zu § 144).

Da das Erstgericht den Angeklagten somit zu Recht sowohl des Verbrechens der versuchten schweren Erpressung nach den §§ 15, 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z 1 und 2 StGB als auch des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 und Abs. 2 Z 3 StGB schuldig erkannte, war die mithin zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über Ernst M*** nach dem § 145 Abs. 1 StGB unter Bedachtnahme auf § 28 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren.

Bei der Strafbemessung wertete es die einschlägigen Vorstrafen wegen verschiedener Vermögens- und Gewaltdelikte, den raschen Rückfall, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit drei Vergehen und die zweifache Qualifikation zum Vergehen der schweren Körperverletzung als erschwerend und berücksichtige demgegenüber den Umstand, daß die schwere Erpressung beim Versuch blieb, als mildernd. Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe.

Die Berufung ist nicht begründet.

Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig festgestellt und auch zutreffend gewürdigt. Der Angeklagte vermag keine weiteren Umstände darzutun, die sein Verhalten in einem milderen Licht erscheinen ließen. Das vom Erstgericht gefundene Strafmaß erweist sich insbesonders in Anbetracht des Unrechtsgehalts der Tathandlungen, der zum Teil außergewöhnlich brutalen Vorgangsweise des Angeklagten und der zahlreichen einschlägigen Vorstrafen als nicht überhöht.

Auch der Berufung konnte daher kein Erfolg beschieden sein. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E11639

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0110OS00102.87.0908.000

Dokumentnummer

JJT_19870908_OGH0002_0110OS00102_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten