TE OGH 1988/1/28 6Ob2/88

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Veröffentlicht am 28.01.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz K***, Landwirt, derzeit bei Familie S***, Neu Prießenegg Nr. 8, 9620 Hermagor, vertreten durch Dr. Franz Müller-Strobl, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Siegfried K***, Landtagsabgeordneter und Landwirt, insgemein T***,

Reichenhaus 3, 9342 Gurk, vertreten durch Dr. Hans Paternioner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Aufhebung eines Übergabsvertrages infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 15. Oktober 1987, GZ 3 R 157/87-49, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 29. Juni 1987, GZ 27 Cg 407/86-42, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 14.956,65 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 1.920 S Barauslagen und 1.185,15 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der im Jahre 1904 geborene Franz K*** sen. war Eigentümer der schon seit 100 Jahren im Familienbesitz befindlichen "Jackl-Liegenschaft". Mit Übergabsvertrag vom 30. Dezember 1970 übergab er die Liegenschaften EZ 24, 25, 27, 38 und 41 KG Neu-Steuerberg im Gesamtausmaß von 141,9 ha seinem 1933 geborenen Sohn Franz (Kläger). Dieser kaufte noch zwei weitere Grundstücke dazu, veräußerte aber auch einen Grundstücksteil. Innerhalb von zwölfeinhalb Jahren nach der Übergabe der Liegenschaften hatte der Kläger eine Verschuldung des Besitzes im Ausmaß von 11,7 Mio S herbeigeführt und überdies noch Bürgschaften für seinen Zwillingsbruder Georg und dessen Ehefrau im Ausmaß von 3 Mio S übernommen. Bevor der Kläger vom 15. Mai bis 30. Mai 1983 eine Reise nach Kanada unternahm, schnitt er seinen Panzerschrank auf, um einen Einbruch vorzutäuschen. Während der Abwesenheit des Klägers von seinem Hof brach dort ein Brand aus. Nach seiner Rückkehr erklärte der Kläger zum Beklagten, seinem im Jahre 1936 geborenen Bruder, er wolle sich erschießen und habe schon alles für den Beklagten geregelt. Am 1. Juni 1983 errichtete der Kläger ein Testament, in welchem er den Beklagten zum Universalerben einsetzte. Am 4. Juni 1983 wurden der Kläger und sein Zwillingsbruder Georg verhaftet und gegen sie die gerichtliche Voruntersuchung wegen des Verdachtes des Verbrechens des versuchten schweren Betruges und der Brandstiftung eingeleitet. Gleich zu Beginn seiner Haft erteilte der Kläger dem Beklagten eine Vollmacht, da der landwirtschaftliche Besitz unversorgt war und es notwendig war, daß jemand das Vieh versorgt aber auch, damit sich jemand um die andrängenden Gläubiger kümmert. Der Beklagte besuchte den Kläger oft im Gefangenenhaus. Der Kläger erklärte zu ihm schon zu Beginn der Haft, er gehe nicht mehr nach Hause, der Kläger solle "das Ganze" bekommen und die entsprechenden Schritte einleiten. Auch im Beisein anderer Personen erklärte der Kläger, er wolle dem Beklagten "das Ganze" übergeben. Auf Ersuchen des Beklagten verfaßte Rechtsanwalt Dr. Edwin K*** einen Übergabsvertrag. Am 8. Juli 1983 begaben sich Rechtsanwalt Dr. Edwin K***, ein Notariatssubstitut und der Beklagte mit einem beaufsichtigenden Organ des Untersuchungsrichters zum Kläger, damit dieser den Vertrag unterfertige. Da sich der Kläger sonderbar benahm, den Vertragsentwurf nicht durchlas und nicht unterfertigte, kam es an diesem Tage zu keinem Vertragsabschluß, eine Gleichschrift des Vertrages wurde jedoch beim Kläger zurückgelassen. Noch am selben Tage suchte der Kläger den Gefangenenhausarzt auf, bei dem er auch schon früher gewesen war. Vom 9. bis 12. Juli 1983 wurde der Kläger, der einen Selbstmordversuch begangen hatte, in der psychiatrischen Abteilung des Landeskrankenhauses Klagenfurt betreut. Am 12. Juli 1983 richtete der Kläger ein Schreiben (Beilage 5) an den Beklagten, in dem es unter anderem heißt: "... Ich bin heute von der Psychiatrie wieder in das alte Haus zurückgekommen. Bitte mach alles, du weißt ja eh, wies geschehen soll .... Den Vertrag hab ich durchgelesen, er paßt. Komme so schnell wie möglich, dann werde ich den Vertrag unterfertigen. ... Komme so rasch als möglich mit Notar." Am 15. Juli 1983 suchten der Beklagte, der Notariatskandidat und Rechtsanwalt Dr. Edwin K*** den Kläger neuerlich im Gefangenenhaus auf. Da der Kläger Ergänzungen des Vertrages wünschte, wollte Dr. Edwin K*** diese in seiner Kanzlei durchführen lassen, auf Wunsch des Klägers wurden die Zusätze aber gleich im Gefangenenhaus geschrieben. Die Ergänzungen betrafen die Anschaffung eines PKWs durch den Beklagten für den Kläger sowie die Verpflichtung des Beklagten, die Versicherungsbeiträge für den Kläger bei der Pensionsversicherungsanstalt der Bauern in gleicher Höhe wie bisher zu bezahlen. Der Kläger schaute den Vertrag durch, las die Ergänzungen und unterschrieb. Bei einem weiteren Besuch des Beklagten im Gefangenenhaus zeigte der Kläger sein Einverständnis mit der getroffenen Regelung. Bei einem Besuch durch andere Geschwister stimmte der Kläger seiner Schwester zu, daß die Besitzübergabe richtig gewesen sei, weil nur der Beklagte den Besitz erhalten und weiterführen könne. Etwa am 10. September 1983 erklärte der Kläger, er möchte alles rückgängig machen. Das gegen den Kläger und seinen Zwillingsbruder Georg eingeleitete Strafverfahren führte lediglich zu einer Verurteilung des Klägers wegen Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs 1 StGB (Aufschneiden des Panzerschrankes), im übrigen (hinsichtlich des Brandes) endete das Strafverfahren aber mit Freispruch. Der Beklagte hat alle Schulden hinsichtlich der übernommenen Liegenschaft bezahlt, unter anderem dadurch, daß er einen eigenen 117 ha großen Grundbesitz verkaufte. Er schlägerte auch 5.000 fm Fichte. Abzüglich der Schlägerungs- und Wiederaufforstungskosten ist pro Festmeter ein Betrag von 500 S zu veranschlagen. In den Jahren 1983 bis 1985 machte der Beklagte Aufwendungen von insgesamt 17,777.305,81 S. Nach Abzug der Erlöse von 4,284.232,45 S verblieb ein zugunsten des Klägers gemachter Aufwand von 13,893.073,46 S.

Der Kläger begehrte mit seiner Klage die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Übergabsvertrages und beantragte, den Beklagten schuldig zu erkennen, in die Einverleibung des Eigentumsrechtes für den Kläger an den Liegenschaften einzuwilligen. Er brachte vor, er sei im Zeitpunkt des Übergabsvertrages nicht im vollen Besitz seiner geistigen Kräfte und daher nicht in der Lage gewesen, rechtswirksam zu verfügen, sodaß dem Vertrag Nichtigkeit nach § 865 ABGB anhafte. Zwischen dem Wert der übernommenen Liegenschaften (mindestens 30 Mio S) und den ausbedungenen Gegenleistungen bestehe überdies ein krasses Mißverhältnis. In der mündlichen Streitverhandlung erklärte der Kläger ausdrücklich, sein Begehren auch auf § 879 Abs 2 Z 4 ABGB zu stützen, weil der Beklagte die Zwangslage und Gemütserregung des Klägers ausgenützt habe.

Der Beklagte bestritt eine geistige Beeinträchtigung des Klägers bei Vertragsunterfertigung und wies darauf hin, daß es sich um einen bäuerlichen Übergabsvertrag gehandelt habe, bei dem der Übernehmer wohl bestehen müsse, weshalb von einem Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung keine Rede sein könne.

Im ersten Rechtsgang gelangte das Erstgericht auf Grund von Feststellungen, nach welchen der Beweis der mangelnden Geschäftsfähigkeit nicht gelungen war, zu einer Abweisung des Klagebegehrens. Das Berufungsgericht übernahm damals die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen, erachtete das Verfahren aber hinsichtlich des behaupteten Wuchers für ergänzungsbedürftig und hob das Ersturteil auf.

Das Erstgericht gelangte im zweiten Rechtsgang neuerlich zu einer Abweisung des Klagebegehrens. Hiebei ging es von folgenden ergänzenden Feststellungen aus:

Der Verkehrswert der Liegenschaft beträgt als "Zerschlagungswert" 29 Mio S, der sogenannte "Wohlbestehenswert" 7,250.000 S. Der Wert der dem Kläger eingeräumten Gegenleistungen macht 2,150.000 S aus. Bei diesen Leistungen handelt es sich um solche, die bei Übergabe eines land- und forstwirtschaftlichen Besitzes mittlerer Größenordnung ortsüblich sind. Überdies hatte der Kläger noch Schulden von 11,7 Mio S zuzüglich Bürgschaften von 3 Mio S zu übernehmen. Der Kläger wäre nicht in der Lage gewesen, die Verbindlichkeit von 11,7 Mio S unter Berücksichtigung von Zinsen und Zinseszinsen in der Höhe von 10 % aus eigener Arbeit mit den Erträgnissen seiner Wirtschaft zu tilgen. Im Jahre 1983, als die Zinsen noch nicht so weit angewachsen waren, wäre es dem Kläger möglich gewesen, durch Abverkauf die Schuldenlast zu tilgen. Bei einem Kapital von 11,7 Mio S ergibt eine Zinsen- und Zinseszinsberechnung bei einem Zinssatz von 10 % bei vierteljährlichem Kontoabschluß für den Zeitraum vom 15. Juli 1983 bis 15. Juli 1987 einen Endbetrag von 17,464.605 S. Die monatlichen Sozialversicherungsbeiträge, die der Beklagte für den Kläger entrichtet, sind von 1983 bis 1987 für die Krankenversicherung von 1.042 S auf 1.210 S und für die Pensionsversicherung von 4.332 S auf 5.472 S gestiegen.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, die Summe der vom Kläger zu erbringenden Gegenleistungen und der zu übernehmenden Schulden und Bürgschaftshaftungen übersteige den "Wohlbestehenswert" bei weitem. Ein - zumindest fahrlässig in Kauf genommenes - krasses Mißverhältnis der Leistungswerte bestehe daher nicht.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteige. Das Gericht zweiter Instanz führte aus, es sei gleichgültig, ob ein Erbhof im Sinne des Kärntner Erbhöfegesetzes vorliege, da dieses Gesetz unmittelbar nur für die Erwerbung im Erbwege Platz greife. Nach ständiger Rechtsprechung seien aber diese Vorschriften auch auf bäuerliche Übergabsverträge unter Lebenden sinngemäß anzuwenden, weil der Grundsatz, daß der Übernehmer "wohl bestehen könne", auf bäuerlichem Gewohnheitsrecht beruhe. Daß es sich um einen solchen bäuerlichen Übergabsvertrag handle, habe der Kläger nicht bestritten. Die vom Beklagten als Übernehmer zu erbringenden Leistungen (Ausgedingsleistungen, Schuldenübernahme etc) überstiegen bei weitem den "Wohlbestehenswert", sodaß von einem Mißverhältnis der Leistungswerte zugunsten des Klägers keine Rede sein könne. Aber selbst wenn man vom höchst möglichen Verkehrswert, nämlich dem "Zerschlagungswert" ausginge, müßte ein auffallendes Mißverhältnis verneint werden. Nach Lehre und Rechtsprechung sei das Mißverhältnis dann auffallend, wenn die Leistung den Wert der Gegenleistung bedeutend übersteige, ohne daß es durch besondere Umstände des Falles sachlich gerechtfertigt wäre. Ziehe man in Betracht, daß es sich bei den Liegenschaften um einen "Familienbesitz" gehandelt habe, dessen Erhaltung auch in der erklärten Absicht des Klägers gelegen und der Personenkreis der möglichen Übernehmer daher eng begrenzt gewesen sei, die Initiative zum Abschluß des Vertrages vom Kläger ausgegangen sei, bei Nichtabschluß mit einem gänzlichen Verlust zu rechnen gewesen wäre, der Vertrag die Zukunft des Klägers gesichert habe und der Beklagte ohnehin über 55 % des geschätzten, im tatsächlichen aber kaum zu erzielenden Verkehrswertes (Zerschlagungswert) geleistet habe, habe objektiv kein besserer Verkaufspreis erwartet werden können, als durch die Gegenleistungen des Beklagten erzielt worden sei. Es lägen damit genügend sachliche Gründe für das Auseinanderklaffen von sogenannten Zerschlagungsverkehrswerten und den Gegenleistungen des Beklagten vor. Von einem wucherischen Ausnützen der gegebenen Zwangslage des Klägers durch den Beklagten könne keine Rede sein. Der Kläger bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision, macht die Anfechtungsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde. Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Als Verfahrensmangel rügt der Kläger das Fehlen von Feststellungen über die Größe der Liegenschaften, über deren Ertrag sowie darüber, daß im Jahre 1983 durch Abverkauf die Schuldenlast noch hätte getilgt werden können. Abgesehen davon, daß das Erstgericht die Feststellung, im Jahre 1983 wäre es möglich gewesen, durch Abverkauf die Schuldenlast zu tilgen, ohnedies getroffen hat (ON 42, S 5 unten = AS 499), handelt es sich bei der Frage, ob noch weitere Feststellungen erforderlich gewesen wären, um eine solche der rechtlichen Beurteilung.

Als Aktenwidrigkeit wird geltend gemacht, die Ausführungen des Berufungsgerichtes, bei Nichtabschluß des Vertrages wäre mit einem gänzlichen Verlust der Liegenschaft zu rechnen gewesen, stünden mit dem Sachverständigengutachten in Widerspruch, nach welchem eine Tilgung der Schuldenlast durch Abverkauf möglich gewesen wäre. Zumindest eine relevante Aktenwidrigkeit liegt aber nicht vor, weil - wie noch auszuführen sein wird - der Umstand, daß im Jahre 1983 eine Tilgung der Schuldenlast durch Abverkauf möglich gewesen wäre, nicht geeignet ist, für den Kläger ein günstigeres Ergebnis herbeizuführen.

Mit den Ausführungen zum Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung versucht der Kläger zunächst darzutun, daß wegen Größe und Ertrag des Liegenschaftsbesitzes kein Erbhof im Sinne des Kärntner Erbhöfegesetzes vorliege. Auf diese Ausführungen braucht jedoch nicht eingegangen zu werden, weil es für die rechtliche Beurteilung ohne Bedeutung ist, ob es sich um einen Erbhof handelt. Beizupflichten ist dem Kläger, daß sich die Bestimmungen des Kärntner Erbhöfegesetzes nicht auf die Übertragung von Liegenschaften unter Lebenden beziehen. Inwieweit eine analoge Anwendung mancher Bestimmungen dieses Gesetzes zu erfolgen hat, braucht hier nicht erörtert zu werden, weil Wucher im Sinne des § 879 Abs 2 Z 4 ABGB jedenfalls nicht vorliegt.

Gewiß hat sich der Kläger zur Zeit des Abschlusses des Übergabsvertrages in einer Zwangslage und Gemütsaufregung im Sinne des § 879 Abs 2 Z 4 ABGB befunden. Geht man vom Verkehrswert der Liegenschaften aus, überstieg die Leistung des Klägers die Gegenleistung des Beklagten auch bedeutend. Entgegen den Revisionsausführungen hatte die Gegenleistung allerdings nicht nur einen Wert von 2,160.000 S, weil auch zu berücksichtigen ist, daß der Beklagte Schulden des Klägers im Ausmaß von 11,7 Mio S und für Bürgschaften 3 Mio S zu bezahlen hatte. Die Unverhältnismäßigkeit der beiderseitigen Leistungen stellt für sich allein aber noch keine Sittenwidrigkeit dar (MietSlg 31.094, 37.064; 3 Ob 621/85, 1 Ob 511/87), für die Verwirklichung des Wuchertatbestandes ist überdies eine Ausbeutung durch den Wucherer notwendig (Gschnitzer in Klang2 IV 1, 203; Krejci in Rummel, ABGB, Rdz 214 zu § 879; 1 Ob 803/53). Wucher liegt dann nicht vor, wenn beide Vertragspartner von vornherein nicht auf ein bestimmtes Verhältnis von Leistung und Gegenleistung abstellen, sondern ein diesbezügliches Mißverhältnis bewußt in Kauf nehmen, was üblicherweise bei bäuerlichen Übergabsverträgen zutrifft (7 Ob 605/80). Im vorliegenden Fall haben die Parteien - auch wenn die Übergabe nicht von den Eltern an die Kinder erfolgte - einen bäuerlichen Übergabsvertrag geschlossen, mit welchem der 50 Jahre alte, verwitwete, kinderlose Kläger, die Liegenschaften, die sich zum Großteil seit vielen Jahren im Familienbesitz befanden und die ihm der gemeinsame Vater übergeben hatte, an seinen Bruder übertrug. Durch die Äußerungen des Klägers, er wolle den Besitz dem Beklagten übergeben, kam zum Ausdruck, es gehe ihm nicht um eine bestmögliche Verwertung, sondern darum, den Besitz als Ganzes dem Bruder zu übergeben. Auch dadurch, daß als Gegenleistungen unter anderem die Dienstbarkeit der Wohnung, die Verpflegung und die Pflege im Krankheitsfall vereinbart waren, kam zum Ausdruck, daß es dem Kläger offensichtlich um die Sicherung seiner künftigen Lebensverhältnisse unter Erhaltung des landwirtschaftlichen Betriebes im Familienbesitz ging. Daher kann dem Beklagten, der unter Berücksichtigung der zu bezahlenden Schulden die Liegenschaft gegen eine wesentlich höhere Gegenleistung übernahm, als sie dem "Wohlbestehenswert" entsprochen hätte, nicht der Vorwurf gemacht werden, den Kläger vorsätzlich oder fahrlässig ausgebeutet zu haben. Es ist also ohne Bedeutung, ob es dem Kläger möglich gewesen wäre, die Schulden durch Grundstücksabverkäufe zu tilgen. Obwohl sich der Kläger bei Abschluß des Vertrages in einer Zwangslage und Gemütsaufregung befand und die beiderseitigen Leistungen wirtschaftlich nicht gleichwertig sind, lag daher Wucher im Sinne des § 879 Abs 2 Z 4 ABGB nicht vor. Zur mangelnden Geschäftsfähigkeit bei Vertragsabschluß enthält die Revision - offensichtlich wegen der zu diesem Thema bereits im ersten Rechtsgang vom Erstgericht getroffenen, vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen - keine Ausführungen, weshalb es nicht erforderlich war, auf diese Frage einzugehen.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E13598

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0060OB00002.88.0128.000

Dokumentnummer

JJT_19880128_OGH0002_0060OB00002_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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