Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*** U*** WIEN, vertreten durch die Landesstelle
Graz, 8021 Graz, Göstingerstraße 26, vertreten durch Dr. Werner Thurner, Dr. Peter Schaden, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Johann E***, Schlosser, 8192 Strallegg, Feistritz 15, vertreten durch Dr. Erwin Gstirner, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 246.514,50 s.A. und Feststellung (Feststellungsinteresse S 200.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 25. Jänner 1988, GZ 4 b R 4/88-29, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 22. September 1987, GZ 13 Cg 43/87-21, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, dem Beklagten die mit S 14.739,45 (darin keine Barauslagen und S 1.339,95 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 4. Dezember 1984 verschuldete der Beklagte als Lenker eines Kleinbusses seines österreichischen Dienstgebers in Ungarn kurz nach dem Ortsgebiet von Molnaszecsöd auf der Vorrangstraße 8 einen Verkehrsunfall, bei dem der mitfahrende, bei der Klägerin pflichtversicherte Johann M*** tödlich verletzt wurde. Zur Unfallszeit war der Beklagte Aufseher im Betrieb im Sinn des § 333 Abs 4 ASVG. Die klagende Unfallversicherungsanstalt erbrachte anläßlich des Todes Johann M*** an dessen Hinterbliebene bis 30. Juni 1986 Pflichtleistungen im Gesamtbetrag von S 246.514,52 und leistet auch in Zukunft eine Witwenrente sowie zwei Waisenrenten je in Höhe von S 3.654,60 14-mal jährlich.
Mit ihrer am 5. August 1986 erhobenen Klage begehrte die Klägerin den Rückersatz ihrer anläßlich des Todes M*** erbrachten Versicherungsleistungen sowie die Feststellung der Haftung des Beklagten für alle ihre künftigen Pflichtaufwendungen aus diesem Anlaß. Sie brachte im wesentlichen vor, daß die vom Beklagten eingehaltene Geschwindigkeit in Anbetracht der deutlich erkennbaren Fahrbahnvereisung wesentlich überhöht gewesen sei und einen Unfall geradezu als wahrscheinlich habe erscheinen lassen, so daß der Beklagte grob fahrlässig gehandelt habe.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im wesentlichen ein, er habe, sobald er das Glänzen der Fahrbahn bemerkt habe, eine Bremsprobe durchgeführt, diese habe aber ergeben, daß die Fahrbahn nicht rutschig gewesen sei. Danach sei er mit ca. 65 km/h weitergefahren und habe im Freilandgebiet auf einer völlig geraden und breiten Fahrbahn einen am rechten Fahrbahnrand mit ca. 20 bis 25 km/h fahrenden Traktor überholt. Beim Zurücklenken auf die rechte Fahrbahnhälfte sei der Kleinbus auf Grund der Vereisung ins Schleudern geraten und in den Straßengraben gestürzt. Diese Vereisung habe sich auf eine Strecke von 200 m erstreckt, zuvor sei die Fahrbahn nur feucht gewesen. Die eingehaltene Geschwindigkeit von 65 km/h sei für die beschriebene Vorrangstraße auch bei feuchter Fahrbahn und leichtem Nebel nicht überhöht gewesen. Die Fahrbahnvereisung sei, auch im Hinblick auf die Außentemperatur von 0 , plötzlich und unvorhergesehen aufgetreten, weshalb auch nach dem Unfall mehrere andere Fahrzeuge im Unfallsbereich ins Schleudern geraten seien. Der Bus habe sich in einwandfreiem Zustand befunden und sei vorne mit Matsch- und Schneereifen, hinten mit High-Grip-Reifen ausgestattet gewesen. Zusammenfassend sei dem Beklagten das nicht rechtzeitige Erkennen der plötzlich aufgetretenen Vereisung nur als leichte Fahrlässigkeit anzulasten.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, wobei es außer von den eingangs wiedergegebenen noch von folgenden weiteren Feststellungen ausging: Die Fahrbahn der Vorrangstraße 8 war nach der Gemeinde Molnaszecsöd über eine Strecke von 200 bis 300 m bis zur Unfallstelle mit Glatteis bedeckt, was man eindeutig erkennen konnte. Im Unfallsbereich konnte man infolge des Nebels nur 100 bis 150 m weit sehen. Bei der Annäherung an die Unfallstelle hielt der Beklagte eine Geschwindigkeit von ca. 70 km/h ein. Als der Beklagte dann eine Zugmaschine überholte und dazu mit einer Geschwindigkeit von 70 bis 75 km/h ganz an die linke Fahrbahnseite fuhr, geriet der Kleinbus wegen des herrschenden Glatteises ins Schleudern und kam von der Straße ab. Infolge des Unfalls wurde der Beklagte rechtskräftig unter anderem wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB veurteilt, weil er seine Fahrgeschwindigkeit nicht den gegebenen Straßenverhältnissen (Glatteis) angepaßt habe und nach dem Überholen eines Traktors ins Schleudern geraten sei. Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, daß das Zivilgericht gemäß § 268 ZPO an die strafgerichtlichen Feststellungen gebunden sei. Gemäß § 25 Abs 1 der auf den vorliegenden Fall anzuwendenden ungarischen "Gemeinsamen Verordnung über die Vorschriften des Verkehrs auf öffentlichen Straßen Nr. 1/1975 des Ministers für Post- und Verkehrswesen und des Ministers für Innere Angelegenheiten" in der zur Unfallszeit geltenden Fassung habe eine Fahrzeuglenker seine Fahrweise u.a. entsprechend den Witterungs-, Licht- und Fahrbahnverhältnissen zu wählen. Der Beklagte als geprüfter Kraftfahrer hätte nun wissen müssen, daß in der vorliegenden Situation (Nebel und Temperatur unter 0 ) mit - auch plötzlich auftretendem - Glatteis zu rechnen sei, und hätte daher seine Geschwindigkeit den Verhältnissen anpassen müssen. Das Glatteis sei nicht überraschend und plötzlich aufgetreten, sondern der Beklagte habe sich mehrere 100 m auf der augenscheinlich eisbedeckten Fahrbahn mit unverminderter Geschwindigkeit - doppelt so schnell wie technisch zulässig - bewegt. Dies begründe seine grobe Fahrlässigkeit, so daß die Regreßansprüche der Unfallversicherung zu Recht bestünden.
Infolge Berufung des Beklagten änderte das Gericht zweiter Instanz das Urteil des Erstgerichtes im Sinne der Klagsabweisung ab. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, insgesamt S 300.000,-- übersteigt, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und traf nach Beweiswiederholung noch folgende ergänzende Feststellungen:
Der Unfall, bei dem der Kleinbus nach dem Überholen des mit 20 bis 25 km/h fahrenden Traktors ins Schleudern geraten und in den Straßengraben gestürzt war, ereignete sich kurz nach 8,00 Uhr morgens; zur Zeit des 40 Minuten danach abgehaltenen Lokalaugenscheines betrug die Temperatur 0 C. Vor dem vereisten Straßenstück war die Fahrbahn nur feucht, an windstillen Stellen sogar trocken, hinter Molnaszecsöd glänzte die Fahrbahn jedoch vom Glatteis. Bei einer vom Beklagten nach der Stadt Körmend (= ca. 8 km vor der Unfallstelle) vorgenommenen Bremsprobe war noch keine Vereisung festzustellen. An der Unfallstelle verläuft die Fahrbahn vollkommen gerade, ist in tadellosem Zustand, 7,4 m breit und von Banketten mit 1,4 m und 1,3 m Breite begrenzt. Der vom Beklagten gelenkte Kleinbus war vorne mit Matsch- und Schneereifen, hinten mit High-Grip-Reifen ausgestattet und befand sich in einwandfreiem Zustand. Die vereiste Fahrbahn im Unfallsbereich hätte noch mit einer Geschwindigkeit von 40 bis 42 km/h sicher befahren werden können.
In rechtlicher Hinsicht bejahte das Berufungsgericht die Anwendung österreichischen Rechtes zur Prüfung des von der Tötung Johann M*** abgeleiteten Schadenersatzanspruches. Bei der Bestimmung der Haftung seien aber die in Ungarn zur Unfallszeit geltenden Verkehrs- und Sicherheitsvorschriften zur berücksichtigen. Der geltend gemachte Ersatzanspruch beruhe auf § 334 ASVG und könne nur im Rahmen von dessen sozialversicherungsrechtlichen Haftungsbeschränkungen gestellt werden; die Beurteilung dieser Haftungsbeschränkungen sei aber jedenfalls nach österreichischem Recht vorzunehmen. Im vorliegenden Fall sei nur mehr die Frage nach dem Verschuldensgrad des Beklagten strittig und entscheidungsrelevant; habe dieser grob fahrlässig gehandelt, so bestehe der geltend gemachte Rückersatzanspruch der klagenden Unfallversicherungsanstalt gemäß § 334 Abs 1 ASVG zu Recht, habe der Beklagte nur leicht fahrlässig gehandelt, wäre die Klage abzuweisen. Zur Entscheidung dieser Frage sei aus der rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung des Beklagten nur insoweit etwas zu gewinnen, als darin die Wahl einer überhöhten Geschwindigkeit als für die Verurteilung maßgebende Verschuldenskomponente bindend festgestellt wurde, woraus aber noch nichts über den Grad des Verschuldens ableitbar sei. Für die Wahl der Fahrgeschwindigkeit im vorliegenden Fall sei § 25 Abs 1 der schon im erstgerichtlichen Urteil angeführten ungarischen Straßenverkehrsordnung maßgebend, der bestimme: "Mit einem Fahrzeug ist auf der Straße so zu fahren, daß die Fahrweise
-
den Eigenheiten des Fahrzeugs und der Ladung
-
den Straßenverhältnissen (Linienführung der Straße, Qualität der Fahrbahnoberfläche und Zustand der Fahrbahn)
-
den Verkehrsverhältnissen sowie
-
den Witterungs- und Sichtverhältnissen
entspricht". Für die Wahl der Fahrgeschwindigkeit seien daher nach ungarischem Straßenverkehrsrecht im wesentlichen dieselben Kriterien maßgebend wie nach § 20 Abs 1 der österreichischen Straßenverkehrsordnung. Es könne somit zur Einschätzung des Grades an Fahrlässigkeit, die in der Mißachtung der die Fahrgeschwindigkeit regelnden ungarischen Straßenverkehrsvorschrift liege, auch auf die Rechtsprechung zu der entsprechenden österreichischen Bestimmung zurückgegriffen werden. Zur Beantwortung der Frage, ob der Beklagte grob fahrlässig (= auffallend sorglos im Sinn des § 1324 ABGB) gehandelt habe, seien die von Lehre und Rechtsprechung herausgearbeiteten Kriterien heranzuziehen, wobei zu berücksichtigen sei, daß der Geschädigte die Beweislast für das Vorliegen grober Fahrlässigkeit im Sinn eines objektiv extremen Abweichens von der gebotenen Sorgfalt trage. Maßgebend dafür sei die Bedeutung des Sorgfaltsverstoßes in Verbindung mit der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. Grob fahrlässig handle demnach ein Schädiger, der die erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlicher und auffallender Weise vernachlässige, wobei sein Versehen sich aus der Menge der unvermeidlichen Fahrlässigkeitshandlungen des täglichen Lebens auffallend hervorhebe, den Schadenseintritt als wahrscheinlich und nicht bloß als möglich vorhersehbar mache und dem Schädiger auch subjektiv schwer vorwerfbar sein müsse. Grob fahrlässig sei ein Verhalten, das einem ordentlichen Menschen in der konkreten Situation keinesfalls unterlaufe. Wende man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so vermöge das Berufungsgericht im Fahrverhalten des Beklagten (noch) keine grobe Fahrlässigkeit zu erblicken; dem Beklagten sei vorzuwerfen, daß er seine Fahrgeschwindigkeit auf den 200 bis 300 m erkennbarer Eisfahrbahn nicht dieser Fahrbahnbeschaffenheit entsprechend vermindert habe. Dabei sei jedoch zu bedenken, daß er bei seiner (Überhol-)Geschwindigkeit in der Sekunde etwa 20 m zurücklegte und daher bis zum Unfall (nach der Beweislastverteilung sei von 200 m auszugehen) nur rund 10 Sekunden lang auf vereister Fahrbahn fuhr, ohne die erkennbare Gefahrensituation zu erfassen und darauf zu reagieren. Der Schuldvorwurf reduziere sich daher auf ein mehrere Sekunden langes Verkennen der Fahrbahnbeschaffenheit. Das am Beginn dieser Gefahrensituation eingeleitete Überholmanöver sei unter dem Aspekt dieser noch nicht grob schuldhaften Fehleinschätzung zu sehen und dem Beklagten nicht gesondert anzulasten; es wäre unter den bis zum Beginn der Vereisung herrschenden Verhältnissen (7,4 m breite und vollkommen gerade Straße, trockene bis feuchte Fahrbahn, geringe Geschwindigkeit des überholten Zugfahrzeuges, kein Gegenverkehr) nicht zu beanstanden. Weiters sei zu berücksichtigen, daß nach dem Unfall des Beklagten auch andere Fahrzeuge im Bereich der Unfallstelle ins Schleudern kamen. Daraus gehe hervor, daß der vom Beklagten gesetzte Sorgfaltsverstoß nicht ganz ungewöhnlich gewesen, sondern auch anderen, von den geänderten Fahrbahnverhältnissen überraschten Verkehrsteilnehmern unterlaufen sei. Auch dies zeige, daß ein für die Begründung grober Fahrlässigkeit hinreichend extremes Abweichen von der geforderten Sorgfalt beim Beklagten nicht vorgelegen sei. Das Fehlverhalten des Beklagten könne daher noch als ein solches beurteilt werden, das auch einem ordentlichen, "maßgerechten" Menschen unterlaufen könnte. Mangels grober Fahrlässigkeit hafte der Beklagte der Klägerin nicht nach § 334 ASVG. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision der Klägerin aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des Urteils des Erstgerichtes.
Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Klägerin führt in ihrem Rechtsmittel unter anderem aus, man dürfe die 200 m, die der Beklagte auf Glatteis zurückgelegt habe, nicht losgelöst von dem übrigen Verkehrsgeschehen betrachten, sondern müsse davon ausgehen, daß der Beklagte naturgemäß um die herrschende Außentemperatur wußte und daher bei feuchter Fahrbahn von vornherein mit dem Auftreten von Glatteis rechnen mußte. Die einhellige Judikatur des Obersten Gerichtshofes gehe dahin, daß bei winterlichen Fahrverhältnissen stets mit dem Auftreten von Glatteis zu rechnen sei. Wenn der Beklagte daher schon auf der feuchten Fahrbahn bei Temperatur um den Gefrierpunkt eine Geschwindigkeit von 70 km/h eingehalten habe, habe er besonders aufmerksam fahren müssen, damit er auf das Auftreten von Glatteis jederzeit reagieren könne. Das Ignorieren einer eindeutig erkennbaren, mindestens 200 m langen Glatteisstrecke und das Beibehalten einer Geschwindigkeit von 70 km/h, wobei beim Überholen ohne technische Notwendigkeit noch auf 75 km/h beschleunigt worden sei, müsse jedenfalls als grob fahrlässig bezeichnet werden.
Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.
Zutreffend und im übrigen von der Revision unbekämpft, gelangte das Berufungsgericht zur Anwendung österreichischen Rechtes zur Lösung der einzigen noch strittigen Frage, ob dem Beklagten grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 334 Abs 1 ASVG anzulasten sei (vgl. hiezu Schwimann in Rummel ABGB, S. 3051, Rz 7 zu § 48 IPRG; ZVR 1978/15 ua), wobei allerdings die Bestimmungen des Haager Straßenverkehrsübereinkommens BGBl. 1975/387 im Hinblick auf dessen Art. 2 Z 6 nicht herangezogen werden können. Beizupflichten ist dem Berufungsgericht auch, daß für die Frage der Rechtswidrigkeit die am Deliktsort bestehenden "Verhaltensnormen", hier somit die ungarischen Straßenverkehrsvorschriften, zu berücksichtigen sind (vgl. Schwimann aaO, S. 3049, Rz 6 zu § 48 IPRG ua). Der Begriff der groben Fahrlässigkeit als Voraussetzung der Ersatzpflicht gemäß § 334 Abs 1 ASVG ist im Sinne der herrschenden Lehre und Rechtsprechung mit einer ungewöhnlichen und auffallenden Sorgfaltsvernachlässigung zu definieren, die den Eintritt eines Schadens nicht nur als möglich, sondern geradezu als wahrscheinlich voraussehen läßt. Der Begriff der groben Fahrlässigkeit erfordert, daß ein objektiv besonders schwerer Sorgfaltsverstoß bei Würdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalles auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen ist (vgl. ZVR 1984/142 und 176 uva). Entscheidendes Kriterium für die Beurteilung des Fahrlässigkeitsgrades ist also die Schwere des Sorgfaltsverstoßes und die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintrittes, wobei diese Beurteilung stets nur nach den Umständen des Einzelfalles vorgenommen werden kann. Im wesentlichen wird dabei zu prüfen sein, ob der Betreffende ganz einfache und naheliegende Überlegungen nicht angestellt hat (vgl. EvBl 1987/94 ua).
Werden diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall angewendet, kann entgegen der Ansicht der Revision in der Auffassung des Berufungsgerichtes, daß dem Beklagten (der seine Fahrgeschwindigkeit auf den 200 bis 300 m erkennbarer vereister Fahrbahn, die er bis zum Unfall in etwa 10 Sekunden zurücklegte, ohne die Gefahrensituation zu erfassen und darauf entsprechend zu reagieren, da die 7,4 m breite gerade Fahrbahn vor dem Beginn der Vereisung nur teilweise feucht, stellenweise aber auch trocken war und die Geschwindigkeit des vom Beklagten überholten Traktors nur 20 bis 25 km pro Stunde betrug) noch keine grobe Fahrlässigkeit (§ 334 Abs 1 ASVG) anzulasten ist und er daher der Klägerin nicht nach § 334 ASVG haftet, keine unrichtige rechtliche Beurteilung erblickt werden. Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E15687European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0020OB00114.88.1025.000Dokumentnummer
JJT_19881025_OGH0002_0020OB00114_8800000_000