TE OGH 1989/10/30 6Ob17/89

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Veröffentlicht am 30.10.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Handelsregistersache betreffend die reg. Firma "R***", Maschinen Gesellschaft mbH, Industriestraße B/15, 2345 Brunn am Gebirge, infolge Revisionsrekurses dieser Gesellschaft vertreten durch Dr. Nikolaus Schindler, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 14. August 1989, GZ 6 R 59/89-72, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 30. März 1989, GZ 7 HRB 27.936-69, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Im Handelsregister des Erstgerichtes ist seit 3. April 1981 die "R***" Maschinengesellschaft mbH (im folgenden: Gesellschaft) eingetragen. Das Stammkapital beträgt seit einer Kapitalerhöhung S 1,000.000,-. In der vom Geschäftsführer Kurt W*** vorgelegten Gesellschafterliste vom 18. Dezember 1981 scheint als einzige Gesellschafterin die G*** H*** Gesellschaft mbH (im folgenden: G***) auf. Mit Notariatsakt vom 8. August 1984 trat die G*** 51 % ihrer Anteile an die Firma B*** A*** ab. Am 7. Juli 1987 zeigte die G*** dem Handelsregister an, daß sie über einen - mangels 3/4-Mehrheit unzulässigen - Verkauf der Geschäftsanteile der Gesellschafterin B*** A*** an die N*** C*** (im folgenden: N***) informiert worden sei. Mit Notariatsakt vom 4. November 1987 übertrug die Firma B*** A*** ihre Anteile der G***, die dadurch wieder alleinige Gesellschafterin wurde. In der dem Handelsregister am 30. November 1987 vorgelegten Gesellschafterliste vom 6. November 1987 scheinen die G*** mit einer Stammeinlage von S 490.000,- und die K*** E*** Gesellschaft mbH, Hannover, mit einer Stammeinlage von S 510.000,-

als Gesellschafter auf. Die zuletzt vorgelegte Gesellschafterliste vom 19. Oktober 1988 weist die G*** mit einer Stammeinlage von S 490.000,- und die "F***" Maschinen- und Anlagengesellschaft mbH, Wien als Gesellschafter auf.

Die N*** brachte zu 16 Cg 58/87 des Erstgerichtes eine Klage gegen die G*** und die Gesellschaft ein, in der sie die Feststellung begehrte, daß der der Firma B*** A*** gehörende Geschäftsanteil aufgrund eines Kaufvertrages vom 30. Juni 1987 wirksam auf sie übergegangen und sie daher Gesellschafterin der Gesellschaft geworden sei. Ferner beantragte die N*** in dieser Klage die Nichtigerklärung des Gesellschafterbeschlusses der Gesellschaft vom 4. November 1987 über die Abberufung und Bestellung von Geschäftsführern, in eventu die Feststellung, daß am 4. November 1987 kein wirksamer Gesellschafterbeschluß gefaßt worden sei. Die N*** brachte hiezu vor, sie habe 51 % des Stammkapitals erworben, die G*** habe auf die Ausübung ihres vertraglichen Vorkaufsrechtes verzichtet und habe dieses nicht wirksam ausgeübt. Die G*** und die Gesellschaft erstatteten in ihrer Klagebeantwortung ein umfangreiches Beweisanbot, zum Thema "Vertragsverhandlungen mit der N***".

Die Entscheidung über eine am 1. Juni 1988 aufgrund eines Generalversammlungsbeschlusses vom 5. Februar 1988 angemeldete Eintragung einer Kapitalerhöhung um S 2,000.000,- auf S 3,000.000,-

setzte das Erstgericht mit Beschluß vom 14. Juni 1988 bis zur rechtskräftigen Entscheidung des zu 16 Cg 58/87 beim Erstgericht anhängigen Rechtsstreites aus. Am 8. November 1988 zog der Geschäftsführer die Anmeldung der Kapitalerhöhung zurück. Am 6. Dezember 1988 meldete der Geschäftsführer neuerlich eine Kapitalerhöhung um S 2,000.000,- auf S 3,000.000,- zur Eintragung an. Der Anmeldung liegt der mit Notariatsakt beurkundete Gesellschafterbeschluß der G*** und der F*** Maschinen- und Anlagengesellschaft mbH vom 7. Oktober 1988 zugrunde. Das Erstgericht setzte auch die Entscheidung über diese Anmeldung gemäß § 127 FGG bis zur rechtskräftigen Entscheidung des zu 16 Cg 58/87 des Erstgerichtes anhängigen Rechtsstreites aus. Es vertrat die Ansicht, in einem rechtskräftigen Urteil würden Feststellungen über das bei der Verfügung des Registergerichtes zu berücksichtigende Rechtsverhältnis getroffen werden. Im Falle eines stattgebenden Urteiles wäre der Geschäftsanteil der Firma B*** A*** nicht an die G***, sondern an die N*** übergegangen, die Gesellschafterbeschlüsse über die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern sowie über die Kapitalerhöhung wären nicht wirksam, weil auch die Anteilsübertragung an F*** nicht wirksam wäre. Es müßte ein Amtslöschungsverfahren eingeleitet werden, weshalb es auf Gründen der Prozeßökonomie gerechtfertigt sei, das Verfahren betreffend die Kapitalerhöhung auszusetzen.

Das Rekursgericht gab dem gegen den Beschluß des Erstgerichtes gerichteten Rekurs der Gesellschaft nicht Folge. Es führte aus, gemäß § 127 FGG könne das Registergericht, wenn eine von ihm zu erlassende Verfügung von der Beurteilung eines streitigen Rechtsverhältnisses abhängig sei, die Verfügung aussetzen, bis über das Verhältnis im Wege des Rechtsstreites entschieden sei. Diese Bestimmung finde ihre Rechtfertigung in dem prozeßökonomischen Interesse an der Vermeidung doppelter Beweiserhebung und in dem Streben nach Entscheidungsharmonie. Das Registergericht habe bei seiner Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen zu verfahren, es solle also weder ohne ausreichenden Grund nach Belieben von dieser Befugnis Gebrauch machen, noch beim Vorliegen eines sachlichen Grundes die Aussetzung unterlassen. Eine Aussetzung der Entscheidung komme also nur dann in Betracht, wenn begründete Zweifel an der Gültigkeit des Gesellschafterbeschlusses bestünden. Die Aussetzung solle grundsätzlich nicht erfolgen, wenn im Interesse der Beteiligten eine sofortige Entscheidung geboten sei. Bei Erhebung einer Anfechtungsklage empfehle sich aber die Aussetzung des Eintragungsverfahrens. In einem solchen Falle habe das Registergericht das Eintragungsverfahren auszusetzen, wenn ein Erfolg der Klage nicht gänzlich ausgeschlossen erscheine. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergebe sich, daß die Zweifel an der Gültigkeit des zur Eintragung angemeldeten Gesellschafterbeschlusses auf Kapitalerhöhung ihre Ursache in erster Linie nicht in einem anfechtbaren Generalversammlungsbeschluß hätten, sondern vor allem die Gesellschaftereigenschaft der Mitgesellschafterin der G*** einer Prüfung bedürfe. Der von der G*** und der "F***" Maschinen- und Anlagengesellschaft mbH gefaßte Gesellschafterbeschluß vom 7. Oktober 1988 wäre nämlich, wenn die N*** Gesellschafterin der Gesellschaft geworden sein sollte, eine rechtlich unbeachtliche Willensäußerung einer Minderheit. Nach Lehre und Rechtsprechung wäre in diesem Falle eine Beseitigung des Gesellschafterbeschlusses mit einer Klage nach § 41 GmbHG gar nicht erforderlich, weil er rechtliche Wirkungen überhaupt nicht erzeugen könnte. Zu Recht habe das Erstgericht schon im Hinblick auf das umfangreiche Beweisvorbringen der N*** zu diesem Thema im Verfahren 16 Cg 58/87 des Erstgerichtes auf Gründen der Prozeßökonomie von einer Prüfung im Registerverfahren Abstand genommen. Aber auch der weitere Einwand der Rechtsmittelwerberin, es sei nicht auszuschließen, daß die Kapitalerhöhung auch beim Wechsel der Gesellschafter aufrecht bleibe, erweise sich als nicht stichhaltig. Auf (unsichere) Prognosen über das Verhalten der Gesellschafter nach Beendigung des zu 16 Cg 58/87 des Erstgerichtes anhängigen Rechtsstreites sei vom Registergericht bei der Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen jedenfalls nicht abzustellen. Die bloße Möglichkeit der Fassung eines gleichen Beschlusses auf Kapitalerhöhung nach Lösung der Frage, wer Gesellschafter sei, ändere nichts an der Notwendigkeit einer Klärung dieses Problems vor der Eintragung des Generalversammlungsbeschlusses vom 7. Oktober 1988 betreffend Kapitalerhöhung.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Gesellschaft gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist unzulässig.

Da das Rekursgericht den Beschluß des Erstgerichtes bestätigte, wäre ein Rekurs an den Obersten Gerichtshof nur im Falle einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit der Entscheidung oder einer begangenen Nullität statthaft. Derartige Gründe werden aber nicht geltend gemacht.

Die Rechtsmittelwerberin behauptet einerseits das Vorliegen offenbarer Gesetzwidrigkeit, andererseits regt sie an, die Vorschrift des § 127 FGG vom Verfassungsgerichtshof prüfen zu lassen. Der Rüge offenbarer Gesetzwidrigkeit ist entgegenzuhalten, daß dieser Anfechtungsgrund nur materiellrechtliche, nicht aber verfahrensrechtliche Verstöße betrifft (EFSlg 44.644, 52.762 uva). Die Aussetzung der zu erlassenden Verfügung durch das Registergericht nach § 127 FGG ist aber eine verfahrensrechtliche Maßnahme. Sie könnte im Rahmen des § 16 AußStrG daher nur im Falle einer Nichtigkeit bekämpft werden (6 Ob 11/77, 6 Ob 2/81). Nichtigkeit wird im Revisionsrekurs nicht ausdrücklich geltend gemacht. Es ist allerdings zu prüfen, ob nicht allenfalls in den Rechtsmittelausführungen zur offenbaren Gesetzwidrigkeit die Rüge eines Verfahrensmangels vom Gewicht einer Nichtigkeit enthalten ist. Die Revisionsrekurswerberin macht geltend, die Aussetzung käme einer Registersperre gleich. Darin könnte die Behauptung einer Rechtsverweigerung erblickt werden. Von einer solchen könnte aber nur gesprochen werden, wenn die Aussetzung ohne jede Grundlage erfolgt wäre (6 Ob 11/77, 6 Ob 2/81). Davon kann hier jedoch nicht gesprochen werden, weil beim Handelsgericht Wien ein Verfahren darüber anhängig ist, ob die N*** Gesellschafterin der Gesellschaft mit einem Anteil von 51 % ist. Ein derartiges Verfahren vermag eine Grundlage für eine Aussetzung im Sinne des § 127 FGG abzugeben. Die im Revisionsrekurs erörterte Frage der Beweispflicht in dem beim Erstgericht aufgrund der Klage der N*** anhängigen Zivilprozeß ist hier nicht zu erörtern. Auf die Rechtsmittelausführungen, der Nachteil, der der Gesellschaft dadurch erwachse, daß die Eintragung in das Handelsregister ausgesetzt worden sei, sei wesentlich schwerwiegender als die Folgen, die eintreten würden, wenn die Eintragung vollzogen würde und die N*** dann im Prozeß obsiege, die Umstände seien nicht abgewogen worden, ist nicht einzugehen, weil damit jedenfalls kein Verfahrensmangel vom Gewicht einer Nichtigkeit aufgezeigt wird. Das Gleiche gilt für die Ausführungen, die "F***" Maschinen- und Anlagengesellschaft mbH habe als Besitzerin des Geschäftsanteiles die Rechtsvermutung eines gültigen Titels für sich. Nicht zielführend ist auch die Behauptung, es liege ein Verstoß gegen Grundprinzipien des österreichischen Rechtes vor, wonach ein Handelsregister eingerichtet und mit bestimmten Aufgaben ausgestattet wird, um bestimmte Funktionen erfüllen zu können. Ein Verstoß gegen Grundprinzipien des Rechtes könnte wohl eine offenbare Gesetzwidrigkeit im Sinne des § 16 Abs 1 AußStrG darstellen (EFSlg 44.647, 52.758), doch kann dieser Anfechtungsgrund - wie bereits ausgeführt - bei der hier vorliegenden verfahrensrechtlichen Maßnahme nicht herangezogen werden. Im übrigen könnte bei einer Aussetzung im Sinne des § 127 FGG gewiß nicht von einem Verstoß gegen Grundprinzipien des österreichischen Rechtes gesprochen werden, da die Aussetzung im Gesetz vorgesehen ist. Die Ausführungen im Revisionsrekurs, der Grundsatz des audiatur et altera pars sei verletzt worden, sind verfehlt, denn es ist nicht richtig, daß die Vorinstanzen das Vorbringen der N*** in ihrer Klage einer Sachprüfung unterzogen haben.

Es bleibt daher nur noch zu erörtern, ob gegen die Vorschrift des § 127 FGG verfassungsrechtliche Bedenken bestehen, denn der Oberste Gerichtshof kann auch anläßlich der Erledigung eines Rekurses nach § 16 Abs 1 AußStrG ein Gesetz als verfassungswidrig anfechten (JBl 1981, 423; EFSlg 37.417; 6 Ob 597/88). Entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerberin werden jedoch durch die Aussetzung eines Verfahrens bis zur Entscheidung einer präjudiziellen Frage in einem anderen gerichtlichen Verfahren weder die Unversehrtheit des Eigentums, noch die Gleichheit vor dem Gesetz, noch das Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt. Der Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

Anmerkung

E18899

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0060OB00017.89.1030.000

Dokumentnummer

JJT_19891030_OGH0002_0060OB00017_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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