TE OGH 1991/7/17 15Os83/91

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Veröffentlicht am 17.07.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.Juli 1991 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Brustbauer, Dr. Kuch, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kandera als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Peter W***** wegen des versuchten Verbrechens nach § 15 StGB, § 12 Abs. 1 SGG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Steyr als Schöffengericht vom 16.Mai 1991, GZ 12 Vr 65/91-16, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des versuchten Verbrechens nach § 15 StGB, § 12 Abs. 1 SGG laut Punkt I des Urteilssatzes sowie im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Peter W***** der Verbrechen (zu I) nach § 12 Abs. 1 SGG in der Entwicklungsstufe des Versuches nach § 15 StGB, und (zu II 1 a) des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs. 1 StGB, ferner der Vergehen (zu II 1 b) der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 4 StGB, (zu II 2) der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB, sowie (zu II 3) der Sachbeschädigung nach § 125 StGB schuldig erkannt.

Nur den Schuldspruch wegen des (versuchten) Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG laut Punkt I des Urteilssatzes bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5, 5 a und 9 lit a (hilfsweise 9 lit b) StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Das zuletzt bezeichnete Verbrechen liegt ihm zur Last, weil er zwischen dem 19. und dem 30.Juni 1990 in Garsten mit dem abgesondert verfolgten Andreas S***** als Beteiligten (§ 12 StGB) vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider durch den geplanten Verkauf von 305 Gramm Cannabisharz ein Suchtgift in einer solchen (großen - US 15) Menge in Verkehr zu setzen versucht hat, "daß daraus in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen hätte können", indem sie sich das in einem Cassettenrecorder versteckte Suchtgift in die Strafvollzugsanstalt Garsten senden ließen, wobei die Tatvollendung durch die Aufmerksamkeit von Justizwachebeamten unterblieb.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen traf der als Strafgefangener in der Strafvollzugsanstalt Garsten angehaltene Angeklagte dort mit dem Strafgefangenen Andreas S***** ein Übereinkommen des Inhalts, daß sich der Letztgenannte als Adressat eines Pakets mit einem Cassettenrecorder zur Verfügung stelle; in dem Gerät sollte Cannabisharz versteckt sein. Das Suchtgift sollte dem Beschwerdeführer übergeben und in der Folge in der Strafvollzugsanstalt an andere Strafgefangene weiterveräußert werden. Am 19.Juni 1990 langte in der Anstalt tatsächlich ein für S***** bestimmtes Paket ein, in welchem auf die vorgesehene Weise 305 Gramm Cannabisharz (THC-Gehalt: 26,8 Gramm) versteckt waren. Die Postsendung wurde von Strafvollzugsbeamten durchsucht und dabei das Suchtgift entdeckt. Nachdem Beamte der Sicherheitsbehörde die Cannabispackungen durch Attrappen ersetzt hatten, wurde der Cassettenrecorder an S***** ausgefolgt, der das Gerät mit den darin versteckten vermeintlichen Suchtgiftpackungen an den Angeklagten weitergab. Ungeklärt blieb, ob der Beschwerdeführer der "Drahtzieher" dieser versuchten Suchtgiftbeschaffung war oder bloß als "Zwischenbote" für andere Personen agierte.

In rechtlicher Beziehung beurteilte das Erstgericht das festgestellte Verhalten des Angeklagten als Versuch, eine große Menge Suchtgift in der Strafvollzugsanstalt Garsten in Verkehr zu setzen und fällte demnach einen Schuldspruch wegen des Verbrechens nach § 15 StGB und § 12 Abs. 1 SGG.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet der Beschwerdeführer im Rahmen der Rechtsrüge zutreffend ein, daß die ihm angelasteten Handlungen mangels Ausführungsnähe noch nicht das Stadium eines von ihm in unmittelbarer Täterschaft gesetzten strafbaren Versuches des Inverkehrsetzens von Suchtgift erreicht haben.

Vorausgeschickt sei, daß das Schöffengericht für die rechtliche Tatbeurteilung (richtigerweise) nur das Geschehen bis zur Entdeckung und Sicherstellung des Cannabisharzes durch die Justizwache heranzog, weil zu einem späteren Zeitpunkt eine Deliktsvollendung unter keinen Umständen möglich war (SSt 57/81); ebenso wurde im Urteilssachverhalt schon deshalb mit Recht ein tauglicher (von Strafvollzugsbeamten vereitelter) Versuch des Inverkehrsetzens von Suchtgift erblickt, weil jedenfalls der unbekannte Absender des Suchtgiftes entsprechende Tathandlungen gesetzt hat.

Die Rolle des Angeklagten beschränkte sich allerdings den Urteilsannahmen zufolge darauf, mit dem über den Tatplan informierten Adressaten zu vereinbaren, daß dieser das Suchtgift an ihn weiterleite. Für die Entscheidung, inwieweit der Beschwerdeführer durch diese Tätigkeit bereits einen strafbaren Versuch des Inverkehrsetzens des Suchtgiftes vewirklichte oder bloß eine in dieser Beziehung von § 12 Abs. 1 SGG iVm § 15 Abs. 1 StGB noch nicht erfaßte Vorbereitungshandlung vorlag, kommt es gemäß § 15 Abs. 2 StGB rechtlich darauf an, ob er damit seinen Entschluß, das Cannabisharz in Verkehr zu setzen, durch eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung betätigte. Versuch setzt ein Handeln voraus, das in unmittelbarer, sinnfälliger Beziehung zum tatbildmäßigen Unrecht steht und eine zeitliche sowie aktionsmäßige Nähe zum geplanten Ausführungsbeginn aufweist. Liegen zwischen der fraglichen Betätigung und den Ausführungshandlungen wesentliche zeitliche, örtliche oder manipulative Zwischenetappen, dann wird noch kein strafbarer Versuch verübt. Die Ausführungsnähe ist konkret an Hand der dem jeweiligen Tatbild entsprechenden Ausführungshandlung - nach Lage des Falles somit der Tätigkeitsumschreibung: "Suchtgift in Verkehr setzen" - zu prüfen. Inverkehrsetzen bedeutet jede Tätigkeit, mit welcher die Verfügungsgewalt über das Suchtgift mittels eines tatsächlichen oder rechtlichen Vorganges von einer Person auf eine andere Person übertragen wird. Vom Agieren im nahen Vorfeld eines solchen Weitergabevorganges kann aber keine Rede sein, wenn - wie hier - die handelnde Person über das Suchtgift noch nicht verfügt, sondern auf die Suchtgiftüberlassung durch einen tatplanmäßig eingeschalteten Mittelsmann warten muß, der (anders als in dem zu EvBl 1981/104 entschiedenen Fall) seinerseits das Deliktsobjekt ebenfalls noch nicht besitzt, sondern es erst auf dem Postweg erhalten soll. Bei diesen Gegebenheiten liegt auf der Hand, daß der Angeklagte durch eigenständige manipulative Zwischenetappen von der gewollten Weitergabe des noch gar nicht erlangten Suchtgiftes entfernt war und demgemäß keine der Tatausführung des Inverkehrsetzens unmittelbar vorangehende Handlung vornehmen konnte.

Die rechtliche Annahme einer vom Beschwerdeführer als unmittelbarem Täter verübten Versuchstat nach § 12 Abs. 1 SGG erweist sich somit als verfehlt, ohne daß auch noch auf die Frage eingegangen werden muß, inwieweit im Hinblick auf die Anhaltung des Angeklagten und des Andreas S***** im Strafvollzug einer Tatplanverwirklichung allenfalls noch zusätzliche Hemmnisse entgegenstanden, sodaß unter Umständen vor der Tatausführung weitere Zwischenakte notwendig sein konnten. In gleicher Weise ist eine nähere Erörterung des Umstandes entbehrlich, daß aus den Urteilsfeststellungen zwar in bezug auf S***** ein Wille zur sofortigen Weitergabe des Suchtgiftes an den Beschwerdeführer und damit ein promptes Inverkehrsetzungsvorhaben erschließbar ist, jedoch die diesbezügliche Weitergabeplanung des Angeklagten jedenfalls hinsichtlich des zeitlichen Ablaufes und einer allfälligen Nähe des Inverkehrsetzungstermins ungeklärt blieb (siehe hiezu SSt 46/22).

Da das Erstgericht die einer abschließenden verläßlichen rechtlichen Beurteilung über den von der Anklage umschriebenen Sachverhalt erforderlichen und nach dem Akteninhalt gebotenen (positiven oder negativen) Tatsachenfeststellungen unterlassen hat, ist eine Aufhebung des angefochtenen Schuldspruches und die Erneuerung des erstinstanzlichen Verfahrens unumgänglich. Im neu durchzuführenden Verfahren wird insbesondere eine Sachverhaltsklärung dahin erforderlich sein, ob der Beschwerdeführer am Versuch des unbekannten Absenders, das in Rede stehende Suchtgift durch Übermittlung an Andreas S***** in Verkehr zu setzen, als Beitragstäter - etwa durch Namhaftmachung des empfangsbereiten Adressaten oder durch Bestärkung von dessen Mitwirkungsbereitschaft - beteiligt war. In zweiter Linie wird zu prüfen sein, ob ein Komplott im Sinne des § 14 Abs. 1 SGG feststellbar ist. Sodann hätten die sachverhaltsmäßigen Voraussetzungen eines von § 14 a Abs. 1 SGG erfaßten versuchten (§ 15 Abs. 1 StGB) Erwerbes einer großen Suchtgiftmenge mit dem Vorsatz, daß sie in Verkehr gesetzt werde, Beachtung zu finden.

Da sohin die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, war der aus den dargelegten Gründen berechtigten Nichtigkeitsbeschwerde - wobei ein Eingehen auf deren sonstiges Vorbringen nicht erforderlich war - Folge zu geben und schon bei einer nichtöffentlichen Beratung wie im Spruch zu erkennen.

Anmerkung

E26417

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0150OS00083.91.0717.000

Dokumentnummer

JJT_19910717_OGH0002_0150OS00083_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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