TE OGH 1991/12/17 11Os132/91 (11Os133/91)

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.12.1991
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.Dezember 1991 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Felzmann, Dr. Rzeszut und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Aigner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Andreas B***** und andere wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Raubes nach den §§ 142 Abs. 1 und 2, sowie 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Christian D***** gegen das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Jugendschöffengericht vom 10. September 1991, GZ 11 c Vr 306/91-57, sowie dessen Beschwerde gegen den gleichzeitig verkündeten Widerrufsbeschluß, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Hauptmann, des Angeklagten Christian D***** und der Verteidiger Dr. Eva-Maria Leeb-Bernhard zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung und der Beschwerde wird nicht Folge gegeben. Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der ***** 1971 geborene Christian D***** - neben zwei (rechtskräftig verurteilten) Mittätern - des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten Raubes nach den §§ 142 Abs. 1 und 15 StGB (A I 2 und A II), des Verbrechens des (minderschweren) Raubes nach dem § 142 Abs. 1 und 2 StGB (A I 1) und des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Z 1 und 15 StGB (B) schuldig erkannt. Darnach liegt ihm zur Last, er habe in Dürnkrut anderen - mit Gewalt gegen die Person - fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung weggenommen (A I), nämlich am 11. und 12.April 1991 dem 78-jährigen alkoholisierten Franz W***** jeweils 30 S, indem ihn ein Mittäter an der Jacke festhielt und der Jackentasche das Geld entnahm und er selbst Aufpasserdienste leistete (1 a und b), zwischen 1. und 3.April 1991 dem alkoholisierten Franz W***** 800 S Bargeld, indem ein Mittäter den Oberkörper des Opfers umklammerte und aus der Jackentasche das Geld entnahm, während er wieder Aufpasserdienste leistete (2) und schließlich am 2. Mai 1991 gemeinsam mit zwei Mittätern versucht (A II), dem Rudolf S***** Bargeld (in die Bagatellgrenze übersteigender Höhe) wegzunehmen, was nur deshalb mißlang, weil das Opfer kurz vor Passieren des in Aussicht genommenen Tatortes von einem vorbeikommenden PKW-Lenker mitgenommen wurde. Überdies stahl Christian D***** ab November 1990 bis April 1991 teils allein, teils in Gesellschaft eines Mittäters in mehreren Angriffen den im Urteilsspruch genannten Personen, teilweise durch Einbruch, Geld und Waren in einem 25.000 S nicht übersteigenden Wert (B I) und versuchte in einem Fall Bargeld zu stehlen (B II).

Christian D***** ficht mit seiner auf den § 281 Abs. 1 Z 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde nur die (Schuldspruch-)Fakten A I 2 und A II an, wogegen er den Strafausspruch mit Berufung und den Widerrufsbeschluß mit Beschwerde bekämpft.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde:

Die Subsumtionsrüge zum Faktum A I 2 mit der Begründung, auch diese Tat wäre ebenso wie die zu A I 1 a und b abgeurteilten Raubtaten dem Tatbestand des sogenannten minderschweren Raubes nach dem 2. Absatz des § 142 StGB zu unterstellen gewesen, scheitert schon daran, daß die dort genannten Tatbestandserfordernisse kumulativ vorliegen müssen. Davon kann hier schon deshalb keine Rede sein, weil die festgestellte Gewaltanwendung als erheblich zu qualifizieren ist:

Nach den Urteilskonstatierungen umklammerte der Mittäter den alkoholisierten Franz W*****, der sein Fahrrad schob, von hinten. Ungeachtet der Hilferufe und Befreiungsversuche hielt ihn der Angreifer an beiden Händen fest zurück und ließ erst dann los, als es ihm trotz Gegenwehr des Opfers gelungen war, der Innentasche 800 S zu entnehmen. D***** stand ca fünf Meter daneben und beobachtete die vorbeifahrenden Fahrzeuge und die Umgebung, um vor allfälliger Entdeckungsgefahr zu warnen (US 10 bis 11). Damit lag aber die mit Billigung des Beschwerdeführers eingesetzte Gewalt, deren Ausmaß und Intensität weit über die in den Fakten A I 1 a und b geübte hinausging, nicht mehr unter der erforderlichen Erheblichkeitsschwelle, sondern überschritt sie bei Anwendung des gebotenen objektiv-individualisierenden Maßstabes unter Berücksichtigung des konkreten Einzelfalles (alter alkoholisierter Mann, dessen Beweglichkeit durch das Fahrrad noch zusätzlich behindert war) bereits deutlich (siehe hiezu JBl 1986, 468; Kienapfel BT II2 RN 107 bis 111, Mayerhofer-Rieder3 E 39 bis 47, je zu § 142 StGB). Demgemäß kann dahingestellt bleiben, ob die Raubbeute von 800 S bei der gebotenen Mitberücksichtigung opferbezogener Schadensfaktoren angesichts eines Einkommens von monatlich 11.700 S (S 305/I) noch als geringfügig anzusehen ist.

Doch auch die zum Faktum A II erhobene Subsumtionsrüge, es läge nicht versuchter Raub, sondern verbrecherisches Komplott (§ 277 Abs. 1 StGB) vor, schlägt auf der Grundlage der getroffenen (Urteils-)Feststellungen nicht durch:

Da der Beschwerdeführer um die Lebensgewohnheiten des ihm persönlich bekannten Rudolf S***** und den Umstand, daß dieser Mann immer größere Geldbeträge mit sich trug, wußte, lauerten ihm die drei Täter an einer ihnen günstig erscheinenden Stelle an seinem Heimweg auf, um das körperlich kräftige Opfer niederzuschlagen und zu berauben. Als S***** sich bereits in Sichtweite befand, hielt jedoch ein Fahrzeuglenker an und nahm ihn mit, was allein dafür ausschlaggebend war, daß der Raubüberfall mit einer die Bagatellgrenze überschreitenden (erhofften) Beute nicht gelang (US 12 bis 13). Der Eintritt in das Versuchsstadium setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, daß (in objektiver Hinsicht) die Handlung wenigstens im unmittelbaren Vorfeld der Deliktsausführung liegt und (in subjektiver Hinsicht) der Täter die entscheidende Hemmschwelle vor der Tatbegehung schon überwunden hat (Mayerhofer-Rieder3 E 4 bis 15 zu § 15 StGB). Beide Voraussetzungen treffen hier zu, weil der Angriff räumlich und zeitlich unmittelbar bevorstand, zumal sich das Opfer den im Hinterhalt lauernden Räubern auf Sichtweite genähert hatte und die Ausführung des Tatplanes nicht etwa durch eine Überlegung der Täter, sondern deswegen unterblieb, weil das Opfer durch einen glücklichen Zwischenfall den in Aussicht genommenen Tatort nicht mehr erreichte. Das Jugendschöffengericht subsumierte diese Tathandlung daher rechtsrichtig unter den Tatbestand des versuchten Raubes nach den §§ 15, 142 Abs. 1 StGB, sodaß für das (nur subsidiär heranzuziehende) schon Vorbereitungshandlungen pönalisierende Verbrechen nach dem § 277 Abs. 1 StGB kein Raum bleibt (RZ 1978/54).

Die (ebenfalls reklamierte) Wertung der Tat als minderschwerer Raub scheitert unter Zugrundelegung des bereits Ausgeführten allein schon an der - unbekämpften - Feststellung, daß die Täter sich auf Grund ihrer Kenntnisse einen größeren, jedenfalls über der Bagatellgrenze liegenden Betrag als Beute erwarteten.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Zur Berufung:

Das Jugendschöffengericht verurteilte Christian D***** nach den §§ 28 Abs. 1, 142 Abs. 1 StGB zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren und wertete bei der Strafzumessung die einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen mehrerer teils wiederholter strafbarer Handlungen und den raschen Rückfall als erschwerend. Als mildernd wurde hingegen berücksichtigt, daß D***** ein umfassendes und reumütiges Geständnis abgelegt hat, zu den Tatzeiten das 21.Lebensjahr noch nicht vollendet hatte und es teilweise beim Versuch blieb.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe im wesentlichen mit der Begründung an, daß das Erstgericht seine in der Hauptverhandlung hervorgekommene innere Umkehr zu wenig gewertet und auch nicht gewürdigt habe, daß er durch den Tod seines Vaters eine moralische Stütze verlor.

Dem ist zu entgegnen, daß das Erstgericht das reumütige Geständnis sehr wohl weitestgehend berücksichtigte, weil es ansonsten nicht zu einer Strafe nahe der Untergrenze hätte kommen können, wenn man die Vielzahl der Delikte innerhalb kurzer Zeit und vor allem den Umstand bedenkt, daß der Berufungswerber eine führende Rolle bei der Auswahl der Opfer und der Durchführung der Taten spielte (S 32, 37, 39, 42, 45, 46/II). Wer ein - wenn auch nur mittelbar - durch den Überfall (infolge eines Schlaganfalles) hilflos gewordenes Opfer auf der Straße liegen läßt, kann sich nicht beschwert erachten, wenn ihm Brutalität und Gefühlskälte vorgehalten werden. Der Oberste Gerichtshof sah sich daher nicht veranlaßt, einer Strafmilderung näherzutreten, weshalb der Berufung der Erfolg zu versagen war.

Zur Beschwerde:

Christian D***** war mit Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg vom 11. Juli 1990, GZ 11 c Vr 730/89-22, des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1, Abs. 2, 148 zweiter Fall und 15 StGB sowie des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Z 3 und 15 StGB schuldig erkannt und unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt worden. Trotz Bestellung eines Bewährungshelfers am 25.Oktober 1990 wurde er - wie eingangs geschildert - sofort wieder und wenige Monate später massiv und spezifisch einschlägig rückfällig, wobei schon die Art der Taten und ihre zeitliche Aufeinanderfolge deutliche Anzeichen für eine sich steigernde kriminelle Neigung darstellen. Das Erstgericht hat daher richtig erkannt, daß die Voraussetzungen des Widerrufes nach dem § 53 Abs. 1 StGB vorliegen und der Strafvollzug zusätzlich zur ausgesprochenen (eher milden) Freiheitsstrafe erforderlich ist, um durch den Vollzug aller ausstehenden Unrechtsfolgen dem Berufungswerber den Ernst der Situation vor Augen zu führen. Den (auch) in der Beschwerde angesprochenen günstigen Zukunftsaussichten kann - bei Vorliegen aller übrigen Voraussetzungen - im Rahmen einer bedingten Entlassung voll Rechnung getragen werden.

Es war daher auch der Beschwerde nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E26938

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0110OS00132.91.1217.000

Dokumentnummer

JJT_19911217_OGH0002_0110OS00132_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten