TE Vwgh Erkenntnis 2006/2/28 2001/03/0365

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Veröffentlicht am 28.02.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/03 Sonstiges Verkehrsrecht;

Norm

GGBG 1998 §13 Abs3;
GGBG 1998 §27 Abs2 Z10;
GGBG 1998 §27 Abs2 Z11;
VStG §51e idF 1998/I/158;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des GD in W, vertreten durch Mag. Mirjam B. Sorgo, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Ledererhof 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 20. Juni 2001, Zl. Senat-SW-00-063, betreffend Übertretungen des Gefahrgutbeförderungsgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Anfechtung (hinsichtlich der Spruchpunkte 1.), 3.) und 4.) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 27. Dezember 1999 um 11.30 Uhr im Gemeindegebiet von 2320 Schwechat, B 9, bei Strkm. 4,8 in Fahrtrichtung Flughafen als Lenker eines dem Kennzeichen nach näher bezeichneten Spezialkraftwagens (Tankwagens) eine Beförderungseinheit in Betrieb genommen, mit der gefährliche Güter der Klasse 3, Ziffer 31c des Europäischen Übereinkommens über die Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR), nämlich Dieselkraftstoff und Heizöl extra leicht (jeweils UN 1202), befördert worden seien, obwohl er

1. kein dem ADR entsprechendes Beförderungspapier mitgeführt habe, welches den Vorschriften nach Rn 2002 Abs. 3 lit. a ADR entsprochen habe, weil in den mitgeführten Papieren Ottokraftstoff, Dieselkraftstoff oder Heizöl extra leicht angegeben gewesen sei, die Angaben über die Gesamtmenge der gefährlichen Güter aber gefehlt hätten und der Name sowie die Anschrift des Empfängers unvollständig angegeben gewesen seien;

3. die schriftlichen Weisungen der auf dem Fahrzeug nicht befindlichen Güter zur Vermeidung von Verwechslungen nicht getrennt aufbewahrt habe und

4. sich nicht davon überzeugt habe, dass die Beförderungseinheit den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entspreche, obwohl ihm dies zumutbar gewesen sei, weil die an der Vorder- und Rückseite angebrachten orangefarbenen Warntafeln keinen schwarzen Rand von höchstens 15 mm Breite aufgewiesen hätten.

Dadurch habe der Beschwerdeführer zu 1.

Rn 10381 Abs. 1 lit. a ADR in Verbindung mit § 13 Abs. 3 und § 27 Abs. 2 Z 11 des Gefahrgutbeförderungsgesetzes (GGBG), zu 3. Rn 10385 Abs. 5 ADR in Verbindung mit § 13 Abs. 3 und § 27 Abs. 2 Z 11 GGBG und zu 4. Rn 10500 Abs. 1 ADR in Verbindung mit § 13 Abs. 2 Z 3 und § 27 Abs. 2 Z 10 GGBG verletzt; über ihn wurde zu 1.) sowie 3.) und 4.) jeweils eine Geldstrafe in der Höhe von S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe jeweils 20 Stunden) verhängt.

Hinsichtlich des Punktes 2.) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses wurde der Berufung gemäß § 66 Abs 4 AVG stattgegeben; in diesem Umfang wurde die Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides und die Einstellung des Verfahrens gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG verfügt.

Gegen diesen Bescheid - soweit der Berufung gegen die Punkte 1.), 3.) und 4.) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses keine Folge gegeben wurde - richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer macht unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, die belangte Behörde habe es entgegen § 51e VStG unterlassen, eine mündliche Berufungsverhandlung durchzuführen.

§ 51e VStG, BGBl. Nr. 52/1991 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 158/1998, lautet (auszugsweise):

"Öffentliche mündliche Verhandlung (Verhandlung)

§ 51e. (1) Der unabhängige Verwaltungssenat hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung entfällt, wenn

1. der Antrag der Partei oder die Berufung zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist;

2. der Devolutionsantrag zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

(3) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von einer Berufungsverhandlung absehen, wenn

1. in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder

2.

sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder

3.

im angefochtenen Bescheid eine 3 000 S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde oder

              4.              sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet

und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Der Berufungswerber hat die Durchführung einer Verhandlung in der Berufung zu beantragen. Etwaigen Berufungsgegnern ist Gelegenheit zu geben, einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

(4) Der unabhängige Verwaltungssenat kann ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn er einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat, die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt, und dem nicht Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entgegensteht.

(5) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

..."

Die belangte Behörde hat sich in der Begründung des Straferkenntnisses auf die Angaben des Meldungslegers gestützt. Dem gegenüber hat der Beschwerdeführer nicht bloß die ihm vorgehaltenen Ermittlungsergebnisse für unrichtig erklärt, sondern in der Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis die Tatbegehung mit näherer Begründung bestritten und die Einvernahme zweier namentlich benannter Zeugen beantragt. Bei diesem Sachverhalt wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, schon zwecks Einvernahme der genannten Zeugen eine öffentliche mündliche Verhandlung (§ 51e VStG) durchzuführen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. April 2003, Zl. 2001/03/0081). Nach der Aktenlage liegen die Voraussetzungen für das Absehen von einer mündlichen Verhandlung (vgl. § 51e Abs. 3 VStG) nicht vor; insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer nicht auf die Durchführung einer Verhandlung verzichtet hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2005, Zl. 2001/03/0234).

Die belangte Behörde hat daher den angefochtenen Bescheid mit einem wesentlichen Verfahrensmangel belastet, zumal nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie bei Unterbleiben desselben zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis gelangt wäre.

Somit war der angefochtene Bescheid im Umfang der Anfechtung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 28. Februar 2006

Schlagworte

Verfahrensbestimmungen Beweiswürdigung Antrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2001030365.X00

Im RIS seit

22.03.2006

Zuletzt aktualisiert am

01.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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