TE OGH 1997/6/24 1Ob2396/96a

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Veröffentlicht am 24.06.1997
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen Mark Anthony B*****, geboren am 26.Juni 1985, wegen Obsorgezuteilung infolge Revisionsrekurses des ehelichen Vaters Bartus Bernhard B*****, vertreten durch Dr.Michael Pallauf, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen den Beschluß des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 2.August 1996, GZ 54 R 109/96t-53, womit der Beschluß des Bezirksgerichts Lienz vom 25.April 1996, GZ 1 P 1274/95y-44, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Obsorge für den minderjährigen Mark Anthony B***** seinem Vater Bartus Bernhard B***** übertragen wird.

Text

Begründung:

Der 1985 geborene, auch nach niederländischem Recht (Art 233 Burgerlijk Wetboek) Minderjährige ist das eheliche Kind eines holländischen, in Holland wohnhaften Vaters und einer österreichischen Mutter und besitzt gemäß § 7 Abs 1 StbG seit seiner Geburt die österreichische Staatsbürgerschaft. Nach der Scheidung der Eltern (1989) und der Obsorgeübertragung an seine Mutter lebte der in Holland aufgewachsene Minderjährige weiter im gemeinsamen Haushalt mit seiner Mutter und seiner um sechs Jahre älteren Schwester in Holland. Die Mutter brachte den Minderjährigen wenige Tage vor ihrem Freitod am 6.Juli 1994 zu den mütterlichen Großeltern nach T***** in Osttirol. Seither hält sich der Minderjährige in Osttirol auf, seit September 1994 jedoch aus schulischen Gründen nicht mehr im Haushalt der mütterlichen Großeltern, sondern in dem eines mütterlichen Onkels und dessen Ehegattin (von Beruf Kraftfahrer und Hausfrau), die drei eigene Kinder im Alter von 15, 13 und drei Jahren haben. Der Minderjährige, der ein sehr sensibles und verschlossenes Kind ist, ist in der Familie seines Onkels sehr gut integriert und versteht sich insbesondere mit seinen Cousins sehr gut; ihm steht ein eigenes Zimmer in dem neuerbauten geräumigen Doppelhaus in schöner Umgebung zur Verfügung; auch in der Volksschule, in der er die 4.Klasse besucht, hat er sich nach anfänglichen, insbesondere mit der Umstellung auf die deutsche Sprache beruhenden Schwierigkeiten gut eingelebt, hat bereits einige Freundschaften geschlossen und erzielt gute Schulerfolge. Die Sommerferien verbringt der Minderjährige, wie bereits zu Lebzeiten seiner Mutter, bei seinen mütterlichen Großeltern, zu denen er auch sonst viel Kontakt hat. Er möchte nicht mehr nach Holland zurückgehen und bei seinem Vater und seiner Schwester leben, wohl aber beide besuchen. Der Vater betreibt in Holland als selbständiger Unternehmer ein Videogeschäft und führt den Friseursalon seiner verstorbenen Frau (Mutter des Minderjährigen) weiter. Sein monatliches Einkommen beträgt 3.500 - 4.000 HFL, womit er ein gutes Auskommen hat; er ist beruflich bedingt sehr viel unterwegs. Im Haushalt des Vaters leben noch die Schwester des Minderjährigen und (seit 1992) seine Lebensgefährtin, die selbst keine Kinder hat. Ein derzeit als Arbeitszimmer genutzter Raum stünde für den Minderjährigen zur Verfügung. Die Lebensgefährtin des Vaters würde die Betreuung des Minderjährigen vor und nach der Schule sowie in den Schulferien übernehmen. Seit der Minderjährige bei seinem Onkel untergebracht ist, hat ihn sein Vater zumindest einmal (September 1996) besucht. Zwischen ihnen besteht kein brieflicher, sondern nur ein sporadischer telefonischer Kontakt.Der 1985 geborene, auch nach niederländischem Recht (Artikel 233, Burgerlijk Wetboek) Minderjährige ist das eheliche Kind eines holländischen, in Holland wohnhaften Vaters und einer österreichischen Mutter und besitzt gemäß Paragraph 7, Absatz eins, StbG seit seiner Geburt die österreichische Staatsbürgerschaft. Nach der Scheidung der Eltern (1989) und der Obsorgeübertragung an seine Mutter lebte der in Holland aufgewachsene Minderjährige weiter im gemeinsamen Haushalt mit seiner Mutter und seiner um sechs Jahre älteren Schwester in Holland. Die Mutter brachte den Minderjährigen wenige Tage vor ihrem Freitod am 6.Juli 1994 zu den mütterlichen Großeltern nach T***** in Osttirol. Seither hält sich der Minderjährige in Osttirol auf, seit September 1994 jedoch aus schulischen Gründen nicht mehr im Haushalt der mütterlichen Großeltern, sondern in dem eines mütterlichen Onkels und dessen Ehegattin (von Beruf Kraftfahrer und Hausfrau), die drei eigene Kinder im Alter von 15, 13 und drei Jahren haben. Der Minderjährige, der ein sehr sensibles und verschlossenes Kind ist, ist in der Familie seines Onkels sehr gut integriert und versteht sich insbesondere mit seinen Cousins sehr gut; ihm steht ein eigenes Zimmer in dem neuerbauten geräumigen Doppelhaus in schöner Umgebung zur Verfügung; auch in der Volksschule, in der er die 4.Klasse besucht, hat er sich nach anfänglichen, insbesondere mit der Umstellung auf die deutsche Sprache beruhenden Schwierigkeiten gut eingelebt, hat bereits einige Freundschaften geschlossen und erzielt gute Schulerfolge. Die Sommerferien verbringt der Minderjährige, wie bereits zu Lebzeiten seiner Mutter, bei seinen mütterlichen Großeltern, zu denen er auch sonst viel Kontakt hat. Er möchte nicht mehr nach Holland zurückgehen und bei seinem Vater und seiner Schwester leben, wohl aber beide besuchen. Der Vater betreibt in Holland als selbständiger Unternehmer ein Videogeschäft und führt den Friseursalon seiner verstorbenen Frau (Mutter des Minderjährigen) weiter. Sein monatliches Einkommen beträgt 3.500 - 4.000 HFL, womit er ein gutes Auskommen hat; er ist beruflich bedingt sehr viel unterwegs. Im Haushalt des Vaters leben noch die Schwester des Minderjährigen und (seit 1992) seine Lebensgefährtin, die selbst keine Kinder hat. Ein derzeit als Arbeitszimmer genutzter Raum stünde für den Minderjährigen zur Verfügung. Die Lebensgefährtin des Vaters würde die Betreuung des Minderjährigen vor und nach der Schule sowie in den Schulferien übernehmen. Seit der Minderjährige bei seinem Onkel untergebracht ist, hat ihn sein Vater zumindest einmal (September 1996) besucht. Zwischen ihnen besteht kein brieflicher, sondern nur ein sporadischer telefonischer Kontakt.

Nach dem Tod der Mutter begehrten sowohl der Vater als auch die mütterlichen Großeltern - die väterlichen Großeltern sind bereits verstorben - die Zuteilung der Obsorge für den Minderjährigen an sie.

Das Erstgericht übertrug mit Beschluß vom 24.August 1994 die Obsorge für den Minderjährigen vorläufig, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über deren endgültige Regelung, den mütterlichen Großeltern.

Das Rekursgericht hat im ersten Rechtsgang mit zufolge Zulassung nach § 14 Abs 1 AußStrG anfechtbarem, aber unangefochten gebliebenem Beschluß vom 10.März 1995 zwar den erstinstanzlichen Beschluß über die endgültige Obsorgeregelung zugunsten der mütterlichen Großeltern mangels Feststellungen über die Lebensumstände des Vaters aufgehoben, jedoch in den Gründen seiner Entscheidung die vom Vater in Zweifel gezogene inländische Gerichtsbarkeit und Zuständigkeit des Erstgerichts unter Hinweis auf das Haager MjSchÜbk ausdrücklich bejaht (ON 24 AS 114 = S 6 der Beschlußausfertigung).Das Rekursgericht hat im ersten Rechtsgang mit zufolge Zulassung nach Paragraph 14, Absatz eins, AußStrG anfechtbarem, aber unangefochten gebliebenem Beschluß vom 10.März 1995 zwar den erstinstanzlichen Beschluß über die endgültige Obsorgeregelung zugunsten der mütterlichen Großeltern mangels Feststellungen über die Lebensumstände des Vaters aufgehoben, jedoch in den Gründen seiner Entscheidung die vom Vater in Zweifel gezogene inländische Gerichtsbarkeit und Zuständigkeit des Erstgerichts unter Hinweis auf das Haager MjSchÜbk ausdrücklich bejaht (ON 24 AS 114 = S 6 der Beschlußausfertigung).

Die Vorinstanzen übertrugen nun im zweiten Rechtsgang die Obsorge für den Minderjährigen an die mütterlichen Großeltern, im wesentlichen, weil der Minderjährige beim Vater zwar materiell gesehen eine recht gute Lebenssituation vorfinden würde, aber vor allem von der Lebensgefährtin des Vaters, die den Minderjährigen seit Sommer 1994 nicht mehr gesehen habe, versorgt und betreut werden würde. Eine Obsorgeübertragung würde aber nicht nur eine vorübergehende und kurzfristige Irritation zur Folge haben, sondern das Kind in seiner Entwicklung ernsthaft gefährden. Am gravierendsten spreche gegen eine Übertragung der Obsorge an den Vater, daß er den Minderjährigen seit September 1994 niemals in Osttirol besucht oder zu einen Besuch nach Holland eingeladen habe. Er habe dem Minderjährigen auch nie geschrieben, sondern ihn nur selten angerufen. Dieses Verhalten lasse nicht darauf schließen, daß er in ausreichendem Maße um das Wohl seines Kindes besorgt sei. Hingegen lebe der Minderjährigen seit Juli 1994 bei seinen mütterlichen Großeltern bzw seit September 1994 bei seinem Onkel und dessen Familie, die einen sehr guten und um das Wohl des Kindes besorgten Eindruck machten. Der Minderjährige wolle selbst nicht nach Holland zurückkehren, was zu berücksichtigen sei. Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß das Wohl des Kindes bei allen in Betracht kommenden Personen in annähernd gleicher Weise gewährleistet sei.

Rechtliche Beurteilung

Der - von der zweiten Instanz zur Beurteilung der Frage, ob bei der Obsorgeentscheidung dem verbleibenden Elternteil gegenüber den Großeltern ein Vorrecht zukomme, zugelassene - ordentliche Revisionsrekurs des Vaters ist zulässig und als rechtzeitig zu beurteilen, weil das Datum der Zustellung an den Vater oder seinen damaligen holländischen Rechtsbeistand nicht zu klären ist. Die Zustellung erfolgte nach der Auskunft des Instituts für Sozialberatung vom 8.Oktober 1996 offenbar ohne Rückschein. Ein Rechtsmittel hat in dem Sinn die Vermutung der Rechtzeitigkeit für sich, als es jedenfalls entgegenzunehmen und sachlich zu erledigen ist, solange nicht seine Verspätung durch die Aktenlage eindeutig ausgewiesen ist. Die Ergebnislosigkeit von Erhebungen über die Rechtzeitigkeit, wie hier, wirkt zum Vorteil des Rechtsmittelwerbers (SZ 46/86 uva, zuletzt 7 Ob 2071/96a; RIS-Justiz RS0006965).

Das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

a) Im Rechtsmittel wird die Nichtigkeit des Verfahrens wegen Unzuständigkeit der Vorinstanzen bei ihrer - anfechtbaren, aber nicht bekämpften - Obsorgeentscheidung im ersten Rechtsgang behauptet, weil die Voraussetzungen für die Anwendung des Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen, BGBl 1975/446 (Haager MjSchÜbk), wonach Behörden des Aufenthaltsstaats Schutzmaßnahmen nach nationalem Recht treffen können, nicht vorgelegen seien. Dem Obersten Gerichtshof ist indes ein Eingehen darauf schon zufolge § 42 Abs 3 JN - welche Bestimmung auch im Verfahren außer Streitsachen (§ 42 Abs 4 JN) anzuwenden ist - entzogen (EFSlg 49.244 ua; zuletzt 6 Ob 5/97x; Fasching I 271 f). Denn eine Wahrnehmung ua des Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit oder der Zuständigkeit ist dann nicht mehr zulässig, wenn bereits eine noch bindende Gerichtsentscheidung darüber vorliegt (Mayr in Rechberger, § 42 JN Rz 2 mwN), selbst wenn die Vorinstanzen diese Fragen (anders als hier) von Amts wegen und (wie im vorliegenden Fall) nur in den Gründen ihrer Entscheidungen übereinstimmend bejahten (SZ 54/190 ua; RIS-Justiz RS0046234; Mayr aaO mwN). Eine bindende Gerichtsentscheidung liegt hier deshalb vor, weil die zweite Instanz den vom Vater behaupteten Mangel der inländischen Gerichtsbarkeit und der Zuständigkeit des österreichischen Gerichts verneinte und damit implicite die darin liegende Nichtigkeit nach § 42 Abs 1 JN jedenfalls in den Gründen seiner wenngleich aufhebenden Entscheidung im ersten Rechtsgang ON 24 - trotz des Zulässigkeitsausspruchs nach § 14 Abs 1 AußStrG - unangefochten verwarf (§ 42 Abs 3 JN). Der Nichtigkeitsvorwurf erweist sich daher als verfehlt. Auf die Frage, ob das Erstgericht seine Zuständigkeit zu Recht gemäß Art 1 des dem auch von den Niederlanden ratifizierten (EFSlg 79.020; vgl dazu auch Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Niederlande, 28 mwN in FN 46 ff) und auch für Obsorgeentscheidungen geltenden (EFSlg 69.658, 72.729, 79.030) Haager MjSchÜbk in Anspruch genommen hat, weil ein gewöhnlicher Aufenthalt iSd dieses Übereinkommens bereits gegeben sei, wenn zwar noch kein längeres Verweilen des Minderjährigen an einem Ort vorliege, dies aber beabsichtigt und durch entsprechende Handlungen (Eingliederung in den Familienverband, Schuleinschreibung des Minderjährigen unverzüglich nach dem Tod seiner Mutter durch die mütterlichen Großeltern) verdeutlicht werde, kann daher nicht eingegangen werden.a) Im Rechtsmittel wird die Nichtigkeit des Verfahrens wegen Unzuständigkeit der Vorinstanzen bei ihrer - anfechtbaren, aber nicht bekämpften - Obsorgeentscheidung im ersten Rechtsgang behauptet, weil die Voraussetzungen für die Anwendung des Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen, BGBl 1975/446 (Haager MjSchÜbk), wonach Behörden des Aufenthaltsstaats Schutzmaßnahmen nach nationalem Recht treffen können, nicht vorgelegen seien. Dem Obersten Gerichtshof ist indes ein Eingehen darauf schon zufolge Paragraph 42, Absatz 3, JN - welche Bestimmung auch im Verfahren außer Streitsachen (Paragraph 42, Absatz 4, JN) anzuwenden ist - entzogen (EFSlg 49.244 ua; zuletzt 6 Ob 5/97x; Fasching römisch eins 271 f). Denn eine Wahrnehmung ua des Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit oder der Zuständigkeit ist dann nicht mehr zulässig, wenn bereits eine noch bindende Gerichtsentscheidung darüber vorliegt (Mayr in Rechberger, Paragraph 42, JN Rz 2 mwN), selbst wenn die Vorinstanzen diese Fragen (anders als hier) von Amts wegen und (wie im vorliegenden Fall) nur in den Gründen ihrer Entscheidungen übereinstimmend bejahten (SZ 54/190 ua; RIS-Justiz RS0046234; Mayr aaO mwN). Eine bindende Gerichtsentscheidung liegt hier deshalb vor, weil die zweite Instanz den vom Vater behaupteten Mangel der inländischen Gerichtsbarkeit und der Zuständigkeit des österreichischen Gerichts verneinte und damit implicite die darin liegende Nichtigkeit nach Paragraph 42, Absatz eins, JN jedenfalls in den Gründen seiner wenngleich aufhebenden Entscheidung im ersten Rechtsgang ON 24 - trotz des Zulässigkeitsausspruchs nach Paragraph 14, Absatz eins, AußStrG - unangefochten verwarf (Paragraph 42, Absatz 3, JN). Der Nichtigkeitsvorwurf erweist sich daher als verfehlt. Auf die Frage, ob das Erstgericht seine Zuständigkeit zu Recht gemäß Artikel eins, des dem auch von den Niederlanden ratifizierten (EFSlg 79.020; vergleiche dazu auch Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Niederlande, 28 mwN in FN 46 ff) und auch für Obsorgeentscheidungen geltenden (EFSlg 69.658, 72.729, 79.030) Haager MjSchÜbk in Anspruch genommen hat, weil ein gewöhnlicher Aufenthalt iSd dieses Übereinkommens bereits gegeben sei, wenn zwar noch kein längeres Verweilen des Minderjährigen an einem Ort vorliege, dies aber beabsichtigt und durch entsprechende Handlungen (Eingliederung in den Familienverband, Schuleinschreibung des Minderjährigen unverzüglich nach dem Tod seiner Mutter durch die mütterlichen Großeltern) verdeutlicht werde, kann daher nicht eingegangen werden.

b) Ist ein Elternteil, dem die Obsorge für das Kind gemeinsam mit dem anderen Elternteil zugekommen ist, gestorben, so kommt sie dem anderen Elternteil insoweit allein zu (§ 145 Abs 1 erster Satz ABGB idFd Art I Z 4 KindRÄG, BGBl 1989/162). Ist in dieser Weise der Elternteil, dem die Obsorge allein zukommt, betroffen, so hat das Gericht unter Beachtung des Wohls des Kindes zu entscheiden, ob die Obsorge ganz oder teilweise dem anderen Elternteil oder ob und welchem Großelternpaar (Großelternteil) sie zukommen soll (§ 145 Abs 1 zweiter Satz ABGB). Tritt somit eine Behinderung bei jenem Elternteil ein, der bisher allein die Obsorge hatte, so hat das Gericht mit Beschluß zu entscheiden, wem unter den in § 145 Abs 1 ABGB Genannten die Obsorge für das Kind nun zukommt. Der zweite Senat sprach in seiner die Zuteilung der Obsorge für ein minderjähriges uneheliches Kind betreffenden Entscheidung 2 Ob 527/93 = JBl 1994, 328 = ÖA 1994, 27 aus, durch Mittel der Wortinterpretation und Erforschung des Zusammenhangs der einzelnen Regelungen des § 145 ABGB sei ein Vorrecht des anderen (verbleibenden) Elternteils gegenüber den Großeltern nicht abzuleiten, zumal die Verwendung des Bindeworts „oder“ zwischen der im Gesetz vorerst genannten Möglichkeit, die Obsorge ganz oder teilweise dem anderen Elternteil zuzuweisen, und der zweiten Entscheidungsmöglichkeit, die Obsorge einem Großelternpaar (Großelternteil) zuzuerkennen, nur zwei alternative Entscheidungsvarianten, aber keine Wertung dahin zum Ausdruck bringe, welcher Entscheidungsmöglichkeit der Vorzug zu geben wäre. Sterbe die uneheliche Mutter, dann komme bei der Entscheidung über die Obsorge dem unehelichen Vater kein Vorrecht vor den Großeltern zu. Entscheidend sei allein das Wohl des Kindes. In der ein eheliches Kind betreffenden, sehr ausführlichen und sich mit den Materialien, der Literatur und der Rechtsprechung auseinandersetzenden Entscheidung 7 Ob 629/93 = JBl 1994, 608 = EvBl 1995/23 = EFSlg 74.956 ff vertrat der siebente Senat die Auffassung, bei einer an Art 8 EMRK orientierten verfassungskonformen Auslegung sei dem verbleibenden Elternteil der Vorzug zu geben, wenn das Wohl des Kindes bei allen in Betracht kommenden Personen in annähernd gleicher Weise gewährleistet sei. Auf eine bloß nuancierte, zugunsten der Großeltern ausfallende Abwägung könne es hiebei nicht ankommen. Schließlich hat der erkennende Senat in seiner, einen unehelichen Vater betreffenden Entscheidung 1 Ob 576/95 = JBl 1996, 381 die Rechtsauffassung, daß kein Vorrecht des Vaters bestehe, fortgeschrieben und ausgesprochen, auch der Umstand, daß der Vater gerade nicht dem Prototyp des unehelichen Vaters entspreche, sondern dem Regelfall eines ehelichen Vaters ähnlich um das Wohlergehen seines Kindes besorgt sei, daran nichts ändere (RIS-Justiz RS0047968). Das Kindeswohl, mag es sich nun um ein eheliches oder uneheliches Kind handeln, geht jedenfalls dem Elternrecht vor (JBl 1996, 381) und entscheidet primär in der Frage der Obsorgezuteilung (Schwimann in Schwimann2§ 145 ABGB Rz 5). Der erkennende Senat billigt aber auch die in der Entscheidung 7 Ob 629/93 angestellten Erwägungen: Bei einem Konkurrenzfall, wie hier, ist dem geschiedenen ehelichen Elternteil, der die Obsorge nach § 177 ABGB verloren hat, der Vorrang vor den Großeltern des ehelichen Kindes dann einzuräumen (JBl 1994, 608; Schwimann aaO § 145 ABGB Rz 5; Pichler in Rummel2, § 145 ABGB Rz 2a), wenn das Kindeswohl beim Elternteil und bei den Großeltern annähernd gleicherweise gewährleistet ist.b) Ist ein Elternteil, dem die Obsorge für das Kind gemeinsam mit dem anderen Elternteil zugekommen ist, gestorben, so kommt sie dem anderen Elternteil insoweit allein zu (Paragraph 145, Absatz eins, erster Satz ABGB idFd Art römisch eins Ziffer 4, KindRÄG, BGBl 1989/162). Ist in dieser Weise der Elternteil, dem die Obsorge allein zukommt, betroffen, so hat das Gericht unter Beachtung des Wohls des Kindes zu entscheiden, ob die Obsorge ganz oder teilweise dem anderen Elternteil oder ob und welchem Großelternpaar (Großelternteil) sie zukommen soll (Paragraph 145, Absatz eins, zweiter Satz ABGB). Tritt somit eine Behinderung bei jenem Elternteil ein, der bisher allein die Obsorge hatte, so hat das Gericht mit Beschluß zu entscheiden, wem unter den in Paragraph 145, Absatz eins, ABGB Genannten die Obsorge für das Kind nun zukommt. Der zweite Senat sprach in seiner die Zuteilung der Obsorge für ein minderjähriges uneheliches Kind betreffenden Entscheidung 2 Ob 527/93 = JBl 1994, 328 = ÖA 1994, 27 aus, durch Mittel der Wortinterpretation und Erforschung des Zusammenhangs der einzelnen Regelungen des Paragraph 145, ABGB sei ein Vorrecht des anderen (verbleibenden) Elternteils gegenüber den Großeltern nicht abzuleiten, zumal die Verwendung des Bindeworts „oder“ zwischen der im Gesetz vorerst genannten Möglichkeit, die Obsorge ganz oder teilweise dem anderen Elternteil zuzuweisen, und der zweiten Entscheidungsmöglichkeit, die Obsorge einem Großelternpaar (Großelternteil) zuzuerkennen, nur zwei alternative Entscheidungsvarianten, aber keine Wertung dahin zum Ausdruck bringe, welcher Entscheidungsmöglichkeit der Vorzug zu geben wäre. Sterbe die uneheliche Mutter, dann komme bei der Entscheidung über die Obsorge dem unehelichen Vater kein Vorrecht vor den Großeltern zu. Entscheidend sei allein das Wohl des Kindes. In der ein eheliches Kind betreffenden, sehr ausführlichen und sich mit den Materialien, der Literatur und der Rechtsprechung auseinandersetzenden Entscheidung 7 Ob 629/93 = JBl 1994, 608 = EvBl 1995/23 = EFSlg 74.956 ff vertrat der siebente Senat die Auffassung, bei einer an Artikel 8, EMRK orientierten verfassungskonformen Auslegung sei dem verbleibenden Elternteil der Vorzug zu geben, wenn das Wohl des Kindes bei allen in Betracht kommenden Personen in annähernd gleicher Weise gewährleistet sei. Auf eine bloß nuancierte, zugunsten der Großeltern ausfallende Abwägung könne es hiebei nicht ankommen. Schließlich hat der erkennende Senat in seiner, einen unehelichen Vater betreffenden Entscheidung 1 Ob 576/95 = JBl 1996, 381 die Rechtsauffassung, daß kein Vorrecht des Vaters bestehe, fortgeschrieben und ausgesprochen, auch der Umstand, daß der Vater gerade nicht dem Prototyp des unehelichen Vaters entspreche, sondern dem Regelfall eines ehelichen Vaters ähnlich um das Wohlergehen seines Kindes besorgt sei, daran nichts ändere (RIS-Justiz RS0047968). Das Kindeswohl, mag es sich nun um ein eheliches oder uneheliches Kind handeln, geht jedenfalls dem Elternrecht vor (JBl 1996, 381) und entscheidet primär in der Frage der Obsorgezuteilung (Schwimann in Schwimann2, Paragraph 145, ABGB Rz 5). Der erkennende Senat billigt aber auch die in der Entscheidung 7 Ob 629/93 angestellten Erwägungen: Bei einem Konkurrenzfall, wie hier, ist dem geschiedenen ehelichen Elternteil, der die Obsorge nach Paragraph 177, ABGB verloren hat, der Vorrang vor den Großeltern des ehelichen Kindes dann einzuräumen (JBl 1994, 608; Schwimann aaO Paragraph 145, ABGB Rz 5; Pichler in Rummel2, Paragraph 145, ABGB Rz 2a), wenn das Kindeswohl beim Elternteil und bei den Großeltern annähernd gleicherweise gewährleistet ist.

Der unbestimmte Gesetzesbegriff des „Kindeswohls“ hat mehrere Dimensionen und erfaßt das körperliche, geistige und seelische Wohlergehen des Kindes (SZ 59/184 ua; Schwimann aaO § 178a ABGB Rz 1). Bei der maßgeblichen Gesamtbetrachtung all dieser Komponenten und dem erforderlichen Abwägen an Hand des konkreten Sachverhalts geht der erkennende Senat davon aus, daß im vorliegenden Fall das Kindeswohl beim ehelichen Vater und bei den mütterlichen Großeltern annähernd gleich gewährleistet ist. Abgesehen von den materiellen Voraussetzungen, die nach den Feststellungen einen Unterschied nicht erkennen lassen, wuchs der Minderjährige mit Ausnahme der letzten zweieinhalb Jahre in Holland gemeinsam mit seiner älteren Schwester auf, sodaß die Beziehung zu dieser gerade beim Freitod der Mutter wichtig ist. Demgegenüber erscheinen der erforderliche Wohnsitz- und Milieuwechsel von Osttirol nach Holland, das Herstellen einer neuen Vater-Sohn Beziehung, die durch den Suizid der Mutter belastet sein kann, aber auch der nur sehr eingeschränkt zu berücksichtigende Wunsch des unmündig Minderjährigen (JBl 1994, 608; Schwimann aaO § 145 ABGB Rz 7) weniger bedeutsam. Die Rechtsauffassung der Vorinstanz, eine Obsorgeübertragung würde den Minderjährigen in seiner Entwicklung ernsthaft gefährden, findet in den ausführlichen Feststellungen keine ausreichende Grundlage. Daß der Vater während seiner beruflichen Abwesenheit die Pflege und Erziehung durch seine jetzige Lebensgefährtin ausüben lassen muß, fällt nicht besonders ins Gewicht, weil auch sonst ein berufstätiger Vater während seiner beruflichen Inanspruchnahme nicht selbst die Pflege und Erziehung ausüben kann und auch die mütterlichen Großeltern die Pflege und Erziehung nicht selbst ausüben; auch die Zukunftsperspektiven müssen bei einer Obsorgezuteilung an Großeltern mitberücksichtigt werden. Der geringe Kontakt des Vaters zum Kind fällt angesichts der räumlichen Distanz und der von den Vorinstanzen nicht näher geprüften Behauptung des Vaters, dieser Kontakt werde von den mütterlichen Großeltern behindert, eines Vorwurfs im übrigen, der von der zweiten Instanz einfach als im wesentlichen unsubstantiiert gebliebene und von Aussagen des Vaters nicht gedeckte Rekursbehauptung abgetan wurde, weniger ins Gewicht. Zu der in Fotokopie im Akt erliegenden, vom mütterlichen Großvater unterfertigten Befürwortung der Obsorgezuteilung an den Vater, datiert vom 6.September 1996, muß bei dieser Sachlage nicht mehr Stellung genommen werden.Der unbestimmte Gesetzesbegriff des „Kindeswohls“ hat mehrere Dimensionen und erfaßt das körperliche, geistige und seelische Wohlergehen des Kindes (SZ 59/184 ua; Schwimann aaO Paragraph 178 a, ABGB Rz 1). Bei der maßgeblichen Gesamtbetrachtung all dieser Komponenten und dem erforderlichen Abwägen an Hand des konkreten Sachverhalts geht der erkennende Senat davon aus, daß im vorliegenden Fall das Kindeswohl beim ehelichen Vater und bei den mütterlichen Großeltern annähernd gleich gewährleistet ist. Abgesehen von den materiellen Voraussetzungen, die nach den Feststellungen einen Unterschied nicht erkennen lassen, wuchs der Minderjährige mit Ausnahme der letzten zweieinhalb Jahre in Holland gemeinsam mit seiner älteren Schwester auf, sodaß die Beziehung zu dieser gerade beim Freitod der Mutter wichtig ist. Demgegenüber erscheinen der erforderliche Wohnsitz- und Milieuwechsel von Osttirol nach Holland, das Herstellen einer neuen Vater-Sohn Beziehung, die durch den Suizid der Mutter belastet sein kann, aber auch der nur sehr eingeschränkt zu berücksichtigende Wunsch des unmündig Minderjährigen (JBl 1994, 608; Schwimann aaO Paragraph 145, ABGB Rz 7) weniger bedeutsam. Die Rechtsauffassung der Vorinstanz, eine Obsorgeübertragung würde den Minderjährigen in seiner Entwicklung ernsthaft gefährden, findet in den ausführlichen Feststellungen keine ausreichende Grundlage. Daß der Vater während seiner beruflichen Abwesenheit die Pflege und Erziehung durch seine jetzige Lebensgefährtin ausüben lassen muß, fällt nicht besonders ins Gewicht, weil auch sonst ein berufstätiger Vater während seiner beruflichen Inanspruchnahme nicht selbst die Pflege und Erziehung ausüben kann und auch die mütterlichen Großeltern die Pflege und Erziehung nicht selbst ausüben; auch die Zukunftsperspektiven müssen bei einer Obsorgezuteilung an Großeltern mitberücksichtigt werden. Der geringe Kontakt des Vaters zum Kind fällt angesichts der räumlichen Distanz und der von den Vorinstanzen nicht näher geprüften Behauptung des Vaters, dieser Kontakt werde von den mütterlichen Großeltern behindert, eines Vorwurfs im übrigen, der von der zweiten Instanz einfach als im wesentlichen unsubstantiiert gebliebene und von Aussagen des Vaters nicht gedeckte Rekursbehauptung abgetan wurde, weniger ins Gewicht. Zu der in Fotokopie im Akt erliegenden, vom mütterlichen Großvater unterfertigten Befürwortung der Obsorgezuteilung an den Vater, datiert vom 6.September 1996, muß bei dieser Sachlage nicht mehr Stellung genommen werden.

Dem Revisionsrekurs ist Folge zu geben; die Entscheidungen der Vorinstanzen sind iS einer Obsorgezuteilung an den Vater abzuändern.

Textnummer

E46740

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1997:0010OB02396.96A.0624.000

Im RIS seit

24.07.1997

Zuletzt aktualisiert am

16.10.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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