TE Vwgh Erkenntnis 2006/10/18 2005/04/0089

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Veröffentlicht am 18.10.2006
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3L E17200000;
E3R E17200000;
E6J;
26/02 Markenschutz Musterschutz;

Norm

31989L0104 Marken-RL 01te Art3 Abs1 litb;
31989L0104 Marken-RL 01te Art3 Abs1 litc;
31989L0104 Marken-RL 01te Art3 Abs1 litd;
31989L0104 Marken-RL 01te Art3 Abs3;
31994R0040 Gemeinschaftsmarke Art3 Abs3;
31994R0040 Gemeinschaftsmarke Art7 Abs1;
62003CJ0037 BioID / HABM;
62004CJ0421 Matratzen Concord / Hukla VORAB;
EURallg;
MarkenSchG 1970 §4 Abs1 Z3 idF 1999/I/111;
MarkenSchG 1970 §4 Abs1 Z4 idF 1999/I/111;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Leiter, über die Beschwerde des Dr. K in L, vertreten durch Prof. Haslinger & Partner, Rechtsanwälte in 4014 Linz, Kroatengasse 7, gegen den Bescheid des Österreichischen Patentamtes, Beschwerdeabteilung, vom 24. Februar 2005, Bm 4/2004-2, AM 1/2003, betreffend Eintragung einer (Wort)Marke, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid des Österreichischen Patentamtes, Beschwerdeabteilung, vom 24. Februar 2005, wurde im Instanzenzug der Antrag des Beschwerdeführers auf Eintragung der Wortmarke "ÄRZTETREUHAND" in das Markenregister aus dem Grunde des § 4 Abs. 1 Z 3 Markenschutzgesetz in der Fassung BGBl. I Nr. 111/1999 (MaSchG) abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe das Wort-Zeichen "ÄRZTETREUHAND" zur Registrierung als Marke für die Dienstleistungen der Klasse 35

"Beratung bei der Führung und Organisation von Unternehmen; Buchführung; betriebswirtschaftliche Beratung; Erstellung von Steuererklärungen; alle vorgenannten Dienstleistungen für Ärzte;" der Kl. 36 "Beratung in finanziellen

Angelegenheiten; Erstellung von Steuergutachten und - schätzungen; Vermögensverwaltung durch Wirtschaftstreuhänder; alle vorgenannten Dienstleistungen für Ärzte;" und der Klasse 42 "Rechtsberatung und -vertretung durch Wirtschaftstreuhänder"

angemeldet.

Gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 MaSchG idF der Markenrechts-Novelle 1999 sei in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt (HABM) sowie des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) davon auszugehen, dass die Hauptfunktion der Marke darin bestehe, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Ware zu garantieren. Das heiße, dass alle Waren bzw. Dienstleistungen, die mit ihr versehen seien, unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens hergestellt worden seien. Die Marke müsse daher die konkret angemeldeten Waren bzw. Dienstleistungen nach ihrer betrieblichen Herkunft und nicht nach ihrer Beschaffenheit unterscheidbar machen. Im vorliegenden Fall würden die beteiligten Verkehrskreise das angemeldete Zeichen nicht mit einem konkreten Unternehmen in Verbindung setzen bzw. die so bezeichneten Dienstleistungen einem konkreten Unternehmen zuordnen können, sondern in dem Zeichen lediglich einen allgemeinen Hinweis auf Treuhanddienstleistungen speziell für die Ärzteschaft sehen. Damit sei das angemeldete Zeichen nicht zur Ausübung einer Herkunftsfunktion geeignet und daher gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 MaSchG wegen fehlender Unterscheidungskraft von der Registrierung als Marke ausgeschlossen. Bei dieser Beurteilung der Unterscheidungskraft sei ein unmittelbarer Bezug zu den Produkten herzustellen und nicht abstrakt das Vorliegen der Unterscheidungskraft zu beurteilen. Die vom Beschwerdeführer herangezogene Entscheidung des EuGH "Babydry" sei nicht zur Frage der Unterscheidungskraft, sondern zum Vorliegen einer ausschließlich beschreibenden Angabe ergangen. Zum Verweis des Beschwerdeführers auf bereits bestehende Marken sei darauf hinzuweisen, dass aus der Registrierung eines bestimmten Zeichens kein Recht auf die Registrierung eines anderen Zeichens abgeleitet werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, verzichtete aber auf die Abgabe einer Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im Recht auf Registrierung der angemeldeten Marke im österreichischen Markenregister verletzt.

Er bringt hiezu im Wesentlichen vor, bei der Feststellung des erforderlichen Grades der Unterscheidungskraft sei von einem großzügigen Maßstab auszugehen, sodass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft ausreichend sei, um das Registrierungshindernis des § 4 Abs. 1 Z 3 MaSchG "zu überwinden". Eine konkrete Verbindung des Zeichens mit einem konkreten Unternehmen sei nicht mehr erforderlich. In Wahrheit entscheidend sei die Frage, ob der angemeldete Begriff "Ärztetreuhand" eine rein beschreibende Angabe sei, zumal eine nicht rein beschreibende Angabe automatisch unterscheidungskräftig sei. In dieser Hinsicht seien unter dem Begriff der "Treuhand" nicht die (angemeldeten) Beratungsleistungen für Unternehmen, insbesondere in unternehmensberatender oder wirtschaftstreuhändischer Hinsicht, sondern die "Ausübung oder Verwaltung fremder Rechte durch eine Person im eigenen Namen, aber in schuldrechtlicher Bindung gegenüber dem Treugeber" zu verstehen. Eine Kombination dieses Begriffes "Treuhand" mit "Arzt bzw. Ärzten" sei dem allgemeinen Sprachgebrauch überhaupt fremd, weil Ärzte naturgemäß medizinische Leistungen und nicht Treuhandleistungen erbrächten. Auf Grund der Ungewöhnlichkeit der Kombination der Worte "Arzt" und "Treuhand" weiche die angemeldete Wortkombination deutlich von den angemeldeten Dienstleistungen ab, sodass es - im Gegensatz zum hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 2004, Zl. 2003/04/0187 - weiterer gedanklicher Operationen durch die angesprochenen Verkehrskreise bedürfe. Aus diesem Grund sei der angemeldete Ausdruck "Ärztetreuhand" keine bloß beschreibende Angabe und verfüge jedenfalls über ausreichende Unterscheidungskraft.

Sollte der Verwaltungsgerichtshof diese Rechtsansicht nicht teilen, werde die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) angeregt, da die maßgeblichen Rechtsvorschriften des § 4 MaSchG auf der MarkenRL beruhten.

2. § 4 Abs. 1 Markenschutzgesetz (MaSchG) lautet (auszugsweise):

"Von der Registrierung ausgeschlossen sind Zeichen, die

...

3.

keine Unterscheidungskraft haben;

4.

ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können;

..."

Art. 3 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (MarkenRL), lautet (auszugsweise):

"Folgende Zeichen oder Marken sind von der Eintragung ausgeschlossen oder unterliegen im Fall der Eintragung der Ungültigerklärung:

...

b)

Marken, die keine Unterscheidungskraft haben,

c)

Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können,

..."

Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (GMV) lautet (auszugsweise):

"Von der Eintragung ausgeschlossen sind

...

b)

Marken, die keine Unterscheidungskraft haben,

c)

Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können,

...".

              3.              Zu der im vorliegenden Fall alleine maßgeblichen Frage der Unterscheidungskraft einer Marke gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 MaSchG unter Berücksichtigung der hiezu ergangenen Rechtsprechung des EuGH kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Begründung des hg. Erkenntnisses vom heutigen Tage, Zl. 2005/04/0022, verwiesen werden.

Nach dieser Rechtslage ist für das Vorliegen der Unterscheidungskraft einer Marke im Hinblick auf ihre Hauptfunktion alleine entscheidend, ob sie den maßgeblichen Verkehrskreisen die Ursprungsidentität der mit der Marke gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung garantieren kann, indem sie es ermöglicht, diese Ware oder Dienstleistung ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden.

              4.              Im vorliegenden Fall ist die belangte Behörde der Auffassung, das angemeldete Wortzeichen könne solcherart die Ursprungsidentität der mit der Marke angemeldeten Dienstleistungen nicht garantieren, da es sich bei diesem Zeichen lediglich um einen allgemeinen Hinweis auf Treuhanddienstleistungen speziell für die Ärzteschaft handle.

Wenn die Beschwerde dagegen einwendet, in Wahrheit komme es nicht auf die Unterscheidungskraft, sondern darauf an, ob es sich bei der angemeldeten Wortmarke um eine rein beschreibende Angabe (gemäß § 4 Abs. 1 Z 4 MaSchG) handle, so ist ihr entgegenzuhalten, dass die Tatbestände des § 4 Abs. 1 Z 3 bzw. 4 MaSchG jeweils getrennt zu prüfen sind, wenngleich inhaltliche Überschneidungen bestehen können (vgl. auch hier das zitierte hg. Erkenntnis vom heutigen Tage).

In der Sache bringt die Beschwerde als einen Aspekt, der die Unterscheidungskraft des angemeldeten Wortzeichens begründe, vor, bei der vorliegenden Wortmarke handle es sich um eine ungewöhnliche Kombination der Worte "Treuhand" und "Arzt", welche dem allgemeinen Sprachgebrauch überhaupt fremd sei, weil Ärzte naturgemäß medizinische Leistungen und nicht Treuhandleistungen erbrächten. Dieses Argument übersieht zunächst, dass bei der Überprüfung der Unterscheidungskraft nicht auf den allgemeinen Sprachgebrauch, sondern auf die Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise abzustellen ist, also auf den Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher dieser Waren oder Dienstleistungen (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom heutigen Tage mit Verweis auf das Urteil des EuGH vom 9. März 2006 in der Rechtssache C- 421/04, Matratzen Concord AG/Hukla Germany SA, Randnr. 24). In dieser Hinsicht ist die Auffassung der belangten Behörde, welche sich zudem (der Aktenlage nach) auf entsprechende Internetrecherchen betreffend den Begriff "Ärztetreuhand" stützen kann, dass es sich bei der vorliegenden Wortmarke um einen allgemeinen Hinweis auf Treuhanddienstleistungen speziell für die Ärzteschaft handelt, nicht als unschlüssig zu erkennen. Das Beschwerdeargument, die vorliegende Begriffskombination sei schon deshalb ungewöhnlich, weil Ärzte naturgemäß keine Treuhandleistungen erbrächten, geht auch deshalb fehl, da diesem Begriff nicht alleine die Bedeutung zukommt, dass Treuhanddienstleistungen durch Ärzte, sondern gleichermaßen (wie von der belangten Behörde angeführt) für Ärzte ausgeübt werden.

Die gewählte Schreibweise der angemeldeten Wortmarke (in Blockbuchstaben) ist alleine nicht ausreichend, eine Unterscheidungskraft zu begründen (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom heutigen Tage).

Darüber hinaus bringt die Beschwerde keinen Aspekt, etwa der fantasievollen Gestaltung, vor, die es der angemeldeten Wortmarke ermöglichen würde, ihre Hauptfunktion (Garantie der Ursprungsidentität der mit der Marke gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung) für die von der Anmeldung erfassten Dienstleistungen zu erfüllen und daher Unterscheidungskraft zu haben. Auch im Hinblick auf eine allfällige Unterscheidungskraft in Folge ihrer Benutzung (§ 4 Abs. 2 MaSchG) bringt die Beschwerde nichts vor.

              5.              Ein Vorabentscheidungsersuchen gemäß Art. 234 EG an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ist im Hinblick auf die im zitierten hg. Erkenntnis vom heutigen Tage dargestellte und gesicherte Rechtsprechung des EuGH zur Frage der Unterscheidungskraft einer Marke nach Art. 3 lit. b) der MarkenRL, die auch im vorliegenden Fall berücksichtigt werden konnte, nicht erforderlich (vgl. hiezu das Urteil des EuGH vom 6. Oktober 1982 in der Rechtssache 283/81, C.I.L.F.I.T., Slg. 1982, 3415).

              6.              Da sich die Beschwerde sohin insgesamt als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

              7.              Eine Entscheidung über den Aufwandersatz konnte entfallen, da die obsiegende belangte Behörde keinen entsprechenden Antrag gestellt hat.

Wien, am 18. Oktober 2006

Gerichtsentscheidung

EuGH 62004J0421 Matratzen Concord / Hukla VORAB

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie richtlinienkonforme Auslegung des innerstaatlichen Rechts EURallg4/3Gemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005040089.X00

Im RIS seit

11.12.2006

Zuletzt aktualisiert am

24.10.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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