TE OGH 2001/1/25 8ObS126/00p

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Veröffentlicht am 25.01.2001
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer und die fachkundigen Laienrichter Dr. Friedrich Stefan und Ernst Boran als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Marika Sch*****, vertreten durch Dr. Thomas Stampfer und Dr. Christoph Orgler, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Bundessozialamt Steiermark, 8020 Graz, Babenbergerstraße 35, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen S 60.246,-- netto sA Insolvenz-Ausfallgeld, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. Dezember 1999, GZ 7 Rs 251/99g-10, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 16. Juni 1999, GZ 33 Cgs 72/99f-6, bestätigt wurde,

1. den Beschluss

gefasst:

Der Antrag auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens wird zurückgewiesen;

2. zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war ab 16. 5. 1994 als Angestellte mit einem monatlichen Bruttogehalt von zuletzt S 22.080,-- im Betrieb des Günter K***** (in der Folge Übergeber) beschäftigt, der sie am 10. 4. zum 31. 7. 1997 kündigte. Am 13. 5. 1997 vereinbarte der Übergeber mit seinem Arbeitnehmer Ernst W***** (in der Folge Übernehmer) die Übernahme des Betriebes mit Wirksamkeit zum 1. 8. 1997 sowie Haftung und Zahlung durch den Übergeber für alle bis zur Übernahme anfallenden Arbeitnehmeransprüche inklusive Beendigungsansprüche. Nachdem der Übergeber am 20. 6. 1997 verstorben war, vereinbarte die Nachlasskuratorin mit allen Angestellten eine Verkürzung der Kündigungsfrist auf 20. 7. 1997 und mit dem Übernehmer die Vorverlegung der Übernahme auf den 21. 7. 1997. Der Übergeber hatte die Ansprüche seiner Arbeitnehmer nicht mehr beglichen. Am 29. 12. 1997 wurde der Konkurs über seine Verlassenschaft eröffnet. Seit Übernahme des Betriebes am 21. 7. 1997 ist die Klägerin beim Betriebsübernehmer zu denselben Arbeits- und Entgeltbedingungen wieder eingestellt. Im Februar 1998 meldete die Klägerin eine Forderung von S 60.246,-- netto als Konkursforderung im Konkurs über die Verlassenschaft nach dem Übergeber an und beantragte bei der beklagten Partei Insolvenz-Ausfallgeld im selben Betrag für Lohn vom

1. bis 20. 6. 1997 und Abfertigung.

Rechtliche Beurteilung

Die Begründung der Berufungsentscheidung, dass auf Grund der zeitlichen Gegebenheiten der ursächliche Zusammenhang der Kündigung mit dem Betriebsübergang evident, der Kündigungsschutz der Arbeitnehmer der Verfügung der Parteien entzogen sei, die im AVRAG vorgesehene Eintrittsautomatik unabhängig vom Wollen des bisherigen und des neuen Betriebsinhabers sowie des betroffenen Arbeitnehmers wirke, und letzterem das Recht, durch Beendigung des Dienstverhältnisses mit dem Veräußerer und Abschluss eines Arbeitsvertrages mit dem Übernehmer die Bestimmungen des AVRAG zu Lasten Dritter zu umgehen, nicht zustehe, ist zutreffend (§ 510 Abs 3 ZPO).Die Begründung der Berufungsentscheidung, dass auf Grund der zeitlichen Gegebenheiten der ursächliche Zusammenhang der Kündigung mit dem Betriebsübergang evident, der Kündigungsschutz der Arbeitnehmer der Verfügung der Parteien entzogen sei, die im AVRAG vorgesehene Eintrittsautomatik unabhängig vom Wollen des bisherigen und des neuen Betriebsinhabers sowie des betroffenen Arbeitnehmers wirke, und letzterem das Recht, durch Beendigung des Dienstverhältnisses mit dem Veräußerer und Abschluss eines Arbeitsvertrages mit dem Übernehmer die Bestimmungen des AVRAG zu Lasten Dritter zu umgehen, nicht zustehe, ist zutreffend (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO).

Ergänzend ist dem Antrag auf Einholung einer Vorabentscheidung und den übrigen Revisionsausführungen zu erwidern:

Der Antrag auf Einholung einer Vorabentscheidung wird zurückgewiesen, weil ein solches Antragsrecht nicht besteht. Ein Anlass, den Antrag auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahren darüber, ob nach der Insolvenzrichtlinie 80/987/EWG dem Institut der Erwerberhaftung die Qualität einer Garantieeinrichtung iSd Richtlinie zukomme, als Anregung aufzugreifen, besteht schon deshalb nicht, weil im Falle der Insolvenz des Übernehmers den übernommenen Arbeitnehmern für ihre diesem gegenüber neu entstandenen oder auf ihn anlässlich des Betriebsüberganges übergegangenen Verpflichtungen Insolvenz-Ausfallgeld zusteht, sodass sie keinen Schaden erleiden (8 ObS 2164/96k = SZ 70/168).

Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, wirkt die im AVRAG vorgesehene Eintrittsautomatik unabhängig vom Wollen des bisherigen und des neuen Betriebsinhabers sowie des betroffenen Arbeitnehmers. Die Beendigung des Dienstverhältnisses der Klägerin und der unmittelbar anschließende Abschluss eines Dienstvertrages mit dem Betriebsübernehmer ist ein iSd § 879 ABGB unwirksames Umgehungsgeschäft. Im Verfahren gegen das beklagte Sozialamt kommt diesem die Legitimation zu, die Unwirksamkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend zu machen, weil sie durch die VorgängeWie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, wirkt die im AVRAG vorgesehene Eintrittsautomatik unabhängig vom Wollen des bisherigen und des neuen Betriebsinhabers sowie des betroffenen Arbeitnehmers. Die Beendigung des Dienstverhältnisses der Klägerin und der unmittelbar anschließende Abschluss eines Dienstvertrages mit dem Betriebsübernehmer ist ein iSd Paragraph 879, ABGB unwirksames Umgehungsgeschäft. Im Verfahren gegen das beklagte Sozialamt kommt diesem die Legitimation zu, die Unwirksamkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend zu machen, weil sie durch die Vorgänge

unmittelbar in ihrer Vermögenslage betroffen wird (8 ObS 219/99k =

ZIK 2000, 105 = WBl 2000, 281 = DRdA 2000, 534 mwN). Die Klägerin

kann zwar nicht gezwungen werden, die unwirksame Kündigung nicht zu akzeptieren und das Arbeitsverhältnis mit dem Übernehmer fortzusetzen. Sie kann auf den durch die Eintrittsautomatik bzw Verbot einer nicht richtlinienkonformen Kündigung gewährleisteten Schutz verzichten und anstelle der Rechtsunwirksamkeit die Kündigungsansprüche aus der ungerechtfertigten Auflösung des Arbeitsverhältnisses geltend machen (9 ObA 240/98d = WBl 1999, 324); hingegen steht ihr das Recht, durch Beendigung des Dienstverhältnisses mit dem Veräußerer und Abschluss eines Arbeitsvertrages mit dem Übernehmer die Bestimmungen des AVRAG zu Lasten Dritter zu umgehen, nicht zu. Wählt sie diese vom Gesetz nicht gewünschte Vorgangsweise, trägt sie das Risiko der Insolvenz des Übergebers. Ansprüche gegenüber dem Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds stehen ihr nicht zu, weil mit den Mitteln des Fonds im Interesse der Allgemeinheit sparsam umgegangen werden muss und es nicht angeht, Ansprüche der Arbeitnehmer aus Fondsmitteln zu befriedigen, wenn auch Dritte (hier der Übernehmer) hiefür haften (8 ObS 2164/96k = SZ 70/168).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 ASGG; besondere Billigkeitsgründe für einen Kostenzuspruch trotz Unterliegens sind nicht gegeben.Die Kostenentscheidung gründet sich auf Paragraph 77, Absatz eins, Ziffer 2, ASGG; besondere Billigkeitsgründe für einen Kostenzuspruch trotz Unterliegens sind nicht gegeben.

Anmerkung

E60609 08C01260

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2001:008OBS00126.00P.0125.000

Dokumentnummer

JJT_20010125_OGH0002_008OBS00126_00P0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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