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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §67a Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Khozouei, über die Beschwerde des HK in L, vertreten durch Winkler - Heinzle Rechtsanwaltspartnerschaft in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen den Bescheid der Datenschutzkommission vom 30. Juni 2005, GZ. K120.925/0009-DSK/2005, betreffend die erkennungsdienstliche Behandlung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer wurde am 21. November 2003, um
18.30 Uhr, beim Zollamt L. bei der Einreise durch den Zollwachebeamten F. wegen des Verdachtes des Verbrechens nach dem Suchtmittelgesetz und bestehender Verabredungs-, Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr auf Grund eines mündlichen Haftbefehles des Landesgerichtes Feldkirch vorläufig in Verwahrung genommen. Während der Anhaltung des Beschwerdeführers erfolgte nach der Begründung des angefochtenen Bescheides "in den Räumen der Sicherheitsexekutive in Bregenz" (die Kriminalabteilung beim Landesgendarmeriekommando Vorarlberg) eine erkennungsdienstliche Behandlung, u.a. durch Vornahme eines Mundhöhlenabstrichs.
Der Beschwerdeführer erhob dagegen an den Unabhängigen Verwaltungssenat für das Land Vorarlberg Beschwerde vom 15. Dezember 2003 - eingelangt bei dieser Behörde am 16. Dezember 2003). In dieser wird ausgeführt, dass die Beamten, nachdem sie von ihm Lichtbilder gemacht und Fingerabdrücke genommen hätten, erklärt hätten, es sei auch erforderlich, dass er dulde, dass von ihm ein Mundhöhlenabstrich hergestellt werde, was der Beschwerdeführer auf Grund der Anordnung über sich ergehen habe lassen. Bei der Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung sei er in seinen Rechten verletzt worden. Die Voraussetzungen für die Durchführung einer erkennungsdienstlichen Behandlung seien nicht vorgelegen. Der Beschwerdeführer stellte in dieser Beschwerde abschließend den Antrag, die Vornahme eines Mundhöhlenabstriches im Rahmen der erkennungsdienstlichen Behandlung am 21. oder 22. November 2003 für rechtswidrig zu erklären und die Vernichtung der rechtswidrig erlangten Information anzuordnen.
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Vorarlberg übermittelte diese Beschwerde zuständigkeitshalber mit Schreiben vom 7. Jänner 2004 an die belangte Behörde, da nach seiner Ansicht nicht vom Vorliegen einer Datenermittlung durch Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt auszugehen sei.
Die belangte Behörde erachtete ihre Zuständigkeit auf der Grundlage von § 90 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) als gegeben und leitete das Ermittlungsverfahren ein. Es erging zunächst ein Mängelbehebungsauftrag, das Recht gemäß DSG 2000 anzugeben, in dem sich der Beschwerdeführer als verletzt ansehe, und ein Begehren zu stellen, über das die Datenschutzkommission gemäß § 31 DSG 2000 entscheiden könne.
Der Beschwerdeführer machte mit Schriftsatz vom 5. März 2004 (eingelangt bei der belangten Behörde am 22. März 2004) in der Folge geltend, dass er durch die Vornahme der erkennungsdienstlichen Behandlung am 21./22. November 2003 in seinem Recht auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten sowie in seinem Recht auf Löschung unzulässig verarbeiteter Daten verletzt worden sei. Es werde beantragt, die Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung am Beschwerdeführer am 21./22. November 2003 durch Anfertigung von Lichtbildern und Fingerabdrücken sowie die Ermittlung der DNA des Beschwerdeführers im Rahmen der erkennungsdienstlichen Behandlung durch Vornahme eines Mundhöhlenabstrichs und die Nichtlöschung dieser Daten durch die Beschwerdegegnerin für rechtswidrig zu erklären, da die Voraussetzungen des § 65 Abs. 1 und des § 67 Abs. 1 SPG nicht vorgelegen seien und daher das Recht des Beschwerdeführers auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten und auf Löschung unrechtmäßig ermittelter Daten verletzt sei.
Die belangte Behörde wies diese Beschwerde gemäß § 77 Abs. 2 und 4, § 78 und § 90 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) i.V.m. § 6 Abs. 1 AVG mit dem angefochtenen Bescheid zurück. Dies wurde damit begründet, dass der Beschwerdeführer nach seinen eigenen Angaben am 21. November 2003 von Exekutivbeamten bei der Einreise am Grenzübergang L. festgenommen und an diesem oder am nächsten Tag während seiner Anhaltung in den Räumlichkeiten der Sicherheitsexekutive in Bregenz erkennungsdienstlich behandelt worden sei. Dieses Vorbringen werde durch das durchgeführte Ermittlungsverfahren auch bestätigt, da in den Akten der ermittelnden Dienststelle (Landesgendarmeriekommando für Vorarlberg, Kriminalabteilung) eine gerichtlich angeordnete Verwahrungshaft (mündlich erteilter Haftbefehl des zuständigen Untersuchungsrichters) vom 21. November 2003, 18.30 Uhr bis 22. November 2003, 12.15 Uhr, dokumentiert sei. Nach Zurückleitung der Beschwerde an den ursprünglich angerufenen unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Vorarlberg gemäß § 6 Abs. 1 AVG durch Verfügung der belangten Behörde vom 18. Mai 2005 habe der Beschwerdeführer den bescheidmäßigen Abspruch der Datenschutzkommission über ihre Zuständigkeit begehrt.
Durch die aus dem selben Grund (strafrechtlicher Tatverdacht) wie die erkennungsdienstliche Behandlung angeordnete Anhaltung seien gemäß § 77 Abs. 2 und 4 sowie § 78 SPG die Voraussetzungen vorgelegen, eine erkennungsdienstliche Behandlung ohne Erlassung eines Bescheides durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vorzunehmen. Daher sei die Beurteilung der Sache gemäß § 90 zweiter Satz SPG der Zuständigkeit der Datenschutzkommission entzogen und falle vielmehr gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG i.V.m. § 88 Abs. 1 SPG in die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht. Der Beschwerdeführer erachtet sich im Recht auf Entscheidung durch die zuständige Behörde verletzt.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die im vorliegenden Fall durch die belangte Behörde vertretene Auffassung, dass eine im Rahmen einer gerichtlich angeordneten Anhaltung vorgenommene erkennungsdienstliche Behandlung ohne Erlassung eines Bescheides jedenfalls als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu qualifizieren, ist - wie dies der Verwaltungsgerichtshof in dem hg. Erkenntnis vom 19. September 2006, Zl. 2005/06/0018, mittlerweile im Zusammenhang mit Spruchpunkt I des dort angefochtenen Bescheides ausgesprochen hat, rechtswidrig. Auf die Begründung kann daher gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen werden. In dem angeführten Erkenntnis wurde unter Berufung auf einschlägige Vorjudikatur dargelegt, dass die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nur dann vorliegt, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehls droht. Es muss ein Verhalten vorliegen, das als "Zwangsgewalt", zumindest aber als spezifisch verstandene Ausübung von "Befehlsgewalt" gedeutet werden kann. Im Falle eines Befehles ist dann die Ausübung unmittelbarer Befehlsgewalt anzunehmen, wenn dem Befehlsadressaten eine bei Nichtbefolgung unverzüglich einsetzende physische Sanktion angedroht wird. Schon in dem Fall, das sich der Betroffene weigert, der Aufforderung zur Durchführung einer erkennungsdienstlichen Behandlung Folge zu leisten, und ihm darauf angedroht wird, dass er gemäß § 77 Abs. 4 SPG zu einer solchen Behandlung vorgeführt wird, stellt die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dar. Die Frage, ob die Datenermittlung durch Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt erfolgt, muss jeweils an Hand der konkreten Vorgangsweise der amtshandelnden Beamten und des Verhaltens des Betroffenen dabei beantwortet werden. Im vorliegenden Fall unterließ die belangte Behörde auf Grund ihrer unrichtigen Rechtsansicht jede näheren Ermittlungen über die Vorgangsweise der Beamten und das Verhalten des Beschwerdeführers vor der verfahrensgegenständlichen erkennungsdienstlichen Behandlung, sodass nicht beurteilt werden kann, ob sie zur Behandlung der vorliegenden Beschwerde zuständig war. Schon auf Grund der unzutreffenden Rechtsansicht erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 37 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 23. Jänner 2007
Schlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2005060254.X00Im RIS seit
20.02.2007