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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
NAG 2005 §11 Abs2 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des IP, geboren 1988, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 5. April 2006, Zl. 144.223/2- III/4/05, betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bundesministerin für Inneres (der belangten Behörde) vom 5. April 2006 wurden der Antrag des Beschwerdeführers, eines rumänischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung und sein Zusatzantrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen gemäß § 11 Abs. 2 Z 1, § 21 Abs. 1, § 72 Abs. 1 und § 73 Abs. 1 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, abgewiesen.
Der Beschwerdeführer habe den Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "jeglicher Aufenthaltszweck gemäß § 13 Abs. 2 FrG" und den Zusatzantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen gemäß § 19 Abs. 2 Z 6 des Fremdengesetzes 1997 - FrG am 20. Jänner 2005 beim Magistrat der Stadt Linz gestellt. Diese Anträge seien von der genannten Behörde mit Bescheid vom 11. Juli 2005 gemäß § 5 Abs. 1 und 2, § 14 Abs. 2 und § 10 Abs. 4 FrG abgewiesen worden.
Fest stehe, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2002 in Begleitung seiner Mutter in das Bundesgebiet eingereist und seit 4. September 2002 ständig in Österreich aufrecht gemeldet sei. Er halte sich ohne rechtmäßigen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet auf.
Da seine Mutter am 18. November 2004 im Zug eines Verkehrsunfalls tödlich verunglückt sei, sei dem Magistrat der Stadt Linz in Vertretung des Landes Oberösterreich als Jugendwohlfahrtsträger die Obsorge über ihn übertragen worden.
Seinen Zusatzantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen habe der Beschwerdeführer im Wesentlichen damit begründet, dass er nach dem Tod seiner Mutter weder in Österreich noch in Rumänien Angehörige hätte und vom Jugendamt unterstützt würde. Er hätte in Österreich die Hauptschule abgeschlossen und würde mittlerweile sehr gut Deutsch sprechen. Bei Vorliegen der arbeitsrechtlichen Voraussetzungen könnte er eine Mechanikerlehre aufnehmen. Hinsichtlich seiner Verurteilung durch das Landesgericht Linz wegen Fahrraddiebstahls in mehreren Fällen habe er ausgeführt, dass er sich in Zukunft an die Rechtsordnung halten würde.
Weiters habe er vorgebracht, dass er ein Arbeitstraining absolvierte, was sich positiv auf seine Entwicklung auswirkte. Außerdem hätte er sich mit Hepatitis B infiziert und benötigte zur Ermöglichung einer Behandlung in Österreich einen gesicherten Aufenthalt, weil eine entsprechende medizinische Betreuung in Rumänien nicht gewährleistet wäre.
Über den Beschwerdeführer sei mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 5. April 2004 gemäß §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, § 129 Z 3 und § 130 Abs. 1 vierter Fall StGB eine bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von 13 Monaten rechtskräftig verhängt worden. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 6. Mai 2005 sei gegen ihn ein bis 6. Mai 2010 gültiges Aufenthaltsverbot erlassen worden. Einer gegen den diesbezüglichen Berufungsbescheid eingebrachten Verwaltungsgerichtshofbeschwerde sei die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden.
Begründend führte die belangte Behörde weiter aus, dass sich der Beschwerdeführer während und nach der Stellung des Antrages auf Erteilung der Niederlassungsbewilligung im Bundesgebiet aufgehalten habe. Da er noch nie im Besitz eines Aufenthaltstitels für Österreich gewesen sei, handle es sich bei diesem Antrag um einen Erstantrag und hätte er diesen gemäß § 21 Abs. 1 NAG vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einbringen und die Entscheidung im Ausland abwarten müssen. Der Antrag sei daher gemäß § 21 Abs. 1 leg. cit. abzuweisen.
Was sein Vorbringen hinsichtlich des Vorliegens humanitärer Gründe im Sinn des § 72 NAG anlange, so ließen die von ihm ins Treffen geführten Umstände keinen besonders berücksichtigungswürdigen Aspekt erkennen, weil er als Minderjähriger ohnedies vom zuständigen Jugendwohlfahrtsträger betreut worden sei und aus dem Fehlen von weiteren Angehörigen sowohl in Österreich als auch in seinem Heimatland noch kein humanitärer Grund abgeleitet werden könne. Auch durch die von ihm behauptete Integration sei für ihn nichts zu gewinnen, weil diese aus einem unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich resultiere und sein Integrationswille durch seine Straffälligkeit wohl etwas beeinträchtigt scheine. Aus dem Wunsch, in Österreich eine medizinische Behandlung in Anspruch zu nehmen, könne ebenfalls keine Schutzwürdigkeit seiner Person abgeleitet werden. Grund zur Annahme, dass er einer Gefahr gemäß § 50 FrG ausgesetzt wäre, bestehe nicht, und es sei Derartiges von ihm auch nicht behauptet worden. Es hätten von der belangten Behörde keine humanitären Gründe im Sinn des § 72 NAG erkannt werden können, sodass eine Inlandsantragstellung gemäß § 74 NAG nicht zulässig gewesen sei.
Durch seine Straffälligkeit und seinen seit dem Jahr 2002 andauernden unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet habe der Beschwerdeführer gezeigt, dass er nicht gewillt sei, sich an die in Österreich geltende Rechtsordnung zu halten. Diese Tatsache stelle jedenfalls eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar. Sein Verhalten widerspreche seiner Behauptung, dass er seine Lebenseinstellung in eine positive Richtung geändert hätte, und es könne von einer positiven Verhaltensprognose nicht ausgegangen werden. Untermauert werde diese Ansicht auch dadurch, dass er am 13. Jänner 2006 abermals wegen des Vorwurfes des gleichen Delikts (§ 129 StGB) erkennungsdienstlich behandelt worden sei. Jedenfalls stelle sein illegaler Aufenthalt einen schweren Verstoß gegen das österreichische Fremdenrecht dar.
Das Fehlverhalten des Beschwerdeführers widerstreite dem öffentlichen Interesse gemäß § 11 Abs. 4 Z 1 NAG, und er erfülle die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z 1 leg. cit. für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht.
Die damit notwendige Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK habe ergeben, dass er zwar wirtschaftliche Interessen an einem Aufenthalt in Österreich haben möge, den öffentlichen Interessen habe jedoch gegenüber seinen privaten Interessen Priorität eingeräumt werden müssen, weil auf Grund seines fortdauernden unrechtmäßigen Aufenthaltes keine Bereitschaft von ihm zu erkennen sei, die Rechtsordnung seines Aufenthaltsstaates zu respektieren.
Was nun seinen Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen anlange, so räume § 73 NAG der Behörde die Möglichkeit ein, bei Vorliegen besonders berücksichtigungswürdiger Gründe einem Drittstaatsangehörigen von Amts wegen eine "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" oder eine "Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit" zu erteilen. Die Voraussetzungen gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. lägen nicht vor, weil der Beschwerdeführer nicht im Besitz der erforderlichen Berechtigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz - AuslBG sei. Eine "Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit" könnte nur von Amts wegen erteilt werden, sodass sein Antrag als unzulässig zurückzuweisen wäre. Die belangte Behörde habe dennoch eine amtswegige Überprüfung seines Vorbringens im Sinn des § 72 NAG vorgenommen, und es seien diesem aus den bereits dargelegten Gründen keine besonders berücksichtigungswürdigenden Aspekte zu entnehmen. Damit könne dem Beschwerdeführer auch keine quotenfreie Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen im Sinn des § 73 NAG erteilt werden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Vorauszuschicken ist, dass der vorliegende Sachverhalt nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides zu beurteilen ist, sodass der Umstand, dass Staatsangehörige von Rumänien mit 1. Jänner 2007 EWR-Bürger geworden sind (vgl. dazu BGBl. III Nr. 185/2006), nicht zu berücksichtigen ist (vgl. dazu auch § 41 Abs. 1 erster Satz VwGG) und im Hinblick darauf bei der vorliegenden Beurteilung die Sonderbestimmungen der §§ 51 und 53 NAG keine Anwendung finden.
Ferner ist darauf hinzuweisen, dass das bei Inkrafttreten des NAG mit 1. Jänner 2006 anhängige Verfahren über den gegenständlichen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 81 Abs. 1 leg. cit. nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende zu führen und der genannte Antrag nach diesem Bundesgesetz zu beurteilen war (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 2006, Zl. 2006/18/0282).
2.1. Der Beschwerdeführer hat unstrittig bisher noch nie über einen Aufenthaltstitel verfügt. Beim gegenständlichen Antrag handelt es sich daher um einen Erstantrag.
Gemäß § 21 Abs. 1 NAG sind Erstanträge vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen und ist die Entscheidung im Ausland abzuwarten.
2.2. Der Beschwerdeführer bringt in der Beschwerde vor, dass er "mittlerweile" eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet habe, er bestreitet jedoch nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, dass er - dies bezogen auf den Bescheidzeitpunkt -, wie von ihm bereits in seinem Zusatzantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung vom 20. Jänner 2005 angegeben, im Bundesgebiet keine Angehörigen gehabt habe.
Schon im Hinblick darauf, kommt die Ausnahmebestimmung des § 21 Abs. 2 Z 1 NAG, wonach u.a. Familienangehörige von Österreichern unter bestimmten Voraussetzungen zur Inlandsantragstellung berechtigt sind, nicht weiter ins Blickfeld.
2.3. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 27. Juni 2006, Zl. 2006/18/0153, ausgeführt hat, besteht das Recht der Inlandsantragstellung in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen gemäß § 74 NAG nur bei amtswegiger Zulassung, welche vorliegend jedoch nicht erfolgte.
Die belangte Behörde hat die Verwirklichung der maßgeblichen Tatbestandselemente für die Annahme eines besonders berücksichtigungswürdigen Falles aus humanitären Gründen gemäß § 72 NAG überprüft (und einen diesbezüglichen Zusatzantrag spruchmäßig abgewiesen). Diese Bestimmung stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis zukommen zu lassen. Weiters liegen besonders berücksichtigungswürdige Fälle im Sinn dieser Bestimmung dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK abzuleitender Anspruch auf Familiennachzug besteht (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2007, Zl. 2006/18/0501, mwN).
Der - bei Erlassung des angefochtenen Bescheides volljährige (vgl. § 2 Abs. 4 Z 1 NAG) - Beschwerdeführer hatte (bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung dieses Bescheides) unstrittig im Bundesgebiet keine Familienangehörigen. Wenn die belangte Behörde zur Ansicht gelangt ist, dass im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen des § 72 NAG nicht vorliegen, und sie deshalb eine Inlandsantragstellung nach § 74 leg. cit. nicht zugelassen hat, so begegnet diese Beurteilung keinem Einwand.
2.4. Aus den genannten Gründen wäre der Beschwerdeführer daher verpflichtet gewesen, die Entscheidung über den gegenständlichen Antrag im Ausland abzuwarten. Da der bei Erlassung des angefochtenen Bescheides unstrittig in Österreich aufhältige Beschwerdeführer dieser Verpflichtung nicht nachgekommen ist, hat die belangte Behörde den Antrag zu Recht gemäß § 21 Abs. 1 NAG abgewiesen.
Hiebei war eine Abwägung seiner persönlichen Interessen mit den gegenläufigen öffentlichen Interessen nicht erforderlich (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 13. Februar 2007, Zl. 2006/18/0163, mwN).
3. Im Hinblick darauf erübrigte es sich, noch darauf einzugehen, ob in Anbetracht des unstrittigen, der Verurteilung des Beschwerdeführers vom 5. April 2004 wegen des Verbrechens nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, § 129 Z 3 und § 130 Abs. 1 vierter Fall StGB zugrundeliegenden Fehlverhaltens - wozu noch kommt, dass sich der Beschwerdeführer seit dem Jahr 2002 ohne einen Aufenthaltstitel und somit unrechtmäßig in Österreich aufgehalten hat - der Versagungstatbestand nach § 11 Abs. 2 Z 1 NAG erfüllt war.
4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 15. Mai 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006180328.X00Im RIS seit
11.07.2007Zuletzt aktualisiert am
19.10.2011