Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ulrike P*****, vertreten durch Gabler Gibel & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei ***** Versicherungs AG, ***** vertreten durch Dr. Christoph Lassmann-Wichtl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Zahlung einer Rente von monatlich EUR 187,50 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 25. Juni 2003, GZ 16 R 58/03x-23, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 21. Jänner 2003, GZ 7 Cg 20/02s-19, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 499,39 (darin enthalten USt von EUR 83,23) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die 1967 geborene Klägerin erlitt bei einem Verkehrsunfall im Jahre 1983 unter anderem einen Kompressionsbruch des dritten Lendenwirbelkörpers. Mit rechtskräftigem Urteil vom 14. 6. 1989 wurde die Haftung der beklagten Partei für unfallskausale Schäden und die Beschränkung ihrer Haftung für Schmerzengeldansprüche auf drei Viertel des Schadens festgestellt. Die beklagte Partei wurde zur Zahlung eines Schmerzengeldes von 150.000 S verurteilt.
Im vorliegenden Verfahren begehrt die Klägerin weiteres Schmerzengeld; sie erhob ein Hauptbegehren auf Zahlung von EUR 6.562,50 (für den Zeitraum 1. 1. 2000 bis November 2000); in eventu begehrte sie die Zahlung einer monatlichen Rente von EUR 187,50 und erhob ein weiteres Eventualbegehren auf Zahlung von EUR 47.025 (Globalbemessung), wobei sie jeweils ein 25 %-iges Mitverschulden berücksichtigte.
Das Erstgericht wies das Hauptbegehren auf Zahlung von EUR 6.562,50 ab und verpflichtete die beklagte Partei zur Zahlung einer monatlichen Schmerzengeldrente von EUR 187,50, beginnend mit 1. 1. 2000 bis zum Lebensende der Klägerin.
Dabei wurden folgende Feststellungen getroffen:
Der seinerzeit erlittene Kompressionsbruch des Lendenwirbelkörpers ist eine Erniedrigung auf ca 1/3 der ursprünglichen Höhe mit Knickbildung von 20 %. Es besteht eine Seitenverkrümmung, nämlich eine rechtskonvexe Skoliose von ebenfalls 20 Grad, wodurch auch die Brustwirbelsäule durch Seitenverkrümmung in Mitleidenschaft gezogen ist. Weiters findet sich eine deutliche muskuläre Verspannung im Lendenwirbelsäulenbereich sowie ein Beckenschiefstand, durch den die linke Beckenhälfte um ca 1 cm tiefer steht als die rechte Beckenseite. Die Beweglichkeit der Wirbelsäule ist eingeschränkt. Ein so komplizierter Wirbelbruch mit Achsenfehlstellung und Buckelbildung führt zu prinzipiell vorhersehbaren Verkrümmungen der Wirbelsäule und muskulären Verspannungen, wobei individuell jeweils ein spezieller Verlauf zu berücksichtigen ist. Es ist eine Verschlechterung im Zustandsbild der Klägerin dadurch eingetreten, dass die ventralen spondylotischen Randanbauten und Nervenaustritte bei L 2 und L 4 eingeengt sind und beim passiven Anheben des Beines ein Dehnungsschmerz des N. Ischiadicus auftritt. Da offenbar die Fraktur zu spät erkannt und keine korrigierende Therapie durchgeführt wurde, verblieb eine ausgeprägte Gibbus- und Skoliosebildung, sodass die Beweglichkeit deutlich eingeschränkt ist und es wiederholt zu äußerst unangenehmen Verspannungs- und Belastungsschmerzen im Bereich der Wirbelsäule kommt. Die Klägerin hat im verfahrensgegenständlichen Zeitraum durchschnittlich 30 Tage pro Jahr leichte Schmerzen erlitten, wobei die nunmehr angeführten Verletzungsfolgen und die dadurch hervorgerufenen Schmerzen nicht in das im Vorverfahren eingeholte Sachverständigengutachten einbezogen wurden. Der damals bestellte Sachverständige ging davon aus, dass zahlreiche Wirbelbrüche folgenlos verheilen werden und hat ausgeführt, es bestehe die Möglichkeit verletzungsbedingter Erkrankungen. Eine Verbesserung des Zustandsbildes der Klägerin ist nicht zu erwarten, eine Beeinträchtigung auf Dauer ist anzunehmen, der Eintritt einer gravierenden Verschlechterung in der Zukunft ist möglich.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, es sei in dem im Vorverfahren zugesprochenen Schmerzengeld keine Abgeltung für die nach Mitte 1989 zu erleidenden Schmerzen beinhaltet gewesen. Da mittlerweile feststehe, dass die Unfallfolgen mit Dauerschäden in Form von Schmerzen bis zum Lebensende der erst 36 Jahre alten Klägerin einhergehen werden und nicht besserungsfähig seien, sei der Klägerin bis zu ihrem Lebensende eine Schmerzengeldrente zuzusprechen. Ausgehend von rund 30 Tagen leichten Schmerzen pro Jahr erscheine unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von 25 % der Zuspruch einer monatlichen Rente von EUR 187,50 ab 1. 1. 2000 bis zum Lebensende der Klägerin angemessen.
Das lediglich von der beklagten Partei angerufene Berufungsgericht änderte mit Teilurteil die angefochtene Entscheidung dahin ab, dass auch das Begehren auf Zahlung einer monatlichen Rente von EUR 187,50 ab 1. 1. 2000 abgewiesen wurde. Die Entscheidung über das zweite Eventualbegehren (Schmerzengeldglobalbemessung mit EUR 47.025) wurde der Endentscheidung vorbehalten. Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, die ordentliche Revision sei nicht zulässig.
Das Berufungsgericht führte in rechtlicher Hinsicht aus, es seien die Voraussetzungen für eine weitere Bemessung des Schmerzengeldes an sich gegeben. Nach ständiger Rechtsprechung bestehe aber nur in Ausnahmefällen, bei dauernden, äußerst schweren Körperverletzungen mit besonders schwerwiegenden Dauerfolgen die Möglichkeit des Zuspruches einer Schmerzengeldrente. Derartige Verletzungen seien aber hier nicht gegeben, weshalb der Klägerin keine Rente zustehe.
Über Antrag der Klägerin änderte das Berufungsgericht seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision dahin, dass diese für zulässig erklärte wurde. Es begründete dies damit, dass es durchaus gewichtige Argumente für einen Zuspruch einer Schmerzengeldrente gebe. Zum einen bestehe eine erhebliche Ungenauigkeit wegen der Dispkrepanz zwischen der statistischen und der individuellen Lebenserwartung. Zum anderen werde im Fall der Verschlechterung des Zustandes die Berechnung der Globalbemessung immer schwieriger und weniger nachvollziehbar.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren im Hauptbegehren kostenpflichtig stattgegeben werde; hilfsweise wird beantragt, dem Eventualbegehren auf Zahlung einer Rente kostenpflichtig stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, das Rechtsmittel der klagenden Partei zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage - der gegenteilige Ausspruch des Berufungsgerichtes ist nicht bindend - nicht zulässig.
Der erkennende Senat hat sich nämlich erst vor kurzer Zeit mit dem Problem der Schmerzengeldrente auseinandergesetzt und in der Entscheidung 2 Ob 145/02s (= ZVR 2002/95) ausgeführt, die Möglichkeit des Zuspruchs einer Schmerzengeldrente bestehe nur in Ausnahmefällen bei dauernden, äußerst schweren Körperverletzungen mit besonders schwerwiegenden Dauerfolgen. Von dieser Rechtsprechung abzugehen, besteht kein Anlass. Ob eine derartige Verletzung vorliegt, kann nur aufgrund der Umstände des Einzelfalles beurteilt werden, weshalb insoweit die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht gegeben sind. In der Ansicht des Berufungsgerichtes, im vorliegenden Fall sei eine derartig schwere Verletzung nicht gegeben, kann eine grobe Fehlbeurteilung, die aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit wahrzunehmen wäre, nicht erblickt werden. Richtig ist, dass in der Literatur (Danzl/Gutiérrez-Lobos/Müller, Schmerzengeld8 192 f) die Ansicht vertreten wird, es sei auch in anderen Fällen der Zuspruch einer Schmerzengeldrente möglich und zulässig. Auch die genannten Autoren fordern den Zuspruch einer Schmerzengeldrente aber nur dann, wenn es sich um anhaltende Schmerzen des Verletzten handelt, die noch lange nicht beendet sein werden, sich auch sonst die Entwicklung seines Gesundheitszustandes und der weiteren Unfallfolgen nicht übersehen lässt, auch künftig noch wiederholte ärztliche Eingriffe zu befürchten und ernsthaft zu erwarten sind oder der Verlust eines (oder mehrerer) wesentlicher Körperteile und/oder -funktionen oder sonstige andauernde Beeinträchtigungen anzunehmen sind (Danzl/Gutiérrez-Lobos/Müller, aaO, 196). Auch diese Voraussetzungen sind aber hier nicht gegeben. Schließlich darf nicht übersehen werden, dass die Zuerkennung einer Rente neben einem Kapitalbetrag (oder auch anstatt eines solchen) nicht dazu führen darf, dass der Verletzte unter Berücksichtigung seiner Lebenserwartung mehr erhält, als ihm bei Abgeltung aller Ansprüche durch einen Globalbetrag zustehen würde (ZVR 2002/95), er soll aber auch nicht weniger bekommen als im Falle der Globalbemessung. Auch dies spricht dafür, von der grundsätzlich gebotenen Globalbemessung des Schmerzengeldes nur in Ausnahmefällen abzugehen.Der erkennende Senat hat sich nämlich erst vor kurzer Zeit mit dem Problem der Schmerzengeldrente auseinandergesetzt und in der Entscheidung 2 Ob 145/02s (= ZVR 2002/95) ausgeführt, die Möglichkeit des Zuspruchs einer Schmerzengeldrente bestehe nur in Ausnahmefällen bei dauernden, äußerst schweren Körperverletzungen mit besonders schwerwiegenden Dauerfolgen. Von dieser Rechtsprechung abzugehen, besteht kein Anlass. Ob eine derartige Verletzung vorliegt, kann nur aufgrund der Umstände des Einzelfalles beurteilt werden, weshalb insoweit die Voraussetzungen des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO nicht gegeben sind. In der Ansicht des Berufungsgerichtes, im vorliegenden Fall sei eine derartig schwere Verletzung nicht gegeben, kann eine grobe Fehlbeurteilung, die aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit wahrzunehmen wäre, nicht erblickt werden. Richtig ist, dass in der Literatur (Danzl/Gutiérrez-Lobos/Müller, Schmerzengeld8 192 f) die Ansicht vertreten wird, es sei auch in anderen Fällen der Zuspruch einer Schmerzengeldrente möglich und zulässig. Auch die genannten Autoren fordern den Zuspruch einer Schmerzengeldrente aber nur dann, wenn es sich um anhaltende Schmerzen des Verletzten handelt, die noch lange nicht beendet sein werden, sich auch sonst die Entwicklung seines Gesundheitszustandes und der weiteren Unfallfolgen nicht übersehen lässt, auch künftig noch wiederholte ärztliche Eingriffe zu befürchten und ernsthaft zu erwarten sind oder der Verlust eines (oder mehrerer) wesentlicher Körperteile und/oder -funktionen oder sonstige andauernde Beeinträchtigungen anzunehmen sind (Danzl/Gutiérrez-Lobos/Müller, aaO, 196). Auch diese Voraussetzungen sind aber hier nicht gegeben. Schließlich darf nicht übersehen werden, dass die Zuerkennung einer Rente neben einem Kapitalbetrag (oder auch anstatt eines solchen) nicht dazu führen darf, dass der Verletzte unter Berücksichtigung seiner Lebenserwartung mehr erhält, als ihm bei Abgeltung aller Ansprüche durch einen Globalbetrag zustehen würde (ZVR 2002/95), er soll aber auch nicht weniger bekommen als im Falle der Globalbemessung. Auch dies spricht dafür, von der grundsätzlich gebotenen Globalbemessung des Schmerzengeldes nur in Ausnahmefällen abzugehen.
Die Entscheidung des Berufungsgerichtes entspricht der Rechtsprechung, weshalb die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht gegeben sind.Die Entscheidung des Berufungsgerichtes entspricht der Rechtsprechung, weshalb die Voraussetzungen des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO nicht gegeben sind.
Auch im Rechtsmittel der Klägerin werden keine weiteren erheblichen Rechtsfragen dargetan. Insoweit sich ihre Ausführungen auf die Frage des Zuspruches eines Teilschmerzengeldes beziehen, ist darauf nicht einzugehen, weil das diesbezügliche Hauptbegehren bereits rechtskräftig abgewiesen wurde.
Es war daher das Rechtsmittel der Klägerin zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Über diese Kosten war schon jetzt zu entscheiden, weil sich das Revisionsverfahren auf das Teilurteil des Berufungsgerichtes als eigenen Anfechtungsgegenstand bezieht (RIS-Justiz RS0035972).Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die Paragraphen 41,, 50 ZPO. Über diese Kosten war schon jetzt zu entscheiden, weil sich das Revisionsverfahren auf das Teilurteil des Berufungsgerichtes als eigenen Anfechtungsgegenstand bezieht (RIS-Justiz RS0035972).
Textnummer
E71901European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2003:0020OB00292.03K.1222.000Im RIS seit
21.01.2004Zuletzt aktualisiert am
20.04.2011