TE Vwgh Erkenntnis 2007/9/19 2006/08/0221

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Veröffentlicht am 19.09.2007
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §47 Abs2;
AlVG 1977 §49 Abs1;
AlVG 1977 §49 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des O R in Wien, vertreten durch MMag. Dr. Ernst Denk, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Teinfaltstraße 4/8, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 23. März 2006, Zl. LGSW/Abt.3-AlV/05661/2006-392, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Einer mit dem Beschwerdeführer beim Arbeitsmarktservice Wien Schönbrunner Straße am 5. Dezember 2005 aufgenommenen Niederschrift zufolge wurde ihm aufgetragen, an der Maßnahme zur Wiedereingliederung "Jobexpress" mit Beginn am 12. Dezember 2005 teilzunehmen. Am Ende der Niederschrift findet sich nach der Überschrift "Meldetermine" folgender Text:

"Kommt es zu keinem Beginn der Maßnahme müssen Sie unmittelbar am nächsten Tag beim AMS vorzusprechen. Weiters beachten Sie, dass Sie am ersten Werktag nach Beendigung der Maßnahme persönlich beim AMS vorsprechen müssen.

Diese Termine sind verbindlich (Kontrolltermine).

Diese Termine sind Kontrolltermine gemäß § 49 AlVG ... Können Sie einen vereinbarten Termin nicht einhalten, nehmen Sie bitte sofort Kontakt mit uns auf um eventuelle Rechtsfolgen - wie den Verlust des Leistungsanspruches - zu vermeiden. Die Rechtsfolgen wurden mündlich erörtert. Für den Fall, dass Sie an diesem (einem dieser) Termin(e) ohne triftigen Grund nicht zur Vorsprache erscheinen, wurden Sie darüber informiert, dass der Bezug ab diesem Tag bis zu einer neuerlichen persönlichen Wiedermeldung einzustellen ist (Anspruchsverlust - Bezugsdauer wird gekürzt)."

Mit Bescheid vom 2. Februar 2006 sprach das Arbeitsmarktservice Wien Schönbrunner Straße aus, dass der Beschwerdeführer ab 12. Dezember 2005 keine Notstandshilfe erhalte, weil er den vorgeschriebenen Kontrollmeldetermin am 12. Dezember 2005 nicht eingehalten und sich bis dato nicht persönlich beim Arbeitsmarktservice gemeldet habe.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, es sei ihm ein Kontrolltermin für den 12. Dezember 2005 nie vorgeschrieben worden. Tatsächlich sei er am 5. Dezember 2005 der Maßnahme "Jobexpress" per 12. Dezember 2005 zugewiesen worden. Diese Zuweisung sei rechtswidrig gewesen, da er eine derartige Maßnahme kurz zuvor bereits absolviert gehabt habe. In der Niederschrift über die Zuweisung sei ein Kontrolltermin für den Fall vorgesehen worden, dass es zu keinem Beginn der Maßnahme komme. Der Beschwerdeführer habe sich beim Kursträger unverzüglich erkundigt, ob die Maßnahme begonnen habe. Dies sei bejaht worden. Daher sei für den Beschwerdeführer auf Grund der eindeutigen Formulierung der Kontrollterminvorschreibung klar gewesen, dass die Bedingung für den Kontrolltermin nicht eingetreten sei. Dieser sei nur für den Fall vorgeschrieben worden, dass die Maßnahme nicht stattfinde. Dass der Kontrolltermin auch dann gelten sollte, wenn die Maßnahme zwar stattfinde, der Beschwerdeführer aber nicht daran teilnehme, sei weder aus der Textierung erkennbar noch schlüssig, weil in einem solchen Fall eine Sperre gemäß § 10 AlVG zu verhängen gewesen wäre und ein Kontrolltermin während einer Sperrfrist nicht zulässig vorgeschrieben werden könne. Es habe an der erforderlichen Deutlichkeit der Vorschreibung gefehlt, weshalb diese unwirksam erfolgt sei. Die Vorschreibung bedingter Kontrolltermine sei generell unzulässig. Der Termin sei auch nicht in die Kontrollkarte eingetragen worden. Der Beschwerdeführer habe mit Schreiben von Ende Dezember 2005 einen Bescheid über die Einstellung der Notstandshilfe verlangt, der nicht innerhalb von vier Wochen erlassen worden sei. Die Einstellung sei somit rückwirkend außer Kraft getreten.

Nach Einholung einer Stellungnahme des Betreuers, in welcher dieser darauf hingewiesen hat, dass er den fraglichen Kontrolltermin in die Meldekarte des Beschwerdeführers eingetragen habe, hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid der Berufung teilweise Folge gegeben und diesen dahin abgeändert, dass der Beschwerdeführer ab 13. Dezember 2005 keine Notstandshilfe erhalte; die Nachzahlung der für den 12. Dezember 2005 gebührenden Leistung werde bei Zutreffen der sonstigen gesetzlich geforderten Voraussetzungen bewilligt.

In der Begründung gab die belangte Behörde das Verwaltungsgeschehen wieder und führte aus, es sei nicht nachvollziehbar, dass die Vorschreibung des Kontrolltermins für den Beschwerdeführer unklar gewesen sei, weil er seit 1999 Bezieher von Leistungen der Arbeitslosenversicherung sei und sich auf Grund der Vertrautheit mit den Kursmodalitäten beim Arbeitsmarktservice darüber hätte klar sein müssen, dass sich der Begriff "Beginn der Maßnahme" nur darauf beziehen könne, dass er selbst mit der Maßnahme beginne und andernfalls am 13. Dezember 2005 einen Kontrollmeldetermin wahrzunehmen habe. Die Bestimmung des § 24 Abs. 1 AlVG sei nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens, von der Berufungsbehörde sei ein Kontrollmeldeversäumnis gemäß § 49 AlVG zu prüfen. Der Beschwerdeführer sei am 5. Dezember 2005 vom Arbeitsmarktservice über die Rechtsfolgen des Versäumens einer Kontrollmeldung belehrt worden. Nach der Aktenlage und dem Vorbringen des Beschwerdeführers sei kein Grund ersichtlich, der es ihm unmöglich gemacht hätte, den vom Arbeitsmarktservice für den 13. Dezember 2005 vorgeschriebenen Kontrollmeldetermin einzuhalten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat die Sperre der Notstandshilfe ausdrücklich auf die Versäumung des Kontrolltermins gestützt. In der Beschwerde wird unter anderem vorgebracht, dass der Kontrolltermin nicht einzuhalten gewesen sei, weil er unter der Bedingung des "Nichtbeginnes" der Maßnahme gestanden sei, die, weil die Maßnahme begonnen habe, nicht eingetreten sei.

Gemäß § 47 Abs. 2 AlVG ist Personen, die Kontrollmeldungen einzuhalten haben, von der regionalen Geschäftsstelle eine Meldekarte auszustellen, in der insbesondere die Zahl, die Zeit und der Ort der einzuhaltenden Kontrollmeldungen zu bestätigen sind.

§ 49 AlVG lautet:

"(1) Zur Sicherung des Anspruches auf den Bezug von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe hat sich der Arbeitslose wöchentlich mindestens einmal bei der nach seinem Wohnort zuständigen regionalen Geschäftsstelle unter Vorweisung der Meldekarte persönlich zu melden. Je nach der Situation auf dem Arbeitsmarkt kann die regionale Geschäftsstelle die Einhaltung von Kontrollmeldungen gänzlich nachsehen, die Zahl der einzuhaltenden Kontrollmeldungen herabsetzen oder öftere Kontrollmeldungen vorschreiben. Die regionale Geschäftsstelle kann auch öftere Kontrollmeldungen vorschreiben, wenn der begründete Verdacht besteht, dass das Arbeitslosengeld bzw. die Notstandshilfe nicht gebührt. Die näheren Bestimmungen über die Kontrollmeldungen trifft die Landesgeschäftsstelle. Die Landesgeschäftsstelle kann auch andere Stellen als Meldestellen bezeichnen.

(2) Ein Arbeitsloser, der trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine Kontrollmeldung unterlässt, ohne sich mit triftigen Gründen zu entschuldigen, verliert vom Tage der versäumten Kontrollmeldung an bis zur Geltendmachung des Fortbezuges den Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe. Liegen zwischen dem Tag der versäumten Kontrollmeldung und der Geltendmachung mehr als 62 Tage, so erhält er für den übersteigenden Zeitraum kein Arbeitslosengeld bzw. keine Notstandshilfe. Der Zeitraum des Anspruchsverlustes verkürzt sich um die Tage einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung, die er in diesem Zeitraum ausgeübt hat. Ist die Frage strittig, ob ein triftiger Grund für die Unterlassung der Kontrollmeldung vorliegt, so ist der Regionalbeirat anzuhören."

Ein Kontrolltermin im Sinne des § 49 Abs. 1 AlVG dient in erster Linie der Betreuung des Arbeitslosen (vgl. das Erkenntnis vom 31. Jänner 2007, Zl. 2005/08/0117), aber auch der Kontrolle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen für den Leistungsbezug, etwa zum Nachweis der Arbeitswilligkeit (vgl. das Erkenntnis vom 23. Juni 1998, Zl. 95/08/0032, sowie Krapf/Keul, Arbeitslosenversicherungsgesetz I, RZ 820 zu § 49 AlVG).

Kontrolltermine sind nach der gesetzlichen Anordnung des § 47 Abs. 2 AlVG unter Angabe von Ort und Zeit des wahrzunehmenden Termins in die Kontrollkarte einzutragen. Dies dient dazu, Missverständnisse zu vermeiden und durch die Eintragung in die Kontrollkarte (Meldekarte) den Kontrolltermin in zweifelsfreier Weise festzulegen (vgl. das Erkenntnis vom 7. September 2005, Zl. 2004/08/0253).

Für den Arbeitslosen muss demnach in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise feststehen, dass ihm ein Kontrolltermin vorgeschrieben wurde und wann dieser stattfinden soll; dies soll durch die Eintragung des Termins in die Kontrollkarte sichergestellt werden. Fehlt es daher an einer solchen Eintragung, wurde der Kontrolltermin - wenn er auch dem Arbeitslosen niederschriftlich zur Kenntnis gebracht worden ist - nicht wirksam vorgeschrieben; dessen Versäumung kann daher nicht die Rechtsfolgen des § 49 Abs. 2 AlVG auslösen.

Im Beschwerdefall hat der Beschwerdeführer in der Berufung behauptet, der Termin 12. Dezember 2005 sei nicht in seine Kontrollkarte eingetragen worden, während der Betreuer des Beschwerdeführers im Zuge des Berufungsverfahrens das Gegenteil behauptet hat. Mit dieser für das vorliegende Verfahren - wie aufgezeigt - wesentlichen Frage hat sich die belangte Behörde aber nicht auseinander gesetzt, sie hat demnach Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abzusehen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 19. September 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006080221.X00

Im RIS seit

16.11.2007

Zuletzt aktualisiert am

31.03.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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