TE OGH 2006/9/12 1Ob162/06i

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Veröffentlicht am 12.09.2006
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Jürgen E*****, Kraftfahrer, ***** vertreten durch Dr. Johann Kölly, Rechtsanwalt in Oberpullendorf, gegen die beklagte Partei N***** GmbH, ***** vertreten durch Scherbaum/Seebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen EUR 15.328,31 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 28. April 2006, GZ 3 R 170/05b-68, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 17. August 2005, GZ 42 Cg 73/03m-64, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der Kläger war als Kraftfahrer bei einem Beförderungsunternehmen tätig, das es unter anderem übernommen hatte, Milchprodukte bei der Beklagten abzuholen und auszuliefern. Dabei war vereinbart, dass der jeweilige Fahrer des Frächters die Verladung der von der Beklagten in deren Lager bereit gestellten Waren vornimmt. Diese Verladung wurde in der Weise gehandhabt, dass die Kraftfahrer die für die jeweilige Auslieferung bereit gestellte Ware mit Hilfe eines von der Beklagten zur Verfügung gestellten Elektrohubwagens in den LKW brachten, nachdem sie vorher die Ladebrücke an den zur Verladung postierten LKW angepasst hatten. Der damalige Standortleiter der Beklagten wäre insoweit berechtigt gewesen, auf den Ladevorgang Einfluss zu nehmen, als er einen Kraftfahrer auffordern hätte können, den Ladevorgang zu unterbrechen oder das Tor frei zu machen, gegebenenfalls auch die weitere Benützung des Elektrohubwagens zu unterlassen. Am 20. 7. 2000 kam es beim Beladevorgang zu einem Unfall, bei dem der Kläger verletzt wurde. Ursache dafür war ein defekter Schalter am Steuergerät der Laderampe. Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, dass die Verantwortlichen der Beklagten ein Verschulden an der nicht ausreichenden Wartung bzw am Übersehen des Defekts trifft. Die vom Kläger geltend gemachten Schäden werden der Höhe nach nicht bekämpft.

Der Kläger begehrte letztlich EUR 15.328,31 samt Zinsen und brachte im Wesentlichen vor, die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt. Da er sich bei seiner Tätigkeit nicht in den Betrieb der Beklagten eingegliedert habe, komme dieser das Haftungsprivileg des § 333 ASVG nicht zugute.Der Kläger begehrte letztlich EUR 15.328,31 samt Zinsen und brachte im Wesentlichen vor, die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt. Da er sich bei seiner Tätigkeit nicht in den Betrieb der Beklagten eingegliedert habe, komme dieser das Haftungsprivileg des Paragraph 333, ASVG nicht zugute.

Die Beklagte wandte im Wesentlichen ein, sie sei gemäß § 333 ASVG haftungsfrei, weil sich der Kläger in ihren Betrieb eingegliedert habe und Weisungen ihrer Mitarbeiter habe befolgen müssen. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Arbeitgeberin des Klägers habe es vertraglich übernommen, Fracht für die Beklagte zu transportieren; um diesen Vertrag erfüllen zu können, müsse an sich eine Arbeitskraft der Beklagten das Frachtgut verladefertig vorbereiten und herrichten. Indem der Kläger derartige notwendige Tätigkeiten übernommen habe, habe er mit deren offenkundigen Zustimmung eine zweckmäßige Arbeit im Betrieb der Beklagten geleistet und sei wie ein Mitarbeiter deren Weisungsbefugnis unterstanden. Insoweit sei es zur Eingliederung und Unterordnung des Klägers gegenüber den Mitarbeitern der Beklagten gekommen, weshalb diese als „Auch-Dienstgeber" im Sinne des § 35 Abs 1 ASVG anzusehen sei. Da der Kläger somit einen Arbeitsunfall im Sinne der §§ 176 Abs 1 Z 6, 333 Abs 1 ASVG erlitten habe und eine vorsätzliche Schädigung nicht vorliege, komme der Beklagten das sogenannte Dienstgeberhaftungsprivileg zugute.Die Beklagte wandte im Wesentlichen ein, sie sei gemäß Paragraph 333, ASVG haftungsfrei, weil sich der Kläger in ihren Betrieb eingegliedert habe und Weisungen ihrer Mitarbeiter habe befolgen müssen. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Arbeitgeberin des Klägers habe es vertraglich übernommen, Fracht für die Beklagte zu transportieren; um diesen Vertrag erfüllen zu können, müsse an sich eine Arbeitskraft der Beklagten das Frachtgut verladefertig vorbereiten und herrichten. Indem der Kläger derartige notwendige Tätigkeiten übernommen habe, habe er mit deren offenkundigen Zustimmung eine zweckmäßige Arbeit im Betrieb der Beklagten geleistet und sei wie ein Mitarbeiter deren Weisungsbefugnis unterstanden. Insoweit sei es zur Eingliederung und Unterordnung des Klägers gegenüber den Mitarbeitern der Beklagten gekommen, weshalb diese als „Auch-Dienstgeber" im Sinne des Paragraph 35, Absatz eins, ASVG anzusehen sei. Da der Kläger somit einen Arbeitsunfall im Sinne der Paragraphen 176, Absatz eins, Ziffer 6,, 333 Absatz eins, ASVG erlitten habe und eine vorsätzliche Schädigung nicht vorliege, komme der Beklagten das sogenannte Dienstgeberhaftungsprivileg zugute.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne einer Klagestattgebung - ausgenommen ein geringfügiges Zinsenmehrbegehren - ab und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Die herrschende Rechtsprechung sehe auch Personen als Dienstgeber an, die mit dem Versicherten zwar nicht in einem von persönlicher oder wirtschaftlicher Abhängigkeit geprägten arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Dienstverhältnis stehen, wohl aber in einem engen Kooperationsverhältnis mit dem Hauptmerkmal der „betrieblichen Eingliederung in der Art eines eigenen Arbeitnehmers", die wieder mit der Bereitschaft des Dienstnehmers korreliere, sich den Weisungen des Unternehmers bzw dessen Aufsehers im Betrieb zu unterstellen. Für die Annahme einer Eingliederung genüge es nicht, dass jemand den Interessen eines anderen Unternehmers diene. Hauptcharakteristikum sei die Bereitschaft, sich den Weisungen des Unternehmers bzw dessen Aufsehers im Betrieb zu unterstellen. Die Intensität dieser Weisungen müsse jedenfalls über bloß technische oder organisatorische Anweisungen hinaus in Richtung Abhängigkeitsverhältnis gehen. Die Rechtsprechung neige zum Teil dazu, aus einer etwa im Baugewerbe üblichen kurz dauernden Mithilfe bereits eine Eingliederung für einen Betriebsvorgang abzuleiten. Zum Haftungsausschluss nach § 333 ASVG könne es kommen, wenn der später Verletzte die Sphäre seines eigenen Lebensbereichs verlasse und sich in den Aufgabenbereich des anderen Unternehmers einordne. Hier habe es die Arbeitgeberin des Klägers aufgrund ihrer Vereinbarung mit der Beklagten vertraglich übernommen, selbst für die Beladung des jeweiligen LKWs mit dem von der Beklagten bereit gestellten Ladegut zu sorgen. Damit sei der Beladevorgang in die rechtliche Sphäre der Arbeitgeberin des Klägers gefallen, weshalb er dabei nicht im Interesse der Beklagten tätig geworden sei. Dass der Kläger dabei Mittel der Beklagten benutzt habe, habe nicht zu seiner Eingliederung in deren Betrieb geführt. Eine Unterordnung in deren Betrieb sei schon deshalb nicht in Betracht gekommen, weil der Kläger im Zuge seines Ladevorgangs keine Anweisungen erhalten habe. Aus dem festgestellten Sachverhalt habe sich auch keine Bereitschaft des Klägers ergeben, sich über organisatorische Weisungen hinaus allfälligen persönlichen Weisungen der Beklagten zu unterstellen. Der Annahme einer Eingliederung des Klägers in den Betrieb der Beklagten stehe vor allem der Inhalt der Vereinbarung, wonach die Arbeitgeberin des Klägers für die Verladung der bereit gestellten Ware zu sorgen habe, entgegen. Der Beklagten komme somit das Haftungsprivileg nach § 333 ASVG nicht zugute. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung dazu fehle, ob eine vertragliche Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber des Verletzten und dessen Vertragspartner, wonach Ersterer die Verladung des von seinem Vertragspartner bereit gestellten Ladeguts übernommen hat, geeignet sei, den Eintritt der Rechtsfolgen des § 333 ASVG zu hindern. Die Revision der Beklagten ist unzulässig.Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne einer Klagestattgebung - ausgenommen ein geringfügiges Zinsenmehrbegehren - ab und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Die herrschende Rechtsprechung sehe auch Personen als Dienstgeber an, die mit dem Versicherten zwar nicht in einem von persönlicher oder wirtschaftlicher Abhängigkeit geprägten arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Dienstverhältnis stehen, wohl aber in einem engen Kooperationsverhältnis mit dem Hauptmerkmal der „betrieblichen Eingliederung in der Art eines eigenen Arbeitnehmers", die wieder mit der Bereitschaft des Dienstnehmers korreliere, sich den Weisungen des Unternehmers bzw dessen Aufsehers im Betrieb zu unterstellen. Für die Annahme einer Eingliederung genüge es nicht, dass jemand den Interessen eines anderen Unternehmers diene. Hauptcharakteristikum sei die Bereitschaft, sich den Weisungen des Unternehmers bzw dessen Aufsehers im Betrieb zu unterstellen. Die Intensität dieser Weisungen müsse jedenfalls über bloß technische oder organisatorische Anweisungen hinaus in Richtung Abhängigkeitsverhältnis gehen. Die Rechtsprechung neige zum Teil dazu, aus einer etwa im Baugewerbe üblichen kurz dauernden Mithilfe bereits eine Eingliederung für einen Betriebsvorgang abzuleiten. Zum Haftungsausschluss nach Paragraph 333, ASVG könne es kommen, wenn der später Verletzte die Sphäre seines eigenen Lebensbereichs verlasse und sich in den Aufgabenbereich des anderen Unternehmers einordne. Hier habe es die Arbeitgeberin des Klägers aufgrund ihrer Vereinbarung mit der Beklagten vertraglich übernommen, selbst für die Beladung des jeweiligen LKWs mit dem von der Beklagten bereit gestellten Ladegut zu sorgen. Damit sei der Beladevorgang in die rechtliche Sphäre der Arbeitgeberin des Klägers gefallen, weshalb er dabei nicht im Interesse der Beklagten tätig geworden sei. Dass der Kläger dabei Mittel der Beklagten benutzt habe, habe nicht zu seiner Eingliederung in deren Betrieb geführt. Eine Unterordnung in deren Betrieb sei schon deshalb nicht in Betracht gekommen, weil der Kläger im Zuge seines Ladevorgangs keine Anweisungen erhalten habe. Aus dem festgestellten Sachverhalt habe sich auch keine Bereitschaft des Klägers ergeben, sich über organisatorische Weisungen hinaus allfälligen persönlichen Weisungen der Beklagten zu unterstellen. Der Annahme einer Eingliederung des Klägers in den Betrieb der Beklagten stehe vor allem der Inhalt der Vereinbarung, wonach die Arbeitgeberin des Klägers für die Verladung der bereit gestellten Ware zu sorgen habe, entgegen. Der Beklagten komme somit das Haftungsprivileg nach Paragraph 333, ASVG nicht zugute. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung dazu fehle, ob eine vertragliche Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber des Verletzten und dessen Vertragspartner, wonach Ersterer die Verladung des von seinem Vertragspartner bereit gestellten Ladeguts übernommen hat, geeignet sei, den Eintritt der Rechtsfolgen des Paragraph 333, ASVG zu hindern. Die Revision der Beklagten ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die höchstgerichtliche Judikatur zur Frage der Eingliederung in einen fremden Betrieb hat das Berufungsgericht weitgehend richtig wiedergegeben, sodass insoweit vorerst auf dessen Ausführungen zu verweisen ist. Zu vergleichbaren Sachverhaltskonstellationen wurde zudem ausgesprochen, dass ein Verletzter dann nicht als gelegentlicher Helfer im Betrieb des Schädigers angesehen werden könne, wenn dessen Tätigkeit als Erfüllungshandlung zu werten ist (RIS-Justiz RS0084251; SZ 38/184; 2 Ob 3/94 ua). Dass er sich dabei allenfalls in die räumliche Sphäre des Schädigers begibt bzw begeben muss, reicht für die Annahme einer Eingliederung nicht aus. Dafür wäre vielmehr eine Tätigwerden in dessen unternehmerischer Sphäre, also ein Mitarbeiten in dem an sich dem Schädiger zukommenden Aufgabenbereich erforderlich (4 Ob 167/85 = RdW 1987, 22). Ein Einordnen in einen fremden Betrieb nach Art eines Dienstnehmers setzt voraus, dass der Verletzte seinen persönlichen Lebensbereich und die Sphäre seines eigenen Aufgabenbereichs verlässt und sich in den Bereich der vertraglich dem Unternehmer (Schädiger) obliegenden Aufgaben einordnet (RIS-Justiz RS0084149).

Von all dem kann angesichts der Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen keine Rede sein. Der Kläger hat beim Verladevorgang keineswegs von der Beklagten geschuldete Tätigkeiten durchgeführt, sondern vielmehr jene Aufgaben, die sein eigener Dienstgeber vertraglich übernommen hatte. Liegt eine solche klare vertragliche Abrede vor, ist es entgegen der Auffassung der Revisionswerberin irrelevant, ob eine bestimmte Tätigkeit „typischerweise" im Betrieb des Schädigers anfällt und (grundsätzlich) von dessen Mitarbeitern verrichtet wird. Auch der Hinweis darauf, dass sich die Beklagte dadurch den Einsatz einer eigenen Arbeitskraft für den Verladevorgang erspart hat, vermag den Prozessstandpunkt der Revisionswerberin nicht zu stützen, da dieser „Vorteil" nicht auf eine kurzfristige Eingliederung des Klägers in ihren Betrieb, sondern vielmehr auf die eindeutige vertragliche Abrede zurückzuführen ist, die eben den Verladevorgang dem Aufgabenbereich des Dienstgebers des Klägers zugewiesen hat.

Was schließlich eine allfällige Bereitschaft des Klägers betrifft, Weisungen von Leuten der Beklagten entgegenzunehmen, ist auf die zutreffende Auffassung des Berufungsgerichts zu verweisen. Rein organisatorische Weisungen, etwa zu welchem Zeitpunkt und an welcher Stelle der Verladevorgang vorzunehmen ist, führen unter den gegebenen Umständen zu keiner Eingliederung des Kraftfahrers in den Betrieb der Beklagten. Daran vermag auch die Berufung darauf, dass in der Mehrzahl der Fälle der Fahrer „über Anweisung" eines Mitarbeiters der Beklagten die bereit gestellte Ware auch noch mit Folie umwickeln müsse, nichts zu ändern, zumal nicht erkennbar ist, warum die allenfalls erforderliche Umwicklung mit Folie nicht in den Aufgabenbereich des Dienstgebers des Klägers fallen sollte, der sich ja dazu verpflichtete, die gesamte Verladung, zu der auch die Transportsicherung gehört, vorzunehmen.

Die Revision, in der eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht aufgezeigt wird, ist daher zurückzuweisen. Da der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels nicht hingewiesen hat, stellt sich sein Schriftsatz nicht als zweckentsprechende Rechtsverfolgungsmaßnahme dar. Er hat somit die ihm im Revisionsverfahren entstandenen Kosten selbst zu tragen.Die Revision, in der eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO nicht aufgezeigt wird, ist daher zurückzuweisen. Da der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels nicht hingewiesen hat, stellt sich sein Schriftsatz nicht als zweckentsprechende Rechtsverfolgungsmaßnahme dar. Er hat somit die ihm im Revisionsverfahren entstandenen Kosten selbst zu tragen.

Anmerkung

E82092 1Ob162.06i

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2006:0010OB00162.06I.0912.000

Dokumentnummer

JJT_20060912_OGH0002_0010OB00162_06I0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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