TE Vfgh Erkenntnis 2003/3/12 WI-2/02

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.03.2003
beobachten
merken

Index

L1 Gemeinderecht
L1010 Stadtrecht

Norm

B-VG Art117 Abs5
B-VG Art141 Abs1 litb
Nö GRWO 1994 §68, §69
Nö StadtrechtsorganisationsG §21
Nö StadtrechtsorganisationsG §82 Abs2

Leitsatz

Stattgabe der Anfechtung einer Wahl der Mitglieder des Stadtsenates infolge verfassungswidriger Auslegung der Bestimmungen des Nö Stadtrechtsorganisationsgesetzes über die Aufteilung der Zahl der Stadtsenatsmitglieder auf die einzelnen im Gemeinderat vertretenen Wahlparteien; Wahlparteien mit gekoppelten Wahlvorschlägen als eine Wahlpartei anzusehen

Spruch

              Der Wahlanfechtung wird stattgegeben.

              Die Wahl der Mitglieder des Stadtsenates der Stadt Waidhofen an der Ybbs vom 15.4.2002 wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

              1.1.1. Bei der am 17.3.2002 stattgefundenen Wahl zum Gemeinderat der Stadt Waidhofen an der Ybbs entfielen von den insgesamt 7.145 abgegebenen gültigen Stimmen auf die

- Waidhofner Volkspartei           3.934 Stimmen

(23 Mandate)

- Sozialdemokratische Partei

  Österreichs                      1.979 Stimmen

(11 Mandate)

- Unabhängige Wahlgemeinschaft -

  Bürgerliste Waidhofen an der Ybbs  238 Stimmen

(1 Mandat)

- Freiheitliche Partei Österreichs   431 Stimmen

(3 Mandate)

- Grüne Alternative Waidhofen

  an der Ybbs                        409 Stimmen

(2 Mandate)

- Namensliste Käferböck Robert       154 Stimmen

(0 Mandate).

              [Dabei waren die Wahlvorschläge der Unabhängigen

Wahlgemeinschaft - Bürgerliste Waidhofen an der Ybbs und der Freiheitlichen Partei Österreichs miteinander gekoppelt (§68 NÖ Gemeinderatswahlordnung 1994 - GRWO).]

              1.1.2. Am 15.4.2002 fand die konstituierende Sitzung des Gemeinderates statt. Unter dem Vorsitz des an Jahren ältesten Mitgliedes des Gemeinderates (§77 Abs3 NÖ Stadtrechtsorganisationsgesetz - STROG) wurde zunächst Mag. Wolfgang Mair zum Bürgermeister gewählt. Er übernahm den Vorsitz und erklärte, dass 10 Mitglieder des Stadtsenates (§4 Abs1 Z2 Waidhofner Stadtrecht 1977 iVm §82 STROG) zu wählen seien. Weiters stellte er fest, dass gemäß §82 Abs2 STROG auf die Waidhofner Volkspartei sieben Mitglieder des Stadtsenates und auf die Sozialdemokratische Partei Österreichs drei Mitglieder des Stadtsenates entfielen. Beide genannten Parteien hätten fristgerecht gültige Wahlvorschläge eingebracht, die von mindestens der Hälfte der Gemeinderäte der betreffenden Partei unterfertigt seien. Hierauf wurden die von den genannten Parteien vorgeschlagenen Kandidaten zu Mitgliedern des Stadtsenates gewählt. Schließlich wurden aus der Mitte der Stadträte - über Vorschlag der Waidhofner Volkspartei - Ignaz Hofmacher zum ersten Vizebürgermeister und - über Vorschlag der Sozialdemokratischen Partei Österreichs - Alfred Mandl zum zweiten Vizebürgermeister gewählt.

              1.2.1.1. Mit einer an den Magistrat der Stadt

Waidhofen an der Ybbs gerichteten Eingabe vom 15.4.2002 fochten drei der Wählergruppe "Freiheitliche Partei Österreichs" angehörende Gemeinderäte - Martin Rohrhofer, Markus Leitner und Karl Heinz Knoll - und ein der Wählergruppe "Unabhängige Wahlgemeinschaft - Bürgerliste Waidhofen an der Ybbs" angehörender Gemeinderat - Friedrich Rechberger - ua. die Wahl des Stadtsenates (vom 15.4.2002) gemäß §89 Abs1 STROG bei der Stadtwahlbehörde an.

              1.2.1.2. Sie stellten in der Eingabe ua. den Antrag, die Stadtwahlbehörde möge gemäß §90 Abs5 STROG aussprechen, dass die Wahl des Stadtsenates aus dem Grund des §36 Abs2 leg.cit. gesetzwidrig war, und diese Wahl für ungültig erklären.

              Begründend heißt es in der Eingabe wörtlich:

              "Gem §36 Abs2 NÖ STROG haben die Wahlparteien

Anspruch auf Vertretung im Stadtsenat nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechts. Bei der Gemeinderatswahl vom 17. März 2002 in der Statutarstadt Waidhofen an der Ybbs haben die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) und die Unabhängige Wahlgemeinschaft - Bürgerliste Waidhofen/Ybbs (UWG) ihre Wahlvorschläge gem §68 NÖ Gemeinderatswahlordnung 1994 miteinander gekoppelt. Aufgrund der Legaldefinition des Begriffs Wahlpartei im §21 NÖ STROG, wonach Wahlparteien, die ihre Wahlvorschläge miteinander gekoppelt haben, als eine Wahlpartei gelten, gilt dies auch für Wahlparteien im Sinne des §36 Abs2 Satz 2 NÖ STROG. Auch im Hinblick auf Art117 Abs5 B-VG ist der Begriff Wahlpartei des §36 Abs2 NÖ STROG verfassungskonform so auszulegen, daß Wahlparteien, die ihre Wahlvorschläge miteinander gekoppelt haben, als eine Wahlpartei gelten.

              Interpretiert man §36 Abs2 NÖ STROG verfassungskonform, so steht der gekoppelten Wahlpartei FPÖ-UWG eine Stelle im Stadtsenat zu. Die Aufteilung wäre dann: WVP: 6 Stellen, SPÖ: 3 Stellen, FPÖ-UWG: 1 Stelle im Stadtsenat."

              1.2.2.1. Mit Bescheid der Stadtwahlbehörde der Stadt Waidhofen an der Ybbs vom 15.5.2002 wurde der Anfechtung keine Folge gegeben.

              1.2.2.2. Der Bescheid wurde ua. wie folgt begründet:

              "Der Wahlanfechtung kommt keine Berechtigung zu.

Gemäß §82 Abs2 NÖ Stadtrechtsorganisationsgesetz ist die Zahl der Stadtsenatsmitglieder auf die einzelnen im Gemeinderat vertretenen Wahlparteien nach dem Verhältnis der Parteisummen aufzuteilen.

              ...

              Nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechtes (siehe auch §56 NÖ Gemeinderatswahlordnung, LGBl. 350-3) kommen somit bei den gemäß §4 Abs1 Ziffer 2 Waidhofner Stadtrecht, LGBl. 1020-10, 10 festgesetzten Stadtsenatsstellen 7 der WVP und 3 der SPÖ zu. Diesbezüglich wurden von den zwei genannten Wahlparteien, die auch Anspruch auf die Besetzung von Stadtsenatsstellen haben, gemäß §83 Abs1 NÖ STROG jeweils ein ordnungsgemäßer Wahlvorschlag erstattet, was im übrigen von den Wahlparteien, denen die Anfechtungswerber als Gemeinderatsmitglieder angehören, gar nicht erst gemacht wurde, womit schon eine formalrechtliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Wahlanfechtung fehlt.

              Die Anfechtungswerber berufen sich auf die im Zuge des Wahlverfahrens zur Gemeinderatswahl vom 17.03.2002 gemäß §68 Abs1 NÖ Gemeinderatswahlordnung 1994 abgegebene Koppelungserklärung. Diese hat aber nach §69 leg.cit. lediglich die Wirkung, dass bei gekoppelten Wallvorschlägen bei der Ermittlung der Mandate zur Gemeinderatswahl zunächst die gekoppelten Wahlparteien wie eine Wahlpartei zu behandeln sind und dann die auf die gekoppelten Wahlparteien zusammen entfallenden Mandate nach den für die Mandatsaufteilung geltenden Bestimmungen zu verteilen sind. Eine Bestimmung über eine weiterreichende Wirkung von gekoppelten Wahlvorschlägen als die oben beschriebene ist in der NÖ Gemeinderatswahlordnung nicht enthalten.

              Lediglich in dem auch in der Anfechtungsschrift zitierten §21 Abs1 NÖ Stadtrechtsorganisationsgesetz ist im Hinblick auf die Bildung von Gemeinderatsklubs im 2. Satz bestimmt, dass Wahlparteien, die ihre Wahlvorschläge im Sinne des §68 NÖ Gemeinderatswahlordnung 1994 gekoppelt haben, als eine Wahlpartei gelten. Dazu wird gesetzessystematisch festgestellt, dass der §21 NÖ STROG die Überschrift 'Gemeinderatsklubs' trägt. Die Bildung von Gemeinderatsklubs, wo eine Koppelung der Wahlvorschläge zu berücksichtigen wäre, hat aber weder mit der Anspruchsberechtigung für eine Stadtsenatsstelle im Sinne des §82 NÖ STROG noch für eine Mitgliedschaft in einem Gemeinderatsausschuss im Sinne des §88 leg.cit. etwas zu tun.

              Die zitierte Bestimmung des §21 NÖ STROG enthält auch keine Legaldefinition für die Wahlpartei, wie in der Anfechtungsschrift fälschlich ausgeführt wurde, sondern verweist vielmehr auf §29 Abs1 NÖ Gemeinderatswahlordnung 1994, wonach Wählergruppen, die sich an der Wahlwerbung beteiligen wollen (Wahlparteien), ihre Wahlvorschläge bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vor dem Wahltag im Gemeindeamt einbringen müssen. Wahlvorschläge zur Gemeinderatswahl 2002 der Statutarstadt Waidhofen an der Ybbs sind aber sowohl von der FPÖ als auch von der UWG getrennt eingebracht worden, sodass es sich dabei um zwei getrennte Wahlparteien handelt, die lediglich durch die zeitgerechte Koppelung ihrer Wahlvorschläge gemäß §69 NÖ Gemeinderatswahlordnung bei der Mandatsermittlung für die Gemeinderatswahl am 17.03.2002 in den Genuss der für sie ohnehin günstigeren Mandatsaufteilung gelangt sind. Sowohl §82 Abs2 NÖ STROG hinsichtlich der Wahl zum Stadtsenat als auch §88 Abs1 leg.cit. hinsichtlich der Wahl der Mitglieder der Gemeinderatsausschüsse stellen auf die einzelnen im Gemeinderat vertretenen Wahlparteien ab, sodass bei der Durchführung der nunmehr angefochtenen Wahlvorgänge diese Bestimmungen auch durchaus verfassungskonform im Lichte des Artikels 117 Abs5 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) interpretiert und angewandt wurden, dem zufolge im Gemeinderat vertretene Wahlparteien nach Maßgabe ihrer Stärke Anspruch auf Vertretung im Gemeindevorstand haben. Im B-VG ist die Koppelung nicht geregelt, wenngleich sie bei entsprechender Vorsorge durch den Landesgesetzgeber auch verfassungsrechtlich zulässig ist (siehe Tiroler Gemeinderatswahlordnung). Der Landesgesetzgeber hat dabei aber einen weiten Spielraum. Da der niederösterreichische Landesgesetzgeber die Koppelungsmöglichkeit ausdrücklich nur mit Auswirkung für die Ermittlung der Mandate bei der Gemeinderatswahl in der Gemeinderatswahlordnung 1994 und mit Auswirkung bei der Bildung von Gemeinderatsklubs im NÖ Stadtrechtsorganisationsgesetz vorgesehen hat, nämlich der Pflicht zur Bekanntgabe eines Klubsprechers gemäß §21 Abs2 NÖ STROG sowie des Rechtes auf Entsendung eines Gemeinderates zu den Sitzungen von Gemeinderatsausschüssen gem. §34 Abs3, 2. Satz leg.cit. mit Ausnahme des Kontrollausschusses, ist der Begriff der (einzelnen) Wahlpartei bei de[r] im Gegenstand

angefochtenen Wahl zum Stadtsenat ... primär im Lichte der

landesgesetzlichen Bestimmungen korrekt, aber auch jedenfalls verfassungskonform interpretiert worden."

              1.3.1.1. Dieselben vier Mitglieder des Gemeinderates, welche auch die administrative Wahlanfechtung eingebracht hatten, fechten nunmehr mit einer auf Art141 (Abs1 litb) B-VG gestützten Anfechtungsschrift die Wahl der Mitglieder des Stadtsenates der Stadt Waidhofen an der Ybbs an und beantragen, der Verfassungsgerichtshof wolle diese Wahl für nichtig erklären und als rechtswidrig aufheben. Eventualiter wird beantragt, das Verfahren zur Wahl des 8. Mitgliedes des Stadtsenates für nichtig zu erklären und als rechtswidrig aufzuheben.

              1.3.1.2. Begründend heißt es in der Wahlanfechtungsschrift wörtlich:

              "Wir haben rechtzeitig vor der Wahl bekanntgegeben, daß wir unsere Wahlvorschläge gemäß §68 NÖ GRWO gekoppelt haben. Gemäß §21 NÖ STROG gelten Wahlparteien, die ihre Wahlvorschläge miteinander koppeln, als eine Wahlpartei. Gemäß §36 Abs2 NÖ STROG haben die Wahlparteien Anspruch auf Vertretung im Stadtsenat nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechtes.

              Der Verfassungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 15.6.1994, WI-4/93, ausgeführt, daß keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, wenn der Gesetzgeber, der gekoppelte Wählergruppen bei der Gemeinderatswahl als einheitliche Wahlpartei auffaßt und behandelt, bei der Gemeindevorstandswahl gleichermaßen verfährt; eine solche Gleichbehandlung ist vielmehr unter dem Aspekt der Verfassungsvorschrift des Art117 Abs5 B-VG geradezu geboten. Würden die für die Gemeinderatswahl gekoppelten Parteien bei der Vorstandswahl als getrennte Parteien behandelt, so hätte dies zur Folge, daß die - als einheitliche Wahlpartei anzusehende - 'Koppel-Wahlpartei' gespalten würde, ein Ergebnis, das, wie sich aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 13.12.1993, WI-25/92 (Salzburger Stadtsenat), S 12, ergibt, gegen Art117 Abs5 B-VG verstieße.

              Diese Argumentation des Verfassungsgerichtshofes widerspricht eindeutig der Rechtsmeinung der Stadtwahlbehörde der Statutarstadt Waidhofen an der Ybbs, wonach die Bestimmungen des §21 Abs1 NÖ STROG und die des §69 NÖ GRWO sich lediglich auf die Wahl des Gemeinderates beziehen sollte. Im Lichte der oben genannten Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes wäre eine solche Auslegung verfassungswidrig und mit Art117 Abs5 B-VG nicht vereinbar.

              Bei richtiger Auslegung der NÖ GRWO und des NÖ STROG im Sinn des der Verfassung zugrundeliegenden Verhältniswahlrechtes ist daher davon auszugehen, daß unserer gekoppelten Wahlpartei das achte Mandat (Wahlzahl 669) zuzukommen hat, während das neunte Mandat der SPÖ (Wahlzahl 659,66) und das zehnte Mandat der WVP (Wahlzahl 655,66) zusteht...

              Völlig unerheblich ist hiebei, daß wir aufgrund der Erklärung des Wahlleiters keinen Wahlvorschlag abgegeben haben. Keineswegs fehlt damit eine formalrechtliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Wahlanfechtung. §85 der NÖ STROG ordnet ausdrücklich an, daß die einer Wahlpartei zustehenden Stadtsenatsstellen durch Wahl aus dem Kreis der Gemeinderäte dieser Wahlpartei zu besetzen sind, auch wenn eine Wahlpartei keinen Wahlvorschlag erstattet."

              1.3.2.1. Die Stadtwahlbehörde der Stadt Waidhofen an der Ybbs erstattete - unter Vorlage der Wahlakten - eine Gegenschrift, in der sie für die kostenpflichtige Abweisung der Wahlanfechtung eintritt.

              1.3.2.2. Sie bringt in ihrer Gegenschrift ua. vor:

              "Den Ausführungen der Anfechtungsschrift ist entgegenzuhalten, dass der Landesgesetzgeber bei der Regelung der Wahl der Gemeindeorgane grundsätzlich einen weiten Spielraum hat (vgl. VfSlg. 8447/1978). Im Falle der NÖ Gemeinderatswahlordnung [...] zum Unterschied von der Tiroler Gemeinderatswahlordnung (TGWO 1994), die eine Koppelung der Wahlvorschläge nur mit der Konsequenz des §69 NÖ Gemeinderatswahlordnung und des §21 NÖ Stadtrechtsorganisationsgesetz vorsieht. Nach §69 Abs1 NÖ Gemeinderatswahlordnung, wo miteinander gekoppelte Wahlvorschläge bei der Ermittlung der Mandate zunächst die gekoppelten Wahlparteien wie eine Wahlpartei zu behandeln und dann die auf die gekoppelten Wahlparteien zusammen entfallenden Mandate nach den für die Mandatsaufteilung geltenden Bestimmungen zu verteilen [...]. Würde durch das Koppeln eine 'neue, einheitliche Wahlpartei' entstehen, wären einerseits die Regelungen im §68 Abs3 und 4 NÖ Gemeinderatswahlordnung 1994 über die Zuordnung der Stimmen zu den ursprünglichen Parteien entbehrlich, andererseits wäre dann ungeklärt, welche Wahlwerber welchen Wahlvorschlag[s] in welcher Reihenfolge und Kombination Gemeinderatsstellen zugewiesen erhalten (siehe §54 NÖ Gemeinderatswahlordnung 1994), da die Koppelung die einzelnen Wahlvorschläge nicht berührt (§68 Abs2 NÖ Gemeinderatswahlordnung 1994).

              Nach der Mandatsverteilung gilt die Koppelung nach der NÖ Rechtslage jedoch nur mehr für die Bildung eines Gemeinderatsklubs. Nach §21 Abs1 2. Satz NÖ Stadtrechtsorganisationsgesetz gelten Wahlparteien, die ihre Wahlvorschläge miteinander gekoppelt haben, als eine Wahlpartei zur Bildung eines Gemeinderatsklubs mit den sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten (siehe §21 Abs2, §34 Abs3 NÖ STROG).

              Dem gegenüber enthält ... §82 ... NÖ STROG keine

gleichartige Regelung über die Zusammenrechnung von Parteisummen. Die Aufteilung der Stadtsenats[...]stellen erfolgt ausschließlich nach dem Verhältnis der Parteisummen der einzelnen im Gemeinderat vertretenen Wahlparteien. Daraus folgt, dass das Koppeln von Wahlvorschlägen keinen Einfluss auf die Verteilung der Stadtsenats[...]stellen hat. Hätte der Gesetzgeber den Einfluss des Koppelns von Wahlvorschlägen auf die Verteilung der Stadtsenats[...]stellen herbeiführen wollen, hätte [er] dies sicher ausdrücklich - wie z.B. in §21

Abs1 2. Satz NÖ STROG - auch in ... §82 ... NÖ STROG geregelt.

              Eine andere Regelung bestand in §80 Abs2 der früheren Stadtwahlordnung, wonach Parteien, die ihre Wahlvorschläge miteinander gekoppelt haben, auch für die Wahl der Stadträte als eine Partei gegolten haben. Nachdem der NÖ Landtag bei der Beschlussfassung des NÖ Stadtrechtsorganisationsgesetzes mit Inkrafttreten 01.01.2000, wo nunmehr u.A. die Wahl des

Stadtsenates ... geregelt ist, bewusst die frühere Regelung

nicht übernommen hat, war es somit offenkundig der Wille des Landesgesetzgebers, die Auswirkungen der nach wie vor möglichen Koppelung von Wahlvorschlägen auf das oben angeführte Ausmaß einzuschränken (§69 NÖ Gemeinderatswahlordnung und §21 NÖ STROG), wobei - wie ebenfalls vorher bereits erwähnt - der Landesgesetzgeber bei der Regelung der Wahl der Gemeindeorgane einen weiten Spielraum hat (VfSlg. 8447/1978).

              [Eine] entsprechende Regelung weist auch die Tiroler Gemeindewahlordnung 1994 (TGWO 1994) auf, auf welche sich das in der Anfechtungsschrift zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 15.06.1994, WI-4/93, bezieht, wonach grundsätzlich festzuhalten ist, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, wenn der Gesetzgeber, der gekoppelte Wählergruppen bei der Gemeinderatswahl als einheitliche Wahlpartei auffasst und behandelt, bei der Gemeindevorstandswahl gleichermaßen verfährt. Nach §37 Abs4 TGWO 1994 gelten - soweit in den §§17 Abs1, 19 Abs1, 27 Abs3, 40 Abs2 und 45 Abs5, 68 2. Satz, 71 Abs7, 73 Abs1, 74 Abs2 2. Satz, 78 Abs7 und 79 Abs4 nichts anderes bestimmt ist, die Wählergruppen der miteinander gekoppelten Wahlvorschläge als eine Wählergruppe bzw. Gemeinderatspartei. Koppelungen bleiben während der gesamten Funktionsperiode des Gemeinderates aufrecht. Nach §74 Abs4 leg.cit. sind bei der Ermittlung der verhältnismäßigen Stärke nach Abs2 und 3 Gemeinderatsparteien, die aus gekoppelten Wahlvorschlägen hervorgegangen sind, bei der Gemeindevorstandswahl zunächst als eine Gemeinderatswahlpartei zu behandeln. Für die sodann durchzuführende Verteilung der auf sie entfallenden Vorstandsstellen auf die einzelnen Wählergruppen gekoppelter Wahlvorschläge gelten die Absätze 2 und 3, §74 Abs9 der TGWO 1991, auf den sich die verfassungsrechtliche Beurteilung im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 15.06.1994, Zl. WI-4/93, im Lichte des Artikels 117 Abs5 B-VG u.A. bezieht, war eine analoge Regelung enthalten. Die österreichische Bundesverfassung enthält keine Bestimmungen über die Koppelung von Wahlvorschlägen. Gemäß Artikel 117 Abs5 B-VG haben lediglich im Gemeinderat vertretene Wahlparteien nach Maßgabe ihrer Stärke Anspruch auf Vertretung im Gemeindevorstand. Im Gemeinderat der Stadt Waidhofen an der Ybbs sind fünf einzelne Wahlparteien vertreten und gemäß §82 Abs2 NÖ STROG i.V.m. §4 Abs1 Ziffer 2 Waidhofner Stadtrecht 1977, LGBl. 1020-10, die Zahl der 10 Stadtsenatsmitglieder auf die einzelnen im Gemeinderat vertretenen Wahlparteien nach dem Verhältnis der Parteisummen aufzuteilen.

              Gemäß §83 Abs1 NÖ STROG muss jede Wahlpartei, die Anspruch auf die Besetzung einer Stadtsenatsstelle hat, für die Wahl einen Wahlvorschlag erstatten, was im Gegenstand bei der konstituierenden Sitzung des Gemeinderates am 15.04.2002 von den Wahlparteien, denen die Anfechtungswerber angehören, nicht erfolgt ist. Da die Anfechtungswerber vermeinen, dass ihre Wahlparteien als eine gekoppelte Wahlpartei Anspruch auf Besetzung einer Stadtsenatsstelle habe, hätten sie nach Ansicht der Stadtwahlbehörde entgegen den Ausführungen in der Anfechtungsschrift jedenfalls einen Wahlvorschlag erstatten müssen. Da auf Grund der dargelegten Sach- und Rechtslage nach Meinung der Stadtwahlbehörde kein Anspruch auf Besetzung einer Stadtsenatsstelle besteht, bestand auch keine Veranlassung des Bürgermeisters, die Wahlparteien, denen die Anfechtungswerber angehören, aufzufordern, einen Wahlvorschlag zu erstatten.

              Auf Grund der insbesondere sich aus den Bestimmungen

der §§69 NÖ Gemeinderatswahlordnung und 82 ... NÖ STROG für

Niederösterreich ergebenden Rechtslage, die sowohl vom Bürgermeister bei der konstituierenden Sitzung des Gemeinderates am 15.04.2002 und danach von der Stadtwahlbehörde bei ihrer Entscheidung über die Wahlanfechtung am 15.05.2002 zwingend anzuwenden war, ist nach Ansicht der Stadtwahlbehörde die Wahl des Stadtsenates ... unter verfassungskonformer Auslegung der angeführten gesetzlichen Bestimmungen und somit sehr wohl mit Artikel 117 Abs5 B-VG vereinbar, ordnungsgemäß erfolgt."

              2. Über die Wahlanfechtung wurde erwogen:

              2.1.1. Gemäß Art141 Abs1 litb B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof ua. über Anfechtungen von Wahlen in die mit der Vollziehung betrauten Organe einer Gemeinde (Gemeindevorstand, §67 Abs1 VfGG), so auch in den Stadtsenat (Art117 Abs1 litb B-VG) (VfSlg. 12.946/1981, 13.643/1993)]. Nach Art141 Abs1 zweiter Satz B-VG kann eine solche Anfechtung auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens gegründet werden.

              2.1.2. Sie bedarf gemäß §67 Abs2 erster Satz VfGG

eines Antrages von einem Zehntel der Mitglieder der Gemeindevertretung (das sind hier vier Mitglieder - §4 Abs1 Z1 Waidhofner Stadtrecht 1977), mindestens aber zweier Mitglieder.

              2.1.3. Nach §68 Abs1 VfGG muss die Wahlanfechtung

binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens, wenn aber in dem anzuwendenden Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen ist, binnen vier Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheides eingebracht sein.

              Wie sich aus den Ausführungen zu Punkt 1.2.2.1.

ergibt, wurde die von den Anfechtungswerbern gemäß §89 Abs1 STROG erhobene Wahlanfechtung mit Bescheid der Stadtwahlbehörde der Stadt Waidhofen an der Ybbs vom 15.5.2002 als unbegründet abgewiesen. Dieser Bescheid wurde den einzelnen Anfechtungswerbern am 23.5.2002 (Markus Leitner erst am 29.5.2002) zugestellt.

              Die am 20.6.2002 zur Post gegebene Wahlanfechtungsschrift wurde also rechtzeitig eingebracht.

              2.1.4. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen zutreffen, ist die Wahlanfechtung zulässig.

              2.2.1. Zunächst ist festzuhalten, dass der Verfassungsgerichtshof ein Wahlverfahren nur innerhalb der durch die Anfechtungserklärung gezogenen Grenzen zu überprüfen hat (VfSlg. 8852/1980, 12.289/1990).

              In der Anfechtung wird die Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens im Wesentlichen deshalb behauptet, weil die Stadtwahlbehörde die landesgesetzlichen Bestimmungen über die Wahl der Mitglieder des Stadtsenates in verfassungswidriger Weise ausgelegt habe.

              2.2.2. Für den vorliegenden Fall sind vor allem die folgenden Bestimmungen der GRWO und des STROG maßgeblich:

              2.2.2.1. Gemäß §1 Abs1 STROG gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes für Städte mit eigenem Statut.

              Nach §19 STROG sind die Organe der Stadt mit eigenem Statut:

1.

der Gemeinderat,

2.

der Stadtsenat,

3.

der Bürgermeister und

4.

der Magistrat.

§21 STROG über die "Gemeinderatsklubs" hat folgenden Wortlaut:

"§21

Gemeinderatsklubs

              (1) Mindestens drei Mitglieder des Gemeinderates derselben Wahlpartei (§29 Abs1 NÖ Gemeinderatswahlordnung 1994) bilden den Gemeinderatsklub dieser Wahlpartei. Wahlparteien, die ihre Wahlvorschläge miteinander gekoppelt haben (§68 NÖ Gemeinderatswahlordnung 1994), gelten als eine Wahlpartei.

              (2) Jeder Gemeinderatsklub hat dem Bürgermeister aus seiner Mitte einen Klubsprecher bekannt zu geben".

              2.2.2.2. Die gesetzlichen Bestimmungen über die Wahl des Gemeinderates in Städten mit eigenem Statut sind im

11. Abschnitt der GRWO enthalten (§§59 bis 70).

              Die §§68 (über die "Koppelung von Wahlvorschlägen") und 69 GRWO (über die "Mandatsaufteilung bei gekoppelten Wahlvorschlägen") haben folgenden Wortlaut:

"§68

Koppelung von Wahlvorschlägen

              (1) Gültige Wahlvorschläge können miteinander

verbunden (gekoppelt) werden. Wenn mehr als zwei Wahlvorschläge gekoppelt werden, ist jeder Wahlvorschlag mit jedem der anderen Wahlvorschläge zu verbinden. Die Koppelung ist durch die zustellungsbevollmächtigten Vertreter der Parteien bis spätestens am sechzehnten Tag vor dem Wahltag bis 17 Uhr der Stadtwahlbehörde gegenüber schriftlich zu erklären. Die Erklärungen sind von mindestens der Hälfte der Wahlwerber der zu koppelnden Wahlvorschläge zu unterfertigen.

              (2) Koppelungserklärungen, die den Voraussetzungen des Abs1 nicht entsprechen oder verspätet eingebracht wurden, sind als ungültig zurückzuweisen. Die Gültigkeit der Wahlvorschläge, auf die sich die Koppelungserklärung bezogen hat, wird, wenn kein anderer Zurückweisungsgrund gegeben ist, nicht berührt. Die für die Prüfung und Verbesserung der Wahlvorschläge geltenden Bestimmungen gelten sinngemäß.

              (3) Bezeichnet ein Stimmzettel zwei oder mehrere Parteien, gar keine Partei, wohl aber zwei oder mehrere Bewerber verschiedener Parteilisten oder eine bestimmte Partei und daneben einen Bewerber, der in einer anderen Parteiliste aufscheint, ist er dann gültig ausgefüllt, wenn die bezeichneten Wahlvorschläge gekoppelt sind oder die bezeichneten Wahlwerber auf gekoppelten Wahlvorschlägen aufscheinen. Ein Stimmzettel, auf dem zwei oder mehrere miteinander gekoppelte Wahlvorschläge oder Wahlwerber aus verschiedenen, aber gekoppelten Wahlvorschlägen bezeichnet sind, ist der Partei zuzurechnen, die der Wähler durch eindeutiges Bezeichnen, wie durch Unterstreichen oder Anhaken der Bezeichnung des Wahlvorschlages oder durch Reihen der Wahlwerber der Partei ausdrücklich bestimmt hat. Fehlt eine derartige Bestimmung oder ist es zweifelhaft, welcher Partei der Stimmzettel zuzurechnen ist, dann ist die Stimme jenem miteinander gekoppelten Wahlvorschlag zuzurechnen, der nach Maßgabe des §34 Abs1 in der Reihenfolge zuerst veröffentlicht wurde.

              (4) Enthält ein Wahlkuvert mehrere Stimmzettel, die die Parteibezeichnung von gekoppelten Wahlvorschlägen tragen, so sind sie als eine gültige Stimme zu zählen. Abs3 ist sinngemäß anzuwenden."

"§69

Mandatsaufteilung bei gekoppelten

Wahlvorschlägen

              Sind Wahlvorschläge miteinander gekoppelt, so sind bei der Ermittlung der Mandate zunächst die gekoppelten Wahlparteien wie eine Wahlpartei zu behandeln und dann die auf die gekoppelten Wahlparteien zusammen entfallenden Mandate nach den für die Mandatsaufteilung geltenden Bestimmungen zu verteilen."

              2.2.2.3. Der mit "Zusammensetzung des Stadtsenates" überschriebene §36 STROG lautet wie folgt:

"§36

Zusammensetzung des Stadtsenates

              (1) Der Stadtsenat besteht aus dem Ersten und Zweiten Vizebürgermeister und den Stadträten in der vom Stadtrecht bestimmten Anzahl [ds. hier nach §4 Abs1 Z2 Waidhofner Stadtrecht 1977, LGBl. 1020-11, 8 Stadträte].

              (2) Der Stadtsenat wird aus der Mitte des Gemeinderates gewählt. Die Wahlparteien haben Anspruch auf Vertretung im Stadtsenat nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechtes."

              Die §§82 bis 86 STROG haben folgenden Wortlaut:

"§82

Wahl der Stadträte

              (1) Nach der Wahl des Bürgermeisters findet die Wahl der Mitglieder des Stadtsenates (Stadträte) statt. Dazu übernimmt der Bürgermeister den Vorsitz.

              (2) Die Zahl der Stadtsenatsmitglieder ist auf die einzelnen im Gemeinderat vertretenen Wahlparteien nach dem Verhältnis der Parteisummen aufzuteilen."

"§83

Wahlvorschläge

              (1) Jede Wahlpartei, die Anspruch auf die Besetzung einer Stadtsenatsstelle hat, muss für die Wahl einen Wahlvorschlag erstatten.

              (2) Die Wahlvorschläge müssen so viele Kandidaten enthalten, als der Wahlpartei Stadtsenatsstellen zukommen und müssen von mehr als der Hälfte der Gemeinderäte der betreffenden Wahlpartei unterschrieben sein.

              (3) Die Vorgeschlagenen müssen nicht auf dem Gemeinderatswahlvorschlag der anspruchsberechtigten Wahlpartei aufscheinen.

              (4) Nicht wählbar sind Personen, die nach landesgesetzlichen Bestimmungen oder nach §13 des Bundes-Gemeindeaufsichtsgesetzes, BGBl. Nr. 123/1967, ihr Amt als Bürgermeister oder Mitglied des Stadtsenates rechtskräftig verloren haben, allerdings nur bis zur nächsten Wahl des Gemeinderates.

              (5) Der Bürgermeister hat zu prüfen, ob die Wahlvorschläge von mehr als der Hälfte der Gemeinderäte der anspruchsberechtigten Wahlpartei unterschrieben und die Vorgeschlagenen in den Stadtsenat wählbar sind.

              (6) Wird nach dieser Überprüfung ein oder mehrere Bewerber mangels Wählbarkeit gestrichen, muss die anspruchsberechtigte Wahlpartei einen ebenfalls von mehr als der Hälfte der Gemeinderäte dieser Wahlpartei unterschriebenen Ergänzungswahlvorschlag erstatten.

              (7) Fehlende Unterschriften können bis zu Beginn der Wahl nachgebracht werden, andernfalls darf der Wahlvorschlag nicht berücksichtigt werden."

"§84

Wahlvorgang, Bewertung der Stimmzettel

              (1) In den Stadtsenat können nur Vorgeschlagene

gewählt werden.

              (2) Ungültig sind Stimmzettel, die auf nichtwählbare Personen lauten oder unbeschrieben sind (leere Kuverts gelten als unbeschriebene Stimmzettel).

              (3) Stimmzettel, auf denen neben den Vorgeschlagenen auch andere Personen angeführt sind, sind für die Vorgeschlagenen gültig.

              (4) Gewählt sind jene Vorgeschlagenen, auf die

gültige Stimmen entfallen."

"§85

Unterbleiben des Wahlvorschlages

              (1) Wenn eine Wahlpartei keinen Wahlvorschlag oder einen Wahlvorschlag mit zu wenigen Kandidaten erstattet hat oder ein Wahlvorschlag nicht die notwendige Anzahl von Unterschriften aufgewiesen hat oder der (die) Vorgeschlagene(n) nicht gewählt wurden, müssen die dieser Wahlpartei zustehenden Stadtsenatsstellen durch Wahl aus dem Kreis der Gemeinderäte dieser Wahlpartei besetzt werden. Dabei gilt §80 Abs3 bis 6 sinngemäß.

              (2) Stadtsenatsstellen, die durch Verweigerung der Wahlannahme nicht besetzt werden können, werden offen gehalten.

              (3) Erstattet die anspruchsberechtigte Wahlpartei

später einen Wahlvorschlag (Ergänzungswahlvorschlag), muss binnen zwei Wochen nach Einlangen des Wahlvorschlages beim Magistrat eine Ergänzungswahl in den Stadtsenat durchgeführt werden."

"§86

Wahl der Vizebürgermeister

              (1) Nach der Wahl des Stadtsenates werden aus dessen Mitte die Vizebürgermeister getrennt gewählt. Dabei gilt §80 Abs3 bis 6 sinngemäß.

              (2) Wenn der Bürgermeister der stimmenstärksten Wahlpartei angehört, muss der Zweite Vizebürgermeister der stimmenzweitstärksten Wahlpartei angehören, soferne diese nicht den Ersten Vizebürgermeister stellt. Gehört der Bürgermeister nicht der stimmenstärksten Wahlpartei an, so muss der Zweite Vizebürgermeister der stimmenstärksten Wahlpartei angehören, wenn diese Wahlpartei nicht den Ersten Vizebürgermeister stellt.

              (3) Wenn ein zum Vizebürgermeister Gewählter auf Befragen des Bürgermeisters die Wahl nicht annimmt, muss sofort die Wahl eines anderen Vizebürgermeisters durchgeführt werden. Kann die Stelle durch Verweigerung der Wahlannahme nicht besetzt werden, wird sie offen gehalten.

              (4) Wird später von einer anspruchsberechtigten Wahlpartei erklärt, dass mit der Wahlannahme zu rechnen ist, so muss binnen zwei Wochen nach Einlangen der Erklärung beim Magistrat eine Wahl durchgeführt werden."

              2.2.3. Im vorliegenden Zusammenhang ist auch die folgende Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes von Bedeutung:

              2.2.3.1. In seinem Erkenntnis VfSlg. 13.643/1993

vertrat der Verfassungsgerichtshof die folgende Rechtsmeinung:

              "Schon in seinem Erkenntnis VfSlg. 12.229/1989

(S 491 f.) sprach der VfGH aus, daß Gemeindevorstandssitze kraft der Vorschrift des Art117 Abs5 B-VG (über die Bestellung des Gemeindevorstands) nur auf jene im Gemeinderat vertretenen Parteien (Gemeinderatsfraktionen) - proportional - verteilt werden, die als solche (Gemeinderatsfraktionen) bereits aus der Gemeinderatswahl hervorgegangen sind, und daß ein Zusammenschluß von mehreren dieser im Gemeinderat repräsentierten Parteien für die Verteilung der Gemeindevorstandsstellen zu einer neuen (gelegentlichen) Wahlpartei bundesverfassungsgesetzlich nicht zulässig ist.

              Der VfGH hält an dieser Rechtsansicht auch aus der Sicht dieser Wahlanfechtungssache fest:

              Art 117 Abs5 B-VG spricht von '(i)m Gemeinderat vertretene(n) Wahlparteien'. Wenn auch die 'wahlwerbenden Parteien' im strengen Sinn im Zeitpunkt der Bestellung des Gemeindevorstandes nicht mehr existieren (müssen), so deutet der Ausdruck 'Wahlpartei' doch unmißverständlich darauf hin, daß es sich hier nicht um beliebig zusammengestellte Fraktionen handelt, sondern um Personengruppen, die im engen Zusammenhang mit einer wahlwerbenden Partei stehen, und zwar einer Partei, die auf Grund des Wahlergebnisses in den Gemeinderat einzog. Demgemäß stellt die Vorschrift des Art117 Abs5 B-VG auf die letzte Gemeinderatswahl ab (Putschögl, Wahl der Mitglieder des Gemeindevorstandes (des Bürgermeisters) und der Gemeinderatsausschüsse, in: Fröhler/Oberndorfer, Das österreichische Gemeinderecht, 3.6 [1982] 15: 'die aus demselben Wahlvorschlag für gewählt erklärten Gemeinderatsmitglieder'); sie hat den Zweck, dem Wähler bei der Gemeinderatswahl mittelbar auch einen Einfluß auf die Zusammensetzung des Gemeindevorstandes einzuräumen. Die Gemeindevorstandssitze dürfen danach nur auf jene im Gemeinderat vertretenen Parteien aufgeteilt werden, die als solche aus der Gemeinderatswahl hervorgegangen sind, und nur nach Maßgabe ihrer bei der Gemeinderatswahl erreichten Stärke. Daraus folgt nicht nur, daß zwei oder mehrere Fraktionen sich insoweit nicht zu einer neuen, gelegentlichen Wahlpartei zusammenschließen dürfen, sondern zugleich auch, daß sie nicht gespalten oder verkleinert werden können, weil die Zugehörigkeit zu einer derartigen Wahlpartei nicht von (späteren) Willenserklärungen abhängt, sondern sich von der Kandidatur auf derselben Liste ableitet. Das gilt auch für 'nachgerückte' Mandatare...

              Es zeigt sich daher, daß Art117 Abs5 B-VG auf die Stärke der 'Wahlparteien' abzielt, wie sie sich aus der Gemeinderatswahl ergibt. Für den Anspruch der 'Wahlparteien' auf Vertretung im Gemeindevorstand kommt es ausschließlich auf die bei der Gemeinderatswahl erreichte Stärke (der 'Fraktionen') an; diese dem Wahlergebnis entsprechende Stärke bleibt für die gesamte Dauer der Gemeinderatsperiode maßgebend, sie perpetuiert die stärkemäßige Zusammensetzung des Gemeinderates. Eine andere Mandatsstärke als jene, die sich aus der Gemeinderatswahl ergibt, kann eine Wahlpartei (iSd Art117 Abs5 B-VG) also gar nicht haben (die davon zu unterscheidende Frage, ob und inwieweit das Gesetz im Gemeinderat Zusammenschlüsse anderer Art (etwa zu Klubs, Fraktionen) zulassen kann, ist für die vorliegende Rechtssache unerheblich und muß darum auf sich beruhen)."

              2.2.3.2. Im Erkenntnis VfSlg. 13.773/1994 heißt es ua.:

              "Abschließend ist festzuhalten, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, wenn der Gesetzgeber, der gekoppelte Wählergruppen bei der Gemeinderatswahl als einheitliche Wahlpartei auffaßt und behandelt, bei der Gemeindevorstandswahl gleicher Maßen verfährt; eine solche Gleichbehandlung ist vielmehr unter dem Aspekt der Verfassungsvorschrift des Art117 Abs5 B-VG geradezu geboten. Würden die für die Gemeinderatswahl gekoppelten Parteien bei der Vorstandswahl als getrennte Parteien behandelt, so hätte dies zur Folge, daß die - als einheitliche Wahlpartei anzusehende - 'Koppel-Wahlpartei' gespalten würde, ein Ergebnis, das, wie sich aus dem Erkenntnis [VfSlg. 13.643/1993] ergibt, gegen Art117 Abs5 B-VG verstieße".

              2.3. Für Städte mit eigenem Statut trifft die GRWO in den §§68 und 69 Regelungen über die "Koppelung von Wahlvorschlägen" und die "Mandatsaufteilung bei gekoppelten Wahlvorschlägen" bei der Wahl des Gemeinderates. (Für sonstige Gemeinden sind derartige Bestimmungen über die Koppelung von Wahlvorschlägen bei der Gemeinderatswahl nicht vorgesehen.) Weiters sieht das STROG in §21 Abs1 zweiter Satz vor, dass Wahlparteien, die ihre Wahlvorschläge anlässlich der Gemeinderatswahl miteinander gekoppelt haben, bei der Bildung der Gemeinderatsklubs - nach durchgeführter Gemeinderatswahl - als eine Wahlpartei gelten.

              Im Zusammenhang damit sowie vor dem Hintergrund des Art117 Abs5 B-VG und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. im Besonderen VfSlg. 13.773/1994) ist auch §82 Abs2 STROG in dem Sinn zu verstehen, dass bei der Aufteilung der Zahl der Stadtsenatsmitglieder "auf die einzelnen im Gemeinderat vertretenen Wahlparteien" jene Wahlparteien, die ihre Wahlvorschläge für die Gemeinderatswahl miteinander gekoppelt haben, auch für die Wahl der Mitglieder des Stadtsenates als eine Wahlpartei gelten.

              2.4. Somit ist die von den Anfechtungswerbern

behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens, nämlich die verfassungswidrige Auslegung der landesgesetzlichen Bestimmungen über die Wahl der Mitglieder des Stadtsenates durch die Stadtwahlbehörde, erwiesen. Dass diese Rechtswidrigkeit auf das Wahlergebnis von Einfluss war, liegt in der vorliegenden Wahlanfechtungssache auf der Hand.

              3. Demgemäß war spruchgemäß zu entscheiden.

              4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz und Abs4 Z2 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Auslegung verfassungskonforme, VfGH / Wahlanfechtung, Wahlen, Wahlvorschlag, Gemeindevollziehungsorgane, Gemeindevorstand

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:WI2.2002

Zuletzt aktualisiert am

26.02.2013
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten