TE Vwgh Erkenntnis 2007/12/18 2007/06/0157

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.12.2007
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
25/02 Strafvollzug;

Norm

StVG §103 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kühnberg, über die Beschwerde des Dr. GW in G, vertreten durch Mag. Manuela Strinzel-Kohler, Rechtsanwältin in 4550 Kremsmünster, Papiermühlstraße 9, gegen den Bescheid der Vollzugskammer beim Oberlandesgericht Linz vom 16. Jänner 2007, Zl. Vk 137/06-5, betreffend eine Angelegenheit nach dem Strafvollzugsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer verbüßt in der Strafvollzugsanstalt G eine Freiheitsstrafe.

In seiner Beschwerde an die Vollzugskammer vom 21. Dezember 2006 brachte er vor, er sei am 13. November 2006 von der Justizanstalt K in die Justizanstalt G überstellt worden. Er sei in der Justizanstalt K im Normalvollzug gewesen, sei in der anstaltseigenen Schusterei tätig und in einer Einzelzelle untergebracht gewesen. Er müsse aber vorausschicken, dass er selbst verschuldet von Juli 2005 bis Juli 2006 im Sicherheitstrakt "in Isolation" angehalten gewesen sei, weil er einem Mithäftling vom Spazierhof aus durch "Räuberleiter" zur Flucht habe verhelfen wollen, was aber misslungen sei. Nach dieser einjährigen Isolationshaft sei er dann wiederum in den Normalvollzug integriert worden und habe auch gearbeitet. Nach seiner Überstellung in die Justizanstalt G sei er sogleich in Isolationshaft genommen worden, was für ihn nicht einsichtig sei und wofür es auch - ungeachtet seines Vorlebens - keine ausreichenden Gründe gäbe (wurde näher ausgeführt).

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Soweit für das Beschwerdeverfahren noch erheblich, stellte sie zunächst fest, dass der Beschwerdeführer nach seiner Überstellung unter der besonderen Sicherheitsmaßnahme nach § 103 Abs. 2 Z 1 und 1a StVG angehalten werde, wovon er am 12. Dezember 2006 nachweislich in Kenntnis gesetzt worden sei.

Er verbüße eine 15-einhalbjährige Freiheitsstrafe (wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 und 143 Satz 1 zweiter Fall StGB und wegen des Vergehens nach § 50 Abs. 1 WaffG), das voraussichtliche Strafende falle auf den 24. August 2013.

Sein strafrechtliches Vorleben sei durch lang andauernde Freiheitsstrafen wegen Vermögens-, teils verbunden mit Aggressionsdelikten gekennzeichnet: So sei der 1951 geborene Beschwerdeführer bereits im Jahre 1971 u.a. wegen des Verbrechens des Raubes zu 12 Jahren schweren Kerker verurteilt worden, woraus er am 13. April 1979 bedingt entlassen worden sei. 1980 sei er erneut wegen des Verbrechens des Raubes zu einer zehnjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden, die er am 21. Jänner 1992 verbüßt habe, bevor er wegen Vermögens- und Urkundsdelikten im Jahr "1986" zu insgesamt zwei Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, am 28. November 1997 bedingt entlassen worden und daraufhin rückfällig geworden sei.

Während all dieser Strafvollzüge hätten sich Fluchten bzw. Fluchtversuche ereignet; meistens unter Verwendung selbst gebastelter Seile und Wurfhaken sei der Beschwerdeführer im Februar 1975 aus der Justizanstalt G, im Oktober 1985 aus der Justizanstalt K und im August 1986 aus der Justizanstalt S ausgebrochen. Weiters habe er im Oktober 1975 unter Verwendung solcher Geräte einen Ausbruchsversuch aus der Justizanstalt G unternommen, weitere Ausbruchsversuche seien im April 1991, im August 1991 und im Dezember 1992 erfolgt, außerdem sei er trotz Fesselung anlässlich einer Ausführung zum Zahnarzt im Jahr 1987 geflüchtet. Er sei aus Anlass des Fluchtversuches im Jahr 1985 von der Sicherheitswache angeschossen worden und habe einen Durchschuss in Lungenhöhe erlitten. Darüber hinaus habe er im Jahr 2000 einen Fluchtversuch aus der Justizanstalt S unternommen. Nähere Feststellungen darüber, ob er im Jahr 2005 aus der Justizanstalt K selbst flüchten oder nur einem Mithäftling zur Flucht habe verhelfen wollen, seien aus rechtlichen Überlegungen entbehrlich.

Der Beschwerdeführer sei auf Grund seines festgestellten Vorlebens und der während des Vollzugs der Freiheitsstrafen stattgefundenen Fluchten und Fluchtversuche als äußerst fluchtgefährlich anzusehen. Bereits dieses Vorleben, möge es auch länger zurückliegen, rechtfertige die Annahme der Voraussetzungen nach § 103 Abs. 1 StVG, weil er bereits im Jahr 2000 aus der nun in Vollzug stehenden Freiheitsstrafe zu fliehen versucht habe. Auch bei Annahme einer bloßen Fluchthilfe im Jahr 2005 sei keine Minderung der in § 103 Abs. 1 StVG bezeichneten Gefahren eingetreten, denen nur mit besonderen Sicherheitsmaßnahmen entgegengewirkt werden könne, denn nach dieser Gesetzesstelle sei die Voraussetzung auch dann anzunehmen, wenn eine beträchtliche Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung vom Strafgefangenen ausgehe. Die eingestandene Fluchthilfe für einen Mitinsassen erfülle jedenfalls diese Voraussetzungen. Die besondere Intensität der Gefahr im aufgezeigten Sinn werde auch dadurch untermauert, dass der Beschwerdeführer aus Anlass einer Flucht im Jahr 1985 von der Sicherheitswache angeschossen und einen Durchschuss in Lungenhöhe erlitten habe. Dessen ungeachtet habe er sich von weiteren Fluchtversuchen während des Vollzuges nachfolgender Freiheitsstrafen nicht abhalten lassen, womit angesichts der durch nichts beeinflussbaren Intensität der Fluchtgefährlichkeit die Anordnung der besonderen Sicherheitsmaßnahme durch den Anstaltsleiter zu Recht erfolgt sei. Hiebei sei es unerheblich, ob sich der Beschwerdeführer nach Aufhebung der besonderen Sicherheitsmaßnahme in der Justizanstalt K ordnungsgemäß verhalten habe, sodass es auch hierüber keiner näheren Feststellungen bedurft habe.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat ihre Verwaltungsakten vorgelegt und auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im Beschwerdefall ist das Strafvollzugsgesetz, BGBl. Nr. 144/1969 (StVG), in der Fassung BGBl. I Nr. 113/2006 anzuwenden.

§ 103 StVG lautet:

"Besondere Sicherheitsmaßnahmen

§ 103. (1) Gegen Strafgefangene, bei denen Fluchtgefahr, die Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen oder die Gefahr eines Selbstmordes oder der Selbstbeschädigung besteht oder von denen sonst eine beträchtliche Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung ausgeht, sind die erforderlichen besonderen Sicherheitsmaßnahmen anzuordnen.

(2) Als besondere Sicherheitsmaßnahmen, die eine zusätzliche Beschränkung der Lebensführung des Strafgefangenen mit sich bringen, kommen nur in Betracht:

1. die häufigere Durchsuchung des Strafgefangenen, seiner Sachen und seines Haftraumes;

1a. die Unterbringung eines Strafgefangenen, der entweder während der täglichen Arbeit oder während einer täglichen Freizeit von mindestens zwei Stunden in Gemeinschaft angehalten wird, für die verbleibende Zeit in einem Einzelhaftraum;

2.

die nächtliche Beleuchtung des Haftraumes;

3.

die Entziehung von Einrichtungs- oder Gebrauchsgegenständen oder Bekleidungsstücken, deren Missbrauch zu befürchten ist;

              4.              die Unterbringung in einer besonders gesicherten Zelle, aus der alle Gegenstände entfernt sind, mit denen der Strafgefangene Schaden anrichten kann;

              5.              die Anlegung von Fesseln oder einer Zwangsjacke oder die Festhaltung in einem Gitterbett.

(3) ...

(5) Besondere Sicherheitsmaßnahmen sind aufrechtzuerhalten, soweit und solange dies das Ausmaß und der Fortbestand der Gefahr, die zu ihrer Anordnung geführt hat, unbedingt erfordern.

(6) Die Anordnung besonderer Sicherheitsmaßnahmen steht dem aufsichtführenden Strafvollzugsbediensteten zu. Dieser hat jede solche Anordnung unverzüglich dem Anstaltsleiter zu melden. Der Anstaltsleiter hat unverzüglich über die Aufrechterhaltung der besonderen Sicherheitsmaßnahme zu entscheiden. Die Aufrechterhaltung einer Maßnahme nach Abs. 2 Z 4 über eine Woche oder einer Maßnahme nach Abs. 2 Z 5 über 48 Stunden hinaus kann nur das Vollzugsgericht anordnen, das hierüber auf Antrag des Anstaltsleiters zu entscheiden hat (§ 16 Abs. 2 Z 4 und 5). Ordnet das Vollzugsgericht die Aufrechterhaltung der Maßnahme an, so hat es zugleich deren zulässige Höchstdauer zu bestimmen; fallen die Gründe, die zur Anordnung einer solchen Maßnahme geführt haben, vor Ablauf dieses Zeitraumes weg, so hat der Anstaltsleiter die Maßnahme unverzüglich aufzuheben (Abs. 5). Anmerkung "

Die Beurteilung der belangten Behörde, dass beim Beschwerdeführer Fluchtgefahr besteht, ist angesichts seines festgestellten Vorlebens unbedenklich. Das vermag aber daran nichts zu ändern, dass er geltend gemacht hatte, er habe sich nach einjähriger "Isolationshaft" in der Justizanstalt K zuletzt im Normalvollzug befunden, weshalb er es nicht als gerechtfertigt ansehe, dass er nach seiner Überstellung in die Justizanstalt G abermals in "Isolationshaft" genommen worden sei. Es fehlen im angefochtenen Bescheid nähere Feststellungen, wodurch sich die Haftbedingungen vor und nach der Überstellung konkret unterscheiden und welche die konkreten Gründe waren, weshalb nach der Überstellung mit dem "früheren Zustand" aus sicherheitstechnischen Überlegungen (§ 103 Abs. 1 StVG) nicht das Auslangen zu finden sei.

Auf Grund dieser Feststellungsmängel belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 18. Dezember 2007

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007060157.X00

Im RIS seit

13.02.2008

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten