TE Vwgh Erkenntnis 2008/1/31 2007/06/0258

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Veröffentlicht am 31.01.2008
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
95/03 Vermessungsrecht;

Norm

AVG §14 idF 2004/I/010;
AVG §59 Abs1;
AVG §62 Abs2;
VermG 1968 §25 Abs2;
VermG 1968 §25 Abs5;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde 1. des J E und 2. der I E, beide in H, beide vertreten durch Thum Weinreich Schwarz Rechtsanwälte OG in 3100 St. Pölten, Josefstraße 13, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 27. August 2007, Zl. BMWA-96-205/0004- I/11/2007, betreffend eine Angelegenheit nach dem Vermessungsgesetz (mitbeteiligte Partei: A F in H, vertreten durch Gloß, Pucher, Leitner, Schweinzer & Burger, Rechtsanwälte in 3100 St. Pölten, Wiener Straße 3), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern zusammen Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer sind Eigentümer zweier zusammengehörender Grundstücke, die beide an ein Grundstück der mitbeteiligten Partei grenzen (eingangs des angefochtenen Bescheides heißt es allerdings, dass die beiden Grundstücke der Beschwerdeführer (zwischenzeitig) zu einem Grundstück vereinigt worden wären, was ansonsten nicht aktenkundig ist; für das verwaltungsgerichtliche Verfahren kommt diesem Umstand keine relevante Bedeutung zu). Strittig ist der genaue Grenzverlauf. Mit einer im Jahr 1997 eingebrachten Klage (7 C 422/97v des Bezirksgerichtes St. Pölten) hatten die Beschwerdeführer als Kläger von der mitbeteiligten Partei als Beklagter die Beseitigung eines (nach ihrer Auffassung) auf ihren Grundstücken errichteten Holzstoßes, die künftige Unterlassung des Neuaufschlichtens von Holz sowie die Unterlassung von Grabungsarbeiten auf einem ihrer Grundstücke begehrt. Als Ergebnis eines längeren Verfahrens wurde mit Berufungsurteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 8. Mai 2001, 36 R 185/01a, in teilweiser Abänderung des zuletzt ergangenen erstinstanzlichen Urteiles vom 6. Februar 2001 die mitbeteiligte Partei für schuldig erkannt, die Durchführung von Grabungsarbeiten zu unterlassen, das Mehrbegehren hingegen, sie sei weiters schuldig, den Holzstoß zu entfernen und das Aufstellen eines Holzstoßes unterlassen, wurde abgewiesen. Das Berufungsgericht ging dabei davon aus, dass sich der Holzstoß auf Grund des (in den Entscheidungsgründen festgestellten) Grenzverlaufes auf dem Grundstück der Mitbeteiligten befinde. Die von den Grabungsarbeiten betroffene Grenzmauer befinde sich hingegen im Miteigentum der Streitteile, sodass die Mitbeteiligte nicht berechtigt gewesen sei, ohne Zustimmung der Beschwerdeführer die Grabungsarbeiten vorzunehmen bzw. vornehmen zu lassen.

Am 11. Februar 2003 beantragte die Mitbeteiligte beim Vermessungsamt St. Pölten (in der Folge kurz: Vermessungsamt oder VA) die Grenzvermessung ihres Grundstückes zum Zwecke der Umwandlung (in den Grenzkataster). Hiezu führte das VA am 23. Juni 2004 eine Grenzverhandlung an Ort und Stelle durch. In der hierüber aufgenommenen Niederschrift (es handelt sich dabei um ein handschriftlich ausgefülltes Formular, wobei der Vordruck angepasst und unzutreffende Teile gestrichen wurden) heißt es (Wiedergabe der ersten Seite):

"Niederschrift

über Grenzstreit

aufgenommen bei der o.a. Grenzverhandlung

am Mi. 23.6. 2004

Die Eigentümer der Grundstücke Nr. 156 und 158 (beide Beschwerdeführer) und der Eigentümer des Grundstückes 159 (Mitbeteiligte) einigten sich nicht über den Grenzverlauf der o.a. Grundstücke.

Ein gerichtliches Verfahren ist nicht anhängig.

Herr - Frau (beide Beschwerdeführer) und (Mitbeteiligte) als Eigentümer des erstgenannten und zweitgenannten Grundstückes behaupten, dass die Grenze nicht mit dem sich auf Grund der Behelfe ergebenden Grenzverlauf übereinstimmt und wurden aufgefordert, binnen sechs Wochen ein für die Bereinigung des Grenzstreites bestimmtes gerichtliches Verfahren anhängig zu machen.

Weitere Angaben der beteiligten Eigentümer zum Grenzverlauf siehe Rückseite.

Vorgelesen und bestätigt!"

Auf der Rückseite finden sich schlagwortartige Notizen über die Angaben des Grenzverlaufes aus der Sicht der Beschwerdeführer einerseits und der Mitbeteiligten andererseits, wobei die Nummern verschiedener Grenzpunkte, teils mit Erläuterungen, angeführt werden (dabei wird auch auf ein Gutachten Strobl als Beilage 2 verwiesen, die aber der Niederschrift nicht angeschlossen ist; nach dem Zusammenhang bezieht sich das auf die Nummerierung bestimmter Punkte, wobei zu bemerken ist, dass im Verfahren manche Punkte mit unterschiedlichen Nummern bezeichnet werden). Dazu befindet sich bei der Niederschrift ein Plan mit handschriftlichen Zusätzen, in dem die verschiedenen Grenzpunkte ersichtlich und die unterschiedlichen Varianten des Grenzverlaufes eingezeichnet sind. Wer an dieser Grenzverhandlung neben dem Leiter der Amtshandlung teilgenommen hat, ist aus der Niederschrift nicht ersichtlich. Die Niederschrift (dies auf beiden Seiten) und die Beilage 1 sind vom Leiter der Grenzverhandlung unterschrieben, die Unterschrift weiterer Personen ist daraus nicht zu entnehmen. An einer anderen Stelle des erstinstanzlichen Aktes befindet sich eine Planskizze, die als Beilage 2 bezeichnet ist, von der aber nicht ersichtlich ist, wer sie verfasst hat; es könnte sich dabei um die zuvor genannte Beilage 2 handeln.

Mit Erledigung vom 27. Juni 2004 übermittelte das Vermessungsamt den Beschwerdeführern und der Mitbeteiligten die fragliche Niederschrift (zugestellt der Mitbeteiligten persönlich und den Beschwerdeführern am 28. Juli, dem Rechtsvertreter der Mitbeteiligten am 26. Juli 2004).

Den Verwaltungsakten ist weiters zu entnehmen, dass die Mitbeteiligte mit der (nur) gegen den Erstbeschwerdeführer beim Bezirksgericht St. Pölten (zu 6 C 1502/04y) am 30. Juli 2004 eingebrachten Klage (vom 26. Juli 2004) die Feststellung eines bestimmten Grenzverlaufes zwischen ihrem Grundstück und den beiden Grundstücken der Beschwerdeführer begehrte. Sie zog in der Folge die Klage mit Schriftsatz vom 25. November 2004 ohne Verzicht auf den Anspruch zurück; diese Klagsrücknahme wurde mit Beschluss des Gerichtes vom 29. November 2004 zur Kenntnis genommen.

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 30. Mai 2006 verfügte das Vermessungsamt auf Grund des Antrages der Mitbeteiligten vom 11. Februar 2003 und den in einem Plan des Vermessungsamtes vom 7. Juli 2005 mit Änderungen vom 30. Mai 2005 dargestellten Grenzen die Umwandlung des Grundsteuerkatasters hinsichtlich des Grundstückes der Mitbeteiligten in den Grenzkataster. Zusammengefasst heißt es zur Begründung, da sich die beteiligten Eigentümer bei der Grenzverhandlung vom 23. Juni 2004 nicht über den Grenzverlauf hätten einigen können und zu dieser Zeit kein gerichtliches Verfahren anhängig gewesen sei, seien im Grenzbereich zwischen den Grenzpunkten (GP) 5158 und 6015 die Beschwerdeführer aufgefordert worden, binnen sechs Wochen ein für die Bereinigung des Grenzstreites bestimmtes gerichtliches Verfahren anhängig zu machen, weil diese behaupteten, dass die Grenze nicht mit dem sich auf Grund der Behelfe (Hinweis auf das Berufungsurteil vom 8. Mai 2001) ergebenden Grenzverlauf übereinstimme. Im Bereich zwischen den GP 6015 und 5157 sei die Mitbeteiligte aufgefordert worden, binnen sechs Wochen ein solches Verfahren anhängig zu machen, weil diese behauptet habe, dass die Grenze mit dem sich auf Grund der Behelfe (Hinweis auf die ursprüngliche Katastralmappe vor einer Vereinbarung aus dem Jahr 1955) ergebenden Grenzverlauf nicht übereinstimme.

Diese Aufforderungen seien mündlich bei dieser Grenzverhandlung erfolgt und auf Verlangen der Eigentümer bei der Grenzverhandlung gemäß § 14 Abs. 3 AVG zusätzlich am 28. Juli 2004 nachweislich zugestellt worden. Sie seien demnach zwei Wochen nach der mündlichen Verkündung, somit am 7. Juli 2004 in Rechtskraft erwachsen. Ab diesem Zeitpunkt habe die sechswöchige Frist zu laufen begonnen. Die weiteren Erhebungen hätten ergeben, dass die Mitbeteiligte zwar eine Klage eingebracht, diese aber wieder zurückgezogen habe. Die Beschwerdeführer hätten kein gerichtliches Verfahren anhängig gemacht. Demnach seien gemäß § 25 Abs. 5 VermG die jeweiligen Eigentümer als dem von den anderen Eigentümern in der Grenzverhandlung angegebenen Grenzverlauf als zustimmend anzusehen. Der Verlauf der Grenze zwischen den betroffenen Grundstücken sei demnach ausgehend vom GP 5158 über näher bezeichnete Punkte bis 6015 ("= 33") gemäß dem Berufungsurteil vom 8. Mai 2001 weiter über den Punkt 6020 und dem einvernehmlich festgelegten Punkt 5157 bis zum einvernehmlich festgelegten Punkt 5168 festzusetzen. Zusammen mit weiteren unstreitigen Grenzpunkten sei daher das Grundstück bescheidmäßig in den Grenzkataster umzuwandeln gewesen.

Dagegen erhob die Mitbeteiligte Berufung, in der sie unter anderem ausführte, es sei unzutreffend, dass sie mit mündlich verkündetem Bescheid aufgefordert worden wäre, binnen sechs Wochen nach der Grenzverhandlung ein entsprechendes gerichtliches Verfahren betreffend den Grenzverlauf zwischen den GP 6015 und 5157 anhängig zu machen, oder auch dass die Beschwerdeführer bescheidmäßig aufgefordert worden wären, in gleicher Frist ein entsprechendes Verfahren für den Grenzverlauf zwischen den Grenzpunkten 5158 und 6015 anhängig zu machen. Ein entsprechender Auftrag sei bei der Grenzverhandlung selbst nicht erteilt worden, insbesondere sei auch kein Bescheid mündlich verkündet worden. Es möge wohl sein, dass der Verhandlungsleiter der Auffassung gewesen sei, es sei klar, welche Eigentümer hier ein Grenzverfahren anzustrengen hätten, dies sei aber nicht mit Bescheid aufgetragen, sondern es sei lediglich erörtert worden, dass entsprechende Verfahren einzuleiten wären. Das Wort "Bescheid" sei im Rahmen der Grenzverhandlung als solches nicht gefallen, insbesondere sei den Parteien nicht zur Kenntnis gebracht worden, dass überhaupt im Rahmen der Verhandlung ein Bescheid mündlich erlassen werden sollte. Es sei auch in der Niederschrift vom 23. Juni 2004 keinerlei Vermerk "durch die beteiligten Grundstückseigentümer" enthalten, es sei weder ein Rechtsmittelverzicht noch ein Antrag auf "Bescheid und Zustellung" noch eine Rechtsmittelbelehrung enthalten (immerhin hätten die Beschwerdeführer unvertreten an der Grenzverhandlung teilgenommen). Im Übrigen ergebe sich aus der Niederschrift selbst keinesfalls, dass der Verhandlungsleiter einen Bescheid verkündet hätte, was notwendig gewesen wäre, um einen solchen überhaupt annehmen zu können. In der Folge sei dann eben kein Bescheid, sondern die Niederschrift zugestellt worden. Die Rechtsfolgen des § 25 Abs. 5 VermG seien daher nicht eingetreten.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen vom 13. Dezember 2006 wurde der erstinstanzliche Bescheid in einer bestimmten Weise "berichtigt" (wobei es bei der Umwandlung in den Grenzkataster verblieb). Die Berufungsbehörde hielt dem Vorbringen in der Berufung entgegen, die Mitbeteiligte habe in ihrer Klage vom 26. Juli 2004 unter Hinweis auf die Niederschrift vom 23. Juni 2004 selbst ausgeführt, dass sie aufgefordert worden sei, binnen sechs Wochen ein für die Bereinigung des Grenzstreites bestimmtes gerichtliches Verfahren anhängig zu machen. In diesem Sinne sei die vorliegende Klage zu verstehen. Die nach § 25 VermG mündlich erlassene Aufforderung des Vermessungsamtes, ein bestimmtes gerichtliches Verfahren anhängig zu machen, entspreche allen Anforderungen, die an die materielle Bescheidqualität zu stellen seien und damit sei der Bescheid (mangels Anfechtung durch die Mitbeteiligte) 14 Tage nach dem 23. Juni 2004 rechtskräftig geworden. Damit habe die 6-Wochen-Frist zu laufen begonnen. Die Klagseinbringung sei daher fristgerecht.

Die nunmehr gegenteiligen Behauptungen der Mitbeteiligten stellten daher bloße Schutzbehauptungen dar. Anlässlich der Grenzverhandlung vom 23. Juni 2004 seien sowohl die Mitbeteiligte als auch die Beschwerdeführer rechtswirksam im Sinne des § 25 Abs. 2 VermG auf den Rechtsweg verwiesen worden. Die Mitbeteiligte habe zwar eine Klage eingebracht, diese aber wieder zurückgezogen, sodass sie diese Klage nicht im Sinne des § 25 Abs. 5 VermG gehörig fortgesetzt habe. Die Beschwerdeführer seien "dem Gerichtsverweis nicht fristgerecht nachgekommen". Aus der Niederschrift vom 23. Juni 2004 ergebe sich der jeweilige von der Mitbeteiligten und den Beschwerdeführern aufgezeigte Grenzverlauf. Da die Streitteile "dem Gerichtsverweis" nicht nachgekommen seien, sei bezüglich des betreffenden Grenzbereiches die Grenze nach den Angaben der jeweils anderen Partei festzulegen gewesen. Dem Vermessungsamt sei diesbezüglich aber ein Fehler insoweit unterlaufen, als im Grenzabschnitt zwischen den Punkten 6015 und 5157 der Punkt 1002 keine Berücksichtigung gefunden habe. Es sei daher die erstinstanzliche Entscheidung insoweit zu berichtigen gewesen.

Dagegen erhob die Mitbeteiligte Berufung an die belangte Behörde, in der sie ihren Standpunkt wiederholte, eine Verweisung auf den Rechtsweg gemäß § 25 Abs. 2 VermG habe in Bescheidform zu ergehen, wobei dies auch mündlich erfolgen könne; ein solcher rechtswirksamer Bescheid sei aber nicht erlassen worden (wurde näher ausgeführt). Die Klage vom 26. Juli 2004 habe sie eingebracht, um jeder allfälligen Fristversäumnis vorzubeugen.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung teilweise Folge gegeben "und die mit (mündlichem Bescheid) erteilte Aufforderung, ein zur Bereinigung des Grenzstreites zwischen dem Grundstück Nr. ... und Nr. ... der Katastralgemeinde ... bestimmtes gerichtliches Verfahren anhängig

zu machen, ersatzlos aufgehoben", und hat weiters den Bescheid über die Umwandlung des Grundstückes der Mitbeteiligten in den Grenzkataster dahingehend abgeändert, dass die Umwandlung des Grundstückes, wie in einem näher bezeichneten Plan des Vermessungsamtes vom 1. August 2007 dargestellt, erfolge.

Eingangs der Begründung heißt es, dass die beiden (ursprünglichen) Grundstücke der Beschwerdeführer nun zu einem Grundstück vereinigt worden seien. Dann führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges aus, die Aufforderung an die Mitbeteiligte gemäß § 25 Abs. 2 VermG sei mündlich (mit mündlichem Bescheid) erfolgt und sei in der Niederschrift zur Grenzverhandlung festgehalten. Gemäß § 58 AVG seien Bescheide zwar ausdrücklich als solche zu bezeichnen, doch könne der Willensäußerung einer Verwaltungsbehörde, die ihrem Inhalt nach ein Bescheid sei, der Bescheidcharakter nicht deshalb abgesprochen werden, weil die Behörde selbst sie nicht ausdrücklich als Bescheid bezeichnet habe. Maßgebend sei nur, ob die Behörde einen Bescheidwillen gehabt habe. Dies sei immer dann anzunehmen, wenn der Verwaltungsakt nach seinem Inhalt als Äußerung des autoritativen Behördenwillens zur Regelung einer bestimmten Angelegenheit zu deuten sei. Schon aus Gründen des Rechtsschutzes nähmen die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts im Zweifel an, dass ein Bescheid vorliege, der von den Parteien zur Klärung der sie treffenden Rechtsfolgen mit Rechtsmitteln bekämpft werden könne. Unbeachtlich sei, dass das Vermessungsamt es unterlassen habe, diesen autoritativen Ausspruch auch als Bescheid zu bezeichnen und zu begründen und ihm eine Rechts- und "Rechtsfolgenbelehrung" beizugeben. Es liege daher ein "Gerichtsverweis" vor, der aber nicht berechtigt sei:

Die strittige Grenze sei als Vorfrage Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens gewesen (es folgte eine Wiedergabe des Berufungsurteiles vom 8. Mai 2001 und des dem zugrundeliegenden erstinstanzlichen Urteiles). Für die Grenzverhandlung des Vermessungsamtes habe sich daher die Ausgangssituation ergeben, dass der Grenzverlauf zwischen näher bezeichneten Punkten durch das Berufungsurteil "verbindlich festgestellt" gewesen sei. Wegen der davon abweichenden Behauptungen der Beschwerdeführer seien diese gemäß § 25 Abs. 2 VermG auf den Gerichtweg zu verweisen gewesen. In der Grenzverhandlung hätten sich die Parteien auf die Grenzpunkte 35 und 38 als unstrittig geeinigt ist. Damit habe sich aber auch ergeben, dass der von der Mitbeteiligten behauptete Grenzverlauf geradlinig zwischen den Punkten 33 und 35 mit dem sich aus den Behelfen (Grundsteuerkataster, Pläne, gerichtliche Entscheidungen) ergebenden Grenzverlauf übereingestimmt habe. Der von den Beschwerdeführern behauptete Grenzverlauf zwischen den Punkten 33 und 35 habe sich dagegen als wenig wahrscheinlich erwiesen und es seien diese daher zu Recht auch diesbezüglich auf den Gerichtsweg verwiesen worden. Sie hätten aber kein entsprechendes Verfahren eingeleitet, womit sie dem von der Mitbeteiligten behaupteten Grenzverlauf als zustimmend zu gelten hätten.

Auf Grundlage der Niederschrift über die Grenzverhandlung in Verbindung mit der Zustimmungsfiktion gemäß § 25 Abs. 5 VermG sei der Verlauf der Grenze zwischen den betroffenen Grundstücken verbindlich festgelegt und bilde die Grundlage für die Umwandlung des Grundstückes der Mitbeteiligten in den Grenzkataster. Die Grenzen dieses Grundstückes einschließlich der Koordinaten der Grenzpunkte seien dem über Auftrag der Berufungsbehörde erstellten Plan vom 1. August 2007 zu entnehmen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, aber auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet. Die Mitbeteiligte hingegen hat in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist das Vermessungsgesetz, BGBl. Nr. 306/1968 (VermG), in der Fassung BGBl. I Nr. 8/2007 anzuwenden.

Gemäß § 3 Abs. 1 VermG ist auf das behördliche Verfahren des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen sowie der Vermessungsämter das AVG anzuwenden.

§ 25 VermG lautet (Stammfassung):

"§ 25. (1) In der Grenzverhandlung ist von den erschienenen beteiligten Eigentümern nach Vorhalt der vorhandenen Behelfe (Grundsteuerkataster, Pläne und andere) der Verlauf der Grenzen festzulegen und in der Weise zu kennzeichnen, wie sie § 845 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches vorsieht. Kommen die Eigentümer der Kennzeichnungspflicht nicht nach, so ist die Kennzeichnung von Amts wegen gegen Kostenersatz vorzunehmen.

(2) Einigen sich die Eigentümer nicht über den Grenzverlauf und ist noch kein gerichtliches Verfahren anhängig, so ist der Eigentümer, der behauptet, dass die Grenze nicht mit dem sich auf Grund der Behelfe ergebenden Grenzverlauf übereinstimmt, aufzufordern, binnen sechs Wochen ein für die Bereinigung des Grenzstreites bestimmtes gerichtliches Verfahren anhängig zu machen. Lässt sich auf diese Weise der zur Einleitung des gerichtlichen Verfahrens aufzufordernde Eigentümer nicht ermitteln, so ist derjenige Eigentümer aufzufordern, dessen Behauptung den sonstigen in der Grenzverhandlung hervorgekommenen Umständen nach den geringeren Grad der Wahrscheinlichkeit besitzt.

(3) Wird eine von einem Eigentümer auf Grund der Aufforderung nach Abs. 2 eingebrachte Klage rechtskräftig abgewiesen, so gilt im Verhältnis zu ihm der von den übrigen beteiligten Eigentümern in der Grenzverhandlung angegebene Grenzverlauf als richtig.

(4) Bringt ein Eigentümer auf Grund der Aufforderung nach Abs. 2 einen Antrag auf Berichtigung der Grenze nach den §§ 850 ff. des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches ein, so steht den Parteien die Möglichkeit, ihr besseres Recht im Prozessweg geltend zu machen (§ 851 Abs. 2 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches), nur innerhalb von sechs Wochen nach rechtskräftiger Beendigung des außerstreitigen Verfahrens offen.

(5) Kommt der Eigentümer der Aufforderung nach Abs. 2 nicht fristgerecht nach oder setzt er ein anhängiges gerichtliches Verfahren nicht gehörig fort, so ist er als dem von den übrigen beteiligten Eigentümern in der Grenzverhandlung angegebenen Grenzverlauf oder, wenn eine den Grenzverlauf festsetzende außerstreitige gerichtliche Entscheidung vorliegt, als dem Inhalt dieser Entscheidung zustimmend anzusehen.

(6) Einigen sich die Eigentümer nicht über den Grenzverlauf und ist ein gerichtliches Verfahren anhängig, so sind hierauf die Bestimmungen der Abs. 3 bis 5 sinngemäß anzuwenden."

Die §§ 14 und 62 AVG lauten auszugsweise (§ 14 idF BGBl. I Nr. 10/2004 mit 1. März 2004, § 62 idF BGBl. 51/1991):

"Niederschriften

§ 14. (1) Mündliche Anbringen von Beteiligten sind erforderlichenfalls ihrem wesentlichen Inhalt nach in einer Niederschrift festzuhalten. Niederschriften über Verhandlungen (Verhandlungsschriften) sind derart abzufassen, dass bei Weglassung alles nicht zur Sache Gehörigen der Verlauf und Inhalt der Verhandlung richtig und verständlich wiedergegeben wird.

(2) Jede Niederschrift hat außerdem zu enthalten:

1. Ort, Zeit und Gegenstand der Amtshandlung und, wenn schon frühere darauf bezügliche Amtshandlungen vorliegen, erforderlichenfalls eine kurze Darstellung des Standes der Sache;

2. Die Bezeichnung der Behörde und die Namen des Leiters der Amtshandlung und der sonst mitwirkenden amtlichen Organe, der anwesenden Beteiligten und ihrer Vertreter sowie der etwa vernommenen Zeugen und Sachverständigen;

3. die Beurkundung (§ 18 Abs. 2) durch den Leiter der Amtshandlung.

(3) Die Niederschrift ist den vernommenen oder sonst beigezogenen Personen, wenn sie nicht darauf verzichten, zur Durchsicht vorzulegen oder vorzulesen; wenn ein technisches Hilfsmittel verwendet wurde (Abs. 7), kann ihr Inhalt auch auf andere Weise wiedergegeben werden. Der Leiter der Amtshandlung kann auch ohne Verzicht von einer Wiedergabe absehen; die beigezogenen Personen können diesfalls bis zum Schluss der Amtshandlung die Zustellung einer Ausfertigung verlangen und binnen zwei Wochen ab Zustellung Einwendungen wegen behaupteter Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der Niederschrift erheben.

(4) ...

(5) Die Niederschrift ist von den beigezogenen Personen durch Beisetzung ihrer eigenhändigen Unterschrift zu bestätigen; dies ist nicht erforderlich, wenn der Amtshandlung mehr als 20 Personen beigezogen wurden oder wenn die Niederschrift elektronisch erstellt wurde und an Ort und Stelle nicht ausgedruckt werden kann. Unterbleibt die Unterfertigung der Niederschrift durch eine beigezogene Person, so ist dies unter Angabe des dafür maßgebenden Grundes in der Niederschrift festzuhalten.

(6) Den beigezogenen Personen ist auf Verlangen eine Ausfertigung der Niederschrift auszufolgen oder zuzustellen.

(7) ..."

"§ 62. (1) Wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können Bescheide sowohl schriftlich als auch mündlich erlassen werden.

(2) Der Inhalt und die Verkündung eines mündlichen Bescheides ist, wenn die Verkündung bei einer mündlichen Verhandlung erfolgt, am Schluss der Verhandlungsschrift, in anderen Fällen in einer besonderen Niederschrift zu beurkunden.

(3) Eine schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Bescheides ist den bei der Verkündung nicht anwesenden und jenen Parteien zuzustellen, die spätestens drei Tage nach der Verkündung eine Ausfertigung verlangen; über dieses Recht ist die Partei bei Verkündung des mündlichen Bescheides zu belehren.

(4)..."

Nach dem Konzept des § 25 VermG hat die Klärung eines strittigen Grenzverlaufes nicht durch die Vermessungsbehörde im Verwaltungsverfahren zu erfolgen, sondern vielmehr in einem Verfahren vor einem ordentlichen Gericht, wobei das Gesetz bestimmte Kriterien aufstellt, welcher der betroffenen Eigentümer von der Behörde aufzufordern ist, das gerichtliche Verfahren anhängig zu machen (sofern nicht schon eines anhängig ist). Wird die von ihm eingebrachte Klage rechtskräftig abgewiesen oder unterlässt er es, das gerichtliche Verfahren anhängig zu machen und gehörig fortzusetzen (bzw. ein bereits entsprechendes anhängiges Verfahren gehörig fortzusetzen), treten die "Zustimmungsfiktionen" des § 25 Abs. 2, 3 oder auch 5 ein.

Die Auffassung der Behörden des Verwaltungsverfahrens (wie nicht minder die Auffassung der Mitbeteiligten im Verwaltungsverfahren, aber auch die implizite Auffassung der Beschwerdeführer in der Beschwerde), dass die Aufforderung gemäß § 25 Abs. 2 VermG in Bescheidform zu ergehen habe, trifft zu. Dies ist nämlich wegen der damit verbundenen Rechtswirkungen gemäß Abs. 5 dieses Paragraphen (Rechtsverlust, "Zustimmungsfiktion") geboten. Richtig ist weiters, dass dieser Bescheid auch mündlich erlassen werden kann. Dazu müssen aber die (zwingenden) Formvorschriften des § 62 Abs. 2 AVG eingehalten werden, widrigenfalls er nicht rechtswirksam erlassen ist (siehe dazu beispielsweise die in Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, bei E 1 ff zu § 62 Abs. 2 AVG wiedergegebene hg. Judikatur).

Selbst wenn man davon ausginge, dass die Beschwerdeführer einerseits und die Mitbeteiligte andererseits in der Grenzverhandlung vom 23. Juni 2004 rechtswirksam mit mündlich verkündetem Bescheid gemäß § 25 Abs. 2 VermG auf den Rechtsweg verwiesen worden wären, bleibt unerfindlich, woraus die belangte Behörde die Berechtigung ableitet, diesen - nach ihrer Auffassung -

wirksamen Bescheid (der nicht mit rechtzeitiger Berufung bekämpft wurde) nicht etwa aus Anlass einer dagegen erhobenen Berufung, sondern vielmehr auf Grund der erst im Rechtsmittelverfahren gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 30. Mai 2006 erhobenen Berufung der Mitbeteiligten (gegen den zweitinstanzlichen Bescheid vom 13. Dezember 2006) zu beheben. Im Übrigen hat die belangte Behörde auch verkannt, dass die Frage des Grenzverlaufes im gerichtlichen Verfahren, das mit dem Berufungsurteil vom 8. Mai 2001 abgeschlossen wurde, nicht Hauptfrage, sondern lediglich Vorfrage war und somit entgegen der Annahme der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid der Grenzverlauf nicht "verbindlich festgestellt war".

Zu klären ist allerdings, ob überhaupt eine rechtswirksame Verweisung auf den Rechtsweg im Sinne des § 25 Abs. 2 VermG erfolgte. Das ist zu verneinen. Im Beschwerdefall sind nämlich drei Abschnitte der Grenze zu unterscheiden: ein Teil ist unstrittig; im Übrigen hatten nach der Auffassung des Vermessungsamtes (wie sie im erstinstanzlichen Bescheid vom 30. Mai 2006 zu Tage tritt) hinsichtlich eines weiteren Abschnittes die Beschwerdeführer die schlechtere Position, hinsichtlich eines dritten Abschnittes hingegen die Mitbeteiligte, weshalb jeweils bezüglich dieser Abschnitte auf den Rechtsweg verwiesen worden sei. Bei dieser Ausgangslage bedarf es einer genauen Bezeichnung der Abschnitte, hinsichtlich derer die Parteien auf den Rechtsweg verwiesen werden, weil nur so eindeutig klar ist, hinsichtlich welchen Bereiches jeweils die "Zustimmungsfiktion" des § 25 VermG Platz greift. Das könnte möglicherweise auch in der Grenzverhandlung vom 23. Juni 2004 so erörtert worden sein, der Niederschrift (die im Übrigen den Formerfordernissen des § 14 AVG nicht entspricht, weil weder der Gang der Verhandlung verständlich widergegeben wird, noch ersichtlich ist, wer außer dem Verhandlungsleiter daran teilgenommen hat, noch die Niederschrift unterfertigt wurde oder auch angegeben wurde, weshalb dies nicht der Fall gewesen ist) ist dies aber nicht zu entnehmen. Da eine Beurkundung der Verkündung und des Inhaltes eines mündlichen Bescheides der Niederschrift nicht zu entnehmen ist, kann schon aus diesem Grund nicht von einem mündlich erlassenen Bescheid ausgegangen werden. Rein sprachlich bedeutete nämlich dieser Teil der Niederschrift, die Eigentümer "wurden aufgefordert" (und nicht "werden"), das Verfahren anhängig zu machen, dass eine bereits erfolgte Aufforderung festgehalten und nicht die Verkündung eines entsprechenden Bescheides protokolliert wird. Aber selbst wenn man diese Teile der Niederschrift als Spruch eines verkündeten Bescheides deuten würde, fehlte die hier im Beschwerdefall erforderliche Bestimmung, hinsichtlich welchen Teiles der Grenze die Beschwerdeführer einerseits und die Mitbeteiligte andererseits auf den Rechtsweg verwiesen würden. Selbst wenn man dies aus den bruchstückhaften weiteren Teilen der Niederschrift entnehmen könnte (was aber nicht der Fall ist), vermöchte dies nicht das Fehlen dieser im Beschwerdefall notwendigen Teile des Spruches zu ersetzen. Die Zustellung der Niederschrift (einer Ablichtung der Niederschrift) vermochte daran nichts zu ändern und diese Mängel nicht zu beheben, sodass auch Überlegungen müßig sind, ob man diese Zustellung als Zustellung einer Ausfertigung eines (schriftlichen) Bescheides deuten könnte.

Zusammenfassend ergibt sich, dass eine bescheidmäßige Verweisung auf den Rechtsweg gemäß § 25 Abs. 2 VermG, wie sie im Beschwerdefall erforderlich gewesen wäre, bislang überhaupt noch nicht erfolgt ist, womit auch die "Zustimmungsfiktion" des § 25 Abs. 5 VermG nicht eintreten konnte. Das hat die belangte Behörde verkannt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich die Durchführung der von den Beschwerdeführern beantragten mündlichen Verhandlung (Art. 6 EMRK steht dem nicht entgegen, weil, wie dargelegt, die Klärung der strittigen Frage des Grenzverlaufes nicht durch die Vermessungsbehörden im Verwaltungsverfahren, sondern im Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten zu erfolgen hat).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 31. Jänner 2008

Schlagworte

Inhalt des Spruches Diverses

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2007060258.X00

Im RIS seit

06.03.2008

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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