TE Vwgh Erkenntnis 2008/11/27 2007/07/0099

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Veröffentlicht am 27.11.2008
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Index

L66107 Einforstung Wald- und Weideservituten Felddienstbarkeit Tirol;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
80/06 Bodenreform;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
B-VG Art12 Abs1 Z3;
B-VG Art15 Abs6;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
WWSGG §5;
WWSLG Tir 1952 §4 Abs4 idF 2004/047;
WWSLG Tir 1952 §4 Abs4 lita idF 2004/047;
WWSLG Tir 1952 §4 Abs4 litb idF 2004/047;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Beck, Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Jantschgi, über die Beschwerde der Gemeinde G, vertreten durch den Bürgermeister, dieser vertreten durch Dr. Andreas Brugger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Salurner Straße 16, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 31. Mai 2007, Zl. LAS-756/21- 02, betreffend Abweisung eines Antrages auf Erlöschenserklärung eines Weidenutzungsrechtes (mitbeteiligte Parteien: Jakob H und Sofie H, beide in G, beide vertreten durch Mag. Egon Stöger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Bürgerstraße 20), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

In EZ 372 (Eigentümerin: Gemeinde G) ist unter C-LNr. 1 die Dienstbarkeit der Weide auf den Grundstücken 113/2 und 114/1 für die Liegenschaft EZ 90009, deren Miteigentümer je zur Hälfte die Mitbeteiligten sind, einverleibt.

Mit Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz (AB) vom 6. September 2002 wurde auf Grund eines Antrags der beschwerdeführenden Gemeinde die Einleitung eines Servitutenverfahrens hinsichtlich der u.a. auf Grundstück Nr. 113/2 lastenden Einforstungsrechte der Mitbeteiligten verfügt. Die dagegen von den Mitbeteiligten eingebrachte Berufung wurde mit rechtskräftigem Bescheid der belangten Behörde vom 16. Dezember 2002 als unbegründet abgewiesen.

Mit Bescheid der AB vom 28. Februar 2003 wurde das Weiderecht hinsichtlich des belasteten Grundstückes 113/2 neu reguliert (dieses sollte auf einer näher bezeichneten Fläche von 90 m2 bestehen). Der dagegen von den Mitbeteiligten eingebrachten Berufung wurde mit rechtskräftigem Bescheid der belangten Behörde vom 5. Juni 2003 Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass das neu regulierte Weiderecht auf einer lageplanmäßig dargestellten Fläche im Ausmaß vom 129 m2 des Grundstücks 113/2 besteht.

Mit Schreiben vom 6. Oktober 2003 wandten sich die Mitbeteiligten an die AB und beantragten die Ablösung des neu regulierten Weiderechtes. Diesem Antrag wurde im Instanzenzug keine Folge gegeben. Dies mit der Begründung, dass das Servitutenverfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sei und der Antrag auf die Abänderung des rechtskräftigen Bescheides vom 5. Juni 2003 abziele, mit dem das Weiderecht neu reguliert worden und das Servitutenverfahren inhaltlich erledigt worden sei. Dieser Bescheid sei von den Mitbeteiligten nicht bekämpft worden. Auch die maßgebliche Sach- und Rechtslage habe sich nicht geändert. Einer neuen Sachentscheidung stehe daher das Hindernis der entschiedenen Sache nach § 68 Abs.  1 AVG entgegen.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit hg. Erkenntnis vom 28. April 2005, 2004/07/0054, als unbegründet abgewiesen.

Mit Eingabe vom 13. Mai 2005 stellte die Beschwerdeführerin an die AB den Antrag, das auf Grundstück 113/2 auf einer Fläche von 129 m2 zugunsten der Mitbeteiligten bestehende Weiderecht im Sinne des § 4 Abs. 4 WWSG als erloschen zu erklären.

Der Antrag wurde im Wesentlichen damit begründet, dass das Grundstück 113/2 gemäß dem derzeit gültigen Flächenwidmungsplan als Vorbehaltsfläche gewidmet sei. Auf diesem Grundstück befinde sich seit 1978 ein Mehrzweckgebäude, in dem der Musikpavillon, das Probelokal der Musikkapelle, das Gerätehaus der Feuerwehr samt Nebenräumen, die Bergrettung, die Schützenkompanie und eine öffentliche WC-Anlage untergebracht gewesen seien. Infolge des Neubaues des Recyclinghofes, des Bauhofes und des Feuerwehrgerätehauses seien Feuerwehr und Bergrettung aus dem Mehrzweckgebäude ausgesiedelt worden. Die dadurch frei werdenden Räumlichkeiten würden nunmehr in einen Veranstaltungssaal umgewandelt. Die Umgriffsfläche des auf Grundstück 113/2 befindlichen Mehrzweckgebäudes würde als Zubehörraum für die Platzkonzertbesucher und der Rest als öffentliche Parkfläche samt Blumentrögen und Parkbänken sowie als Busbucht für den Linien- und Schibusverkehr benötigt. Weiters diene das Grundstück 113/2 in den Sommermonaten zur Abhaltung von sämtlichen Dorffesten, wie z. B. Feuerwehrfest, Schaflschode (Fest aus Anlass des Abtriebs der Schafe von der Alm und Aufteilung auf die Besitzer), Almabtriebsfest und Erntedankfest. In den Wintermonaten würden dort beispielsweise Preisverteilungen nach den Schischulrennen vorgenommen.

Sämtliche dieser Einrichtungen und auch Nutzungen dienten öffentlichen Zwecken. Nicht nur, dass sich die südwestlich an den Musikpavillon anschließende Weidefläche mitten im Ort für das Gesamterscheinungsbild des öffentlichen Zwecken dienenden Veranstaltungsplatzes störend auswirke, hindere diese Weidefläche natürlich auch in beträchtlichem Ausmaß die tatsächlichen Nutzungsmöglichkeiten eines zentralen Markt- oder Dorfplatzes. In Anbetracht des ohnehin beschränkten Flächenausmaßes des Grundstückes 113/2 und des darauf errichteten Veranstaltungsplatzes samt den angeführten Einrichtungen würde die derzeitige Weidefläche von 129 m2 dringend zusätzlich für öffentliche Zwecke benötigt. Auf der anderen Seite könne eine Gefährdung des Wirtschaftsbetriebes der berechtigten Liegenschaft durch die beantragte Aufhebung der Weiderechte der Mitbeteiligten von vornherein ausgeschlossen werden.

Im Zuge des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens wurde ein Gutachten des landwirtschaftlichen Amtssachverständigen vom 17. Oktober 2006 eingeholt. Daraus geht hervor, dass bezogen auf das Gut der Mitbeteiligten die Futterfläche als entbehrlich eingestuft werde, weil eine Gefährdung des Wirtschaftsbetriebes der berechtigten Liegenschaft nicht eintrete; die Fläche werde auch derzeit nicht genutzt. Auf den verbleibenden belasteten Grundstücken des Servitutsgebietes werde der Ertrag der Nutzungsrechte der übrigen Berechtigten mit insgesamt 189.482 kg Mittelheu durch die Weidefreistellung der Gp. 113/2 nur minimal geschmälert, wodurch auch die Servitutslast dieser Grundstücke nicht drückender werde. Es errechne sich nach der Weidefreistellung ein einmaliger Entschädigungsbetrag von EUR 337,30.

Diese fachliche Stellungnahme wurde den Parteien zur Kenntnis gebracht. Die Mitbeteiligten sprachen sich in einer Stellungnahme vom 14. November 2006 gegen die Ablöse und die Höhe der Entschädigung aus. Hilfsweise beantragten sie eine Ablöse in Grund und Boden im Bereich des Hofumgriffs ihres Gutes, gegebenenfalls unter Aufzahlung.

In weiterer Folge fanden Vergleichsgespräche statt, die aber zu keinem Ergebnis gelangten.

Mit Bescheid der AB vom 22. Februar 2007 wurde das auf Grundstück 113/2 zugunsten der Liegenschaft EZ 90009 bestehende Weiderecht zur Gänze als erloschen erklärt. Die Beschwerdeführerin wurde zur Zahlung einer einmaligen Entschädigung an die Mitbeteiligten in der Höhe von EUR 337,30 verpflichtet.

In der Begründung des Bescheides wird im Wesentlichen ausgeführt, dass mit der durch die Novelle LGBl. Nr. 47/2004 in das WWSG eingefügten Bestimmung des § 4 Abs. 4 leg. cit. die Möglichkeit geschaffen worden sei, außerhalb eines mit Bescheid eingeleiteten Verfahrens Nutzungsrechte im Sinne dieses Gesetzes auf Antrag des Eigentümers der belasteten Liegenschaft oder von Amts wegen als erloschen zu erklären, wenn das belastete Grundstück für genau definierte Maßnahmen im allgemeinen öffentlichen Interesse benötigt werde. Das Vorliegen öffentlicher Interessen sei von den Antragsgegnern gar nicht bestritten worden und stehe für die Agrarbehörde außer Zweifel.

Aufgrund des minimalen Weideertrages auf Grundstück 113/2 und des geringen Anteils desselben am Futterertrag des gesamten Servitutsgebietes würde die antragsgegenständliche Fläche vom Amtssachverständigen als für das berechtigte Gut entbehrlich eingestuft. Die AB schließe sich im Ergebnis dessen Einschätzung an, dass durch die Entlastung der antragsgegenständlichen Fläche von den Weiderechten eine Gefährdung des Wirtschaftsbetriebes der berechtigten Liegenschaft nicht eintrete. Das Weiderecht sei in der Praxis inmitten von Verkehrsflächen auch kaum auszuüben. Auf den verbleibenden belasteten Grundstücken des Servitutsgebietes würde der Ertrag der Nutzungsrechte der übrigen Berechtigten (rechnerisch) nur minimal geschmälert, weshalb auch die Servitutslast nicht drückender würde.

Für die AB stehe fest, dass durch das Erlöschen des Weiderechtes auf Grundstück 113/2, welches als Vorbehaltsfläche benötigt würde, weder eine Gefährdung des Wirtschaftsbetriebes der berechtigten Liegenschaft eintrete noch der Ertrag der Nutzungsrechte der übrigen Berechtigten geschmälert oder die Servitutslast drückender würde.

Gegen diesen Bescheid wurde von den Mitbeteiligten fristgerecht Berufung erhoben. Sie brachten im Wesentlichen vor, dass sich die AB mit ihrem Einwand, dass auf den 129 m2 dreimal jährlich Ziegen hingegeben und geweidet und bei einer zusätzlichen Gabe von Heu den ganzen Sommer gehalten werden könnten, in keiner Weise inhaltlich auseinandergesetzt habe. Sie benötigten Weideflächen, um ihr Vieh auszutreiben und zu füttern. Hätte die Behörde pflichtgemäß die materielle Wahrheit ermittelt, wäre sie zur rechtlichen Beurteilung gelangt, dass mit der Enteignung der letzten 129 m2 Weidefläche die Existenzbedrohung für den Hof der Mitbeteiligten, die infolge der Enteignung der letzten Jahre entstanden sei, ein unzumutbares Ausmaß erreichen würde. Der Sachverständige führe selbst aus, dass eine Unterbedeckung von 55,16 % bestehe. Damit zeige sich, dass ein weiterer Entfall von Weideflächen wirtschaftlich untragbar sei. Den Mitbeteiligten seien bis jetzt Weideflächen scheibchenweise immer mit dem Argument, ohnehin nur kleine Flächen zu benötigen, hektarweise weggenommen worden. Sie hielten auch den Antrag auf Ablöse in Grund und Boden aufrecht. Ihnen gehe es nicht um die Höhe der Entschädigungszahlung, sondern darum, ihren Landwirtschaftsbetrieb sinnvoll weiterbetreiben zu können, was in Ermangelung jeglicher Weideflächen nicht möglich sein werde. Keineswegs stehe außer Streit, dass die Enteignung im öffentlichen Interesse liege. Das Gegenteil sei der Fall. Es könne nicht sein, dass das öffentliche Interesse an der Abhaltung von Belustigungen höher eingestuft werde als das öffentliche Interesse an einem gesunden und überlebensfähigen Bauernstand. Welches Interesse die Öffentlichkeit daran haben solle, dass die Schischule ihre Preisverleihungen auf der enteigneten Fläche durchführe, sei völlig rätselhaft. Der bekämpfte Bescheid sei schon deswegen inhaltlich rechtswidrig, weil kein öffentliches Interesse an der verfügten Enteignung bestehe.

Die belangte Behörde holte eine Auskunft der Abteilung Raumordnung-Statistik des Amtes der Tiroler Landesregierung ein; demnach sei das Grundstück 113/2 als Vorbehaltsfläche "Veranstaltungszentrum" gewidmet.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 31. Mai 2007 wurde der Berufung Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass der Antrag der beschwerdeführenden Gemeinde abgewiesen werde.

Die belangte Behörde legte eingangs ihrer rechtlichen Begründung die Bestimmung des mit der Novelle LGBl. Nr. 47/2004 neu geschaffenen § 4 Abs. 4 WWSG und die Erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zu dieser Novelle dar. Daran anschließend stellte sie fest, dass das Grundstück 113/2 als Vorbehaltsfläche mit dem Verwendungszweck "Veranstaltungszentrum" gewidmet sei. Eine rechteckige (23,46 m x 5,5 m) Teilfläche von 129 m2 des

1.808 m2 großen Grundstückes 113/2 sei mit der Dienstbarkeit der Weide zugunsten der Liegenschaft EZ 90009 der mitbeteiligten Parteien belastet. Die Weidefläche sei in dem einen wesentlichen Bestandteil des Bescheides der belangten Behörde vom 5. Juni 2003 bildenden Lageplan dargestellt. Diese Darstellung zeige, dass die Weidefläche längsseitig entlang der Südgrenze des Grundstückes 113/2 situiert sei und mit der nordöstlichen Breitseite an den Musikpavillon auf Grundstück 113/2 angrenze.

Aus dem Vergleich von lit. a und lit. b des § 4 Abs. 4 WWSG ergebe sich im Zusammenhalt mit den Erläuternden Bemerkungen, dass die Erlöschenserklärung nach lit. a auch dann noch möglich sei, wenn das servitutsbelastete Grundstück bereits als Bauland gewidmet sei und durch das Erlöschen des darauf lastenden Nutzungsrechtes die Verwendung als Bauland ermöglicht werden solle, während die Erlöschenserklärung nach lit. b nicht mehr möglich sei, wenn das servitutsbelastete Grundstück bereits als Vorbehaltsfläche gewidmet sei, weil nach lit. b im Gegensatz zu lit. a nicht auf die "Verwendung" abgestellt werde. Die unterschiedliche Regelung zwischen lit. a und lit. b im Hinblick auf die Anwendbarkeit auch noch nach der Widmung als Bauland bzw. nur vor der Widmung als Vorbehaltsfläche gehe allein schon aus dem Wortlaut der beiden Bestimmungen hervor und werde durch die Erläuternden Bemerkungen bestätigt. Daraus folge, dass die Erlöschenserklärung der Widmung als Vorbehaltsfläche vorausgehen müsse. Im vorliegenden Fall sei das servitutsbelastete Grundstück bereits im Zeitpunkt der Antragstellung als Vorbehaltsfläche gewidmet gewesen.

Aber auch wenn man davon ausgehen wollte, dass die bereits erfolgte Widmung als Vorbehaltsfläche kein Hindernis für die Erlöschenserklärung darstelle, könne dem Antrag der beschwerdeführenden Gemeinde kein Erfolg beschieden sein, weil nicht überzeugend dargelegt worden sei, dass der widmungsgemäße Verwendungszweck der Vorbehaltsfläche nur dann verwirklicht werden könne, wenn auch die am Grundstücksrand liegende Servitutsfläche, die 7,13 % der gesamten Grundstücksflächen ausmache, für die im Antrag angegebenen Zwecke verwendet werden könne. Im Antrag werde vorgebracht, dass die Weidefläche als Umgriffsfläche des Mehrzweckgebäudes benötigt würde. Da die Erlöschenserklärung als enteignungsähnliche Maßnahme anzusehen sei, sei ein besonders strenger Maßstab bei der Beurteilung der Frage, ob die Servitutsfläche tatsächlich benötigt werde, anzulegen. Diese Frage könne nur dann bejaht werden, wenn die widmungsgemäße Verwendung der Vorbehaltsflächen durch das darauf lastende Nutzungsrecht unmöglich gemacht werde.

Es möge schon sein, dass die Servitutsfläche hinderlich sei, womit aber nicht gesagt sei, dass sie den festgelegten Verwendungszweck "Veranstaltungszentrum" verhindere. Diesem Zweck könne auch dann entsprochen werden, wenn die in Rede stehende Weidefläche nicht dazu verwendet werden dürfe. Die urkundliche Weidezeit ende Mitte November, sodass die Weidefläche für Veranstaltungen in den Wintermonaten zur Verfügung stehe. Abgesehen davon, dass die Weidefläche nicht straßenseitig liege und sich aus diesem Grund nicht als Haltestellenbucht eigne, sei festzustellen, dass eine Haltestellenbucht ein Bestandteil der Straße (§ 3 Abs. 1 lit. a des Tiroler Straßengesetzes) sei und nicht als Bestandteil des Veranstaltungszentrums bezeichnet werden könne. Auch eine Parkfläche sei ein Straßenbestandteil. Dass das Dorffest im Sommer ohne Einbeziehung der Weidefläche nicht veranstaltet werden könnte, werde nicht vorgebracht. Die belangte Behörde gelange daher zur Ansicht, dass die in § 4 Abs. 4 lit. b WWSG genannte Voraussetzung für die von der Gemeinde beantragte Erlöschenserklärung nicht vorliege. Da alle Voraussetzungen kumulativ gegeben sein müssten, erübrige sich eine Erörterung der Frage, ob die weiteren Voraussetzungen zuträfen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die Beschwerdeführerin spricht sich gegen die erste Begründungslinie des belangten Bescheides mit dem Argument aus, dass eine Differenzierung zwischen der Bestimmung des § 4 Abs. 4 lit. a und der lit. b WWSG sachlich nicht gerechtfertigt wäre. Auch bei Vorbehaltsflächen müsse eine Erlöschenserklärung für den Fall möglich sein, dass diese Vorbehaltsfläche bereits rechtskräftig gewidmet sei.

In Bezug auf die zweite Begründungslinie des angefochtenen Bescheides meint die Beschwerdeführerin, bereits durch die Genehmigung der entsprechenden Widmung als Vorbehaltsfläche "Veranstaltungszentrum" sei bestätigt worden, dass diese Fläche in ihrer Gesamtheit für öffentliche Zwecke benötigt werde. Des weiteren sei die Ansicht der belangten Behörde, die Aufhebung von Nutzungsrechten käme nur als "ultima ratio" in Frage, dem Gesetz nicht zu entnehmen. In Bezug auf den Standpunkt der belangten Behörde, bei der Ablöse der Weiderechte handle es sich um einen enteignungsähnlichen Vorgang, verwies die Beschwerdeführerin auf die Entstehungsgeschichte dieser Rechte. Die Weiderechte in Gerlos bestünden im Wesentlichen auf Grundstücken der Österreichischen Bundesforste, deren Rechtsvorgänger, der Landesfürst, jeden Privatbesitz an diesen Flächen ausgeschlossen habe. Bei den in Gerlos bestehenden Weiderechten habe es sich nicht um Privatrechte, sondern um gnadenhalber gestattete Weidenutzungen gehandelt. Weiderechte nach dem WWSG seien daher nicht als Privatrechte einzustufen, sondern vielmehr als öffentliche Rechte; sie genössen daher nicht den Schutz der Unverletzlichkeit gemäß Art. 5 Staatsgrundgesetz. Es sei daher nicht richtig, an die Aufhebung solcher Rechte den selben Maßstab anzulegen wie für die Enteignung von Privatrechten.

In weiterer Folge der Beschwerde stellt die beschwerdeführende Gemeinde dar, dass bei einer Berücksichtigung des Futterbedarfes für die urkundliche Viehzahl für die Weiderechte in Gerlos eine Unterbedeckung von 55,16 % bestünde. Diese Unterbedeckung habe im Wesentlichen immer schon bestanden. Dies lasse nur den Schluss zu, dass die in den Servitutenregulierungsurkunden angegebene Viehzahl viel zu hoch sein müsste, weil der gesamte im Gebiet von Gerlos mögliche Futterertrag nicht annähernd hingereicht hätte, um die in der Servitutenregulierungsurkunde festgehaltene Viehzahl einigermaßen zu ernähren. Auch dieser Umstand relativiere die Schutzwürdigkeit der in Gerlos bestehenden Weiderechte. Ungeachtet dessen hätte diese Unterdeckung zur Folge, dass es in der Vergangenheit praktisch unmöglich gewesen wäre, eine Ablöse der Weiderechte gegen den Willen der Berechtigten zu erreichen. Das hätte zur Folge, dass angesichts des geringen Ausmaßes des Baulandes in Gerlos einzelne Weideberechtigte für einen Verzicht auf ihre Weiderechte teilweise Beträge ausverhandelt hätten, die nahe am Baulandpreis gelegen wären. Der Wert eines auf dem Talboden von Gerlos liegenden Weiderechtes liege daher keineswegs mehr in erster Linie darin, dass ein Landwirt die Möglichkeit habe, seinen Tieren Nahrung zu verschaffen, sondern vielmehr in der Verhinderung einer anderwertigen Nutzung des Grundstückes durch dessen Eigentümer. Damit gehe die Chance einher, für das Weiderecht eine völlig unverhältnismäßige Ablöse zu erlangen. Dies sei auch im Fall der Beschwerdeführer so. Aus diesem Grund sei § 4 Abs. 4 WWSG geschaffen worden, um dem beschriebenen Missbrauch von öffentlichen Rechten entgegen zu wirken.

Die angefochtene Entscheidung sei als Versuch zu werten, das Ziel der genannten Novelle zu vereiteln und die weideberechtigten Landwirte weiterhin in die Lage zu versetzen, durch völlig unangemessene Ablöseforderungen Vorhaben im öffentlichen Interesse zu blockieren. Die Entbehrlichkeit der Grundfläche sei auch deshalb zu Tage getreten, weil diese Weidefläche auch bisher nicht genutzt worden sei.

Unrichtig sei schließlich auch die Rechtsansicht der belangten Behörde, eine Ablöse der Weiderechte sei nur dann möglich, wenn ansonsten diverse Veranstaltungen überhaupt nicht mehr abgehalten werden könnten. Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes wäre selbst bei Eigentumseingriffen nur zu prüfen, ob das einen Eingriff rechtfertigende Interesse schwerer wiege als der Eingriff in die Rechte des Betroffenen. Diese Überlegungen müssten umso mehr gelten, wenn nur in Nutzungen eingegriffen werde, die in der Vergangenheit lediglich gnadenhalber gestattet worden seien (also Nutzungsrechte nach dem WWSG). Die belangte Behörde hätte daher die Verhältnismäßigkeit prüfen müssen, das heißt, ob das in Rede stehende Weiderecht die Abhaltung von Veranstaltungen erschwere und wenn ja, ob dieses Erschwernis schwerer wiege als die Aufhebung eines Weiderechtes auf einer Fläche von 129 m2, mit welchem kein Vermögensnachteil wegen dessen vollständiger Entschädigung verbunden sei.

Die Beschwerdeführerin macht auch die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Sie führt dazu aus, die belangte Behörde habe den angefochtenen Bescheid damit begründet, dass im verfahrenseinleitenden Antrag das Erfordernis der Heranziehung der Weidefläche nicht überzeugend begründet worden sei; es wäre aber Sache der belangten Behörde gewesen, den entscheidungsrelevanten Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Hätte sie das getan, hätte sich herausgestellt, dass es sich beim Grundstück 113/2 von vornherein um einen relativ kleinen Versammlungsplatz handle. Dies habe zur Folge, dass schon bisher bei diversen Veranstaltungen extrem beengte Verhältnisse vorgelegen seien und bei größeren Veranstaltungen auch wiederholt Abstriche in Kauf genommen hätten werden müssen. So könne die Beschwerdeführerin einzelne größere Veranstaltungen nicht entsprechend durchführen, da sie nur die Möglichkeit habe, weitere Personen, die nicht mehr Platz fänden, von Veranstaltungen auszuschließen, was aber in der Praxis kaum durchführbar sei. Sie sei dringend auf die servitutsbelastete Teilfäche angewiesen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Auch die Mitbeteiligten erstatteten eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragten.

Die Beschwerdeführerin replizierte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 4 des Tiroler Wald- und Weideservitutengesetzes, LGBl. Nr. 21/1952, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 47/2004 (WWSG) lautet:

"Änderungen an Nutzungsrechten

§ 4. (1) Rechtsgeschäfte, welche Veränderungen an Nutzungsrechten, insbesondere die gänzliche oder teilweise Übertragung solcher von einer berechtigten Liegenschaft auf eine andere oder von einer belasteten Liegenschaft auf eine andere oder die Löschung von Nutzungsrechten im Grundbuch bezwecken, bedürfen der Bewilligung der Agrarbehörde.

(2) Die Bewilligung für eine gänzliche oder teilweise Übertragung eines Nutzungsrechtes von der berechtigten Liegenschaft auf eine andere ist zu versagen, wenn die Übertragung aus anderen als wirtschaftlichen Gründen angestrebt wird, zu einer unwirtschaftlichen Rechtszersplitterung führt oder eine unverhältnismäßige Erschwernis in der Wirtschaftsführung des Verpflichteten nach sich zieht. Andere als wirtschaftliche Gründe für die Übertragung des Nutzungsrechtes liegen vor, wenn die Liegenschaft, auf die dieses übertragen werden soll, keinen Bedarf daran hat; dabei sind insbesondere die Größe der Liegenschaft und ihrer Gebäude sowie die Art ihrer Bewirtschaftung zu berücksichtigen. Die Bewilligung für die Übertragung der Last von einer verpflichteten Liegenschaft auf eine andere ist zu versagen, wenn diese keine hinreichende Gewähr für die dauernde Erfüllung des Nutzungsanspruches bietet oder die Nutzung dadurch wesentlich erschwert würde.

(3) Stimmt der Verpflichtete einer gänzlichen oder teilweisen Übertragung eines Nutzungsrechtes von der berechtigten Liegenschaft auf eine andere nicht zu, so kann die Agrarbehörde auf Antrag einer Partei derartige Veränderungen durch Bescheid verfügen, wenn keiner der Versagungsgründe nach Abs. 2 vorliegt."

(4) Die Agrarbehörde hat auf Antrag des Eigentümers der belasteten Liegenschaft oder von Amts wegen ein Nutzungsrecht im Hinblick auf ein damit belastetes Grundstück im erforderlichen Umfang als erloschen zu erklären, wenn dieses Grundstück

a) für die Verwendung als Bauland benötigt wird und im Eigentum einer Gemeinde oder einer Agrargemeinschaft steht oder von einer Gemeinde, einer Agrargemeinschaft oder dem Bodenbeschaffungsfonds erworben wird oder

b)

als Vorbehaltsfläche benötigt wird oder

c)

Gegenstand eines Baulandumlegungsverfahrens ist oder

d)

für Zwecke benötigt wird, für die nach landesgesetzlichen Vorschriften die Enteignung zulässig ist,

und wenn eine Gefährdung des Wirtschaftsbetriebes der berechtigten Liegenschaft nicht eintritt. Auf den verbleibenden belasteten Grundstücken darf der Ertrag der Nutzungsrechte allfälliger übriger Berechtigter nicht geschmälert und die Servitutslast ohne Zustimmung der Eigentümer dieser Grundstücke nicht drückender werden. Für Einschränkungen in der Ausübung des betroffenen Nutzungsrechtes gebührt dem Nutzungsberechtigten eine angemessene Entschädigung. Kommt hierüber kein Übereinkommen zustande, so ist die Entschädigung nach dem Wert des Nutzungsrechtes festzusetzen; § 27 Abs. 2 ist anzuwenden."

Abs. 4 wurde durch die Novelle LGBl. Nr. 47/2004 angefügt. In den Erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zu dieser Novelle wird ausgeführt:

"In einigen Gemeinden Tirols reichen die Einforstungsrechte (vornehmlich die Weideausübung) bis ins Ortsgebiet hinein (Heimweide). Insbesondere in derartigen Fällen kommt es vor, dass diese Nutzungsrechte in Konflikt mit geplanten Nutzungen geraten, die im öffentlichen Interesse als vorrangig angesehen werden können. Mit dem neu einzufügenden § 4 Abs. 4 wird nun eine rasche und einfache Möglichkeit zur Lösung derartiger Nutzungskonflikte geschaffen.

Zur Erklärung von Nutzungsrechten als erloschen soll es künftig jedoch nur aufgrund bestimmter, im öffentlichen Interesse liegender Vorhaben kommen: Der neue § 4 Abs. 4 nennt hier die Verwendung einer Grundfläche als Bauland, die Widmung von Vorbehaltsflächen, das Baulandumlegungsverfahren sowie generell alle Maßnahmen, für die nach landesgesetzlichen Vorschriften enteignet werden kann.

§ 4 Abs. 4 lit. a stellt zwar in erster Linie auf den Fall ab, dass das betreffende, mit Nutzungsrechten belastete Grundstück erst gewidmet werden muss, ist aber auch dann anwendbar, wenn bestehende Nutzungsrechte der zweckentsprechenden Verwendung von bereits gewidmetem Bauland entgegenstehen.

...

Vorbehaltsflächen (§ 4 Abs. 4 lit. b) können nach § 52 Abs. 1 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2001, LGBl. Nr. 93, für Gebäude und sonstige Anlagen der Gemeinde, die öffentlichen Zwecken dienen (insbesondere Schulen, Amtsgebäude, Krankenhäuser, Parkanlagen, Schwimmbäder, Sportanlagen, ...), sowie für objektgeförderte Wohnbauten gewidmet werden.

...

Parteistellung im Verfahren nach § 4 Abs. 4 haben nach dem neu gefassten § 48 Abs. 1 grundsätzlich nur der Grundeigentümer und der von der Änderung betroffene Einforstungsberechtigte sowie hinsichtlich der auf diesen Grundstücken allenfalls drückender werdenden Servitutslast die Eigentümer der übrigen belasteten Grundstücke.

Für Maßnahmen nach dem neuen Abs. 4 ist ebenso wie für die schon bisher in § 4 vorgesehenen Änderungen an Nutzungsrechten eine bescheidmäßige Verfahrenseinleitung nach § 39 WWSG nicht erforderlich."

An die Stelle des in den Erläuternden Bemerkungen zitierten TROG 2001 ist das TROG 2006 getreten. Dessen im gegebenen Zusammenhang bedeutsame Bestimmungen des § 52 lauten wie folgt:

"(1) Vorbehaltsflächen können

a) für Gebäude und sonstige Anlagen der Gemeinde, die öffentlichen Zwecken dienen, wie Schulen, Amtsgebäude, Krankenhäuser, Friedhöfe, Parkanlagen, Schwimmbäder, Sportanlagen, Spielplätze und dergleichen, sowie

b) für objektgeförderte Wohnbauten

gewidmet werden.

(2) Bei der Widmung von Vorbehaltsflächen ist der jeweilige besondere Verwendungszweck genau festzulegen. Vorbehaltsflächen dürfen nur entsprechend dem festgelegten Verwendungszweck verwendet werden."

In ihrer Gegenschrift verweist die belangte Behörde darauf, dass das Wald- und Weideservituten-Grundsatzgesetz (WWGG) nur zwei Formen der Beendigung von Einforstungsrechten kenne, nämlich durch Rechtsgeschäft oder - allenfalls zwangsweise - durch Ablösung. Mit der Novelle LGBl. Nr. 47/2004 sei eine neue Form der Beendigung von Einforstungsrechten durch "Löschung" geschaffen worden. Dieses Rechtsinstitut, ein Nutzungsrecht zwangsweise und allenfalls im Fall einer Einschränkung in der Rechtsausübung gegen Entschädigung als erloschen zu erklären, sei im WWGG nicht vorgesehen, sodass sich die Frage der Grundsatzgesetzkonformität und damit der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieser von der belangten Behörde anzuwendenden Norm stelle.

Der belangten Behörde ist diesbezüglich insofern Recht zu geben, als das WWGG die in § 4 Abs. 4 WWSG neu geschaffene Form der Beendigung eines Einforstungsrechtes, nämlich seine "Löschung", nicht kennt. Das hat aber noch nicht zwingend zur Folge, dass § 4 Abs. 4 WWSG verfassungswidrig ist.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 5. Oktober 1998, G 305/96 ua, VfSlg 15279, seine Rechtsprechung zum Verhältnis von Grundsatzgesetz und Ausführungsgesetz wie folgt zusammengefasst:

"Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. 14322/1995 ausgesprochen hat, ist das Verhältnis von bundesgesetzlicher Grundsatzgesetzgebung zu landesgesetzlicher Ausführungsgesetzgebung von zwei Verfassungsgeboten gekennzeichnet. Einerseits hat sich das Grundsatzgesetz auf die Aufstellung von Grundsätzen zu beschränken und darf über diese im Art. 12 B-VG gezogene Grenze hinaus nicht Einzelregelungen treffen, die der Landesgesetzgebung vorbehalten sind (vgl. zB VfSlg. 2087/1951, 3340/1958, 3598/1959). Andererseits darf das Ausführungsgesetz dem Grundsatzgesetz nicht widersprechen (vgl. zB VfSlg. 2087/1951, 2820/1955, 4919/1965), es also auch nicht in seiner rechtlichen Wirkung verändern (VfSlg. 3744/1960, 12280/1990) oder einschränken (vgl. VfSlg. 4919/1965). Die durch die Grundsatznorm für den Ausführungsgesetzgeber vorgegebenen Grenzen können verschieden weit gezogen sein, wobei im Zweifelsfall die Vermutung für den weiteren Rahmen spricht: Dies ergibt sich aus der verfassungsrechtlichen Überlegung, daß die Ausführungsgesetzgebung frei ist, soweit sie nicht durch den Grundsatzgesetzgeber gebunden ist (VfSlg. 3649/1959)."

In diesem Erkenntnis hatte der Verfassungsgerichtshof zu prüfen, ob eine Bestimmung der Salzburger Jugendwohlfahrtsordnung dem Jugendwohlfahrtsgesetz widersprach, weil diese Bestimmung eine Kostentragung für Maßnahmen zur Unterstützung der Erziehung vorsah, während im Jugendwohlfahrtsgesetz eine solche Kostentragung nicht enthalten war.

Der Verfassungsgerichtshof verneinte die Verfassungswidrigkeit der Salzburger Jugendwohlfahrtsordnung mit folgender Begründung:

"Aus dem Fehlen grundsatzgesetzlicher Regelungen folgt nach Art. 15 Abs. 6 B-VG idF der B-VG-Nov 1974, BGBl. Nr. 444, nicht die Unzulässigkeit von Regelungen der Länder über den Kostenersatz für sonstige Maßnahmen der Erziehungshilfe, sondern vielmehr, daß die Länder diese vom Grundsatzgesetzgeber nicht behandelten Fragen durch ihre Gesetzgebung nach eigenem Ermessen regeln dürfen (vgl. schon VfSlg. 2087/1951). Die nicht auf eine Einschränkung der Ausübung der Landesgesetzgebung, sondern lediglich auf eine gewisse Einheitlichkeit der Regelung in allen Bundesländern abzielende Einrichtung der Grundsatzgesetzgebung (vgl. in diesem Sinne die RV der B-VG-Nov 1974, 182 BlgNR 13. GP, 18) legt ein Normverständnis nahe, welches bei Schweigen des Grundsatzgesetzes zu einer bestimmten Frage für eine ausführungsoffene bundesgesetzliche Regelung streitet, nicht aber im Zweifel die Annahme des abschließenden Charakters anderer, wenn auch sachverwandter grundsatzgesetzlicher Normen (hier des §33 JWG 1989) gebietet."

Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes vermögen die Ausführungen der belangten Behörde in der Gegenschrift beim Verwaltungsgerichtshof unter dem Gesichtspunkt des Beschwerdefalles keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 4 WWSG hervorzurufen.

Dem zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 15279 lässt sich zweifelsfrei entnehmen, dass der Umstand allein, dass in einem Ausführungsgesetz eine Regelung enthalten ist, für die keine Ermächtigung im Grundsatzgesetz vorhanden ist, für sich allein noch nicht zur Verfassungswidrigkeit des Ausführungsgesetzes führt. Dass aber § 4 Abs. 4 WWSG (aus sonstigen Gründen) dem WWGG widerspreche bzw. dieses in seiner rechtlichen Wirkung verändere oder einschränke, behauptet die belangte Behörde nicht. Ein solcher Widerspruch ist unter dem Aspekt des Beschwerdefalles auch nicht ersichtlich. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher nicht veranlasst, beim Verfassungsgerichtshof die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 4 WWSG zu beantragen.

Die belangte Behörde vertritt in einer ersten Argumentationslinie die Auffassung, ein Erlöschen des Weiderechtes komme schon deswegen nicht in Betracht, weil § 4 Abs. 4 lit. b WWSG nicht mehr zur Anwendung gelangen könne, wenn eine Fläche bereits als Vorbehaltsfläche gewidmet sei.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt diese Auffassung nicht.

Der Wortlaut des § 4 Abs. 4 lit. b WWSG legt eine solche Auslegung nicht nahe. Dass § 4 Abs. 4 lit. a WWSG von der "Verwendung als Bauland" spricht, während § 4 Abs. 4 lit. b leg. cit. diesen Begriff nicht enthält, begründet keine Unterscheidung der beiden Bestimmungen in der Richtung, dass im Falle des § 4 Abs. 4 lit. a WWSG eine Erlöschenserklärung auch nach dem Widmungsakt in Betracht kommt, im Falle des § 4 Abs. 4 lit. b leg.cit. hingegen nicht. Auch die Erläuterungen der Regierungsvorlage zur WWSG-Novelle 2004 stellen lediglich klar, dass § 4 Abs. 4 lit. a WWSG in erster Linie auf den Fall abstellt, dass das betreffende, mit Nutzungsrechten belastete Grundstück erst gewidmet werden muss, dass die Bestimmung aber auch dann anwendbar ist, wenn bestehende Nutzungsrechte der zweckentsprechenden Verwendung von bereits gewidmetem Bauland entgegenstehen. Hieraus lässt sich aber nicht ableiten, dass im Falle des § 4 Abs. 4 lit. b WWSG eine Erlöschenserklärung nur vor dem Widmungsakt zulässig sei. Es ist kein Grund ersichtlich, der den Gesetzgeber zu einer solchen Differenzierung bewogen haben könnte. Daher kann aus dem Umstand, dass § 4 Abs. 4 lit. a WWSG von "Verwendung" spricht und die Materialien ebenfalls diesen Ausdruck gebrauchen, nicht die von der belangten Behörde angenommene Differenzierung zwischen den lit. a und b des § 4 Abs. 4 WWSG abgeleitet werden.

Die belangte Behörde stützt die Abweisung des Antrages der Beschwerdeführerin aber in einer zweiten Argumentationslinie auch darauf, dass diese in ihrem Antrag nicht überzeugend dargelegt habe, dass der widmungsgemäße Verwendungszweck der Vorbehaltsfläche nur dann verwirklicht werden könne, wenn auch die am Grundstücksrand liegende Servitutsfläche, die 7,13 % der gesamten Grundstücksfläche ausmache, für die im Antrag genannten Zwecke verwendet werden könne.

Die Verwirklichung des Tatbestandes des § 4 Abs. 4 lit. b WWSG erfordert, dass das mit dem Nutzungsrecht belastete Grundstück als Vorbehaltsfläche "benötigt" wird. Benötigt wird eine Grundstücksfläche dann, wenn ohne sie bzw. ohne das Erlöschen der auf ihr lastenden Nutzungsrechte die Vorbehaltsfläche nicht für den Vorbehaltsflächenzweck (hier: Veranstaltungszentrum) verwendet werden kann. Das ist nicht erst dann der Fall, wenn eine solche Verwendung völlig unmöglich ist, sondern schon dann, wenn eine sinnvolle Verwendung ohne wesentliche Einschränkungen nicht möglich ist.

Die Beschwerdeführerin hat in ihrem verfahrenseinleitenden Antrag vorgebracht, das auf der Vorbehaltsfläche lastende Nutzungsrecht hindere in beträchtlichem Ausmaß die tatsächlichen Nutzungsmöglichkeiten eines zentralen Markt- und Dorfplatzes. In Anbetracht des ohnehin beschränkten Flächenausmaßes des Grundstückes 113/2 und des darauf errichteten Veranstaltungsplatzes samt näher bezeichneten Einrichtungen werde die derzeitige Weidefläche von 129 m2 dringend zusätzlich von der Beschwerdeführerin für öffentliche Zwecke benötigt.

Im Verwaltungsverfahren herrscht, sofern die Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmen, der Grundsatz der Amtswegigkeit (§ 39 AVG).

Mit dem Grundsatz der Amtswegigkeit des Verwaltungsverfahrens korrespondiert eine Verpflichtung der Partei zur Mitwirkung bei der Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes, was insbesondere dann der Fall ist, wenn der amtswegigen behördlichen Erhebung faktische Grenzen gesetzt sind. Allerdings darf diese besondere Behauptungs- und Beweislast weder überspannt noch so aufgefasst werden, dass die Behörde jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre. Hat die Partei nicht nur ganz allgemeine, sondern konkrete, sachbezogene Behauptungen aufgestellt, die nicht schon von vornherein aus rechtlichen Gründen unmaßgeblich oder unschlüssig sind, so hat sie die Behörde vorerst zu einer solchen Präzisierung und Konkretisierung ihres Vorbringens und zu entsprechenden Beweisanboten aufzufordern, die es ihr - nach allfälliger Durchführung eines danach erforderlichen Ermittlungsverfahrens - ermöglichen, zu beurteilen, ob die von der Partei aufgestellten Behauptungen zutreffen oder nicht. Die Formulierung des Interesses und das Vorbringen dafür erforderlicher Behauptungen muss als Sache der Partei angesehen werden; Sache der Behörde hingegen ist es, von sich aus von der Partei Informationen zum Beweis der von dieser behaupteten Tatsachen zu verlangen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. September 1993, 92/10/0395).

Die Ausführungen im Antrag der Beschwerdeführerin waren zwar so allgemein gehalten, dass sie nicht geeignet waren, bereits ausreichend zu dokumentieren, dass die Weidefläche für die Nutzung der Vorbehaltsfläche benötigt wird. Der Umstand allein, dass eine Fläche als Vorbehaltsfläche gewidmet ist, führt nämlich noch nicht zwingend dazu, dass auf dieser Fläche lastende Nutzungsrechte für erloschen zu erklären sind. Es ist vielmehr eine Prüfung durchzuführen, ob und inwieweit die belastete Fläche für die Vorbehaltszwecke tatsächlich benötigt wird.

Die Ausführungen im Antrag der Beschwerdeführerin reichten aber aus, um die oben dargestellte Ermittlungspflicht der Behörde auszulösen. Die belangte Behörde durfte sich daher nicht auf den Standpunkt zurückziehen, der Antrag sei nicht ausreichend begründet. Wenn ohne Mitwirkung der Beschwerdeführerin der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht zu klären war, dann hatte die belangte Behörde diese aufzufordern, konkret anzugeben, aus welchen Gründen bei Weiterbestand der Weiderechte eine sinnvolle Verwendung der Vorbehaltsfläche für den im Flächenwidmungsplan festgelegten Zweck ohne wesentliche Einschränkungen nicht möglich sein soll.

Dadurch, dass die belangte Behörde kein ausreichendes Ermittlungsverfahren durchgeführt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit b und c VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Die Beschwerdeführerin ist als Gebietskörperschaft nach § 24 Abs. 3 Z. 3 VwGG von der Entrichtung der Eingabengebühr befreit, weshalb ihr kein Ersatz für diese zugesprochen werden konnte.

Wien, am 27. November 2008

Schlagworte

Besondere RechtsgebieteAuslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2Verfahrensbestimmungen Amtswegigkeit des Verfahrens Mitwirkungspflicht ManuduktionspflichtSachverhalt Sachverhaltsfeststellung MitwirkungspflichtBegründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2007070099.X00

Im RIS seit

23.12.2008

Zuletzt aktualisiert am

08.01.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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