TE Vfgh Erkenntnis 2003/12/12 A2/01 ua

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.12.2003
beobachten
merken

Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art89 Abs2
B-VG Art137 / sonstige zulässige Klagen
B-VG Art137 / sonstige Klagen
B-VG Art137 idF KundmachungsreformG 2004
EMRK Art8
EG Art234
EG Art286, Art287
AHG §2 Abs3
HGB §277 ff idF EU-GesellschaftsrechtsänderungsG
RechnungslegungsG
Datenschutz-Richtlinie 95/46/EG
Richtlinie 97/66/EG über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre im Bereich der Telekommunikation (TK-DatenschutzRL)
Publizitäts-Richtlinie 68/151/EWG
Bilanz-Richtlinie 78/660/EWG
Konzern-Richtlinie 83/349/EWG
Zweigniederlassungs-Richtlinie 89/666/EWG
VfGG §41

Leitsatz

Abweisung von Staatshaftungsklagen in Zusammenhang mit Gerichtsurteilen wegen Verletzung der handelsrechtlichen Offenlegungspflicht; kein qualifizierter Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht durch Unterlassung der Vorlage der Frage der Gültigkeit der Offenlegungsbestimmungen bestimmter EU-Richtlinien durch den OGH; keine Verletzung des Datenschutzes; verfassungsgesetzliche Verpflichtung des OGH zur Stellung eines Gesetzesprüfungsantrags beim Verfassungsgerichtshof keine Frage des Gemeinschaftsrechts und daher keine Begründung einer allfälligen Staatshaftung

Spruch

Die Klagebegehren werden abgewiesen.

Die klagenden Parteien sind verpflichtet, in den jeweiligen Verfahren jeweils zur ungeteilten Hand dem Bund die Prozesskosten in der Höhe von

        zu A  2/01            €       136,54

        zu A141/02            €     1.141,83

        zu A142/02            €     5.157,--

        zu A144/02            €     1.857,60

        zu A145/02            €     1.372,--

        zu A146/02            €     1.377,02

binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. In der beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art137 B-VG gegen den Bund wegen € 7.555,61 eingebrachten und zu A2/01 protokollierten Klage einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung und deren geschäftsführenden Gesellschafter behaupten die Kläger Schadenersatzansprüche wegen "staatshaftungswürdige[r] Fehlleistung" des Gesetzgebers und einer "staatshaftungsbegründeten Fehlleistung des Obersten Gerichtshofs".

Mit Beschluss vom 29. März 2000, Z6 Ob 77/00t, gab der Oberste Gerichtshof (OGH) einem außerordentlichen Revisionsrekurs gegen eine im Instanzenzug vom Oberlandesgericht (OLG) Linz bestätigende Entscheidung über Zwangsstrafen zur Durchsetzung eines Auftrages an die nunmehr klagenden Geschäftsführer, gemäß §§277 ff. Handelsgesetzbuch (HGB) den Jahresabschluss der nunmehr klagenden GmbH zur Veröffentlichung einzureichen, keine Folge. Schon im Verfahren vor dem Landesgericht Linz haben die nunmehrigen Kläger angeregt, dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage der Primärrechtskonformität der ersten und vierten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie, 68/151/EWG und 78/660/EWG, die innerstaatlich durch §§277 ff. HGB umgesetzt wurden, zur Vorabentscheidung vorzulegen. Diese Anregung wird auch im außerordentlichen Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof wiederholt. Der OGH begründet in seinem Beschluss vom 29. März 2000, Z6 Ob 77/00t, ausführlich, dass die beanstandeten Offenlegungsrichtlinien dem gemeinschaftsrechtlichen "Primärrecht" entsprechen würden: Schon in einer früheren Entscheidung des OGH vom 15. Dezember 1999, Z6 Ob 307/99m, habe er ausgesprochen, dass das Urteil "Daihatsu" des EuGH keine Zweifel darüber offen lasse, dass der EuGH die in den genannten Richtlinien normierten Offenlegungspflichten als vertrags- und grundrechtskonform ansehe. Zu den Argumenten des Revisionsrekurses nimmt der OGH wie folgt ergänzend Stellung:

"Wenngleich das Gemeinschaftsrecht keinen kodifizierten Grundrechtskatalog umfasst, ist in Lehre und Rechtsprechung des EuGH anerkannt, dass die durch die EMRK und ihre Zusatzprotokolle gewährleisteten Grundfreiheiten und Menschenrechte den Kernbestand der Gemeinschaftsgrundrechte bilden (Berka aaO Rz 347 ff mwN aus Lehre und Rechtsprechung). So hat der EuGH einen allgemeinen Gleichheitssatz anerkannt, der Ungleichbehandlung verbietet, wenn diese nicht durch das Vorliegen objektiver Umstände von einigem Gewicht gerechtfertigt ist (Berka Rz 348; EuGHSlg 62, 655 - Glöckner Werke AG). Soweit der Revisionsrekurs in der Gleichbehandlung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit Aktiengesellschaften eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes erblickt und meint, Gesellschaften mit beschränkter Haftung müssten in der Frage der Offenlegung den Personengesellschaften gleichgestellt werden, übersieht er den allein maßgeblichen Grund für die in den Richtlinien und deren Umsetzung vorgenommene Gleichbehandlung von GmbHs mit Aktiengesellschaften: Beide Gesellschaftsformen gehören den Kapitalgesellschaften an und sind durch eine massive Einschränkung der Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft Dritten gegenüber gekennzeichnet. Während der persönlich haftende Gesellschafter von Personengesellschaften mit seinem gesamten Vermögen auch für Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet, steht den Gläubigern von Kapitalgesellschaften nur das Vermögen der Gesellschaft als Haftungsfonds zur Verfügung. Indem nun die Richtlinien verschärfte Bestimmungen über die Offenlegung bei Kapitalgesellschaften vorsehen und dabei GmbH und Aktiengesellschaft gleich behandeln, tragen sie dem schon in Art44 Abs2 litg EG angesprochenen Schutz des Dritten Rechnung. Es ist somit sachlich gerechtfertigt, dass die Richtlinien und deren Umsetzung Gesellschaften mit beschränkter Haftung in der Frage der Offenlegung nicht gleich den Personengesellschaften behandeln. Von einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes kann daher keine Rede sein. Der Umstand, dass die Zwangsstrafe gegen alle Geschäftsführer verhängt werden kann, findet seine sachliche Rechtfertigung in der jeden Geschäftsführer der GmbH unabhängig von einer allfälligen Geschäftsverteilung treffenden Pflicht zur Rechnungslegung, deren Überprüfung und Unterfertigung.

Nach der hier maßgeblichen Rechtsprechung des EuGH dürfen auch die Grundrechte des Eigentumsschutzes und der Berufsfreiheit im öffentlichen Interesse bestimmten Beschränkungen unterworfen werden, wenn diese nicht unverhältnismäßig sind und den Wesensgehalt dieser Rechte nicht antasten (Berka aaO Rz 349mwN). Dass die in Bilanz- und Publizitätsrichtlinie vorgesehene Offenlegung wesentlicher Urkunden der Gesellschaft (zu denen auch die Bilanz samt Gewinn- und Verlustrechnung und Anhang gehören) und deren Erzwingung dem öffentlichen Interesse an der Offenlegung der Dritten nicht bekannten buchhalterischen und finanziellen Situation der Gesellschaft zum Schutz Dritter sowie zur Sicherstellung eines funktionierenden Wettbewerbs dient, ist evident und bedarf keiner weiteren Begründung. Eine Unverhältnismäßigkeit der dabei angewendeten Mittel ist - wie bereits ausgeführt - genausowenig zu erkennen wie ein Eingriff in den Wesensgehalt dieser Rechte.

...

Der Anspruch auf Geheimhaltung personenbezogener Daten bezieht sich nicht nur auf den Privat- oder Familienbereich, sondern auch auf wirtschaftsbezogene Informationen, wobei den Letzteren dann nur eingeschränkter Schutz zukommt, wenn sie mit gewichtigen Gegeninteressen abgewogen werden müssen (Berka aaO Rz 481). Der Anspruch auf Geheimhaltung setzt in jedem Fall ein schutzwürdiges Interesse voraus. Dem gegenüber sind Beschränkungen des Geheimhaltungsanspruches aus den in Art8 Abs2 EMRK genannten Gründen, so auch zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, wie auch zur Wahrung berechtigter Interessen eines anderen zulässig (Berka Rz 483). Die in den Richtlinien vorgesehene Offenlegung bezieht sich auf Wirtschaftsdaten der Gesellschaft, denen nach den dargelegten Grundsätzen und angesichts des dagegen abzuwägenden Interesses von Dritten an deren Offenlegung von vornherein nur eingeschränkter Schutz zukommt. Beschränkungen des Schutzes sind aber auch aufgrund von Gesetzen zulässig, die aus den in Art8 Abs2 EMRK genannten Gründen (hier Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) notwendig sind. Gerade dies ist hier der Fall, dient doch die gesetzliche Regelung der Offenlegungspflicht ausschließlich dem Schutz der Rechte Dritter (vor allem Gläubiger oder Vertragspartner der Gesellschaft), um ihnen die in aller Regel sonst nicht zugängliche Information über die finanzielle Lage der Gesellschaft zu ermöglichen."

Der OGH sah sich daher nicht veranlasst, bezüglich der von den Rekurswerbern aufgeworfenen Fragen ein Normenprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof bzw. ein Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH einzuleiten.

Nachdem die Geschäftsführer auch in weiterer Folge der Offenlegungsverpflichtung nicht entsprochen hatten, wurden über die nunmehrigen Kläger weitere Zwangsstrafen verhängt, die wieder im Instanzenzug bekämpft wurden und zu einem weiteren Beschluss des OGH vom 29. März 2001, Z6 Ob 54/01m, führten, der in seiner zurückweisenden Entscheidung im Wesentlichen auf seine oben angeführte Vorentscheidung zu 6 Ob 77/00t verwies.

2. Weiters wurden zu A141/02, A142/02 und A144/02 - A146/02 gleichartige Klagen von Gesellschaften und deren Geschäftsführern bzw. Vorstandsmitgliedern beim Verfassungsgerichtshof eingebracht. Diesen Verfahren liegen folgende Entscheidungen des OGH und der Oberlandesgerichte Innsbruck, Graz, Linz und Wien zugrunde:

a) Zu A141/02: Mit Beschluss vom 28. Juni 2000, Z6 Ob 165/00h, wird ein vom OLG Innsbruck als zulässig erachteter Revisionsrekurs gegen eine im Instanzenzug bestätigte, über die nunmehrigen Kläger zur Durchsetzung der handelsrechtlichen Offenlegungspflichten verhängte Zwangsstrafe und gegen die Zurückweisung der Anträge der nunmehr klagenden Parteien, beim EuGH einen Antrag auf Fällung einer Vorabentscheidung zu stellen und beim Verfassungsgerichtshof die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens zu beantragen, unter Berücksichtigung der bereits bestehenden Rechtsprechung des OGH zurückgewiesen. Dies begründet der OGH ausführlich wie folgt:

"Der erkennende Senat hat in seinen Vorentscheidungen bereits im Einzelnen ausgeführt, weshalb keine Bedenken gegen die Verletzung von Gemeinschaftsgrundrechten bestehen. Weder führe die Verhängung von Zwangsstrafen gegen jeden der Geschäftsführer zu einer gleichheitswidrigen Benachteiligung von Gesellschaften mit mehreren Geschäftsführern, noch übe das Gericht damit unverhältnismäßigen Zwang aus. Im Übrigen sei der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz nicht darauf gerichtet, alle in der menschlichen Gesellschaft oder im Wirtschaftsleben auftretenden Ungleichheiten zu vermeiden; er solle vielmehr verhindern, dass die Rechtsordnung in unsachlicher Weise differenziert und Rechtsfolgen gleicher (vergleichbarer) Sachverhalte unterschiedlich gestaltet werden. Der erkennende Senat hat auch bereits darauf hingewiesen, dass die Grundrechte des Eigentumsschutzes und der Berufsfreiheit bestimmten Beschränkungen im öffentlichen Interesse unterworfen werden dürfen, wenn diese nicht unverhältnismäßig sind und den Wesensgehalt dieser Rechte nicht antasten; dass die in Bilanz- und in der Publizitätsrichtlinie vorgesehene Offenlegung wesentlicher Urkunden der Gesellschaft (zu denen auch die Bilanz samt Gewinn- und Verlustrechnung und Anhang gehören) und deren Erzwingung dem öffentlichen Interesse an der Offenlegung der Dritten nicht bekannten buchhalterischen und finanziellen Situation der Gesellschaft zum Schutz Dritter sowie zur Sicherstellung eines funktionierenden Wettbewerbs diene, sei evident; eine Unverhältnismäßigkeit der dabei angewendeten Mittel sei genausowenig zu erkennen wie ein Eingriff in den Wesensgehalt dieser Rechte. Die Möglichkeit, die angestrebte Information in Einzelfällen auch auf andere Weise zu erlangen, nehme der vorgesehenen Regelung nicht ihre sachliche Rechtfertigung.

Der erkennende Senat hat weiters auch darauf hingewiesen, dass der Anspruch auf Geheimhaltung personenbezogener Daten in jedem Fall ein schutzwürdiges Interesse voraussetze und Beschränkungen des Geheimhaltungsanspruches aus den in Art8 Abs2 EMRK genannten Gründen (so auch zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer wie auch zur Wahrung berechtigter Interessen eines anderen) zulässig seien, und die gesetzliche Regelung der Offenlegungspflicht gerade dem Schutz dieser Rechte Dritter (vor allem Gläubiger oder Vertragspartner der Gesellschaft) diene, um ihnen die in aller Regel sonst nicht zugängliche Information über die finanzielle Lage der Gesellschaft zu ermöglichen. Den durch die Rechnungslegungsvorschriften Dritten zur Kenntnis gelangenden wirtschaftsbezogenen Informationen komme daher in diesem Sinn nur ein eingeschränkter Schutz zu.

Aus diesen - zusammengefasst wiedergegebenen - Erwägungen hat der erkennende Senat keine Veranlassung gesehen, der Anregung auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens zur Prüfung einer allfälligen Primärrechtswidrigkeit der 1. und 4. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie näher zu treten (6 Ob 5/00d; 6 Ob 14/00b; 6 Ob 77/00t).

Eine materiellrechtliche Derogation der 1. und 4. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie durch die Datenschutzrichtlinie (95/46/EG) und die Telekommunikationsrichtlinie (97/66/EG), wie auch durch die Verordnung (EG) Nr 515/97 des Rates ist schon deshalb nicht zu erkennen, weil der EuGH aus Anlass seines Daihatsu-Urteiles eine Überprüfung dieser Richtlinien im dargelegten Umfang vorgenommen und erkannt hat, dass die Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber nicht richtlinienkonform erfolgte. Es kann daher kein Zweifel daran bestehen, dass der EuGH die in der 1. und 4. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie festgelegten Offenlegungsvorschriften als nach wie vor materiellrechtlich gültig erachtet. Dies stellen die Revisionsrekurswerber zwar in Abrede, gehen aber selbst von einer (zumindest allfälligen) Derogation der gesellschaftsrechtlichen Richtlinien durch späteres Gemeinschaftsrecht aus. Bei Richtigkeit dieser Ansicht hätte der EuGH somit einem Vertragsstaat die Umsetzung eines schon derogierten Sekundärrechtes aufgetragen (Urteil Kommission/Bundesrepublik Deutschland vom 29.9.1928 [gemeint wohl:

1998], RsC-191/95 = EuZw 1998, 758), bzw in den von den Rechtsmittelwerbern zitierten Vorabentscheidungen (Blanguernon, 11.1.1990, RsC-38/89 = EuZw 1990, 96 und Daihatsu-Urteil) die Umsetzungspflicht bejaht, ohne die Geltung der umzusetzenden Richtlinien im Hinblick auf eine Derogation geprüft zu haben. Dass dies tatsächlich der Fall gewesen sein sollte, weil - wie die Rekurswerber meinen - die Verletzung von Primärrecht von den Verfahrensbeteiligten in den zitierten Verfahren nicht releviert worden sei, trifft nach Auffassung des erkennenden Senates im Einklang mit der schon zitierten deutschen Lehrmeinung nicht zu. Der Rechtsvertreter der Rekurswerber führt in seiner 1997 erschienenen Abhandlung aus, dass der EuGH aus Anlass von Vorabentscheidungsersuchen die Primärrechtskonformität jeder Sekundärrechtsnorm prüft (Weh, Vom Stufenbau zur Relativität 183) und dass ferner der EuGH bei fundamental primärrechtswidrigen Ergebnissen im Einzelfall auch unter direkter Umgehung des Sekundärrechtes Primärrecht anwendet und so ein primärrechtskonformes Ergebnis herbeiführt (Weh aaO 156). Wenn der Autor von einer Prüfung 'aus Anlass ...' spricht, kann wohl nur eine amtswegige Prüfung des EuGH gemeint gewesen sein und nicht ausschließlich die Prüfung der mit der Vorabanfrage konkret gestellten Rechtsfragen. Der erkennende Senat hält an seiner bisherigen Auffassung über den präjudiziellen Charakter der bisher zur Umsetzung der l. und 4.

gesellschaftsrechtlichen Richtlinien ergangenen Entscheidungen des EuGH fest. Davon umfasst ist auch die von den Revisionsrekurswerbern (auch zur angeregten Gesetzesprüfung durch den Verfassungsgerichtshof) relevierte Unverhältnismäßigkeit der Richtlinien und der ihnen folgenden gesetzlichen Umsetzungsvorschriften. Die Prüfung auch dieser Frage hatte der EuGH vor seinem Umsetzungsauftrag und vor seiner Bejahung der Umsetzungspflicht vorzunehmen, weil eben - wie schon ausgeführt - Sekundärrecht primärrechtskonform auszulegen ist, wie der EuGH in zahlreichen Entscheidungen immer wieder den nationalen Gerichten aufträgt und selbst dieser Auslegungspflicht unterliegt.

Im Übrigen versteht die Datenschutzrichtlinie unter personenbezogenen Daten nur solche natürlicher Personen (Art2 lita) und berührt nach Erwägungsgrund Nr 14 nicht die Rechtsvorschriften zum Schutz juristischer Personen bei der Verarbeitung von Daten, die sich auf diese beziehen (vgl Ehmann/Helfrich, EG Datenschutzrichtlinie 54 f, 73 f). Die Telekommunikationsrichtlinie hat zum Ziel, einen gleichwertigen Schutz des Rechtes auf Privatsphäre in Bezug auf die Verarbeitung personenbezogener Daten im Bereich der Telekommunikation, sowie den freien Verkehr dieser Daten zu gewährleisten. Sie steht damit zu den Zielsetzungen der Bilanz- und der Publizitätsrichtlinie in keinem Widerspruch. Gleiches gilt auch für die Verordnung (EG) Nr 515/97 des Rates über die gegenseitige Amtshilfe und Zusammenarbeit de[r] Verwaltungsbehörden und der Kommission. Diese Verordnung regelt Einschränkungen der Weitergabe persönlicher - im Rahmen von Amtshandlungen gewonnener - Daten an Privatpersonen. Ihr Regelungsbereich steht daher in keinem Zusammenhang mit jenem der 1. und 4. gesellschaftsrechtlichen Richtlinien. Der dort zum Ausdruck kommende Schutz der Privatsphäre kann daher nicht in gleicher Weise auf die im Interesse Dritter offenzulegender Unternehmensdaten übertragen werden."

Am 17. Jänner 2001, Z6 Ob 336/00f, gab der OGH einem Revisionsrekurs der nunmehrigen Kläger gegen weitere im Instanzenzug bestätigte Zwangsstrafen zur Durchsetzung von Offenlegungspflichten keine Folge und wies Anträge auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens beim EuGH sowie eines Gesetzesprüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof und auf Aussetzung des Zwangsstrafenverfahrens bis zur Entscheidung des EuGH über ein schon gestelltes Vorabentscheiungsersuchen des Landesgerichtes Wels zurück. Der OGH verweist in diesem Zusammenhang auf zahlreiche seiner Vorentscheidungen, wo bereits die Auffassung vertreten worden sei, dass die handelsrechtlichen Offenlegungsvorschriften und ihre Durchsetzung mit Zwangsstrafen verfassungskonform seien und dass gegen die Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien durch die österreichischen Offenlegungsvorschriften keine Bedenken bestehen. Auch die Richtlinien seien bereits als vertrags- und grundrechtskonform beurteilt worden. Weiters verweist der OGH in diesem Beschluss darauf, dass das Landesgericht Wels in einem Zwangsstrafenverfahren zur Klärung der in Rede stehenden Rechtsfragen ein Vorabentscheidungsverfahren eingeleitet habe, was aber an seiner Entscheidung nichts ändern könne.

b) Zu A142/02: Mit Beschluss vom 29. November 2001, Z6 Ob 201/01d, entschied der OGH über einen außerordentlichen Revisionsrekurs der nunmehrigen Kläger gegen die vom OLG Wien bestätigte Verhängung von Zwangsstrafen zur Durchsetzung der Offenlegungspflichten nach §§277 ff. HGB und gab dem Revisionsrekurs im Hinblick auf die Höhe der Zwangsstrafen teilweise Folge. Die in diesem Zusammenhang gestellten Anträge auf Einholung einer Vorabentscheidung gemäß Art234 EG durch den EuGH und Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof wurden zurückgewiesen. Der OGH verwies darauf, dass er schon mehrfach "in der Umsetzung der gesellschaftsrechtlichen Richtlinien ... nach mehreren Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs [Verweis auf EuGH 4.12.1997, Rs. C-97/96, Daihatsu] keinen Eingriff in Grundrechte der MRK oder Grundwerte der Europäischen Gemeinschaft erblickt" habe. Auch wurden die gesetzlichen Offenlegungspflichten nach dem BezügebegrenzungsG und die in diesem Zusammenhang vom Verfassungsgerichtshof an den EuGH gestellten Fragen (VfSlg. 16.050/2000) als nicht vergleichbar beurteilt. Dem vom Landesgericht Wels an den EuGH im Sinne der nunmehrigen Kläger gestellten Vorabentscheidungsersuchen komme für andere Verfahren keine Bindungswirkung zu. Auch bringe die rechtlich noch unverbindliche EU-Grundrechtscharta im hier interessierenden Zusammenhang keine neuen Gesichtspunkte.

c) Zu A144/02: Auch betreffend die in diesem Verfahren einschreitenden Kläger ergingen mehrere Offenlegungsaufträge, die die Verhängung von Zwangsstrafen zur Folge hatten. In diesem Zusammenhang erging ein ausführlich begründeter Beschluss des OGH vom 28. Juni 2000, Z6 Ob 126/00y, mit dem der Revisionsrekurs der nunmehr klagenden Gesellschaft und ihrer nunmehr klagenden Geschäftsführer gegen einen Beschluss des OLG Graz und Anträge derselben, ein Normenprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof einzuleiten und den EuGH nach Art234 EG anzurufen, zurückgewiesen wurden. Der OGH verwies auf eine Reihe von Vorentscheidungen (6 Ob 307/99m, 6 Ob 5/00d, 6 Ob 14/00b und 6 Ob 77/00t), in denen er bereits zur Auffassung gelangt sei, dass gegen die in §§277 ff. HGB verankerten Offenlegungsvorschriften keine relevanten Bedenken bestünden, die die Einleitung eines Normenprüfungsverfahrens bzw. die Anrufung des EuGH erforderten. Im Einzelnen führte der OGH Folgendes aus:

"Der Revisionsrekurs verkennt nun nicht, dass die Umsetzung ins innerstaatliche österreichische Recht richtlinienkonform erfolgte, vertritt aber die Auffassung, die zugrunde liegenden Richtlinien verstießen gegen die im Primärrecht der Europäischen Gemeinschaften verankerten Grundsätze. Dazu hat der erkennende Senat in der Entscheidung 6 Ob 307/99m unter Hinweis auf die Entscheidung des EuGH vom 4.12.1997, Rs C97/96, Slg 1997 I-6843 (im folgenden nur Daihatsu-Urteil) bereits die Auffassung vertreten, diese Entscheidung lasse keine Zweifel darüber offen, dass der Europäische Gerichtshof die in den genannten Richtlinien normierten Offenlegungspflichten als vertrags- und grundrechtskonform ansehe. Diese Auffassung hat der erkennende Senat auch in seinen weiteren Entscheidungen 6 Ob 5/00d, 6 Ob 14/00b und 6 Ob 77/00t aufrechterhalten. Sie deckt sich mit der in der deutschen Lehre vertretenen Ansicht (De Weerth, Europarechtliche Sanktionierung der unterlassenen Offenlegung des Jahresabschlusses? in BB 1998, 366 ff), im Verfahren "Daihatsu" sei allen Beklagten klar gewesen, dass die gemeinschaftsrechtlichen Rechtsgrundlagen den Erlass der Richtlinien decke, und der Publizitätszwang nicht gegen gemeinschaftsrechtliche Rechtsgrundsätze verstoße. Davon gehe auch der EuGH in seiner bisherigen - näher zitierten - Rechtsprechung aus. So habe er sogar die systematische Sammlung von Daten aus den zu veröffentlichenden Jahresabschlüssen als nicht gegen gemeinschaftsrechtliche Grundrechte verstoßend angesehen.

Der erkennende Senat hat in seinen Vorentscheidungen bereits im Einzelnen ausgeführt, weshalb keine Bedenken gegen die Verletzung von Gemeinschaftsgrundrechten bestehen. Weder führe die Verhängung von Zwangsstrafen gegen jeden der Geschäftsführer zu einer gleichheitswidrigen Benachteiligung von Gesellschaften mit mehreren Geschäftsführern, noch über das Gericht damit unverhältnismäßigen Zwang aus. Im Übrigen sei der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz nicht darauf gerichtet, alle in der menschlichen Gesellschaft oder im Wirtschafsleben auftretenden Ungleichheiten zu vermeiden; er solle vielmehr verhindern, dass die Rechtsordnung in unsachlicher Weise differenziert und Rechtsfolgen gleicher (vergleichbarer) Sachverhalte unterschiedlich gestaltet werden. Der erkennende Senat hat auch bereits darauf hingewiesen, dass die Grundrechte des Eigentumsschutzes und der Berufsfreiheit bestimmten Beschränkungen im vffentlichen Interesse unterworfen werden dürfen, wenn diese nicht unverhältnismäßig sind und den Wesensgehalt dieser Rechte nicht antasten; dass die in der Bilanz- und der Publizitätsrichtlinie vorgesehene Offenlegung wesentlicher Urkunden der Gesellschaft (zu denen auch die Bilanz samt Gewinn- und Verlustrechnung und Anhang gehören) und deren Erzwingung dem öffentlichen Interesse an der Offenlegung der Dritten nicht bekannten buchhalterischen und finanziellen Situation der Gesellschaft zum Schutz Dritter sowie zur Sicherstellung eines funktionierenden Wettbewerbes diene, sei evident; eine Unverhältnismäßigkeit der dabei angewendeten Mittel sei genausowenig zu erkennen wie ein Eingriff in den Wesensgehalt dieser Rechte. Die Möglichkeit, die angestrebte Information in Einzelfällen auch auf andere Weise zu erlangen, nehme der vorgesehenen Regelung nicht ihre sachliche Rechtfertigung.

Der erkennende Senat hat auch darauf hingewiesen, dass der Anspruch auf Geheimhaltung personenbezogener Daten in jedem Fall ein schutzwürdiges Interesse voraussetze und Beschränkungen des Geheimhaltungsanspruches aus den in Art8 Abs2 EMRK genannten Gründen (so auch zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer wie auch zur Wahrung berechtigter Interessen eines anderen) zulässig seien, und die gesetzliche Regelung der Offenlegungspflicht gerade dem Schutz dieser Rechte Dritter (vor allem Gläubiger oder Vertragspartner der Gesellschaft) diene, um ihnen die in aller Regel sonst nicht zugängliche Information über die finanzielle Lage der Gesellschaft zu ermöglichen. Den durch die Rechnungslegungsvorschriften Dritten zur Kenntnis gelangenden wirtschaftsbezogenen Informationen komme daher in diesem Sinn nur ein eingeschränkter Schutz zu.

Aus diesen - zusammengefasst wiedergegebenen - Erwägungen hat der erkennende Senat keine Veranlassung gesehen, der Anregung auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens zur Prüfung einer allfälligen Primärrechtswidrigkeit der ersten und vierten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie Folge zu leisten (6 Ob 5/00d; 6 Ob 14/00b; 6 Ob 77/00t)."

Einen gleichartigen Beschluss fasste der OGH betreffend dieselben nunmehrigen Kläger am 5. Juli 2001, Zlen. 6 Ob 101/01y und 6 Ob 172/01i, und am 20. März 2003, Z6 Ob 319/02h. Diese Beschlüsse wiederholten bloß die Argumente des Beschlusses zu 6 Ob 126/00y bzw. wiesen auf früher ergangene Beschlüsse des OGH hin.

d) Zu A145/02: Auch der diesem hg. Verfahren zugrunde liegenden Klage gingen mehrere Verfahren wegen Verhängung von Zwangsstrafen zur Erzwingung von Offenlegungspflichten voraus. Revisionsrekurse gegen Beschlüsse des OLG Linz wurden vom OGH mit Beschlüssen vom 30. August 2000, Z6 Ob 210/00a, vom 29. November 2001, Z6 Ob 248/01s, vom 11. Juli 2002, Z6 Ob 176/02d, und vom 12. Dezember 2002, Z6 Ob 286/02f, zurückgewiesen. Zurückgewiesen wurden ferner auch die Anträge auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof bzw. Vorlage von Fragen an den EuGH. Ausführlich begründete der OGH seinen Beschluss vom 29. November 2001, Z6 Ob 248/01s. Er verwies auf seine Vorentscheidungen zu 6 Ob 54/01m und zuletzt zu 6 Ob 101/01y und 6 Ob 172/01i.

In den Beschlüssen vom 30. August 2000, Z6 Ob 210/00a, und vom 12. Dezember 2002, Z6 Ob 286/02f, verwies der OGH in Kurzbegründungen auf seine Vorentscheidungen.

e) Zu A146/02: Die Kläger zu A146/02 sind zwei Gesellschaften mit beschränkter Haftung und deren Geschäftsführer, über die ebenfalls Zwangsstrafen zur Erzwingung von gesellschaftsrechtlichen Offenlegungspflichten verhängt wurden. Ihre Rekurse an das OLG Innsbruck bleiben ebenso erfolglos wie ihre Revisionsrekurse an den OGH. In seiner Entscheidung vom 23. Oktober 2000, Z6 Ob 214/00i, sah der OGH angesichts seiner oben erwähnten Vorentscheidungen und des Umstandes, dass die Regelung der Offenlegungspflicht ausschließlich dem Schutz der Rechte Dritter dient, keinen Anlass für ein neuerliches Eingehen auf die Frage der Verfassungskonformität der Offenlegungsvorschriften. Aus dem Umstand, dass in Rechtsquellen der Europäischen Gemeinschaft, wie Richtlinien, Verordnungen, Entscheidungen, Empfehlungen und Stellungnahmen, wohl die besondere Gewichtung des Datenschutzes zum Ausdruck kommt, könne aber nicht der Schluss gezogen werden, dass der Geheimnisschutz in jedem Fall über gegenläufigen Interessenlagen stehen müsse. Der OGH habe bereits in seinen Vorentscheidungen ausführlich dargelegt, dass keine die Einholung einer Vorabentscheidung Anlass gebenden Bedenken dagegen bestehen, dass bei der Frage der Offenlegung von Unternehmensdaten im Sinn der Offenlegungsrichtlinien die Informationsinteressen Dritter höher zu gewichten seien. Der OGH verwies auf die Entscheidung des EuGH vom 4. Dezember 1997, Rs. C-97/96, Daihatsu.

In einem weiteren Beschluss vom 17. Jänner 2001, Z6 Ob 6/01b, gab der OGH abermals einem Revisionsrekurs gegen eine zur Durchsetzung der Offenlegungspflicht verhängte Zwangsstrafe keine Folge. Darüber hinaus wies er auch einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH über ein Vorabentscheidungsersuchen des Landesgerichtes Wels zurück. Eine Verpflichtung der Gerichte, ihr Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH in einem gleich gelagerten, schon anhängigen Vorabentscheidungsverfahren zu unterbrechen, sei nicht gegeben. Eine gegenteilige Ansicht würde zu dem Ergebnis führen, dass schon das Vorabentscheidungsersuchen eines nationalen Gerichtes für alle übrigen nationalen Gerichte dahingehend bindend wäre, sich der Rechtsansicht des Anfragegerichtes anzuschließen, also selbst eine Anfrage an den EuGH zu richten. Für eine derart weit reichende Unterbrechungswirkung fehle aber jede Rechtsgrundlage im Gemeinschaftsrecht, in der Judikatur des EuGH und im nationalen österreichischen Recht. Unter Hinweis auf die Entscheidung des EuGH in seinem "Daihatsu-Urteil" sieht der OGH weiterhin keine Veranlassung, der Anregung auf Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH näher zu treten.

Nach Verhängung einer weiteren Zwangsstrafe über die nunmehr klagenden Parteien legt das Landesgericht Feldkirch mit Beschluss vom 22. Juni 2001, Z FN 64433 f, dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:

"1. Ist die Verpflichtung zur allgemeinen Offenlegung des Jahresabschlusses jeder Kapitalgesellschaft, unabhängig von ihren wirtschaftlichen Verhältnissen, mit den gemeinschaftsrechtlich gewährleisteten Grund- und Menschenrechten, Grundfreiheiten und allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Mitgliedstaaten, insbesondere jenen auf Datenschutz, auf Meinungsfreiheit, auf informationelle Selbstbestimmung, auf Privatsphäre, auf Schutz des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses, auf Eigentum und auf Erwerbsfreiheit, auf Privatautonomie und auf Beachtung des Sachlichkeitsgebots (der Verhältnismäßigkeit) vereinbar?

2. Würde es nicht eine grundrechtskonformere Alternative darstellen, die Verpflichtung zur Offenlegung von Gesellschaftsdaten auf jene Unternehmen zu beschränken, für die unabhängige Wirtschaftsprüfer die Problematik bestimmter Unternehmenskennzahlen und damit ein besonderes Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit festgestellt haben?

3. Sind die Offenlegungspflichten der Ersten und Vierten Richtlinie mit den Grundrechten nach der Europäischen Grundrechtscharta vereinbar?

4. Wurde den Offenlegungsrichtlinien durch die Datenschutzrichtlinie, die Telekomrichtlinie und die Amtshilfeverordnung materiell derogiert?"

Der EuGH erachtet sich in seiner Entscheidung vom 14. Juni 2002, Rs. C-248/01, Pfanner, für die Beantwortung der vorgelegten Fragen als offensichtlich nicht zuständig. Zur Beurteilung der rein gemeinschaftsrechtlichen Frage, ob die vorlegende Einrichtung ein Gericht im Sinne von Art234 EG ist, stelle der EuGH auf eine Reihe von Gesichtspunkten ab, "wie gesetzliche Grundlage der Einrichtung, ständiger Charakter, obligatorische Gerichtsbarkeit, streitiges Verfahren, Anwendung von Rechtsnormen durch diese Einrichtung sowie deren Unabhängigkeit".

Weiters:

"Aus den Akten geht hervor, dass der Rekurs, soweit er vom Landesgericht Feldkirch geprüft wird, und die Vorstellung, die die Antragsteller des Ausgangsverfahrens gegen die vom Landesgericht Feldkirch über sie verhängten Zwangsstrafen erhoben haben, den Charakter einer für dieses Gericht internen Verwaltungsbeschwerde haben.

Zum einen trifft das Landesgericht Feldkirch, wenn es über den Rekurs befindet, keine bindende Entscheidung in einem Rechtsstreit. Gibt es dem Rekurs nicht statt, so muss es ihn dem übergeordneten Gericht übermitteln. ...

Zum andern kann das Landesgericht Feldkirch, wenn es über die Vorstellung entscheidet, nicht als Gericht angesehen werden, da dieser Begriff seinem Wesen nach nur eine Einrichtung bezeichnen kann, die gegenüber derjenigen, die die mit der Klage angefochtene Entscheidung erlassen hat, die Eigenschaft eines Dritten besitzt. ...

Somit übt das Landesgericht Feldkirch in diesem Rahmen keine Rechtsprechungstätigkeit aus."

3. Das Landesgericht Wels hat in seinem Beschluss vom 9. Mai 2000, Z27 FR 1195/99g, dem EuGH zu C-182/00, Lutz, folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

"1. Wird durch die in Art2 Abs1 litf der ersten Richtlinie 68/151/EWG und Art47 der vierten Richtlinie 78/660/EWG vorgesehenen Maßnahmen hinsichtlich der Offenlegungspflicht von Kapitalgesellschaften Art44 Abs2 litg EGV verletzt, welcher zur Koordinierung jener Schutzbestimmungen ermächtigt, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Interesse der Gesellschafter sowie der Gläubiger vorgeschrieben sind?

2. Wird durch die in Art2 Abs1 litf der ersten Richtlinie 68/151/EWG und Art47 der vierten Richtlinie 78/660/EWG vorgesehenen Maßnahmen hinsichtlich der Offenlegungspflicht von Kapitalgesellschaften Art44 Abs2 litg EGV dadurch verletzt, daß die Erforderlichkeit im Hinblick auf den Abbau von Niederlassungsbeschränkungen oder zur Verwirklichung sonstiger Ziele des EWGV (insbesondere die Herstellung einheitlicher rechtlicher Rahmenbedingungen) nicht vorliegt?

3. Ist es mit dem allgemeinen Rechtsgrundsatz des Verhältnismäßigkeitsprinzips vereinbar, daß Art2 Abs1 litf der ersten Richtlinie 68/151/EWG in Verbindung mit Art47 der vierten Richtlinie 78/660/EWG die Unternehmen durch die Verpflichtung zur Offenlegung der Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung für jedes Geschäftsjahr unter Strafandrohung zwingt, Geschäftsgeheimnisse preiszugeben, und der vorgesehene Schutzzweck durch andere - weniger eingriffsintensive - Maßnahmen in adäquater Weise erzielt werden kann?

4. Ist es mit dem gemeinschaftsrechtlichen Grundrecht auf Eigentum vereinbar, daß Art2 Abs1 litf der ersten

Richtlinie 68/151/EWG in Verbindung mit Art47 der vierten Richtlinie 78/660/EWG die Unternehmen durch die Verpflichtung zur Offenlegung der Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung für jedes Geschäftsjahr unter Strafandrohung zwingt, Geschäftsgeheimnisse preiszugeben, und der vorgesehene Schutzzweck durch andere - weniger eingriffsintensive - Maßnahmen in adäquater Weise erzielt werden kann?

5. Ist es mit dem gemeinschaftsrechtlichen Grundrecht auf Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung vereinbar, daß Art2 Abs1 litf der ersten Richtlinie 68/151/EWG in Verbindung mit Art47 der vierten Richtlinie 78/660/EWG die Unternehmen durch die Verpflichtung zur Offenlegung der Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung für jedes Geschäftsjahr unter Strafandrohung zwingt, Geschäftsgeheimnisse preiszugeben und der vorgesehene Schutzzweck durch andere - weniger eingriffsintensive - Maßnahmen in adäquater Weise erzielt werden kann?"

In seiner Entscheidung vom 15. Jänner 2002, Rs. C-182/00, Lutz, verneint der EuGH seine Zuständigkeit, da "die nationalen Gerichte den [EuGH] nur anrufen können, wenn bei ihnen ein Rechtsstreit anhängig ist und sie im Rahmen eines Verfahrens zu entscheiden haben, das auf eine Entscheidung mit Rechtsprechungscharakter abzielt". Wenn das Landesgericht "als Handelsgericht ... über die Verpflichtung zur Offenlegung des Jahresabschlusses und des Lageberichts entscheidet", ist es "nicht mit einem Rechtsstreit befasst", sondern führt "nur ein Handels- und Geschäftsregister". Nichts deutet darauf hin, dass "beim Landesgericht Wels ein Rechtsstreit zwischen Antragstellern und einer etwaigen beklagten Partei anhängig wäre", weshalb es damit "keine Rechtsprechungstätigkeit" ausübe.

4. Der Verfassungsgerichtshof hat die Verfahren A2/01, A141/02, A142/02 und A144/02 bis A146/02 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden (§§187, 404 ZPO iVm §35 VfGG).

Die Klagen sind in den wesentlichen Teilen fast wörtlich identisch und zusammengefasst wie folgt begründet:

Die Kläger richten ihren Vorwurf "staatshaftungswürdiger" Fehlleistungen zunächst gegen den Gesetzgeber, der die gemeinschaftsrechtlichen "Offenlegungsrichtlinien" 68/151/EWG und 78/660/EWG "ohne Rücksicht auf Verluste" umgesetzt habe, ohne dass die Republik Österreich auch nur versucht hätte, auf die Nichtigkeit der "Offenlegungsrichtlinien" beim EuGH zu klagen. Weiters gründen die Kläger ihre Klagen auf den Vorwurf einer staatshaftungsbegründenden Fehlleistung des OGH wegen dessen behaupteterweise denkunmöglicher Entscheidung, die Frage der Übereinstimmung der oben genannten "Offenlegungsrichtlinien" in Bezug auf höherrangiges Gemeinschaftsrecht dem EuGH nicht vorzulegen. Nach Meinung der Kläger würden die "Offenlegungsrichtlinien" einen schwerwiegenden Verstoß gegen das im Gemeinschaftsrecht angeblich verankerte Grundrecht auf Datenschutz darstellen. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH würde dem durch die Nichtvorlage von klärungsbedürftigen Fragen des Gemeinschaftsrechts an den EuGH Geschädigten Anspruch auf Schadenersatz aus dem Titel der Amts- oder Staatshaftung zustehen. Bei gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftung gebühre auch der Ersatz der Schäden aus gesetzgeberischer Untätigkeit und seien auch die Höchstgerichte bei einem hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht nicht von der Staatshaftung ausgenommen (Hinweis auf EuGH 19.11.1991, Rs. C-6/90 und C-9/90, Francovich und Bonifaci).

Für die Geltendmachung von Schadensfolgen, die im Amtshaftungsgesetz nicht berücksichtigt oder gar ausgeschlossen seien und für die der ordentliche Rechtsweg daher nicht bestehe, sei die Klagsführung nach Art137 B-VG vorgesehen. Die Kläger machen daher den Ersatz ihres frustrierten Aufwandes für Eingaben aus dem Titel der Staatshaftung geltend, die ihnen nicht entstanden wären, wenn der Gesetzgeber von vornherein pflichtgemäß bei der Umsetzung vorgegangen wäre, in eventu, wenn die Gerichte die nachstehenden, von den Klägern jeweils angeregten Fragen im Zusammenhang mit der gemeinschaftsrechtlichen "Primärrechtskonformität" der "Offenlegungsrichtlinien" dem EuGH vorgelegt hätten:

"1. Ist die allgemeine Verpflichtung zur Offenlegung des Jahresabschlusses jeder Gesellschaft entsprechender Größe, ganz unabhängig von deren wirtschaftlichen Verhältnissen, wie sie die Erste, Vierte und Siebte Richtlinie vorzusehen scheinen, mit den im Folgenden dargestellten gemeinschaftsrechtlich gewährleisteten Grundrechten, Grundfreiheiten und allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Mitgliedstaaten, insbesondere jenen auf Datenschutz, auf Privatsphäre, auf Schutz des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses, auf Eigentum und auf Erwerbsfreiheit, auf Privatautonomie und auf Beachtung des Sachlichkeitsgebots (der Verhältnismäßigkeit) vereinbar?

2. Gebieten die dargestellten Grundrechte nicht die Einrichtung eines Verfahrens, in dem eine betroffene Gesellschaft in einem gerichtsförmigen Verfahren ohne drohende Zwangsstrafen in Frage stellen kann, dass ein öffentliches Bedürfnis zur Veröffentlichung der konkreten Bilanz besteht?

3. Könnte es allenfalls geboten sein und eine richtlinienkonforme Umsetzung darstellen, die Verpflichtung zur Offenlegung von Gesellschaftsdaten auf jene Unternehmen zu beschränken, für die unabhängige Wirtschaftsprüfer die Problematik bestimmter Unternehmenskennzahlen und damit ein besonderes Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit festgestellt haben?

4. Besteht ein legitimer Unterschied zwischen veröffentlichungspflichtigen und nicht veröffentlichungspflichtigen Gesellschaftsformen?

5. Ist den beiden Richtlinien mit ihrer bedingungs- und ausnahmslosen Verpflichtung zur Offenlegung bei gänzlicher Verneinung jeden Nichtoffenlegungsinteresses der betroffenen Gesellschaften bzw. bei völligem Fehlen eines Mechanismus zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Offenlegung oder legitimer Geheimhaltungsinteressen allenfalls materiellrechtlich durch die technische Entwicklung, durch spätere Normen des Gemeinschaftsrechts und durch die Entwicklung der allgemeinen Rechtsgrundsätze der Mitgliedstaaten als Grundwerten der Europäischen Gemeinschaft materiell dahingehend derogiert, dass keine Offenlegungspflicht mehr besteht, ja dass aus Gründen des gemeinschaftsrechtlichen Datenschutzes und des gemeinschaftsrechtlichen Anspruchs auf Geheimhaltung von Geschäftsgeheimnissen ein gemeinschaftsrechtlich gewährleisteter Geheimhaltungsanspruch besteht?

6. Sind die Offenlegungspflichten der Ersten und Vierten Richtlinie mit Aspekten modernen gemeinschaftsrechtlich gewährleisteten Datenschutzes vereinbar oder wegen Unvereinbarkeit mit dem Datenschutz nichtig?"

5. Das Verfahren zu A2/01 wurde zunächst mit dem Bundeskanzler geführt, der eine Äußerung erstattet und beantragt hat, die Klage als unzulässig zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen. Dies wird wie folgt begründet:

Zunächst weist der Bundeskanzler in seiner Äußerung darauf hin, dass sich der Vorwurf des gemeinschaftsrechtswidrigen Handelns dem Klagsvorbringen zufolge eindeutig gegen den OGH richte, auf dessen Rechtsprechung Einfluss zu nehmen, dem Bundeskanzler aber von Verfassungs wegen verwehrt sei, sodass die vorliegende Klage an den OGH zuzustellen gewesen wäre. Für denkbar hält der Bundeskanzler auch eine Zustellung an den Bundesminister für Justiz als Träger der Justizverwaltung. Dessen ungeachtet nimmt der Bundeskanzler zur Klage zu A2/01 Stellung:

Zunächst hätten es die Kläger unterlassen, sich - so wie vom Verfassungsgerichtshof gefordert (Hinweis auf Vorjudikatur) - expressis verbis auf Art137 B-VG zu stützen, weshalb die Klage schon aus diesem Grund unzulässig sei.

Weiters beruft sich der Bundeskanzler in seiner Äußerung auf den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 16.107/2001, wonach grundsätzlich die Amtshaftungsgerichte zuständig seien, wenn der Kläger seinen Anspruch auf eine Verletzung des Gemeinschaftsrechtes stützt, die der Vollziehung zuzurechnen ist, was hier aber der Fall sei. Eine Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes nach Art137 B-VG sei daher nur anzunehmen, wenn die anspruchsbegründenden Handlungen oder Unterlassungen unmittelbar dem Gesetzgeber zuzurechnen seien. Dem Verfassungsgerichtshof werde von der innerstaatlichen Rechtsordnung auch keine Kompetenz eingeräumt, die materielle Richtigkeit der Entscheidungen anderer Gerichte zu überprüfen.

In der Sache führt der Bundeskanzler aus, dass es im Zusammenhang mit einer Fehlleistung des Gesetzgebers geradezu abwegig sei zu behaupten, dass der österreichische Gesetzgeber eine haftungsbegründende Gemeinschaftsrechtsverletzung zu verantworten hätte, weil er der gemeinschaftsrechtlichen Umsetzungsverpflichtung entsprochen habe. Wäre durch die Umsetzung einer primärrechtswidrigen Richtlinienvorgabe im Ergebnis eine gemeinschaftsrechtswidrige innerstaatliche Rechtslage geschaffen, so könne dieser Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht nicht dem nationalen Gesetzgeber zugerechnet werden. Selbst unter der vom Bundeskanzler bestrittenen Annahme, dass die österreichische Umsetzung gesellschaftsrechtlicher Richtlinien betreffend Offenlegung verfassungswidrig sei, würde daraus kein Staatshaftungsanspruch resultieren.

Primär stelle sich die Frage, ob die Verletzung der Verpflichtung zur Vorlage an den EuGH überhaupt einen tauglichen Ansatzpunkt für Staatshaftungsansprüche darstellen könne. Denn nicht jeder Gemeinschaftsrechtsverstoß, sondern nur die Verletzung einer Vorschrift, die bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, könne Grundlage für eine Haftung sein. Art234 EG verleihe dem Einzelnen aber keine direkte Einflussmöglichkeit auf die Vorlage, also kein subjektives Recht. Ein Staatshaftungsanspruch bloß wegen der Unterlassung einer Vorlage an den EuGH komme somit mangels Verletzung einer Schutznorm des Gemeinschaftsrechts nicht in Betracht. Darüber hinaus könne ein auf die Verletzung der Vorlagepflicht gestützter Haftungsanspruch angesichts der strengen Haftungsvoraussetzungen ("qualifizierte Verletzung des Gemeinschaftsrechts") nur dann begründet sein, wenn die Nichtvorlage auf "objektiver Willkür" von Seiten des nicht vorlagewilligen Gerichtes beruhe. Für ein derartiges willkürliches Verhalten des OGH bestünden jedoch keinerlei Anhaltspunkte. Der OGH habe zu Recht von der Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens abgesehen und sich dabei auf seine bisherige Rechtsprechung gestützt, in der er bereits zum Ausdruck gebracht hatte, dass das "Daihatsu-Urteil" des EuGH keinen Zweifel darüber offen gelassen habe, dass der EuGH die in den "Offenlegungsrichtlinien" normierten Pflichten von Kapitalgesellschaften als vertrags- und grundrechtskonform ansehe. Es konnte den Klägern aber auch dadurch, dass der OGH kein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet hat, kein Schaden entstehen, weil dieses Vorabentscheidungsersuchen nichts an der Geltung und der Anwendbarkeit der diese Richtlinien in Österreich umsetzenden Normen geändert hätte, wonach weiterhin die Offenlegungspflicht der Kläger bestanden hätte.

6. Sowohl das Verfahren zu A2/01 als auch die anderen hier vorliegenden hg. Verfahren wurden in weiterer Folge mit dem Bundesminister für Justiz geführt. Dieser - in diesem Stadium des Verfahrens teilweise durch die Finanzprokuratur vertreten - hat jeweils die auf die Rechtssache bezughabenden Akten vorgelegt und jeweils beantragt, die Klagen zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen. Alle Gegenschriften sind vor der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Oktober 2003, A36/00, eingelangt:

Zunächst bestritt der Bundesminister für Justiz die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes und schloss sich den Ausführungen des Bundeskanzlers hinsichtlich der Zulässigkeit des Klagebegehrens an.

Auch in materieller Hinsicht habe das Klagebegehren nach Ansicht des Bundesministers für Justiz keine Berechtigung: Bereits die Kausalität der Nichtvorlage der gestellten Fragen an den EuGH sei für den geltend gemachten Schaden nicht gesichert, seien doch die Kläger nicht von den gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien, sondern von den innerstaatlichen, vom OGH anzuwendenden Regelungen unmittelbar betroffen. Aus der bloßen Feststellung der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit einer Richtlinie bzw. ihrer Aufhebung hätten die Kläger erst dann etwas gewinnen können, wenn auch die unmittelbar anzuwendenden innerstaatlichen Normen der §§277 ff. HGB beseitigt werden würden. Der Bundesminister für Justiz betont, dass er nicht befugt sei, dergestalt in die unabhängige Rechtsprechung einzugreifen, dass er Aussagen über die Rechtmäßigkeit höchstgerichtlicher Entscheidung treffen könnte. Daher verweist der Bundesminister für Justiz nur aus allgemeinen Erwägungen auf die vom Bundeskanzler bereits hinreichend dargestellten Gründe zur mangelnden Rechtswidrigkeit der Nichtvorlage. Es sei nur dann von einer haftungsbegründenden Verletzung der Vorlagepflicht auszugehen, wenn die Vorlage "objektiv willkürlich" unterlassen worden sei. Die überaus sorgfältigen Begründungen des OGH stünden dem aber entgegen, in denen auch ausgeführt sei, dass der EuGH die Gemeinschaftskonformität der inkriminierten Richtlinien bereits implizit anerkannt habe (Verweis auf EuGH, Daihatsu).

Schließlich teilt auch der Bundesminister für Justiz die Ansicht, dass die allfällige Verletzung der Vorlagepflicht nach Art234 EG durch ein letztinstanzliches Gericht schon dem Grunde nach keinen Individualanspruch des Einzelnen zu begründen vermöge.

7. Die Kläger haben weiters in allen Verfahren Repliken, vorbereitete Schriftsätze und ergänzendes sowie abschließendes Vorbringen eingebracht. Zusammengefasst wird Folgendes vorgebracht:

Zuerst weisen die Kläger darauf hin, dass mehrfach und deutlich Art137 B-VG als Rechtsgrundlage angeführt werde, dass der Schriftsatz ausdrücklich als Klage bezeichnet sei und ein "unverwechselbares" Klagebegehren gestellt werde. Es sei demnach offensichtlich, dass es sich bei der Eingabe um eine Klage nach Art137 B-VG handle.

Die zentrale Argumentation der Klagen gehe dahin, dass Zivilgerichte vorlagepflichtig gewesen wären. Ob sie dem EuGH ein Vorabentscheidungsersuchen vorzulegen gehabt hätten, ergebe sich aus der Beantwortung der gemeinschaftsrechtlichen Fragestellung, ob das anwendbare Gemeinschaftsrecht einen "acte clair" darstelle oder einen "legitimate doubt" offen gelassen habe. Aus Sicht der Kläger sei ganz offensichtlich gewesen, dass die maßgeblichen Fragen Zweifel offen gelassen hätten, was sich insbesondere auch aus dem Umstand erhelle, dass das Landesgericht Wels in einem Vorlagebeschluss vom 9. Mai 2000, Z27 FR 1195/99g, nahezu die gleichen Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Gültigkeit der "Offenlegungsrichtlinien" wie die Kläger aufgeworfen habe. Wenn kein "acte clair" vorliege, bestehe Vorlagepflicht, und deren Verletzung verstoße gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und nach Art6 EMRK. Es gebe auch vom EuGH zur Grundrechtskonformität dieser Richtlinien keine einzige Aussage, weil sich der EuGH im Vorabentscheidungsverfahren mit den gestellten Fragen zu befassen habe, und im Vertragsverletzungsverfahren die Frage der Grundrechtskonformität von Richtlinien kein zulässiger Prozessgegenstand sei.

Es stünde dem OGH auch nicht zu, nach Meinung der Kläger bestehende Zweifel durch seine eigene Entscheidung zu zerstreuen. Tatsächlich sei der OGH bei eingeräumten Zweifeln verpflichtet gewesen,

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten