RS Vfgh 1991/6/27 G82/91, G240/91, G241/91

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Veröffentlicht am 27.06.1991
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Index

32 Steuerrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
EStG 1988 §106

Leitsatz

Keine sachliche Rechtfertigung für den Ausschluß getrennt lebender Elternteile oder eines außerehelichen Elternteiles von jeglicher steuerlicher Begünstigung

Rechtssatz

§106 Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Weder das Familienlastenausgleichsrecht noch das Steuerrecht machen die Haushaltszugehörigkeit des Kindes zur unerläßlichen Voraussetzung der Leistung oder Begünstigung. Das zusätzliche Erfordernis der mangelnden Anspruchsberechtigung einer anderen Person schließt aber in aller Regel außereheliche oder geschiedene Väter nicht nur - zurecht - vom Anspruch auf die (ohnehin von der Mutter bezogene) Familienbeihilfe, sondern auch von jeglicher Steuerbegünstigung aus, und zwar - ohne erkennbaren Grund - auch dann, wenn keine andere Person eine steuerliche Begünstigung genießt.

Der Verfassungsgerichtshof kann keinen Grund finden, warum getrennt lebende (oder auch alleinstehende, das Kind nicht im eigenen Haushalt betreuende) Eltern, die für den Unterhalt des Kindes ebenso sorgen müssen wie zusammenlebende oder das Kind selbst betreuende alleinstehende Eltern, von jeglicher steuerlichen Begünstigung (abgesehen vielleicht von der Erstattung von Kinderzuschlägen nach §40 EStG 1988) überhaupt ausgeschlossen sein sollen. Das gerechtfertigte Anliegen des Gesetzgebers, für ein Kind die steuerliche Begünstigung nur einmal zu gewähren, kann auf verschiedene Weise verwirklicht werden. Warum es nicht möglich sein sollte, eine Regelung zu treffen, die gewährleistet, daß für jedes Kind den Unterhaltspflichtigen die steuerliche Begünstigung einmal gewährt wird (sofern sie überhaupt bei einem von ihnen in Frage kommt) - etwa in Form eines Wahlrechtes nach dem Muster des §11 FLAG -, ist unerfindlich.

Der allenfalls erforderliche - ohnedies kaum erkennbare - Verwaltungsmehraufwand darf sachlicherweise gegenüber dem Anliegen der steuerlichen Entlastung sorgepflichtiger Eltern nicht ins Gewicht fallen.

Angesichts der Belastung der Eltern durch die Unterhaltspflicht und die nicht zu vernachlässigende Zahl der Fälle, in denen der das Kind betreuende Elternteil kein oder nur ein geringes eigenes Einkommen hat, handelt es sich keinesfalls um bloße Härtefälle.

(Anlaßfall: B539/90, E v 27.06.91, Aufhebung des angefochtenen Bescheides)

Entscheidungstexte

Schlagworte

Einkommensteuer, Kinder (Steuerrecht), Familienlastenausgleich, Verwaltungsökonomie, Unterhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1991:G82.1991

Dokumentnummer

JFR_10089373_91G00082_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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