RS Vfgh 2004/6/23 V8/04

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Veröffentlicht am 23.06.2004
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Index

63 Allgemeines Dienst- und Besoldungsrecht
63/02 Gehaltsgesetz 1956

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art139 Abs3
B-VG Art139 Abs4
Auslandsbesoldungsrichtlinien des Bundesministers für öffentliche Leistung und Sport vom 25.09.00
BGBlG 1996 §2 Abs2 Z2
GehG 1956 §21 Abs1 Z2, Abs3, Abs12

Leitsatz

Präjudizialität der von der Behörde des Anlassverfahrens (nicht ausdrücklich) angewendeten Richtlinien für die Bemessung einer Auslandsverwendungszulage gegeben; Verordnungscharakter dieser Richtlinien sowie der Auslandsbesoldungsrichtlinien insgesamt angesichts ihrer imperativen an die Allgemeinheit gerichteten Festlegungen; Aufhebung des diesbezüglichen Durchführungsrundschreibens mangels Kundmachung im Bundesgesetzblatt

Rechtssatz

Der Verfassungsgerichtshof hat bei seiner Entscheidung über die Beschwerde Punkt IV.1., vierter Satz litc) der Richtlinien des Bundesministers für öffentliche Leistung und Sport vom 25.09.00 für die Bemessung der Auslandsverwendungszulage als Verordnungsbestimmung anzuwenden.

Es kommt nicht darauf an, ob die "Richtlinien" im Spruch oder in der Begründung des im Anlassbeschwerdeverfahren angefochtenen Bescheides angeführt wurden, wenn der Bescheid inhaltlich in einem wesentlichen Teil den Richtlinien entspricht und sich in der Begründung sprachlich daran anlehnt (vgl VfSlg 11272/1987, 11467/1987).

Bei den in Prüfung gezogenen Richtlinien für die Bemessung der Auslandsverwendungszulage, die per Runderlass den Bediensteten der belangten Behörde bekannt gegeben wurden und daher ein gewisses Mindestmaß an Publizität erlangten, handelt es sich um eine Rechtsverordnung.

Der in Prüfung gezogenen Bestimmung kommt Verordnungscharakter zu, da die Bemessung der vom Beschwerdeführer im Anlassbeschwerdeverfahren geltend gemachten Auslandsverwendungszulage durch diese mit genereller Verbindlichkeit festgelegt wird. Das Gesetz (vgl §21 Abs1 Z2 und Abs3 GehG 1956) geht von einer einzigen Auslandsverwendungszulage aus, deren Bemessung sich aus mehreren Komponenten ergibt, ohne dass deshalb kumulativ gebührende Zulagen vorlägen. Der Anspruch auf "Ehegattenzuschlag" und der Ausschließungsgrund für den Bezug des "Ehegattenzuschlags" ergeben sich erst aus den dem Inhalt nach angewendeten "Auslandsbesoldungsrichtlinien" und in dieser Weise nicht unmittelbar aus dem Gesetz. Das Gesetz ließe einen weiteren behördlichen Ermessenspielraum zu.

Die "Auslandsbesoldungsrichtlinien" sind insgesamt ihrem Inhalt nach imperativ gehalten und an die Allgemeinheit gerichtet.

Die Richtlinien stellen der Dienstbehörde zwar frei, die Zulage entweder entsprechend den Richtlinien (ohne Herstellung des Einvernehmens mit dem Bundesminister für öffentliche Leistung und Sport im Einzelfall) oder abweichend von den Richtlinien im Einvernehmen mit dem Bundesminister für öffentliche Leistung und Sport zuzuerkennen. Die Einschränkung der Erforderlichkeit des gesetzlich vorgesehenen Einvernehmens im Einzelfall (vgl §21 Abs12 GehG 1956) auf Fälle, in denen die Dienstbehörde beabsichtigt, von den Vorgaben der Richtlinien abweichend zu entscheiden, verändert jedoch bereits die durch §21 GehG 1956 geschaffene objektive Rechtslage.

Der Gesetzgeber selbst bestimmte, dass die Bemessung der Auslandsverwendungszulage und des Auslandsaufenthaltszuschusses durch Verordnung näher geregelt werden kann (vgl §21 Abs3 letzter Satz GehG 1956). Eine Konkretisierung der Bemessungsgrundsätze ist daher zwar zur Vollziehung des Gesetzes nicht zwingend erforderlich, kann aber jedenfalls nur in Form einer Verordnung erfolgen.

§21 GehG 1956 ist so allgemein formuliert, dass präzise Anordnungen von Beträgen, Hundertsätzen oder etwa die in Prüfung gezogene Anordnung - auch wenn diese im Gesetz Deckung finden mögen - als "neue Gestaltung der Rechtslage" anzusehen sind.

Das Durchführungsrundschreiben enthält zwar auch Teile, die für sich betrachtet nur den Gesetzestext wiedergeben, es kann jedoch nur als normative Gesamtheit betrachtet werden.

Das "Durchführungsrundschreiben" ("generelle Zustimmungen und Richtlinien") des Bundesministers für öffentliche Leistung und Sport vom 25.09.00, Z924.470/11-II/B/4/2000, "Besoldung der im Ausland verwendeten Beamten gemäß §21 GG 1956", wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Die zur Gänze als Verordnung zu wertenden "Auslandsbesoldungsrichtlinien", die per Runderlass den Bediensteten der belangten Behörde bekannt gegeben wurden, wurden entgegen der Anordnung des §2 Abs2 Z2 BGBlG 1996 nicht im Bundesgesetzblatt II verlautbart.

Wenngleich der zeitliche Anwendungsbereich des Durchführungsrundschreibens beendet ist, ist die Verordnung auf während ihres Geltungszeitraums verwirklichte Sachverhalte weiterhin anzuwenden (vgl die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Abgabengesetzen mit beschränktem zeitlichen Anwendungsbereich, s VfSlg 8709/1979, S 417, und die dort angeführte Vorjudikatur). Daher ist mit einer Aufhebung nach Abs3 des Art139 B-VG und nicht mit einem Ausspruch nach Abs4 der genannten Verfassungsbestimmung vorzugehen.

(Anlassfall B1029/01, E v 30.06.04, Aufhebung des angefochtenen Bescheides).

Entscheidungstexte

  • V 8/04
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 23.06.2004 V 8/04

Schlagworte

Behördenzuständigkeit, Bescheidbegründung, Dienstrecht, Bezüge, Verwendungszulage, Verordnungsbegriff, Verordnung Kundmachung, RechtsV, VerwaltungsV, VfGH / Aufhebung Wirkung, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Prüfungsgegenstand, Zusammenwirken von Behörden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:V8.2004

Dokumentnummer

JFR_09959377_04V00008_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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