TE OGH 1988/2/11 13Os2/88

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Veröffentlicht am 11.02.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Februar 1988 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Melnizky als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, Dr. Felzmann, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Mitterhöfer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Oliver K*** und Wolfgang L*** wegen des Vergehens der teils vollendeten und teils versuchten Täuschung nach § 108 Abs 1 und 2 und § 15 StGB, teilweise auch nach § 12 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und über die Berufungen beider Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wr. Neustadt als Jugendschöffengericht vom 23. November 1987, GZ 9 Vr 1132/87-15, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Aus deren Anlaß wird gemäß § 290 Abs 1 StPO das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 7.April 1970 geborene Oliver K*** und der am 28.März 1969 geborene Wolfgang L*** des Vergehens der teils vollendeten und teils versuchten Täuschung nach § 108 Abs 1 und 2 und § 15 StGB, L*** teilweise wegen Beitragstäterschaft nach § 12, letzter Fall, StGB schuldig erkannt. Darnach hat Oliver K*** dadurch absichtlich dem Staat in seinem Recht auf Ausschluß nicht zulassungsfähiger Fahrzeuge vom Straßenverkehr durch Täuschung von Straßenaufsichtsorganen über Tatsachen, nämlich durch Verwendung eines Mopeds der Marke Vespa PK 50 S mit der (roten) Vormerknummer N 162.403, bei welchem er den Hubraum von 50 ccm auf 102 ccm erhöht hatte und das dadurch als Motorrad zu typisieren und zu versichern gewesen wäre, zu Fahrten im öffentlichen Verkehr

1) am 8.Juli 1987 Schaden zugefügt, indem er Beamte des Stadtpolizeiamtes Baden zur Duldung der Teilnahme am Verkehr, die den Schaden herbeiführte, verleitete,

2) am 9.Juli 1987 Schaden zuzufügen versucht, indem er Gendarmeriebeamte zur Duldung der Teilnahme am Verkehr, die den Schaden herbeiführte, zu verleiten suchte (I). Wolfgang L*** hat

1) zur Ausführung der unter I angeführten Tat dadurch beigetragen, daß er Oliver K*** einen Zylinder für ein Moped der Marke Vespa mit 102 ccm zur Verfügung stellte, wobei er ihn auf die Entdeckungsgefahr nach dem Umbau hinwies. Des weiteren hat er

2) in der Zeit von Mitte September bis 24.September 1987 in Baden und Umgebung dadurch absichtlich dem Staat in seinem Recht auf Ausschluß nicht zulassungsfähiger Fahrzeuge vom Straßenverkehr durch Täuschung von Straßenaufsichtsorganen über Tatsachen, nämlich durch Verwendung des Mopeds der Marke Vespa PK 50 S mit der (roten) Vermerknummer N 432.499, bei welchem er den Hubraum von 50 ccm auf 60 ccm erhöht hatte und das dadurch als Motorrad zu typisieren und versichern gewesen wäre, zu Fahrten im öffentlichen Verkehr Schaden zuzufügen versucht, indem er Gendarmeriebeamte zur Duldung der Teilnahme am Verkehr, die den Schaden herbeiführte, zu verleiten suchte (II).

Diesen Schuldspruch fechten beide Angeklagten mit getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden an, die Oliver K*** auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a und b StPO stützt, während Wolfgang L*** nur den Nichtigkeitsgrund nach der Z 9 lit b der genannten Bestimmung geltend macht; den Strafausspruch bekämpfen beide Angeklagten mit Berufung.

Rechtliche Beurteilung

Zu dem sowohl der Verfahrens- als auch der Rechtsrüge (Z 4 und 9 lit a) des Angeklagten K*** zugrundeliegendem rechtlichen Einwand, die Vergrößerung des Hubraumes über 50 ccm ohne gleichzeitige Leistungssteigerung des Kraftrades wäre unerheblich, genügt der Hinweis auf den unmißverständlichen Wortlaut der gesetzlichen Definition des § 2 Z 14 KFG. Die weitere Behauptung (Z 5), daß infolge der "optischen und akustischen Auffälligkeit" des Zylinderumtausches es schon an der grundsätzlichen Täuschungseignung der inkriminierten Tathandlung fehle, erweist sich schon angesichts der Tatsache der erfolgreichen Täuschung am 8.Juli 1987 (Faktum I 1) als nicht zielführend. Zu der von beiden Beschwerdeführern unter Heranziehung des Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO reklamierten mangelnden Strafwürdigkeit der Tat im Sinn des § 42 StGB ist - abgesehen vom einschlägig belasteten Vorleben der Angeklagten - auf die das Vorliegen einer geringen Schuld in vergleichbaren Fällen stets verneinende oberstgerichtliche Rechtsprechung hinzuweisen.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher zu verwerfen. Aus Anlaß dieser Beschwerden konnte sich aber der Oberste Gerichtshof davon überzeugen, daß das Urteil mit einer nicht gerügten, aber beiden Angeklagten zum Nachteil gereichenden materiellen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) behaftet ist, die gemäß § 290 Abs 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmen war. Das angefochtene Urteil wirft beiden Angeklagten in subjektiver Richtung vor, daß sie in der Absicht handelten, am Straßenverkehr (unbehelligt) teilnehmen zu können, obwohl den von ihnen auf Motorräder umgerüsteten Mopeds die Zulassung fehlte (S 80 bis 82). Dieser Feststellung ist aber aus kraftfahrrechtlicher Sicht entgegenzuhalten, daß der - wenngleich ohne behördliche Genehmigung erfolgte - Einbau eines jeweils den Hubraum von 50 ccm übersteigenden Zylinders die ordnungsgemäße Zulassung der beiden in Rede stehenden Motorfahrräder keinesfalls (quasi automatisch) außer Kraft gesetzt hat. Ausgehend von der irrigen Rechtsauffassung, bereits die eigenmächtige Änderung eines wesentlichen technischen Merkmals des Fahrzeugs bedinge den Wegfall der Zulassung, hat das Erstgericht eine Prüfung unterlassen, ob gegenständlich überhaupt die Voraussetzungen für eine (bescheidmäßige) obligatorische Aufhebung der Zulassung durch die Behörde (§ 44 Abs 1 KFG) oder eine Verpflichtung der Angeklagten zur Abmeldung der Fahrzeuge (§ 43 Abs 4 KFG) gegeben waren und sohin eine Schädigung des konkreten Rechtes des Staates auf Ausschluß von Kraftfahrzeugen, die den Zulassungsvoraussetzungen nicht mehr entsprechen bzw. abzumelden sind, von der Benützung auf Straßen mit öffentlichem Verkehr in Frage kommen konnte (siehe hiezu ausführlich 12 Os 166/86). Dem Urteil läßt sich ferner nicht entnehmen, ob die Absicht der beiden Angeklagten, welche nach den Urteilsfeststellungen den Anschein zu erwecken suchten, ein - keine Lenkerberechtigung erforderndes - Motorfahrrad (§ 2 Z 14 KFG) zu lenken, während sie tatsächlich (ohne dazu befugt zu sein) ein Motorrad (§ 2 Z 15 KFG) lenkten, darauf gerichtet war, über das staatliche ius puniendi hinaus auch das Recht des Staates, Personen ohne Lenkerberechtigung vom Lenken von Kraftfahrzeugen auf Straßen mit öffentlichem Verkehr auszuschließen, an sich zu schädigen, wie es zur Tatbestandsverwirklichung nach § 108 StGB erforderlich wäre (vgl. EvBl 1985/123).

Diese Feststellungsmängel machen auf der Grundlage der auf diesen Straffall vom Obersten Gerichtshof noch anzuwendenden Bestimmung des § 108 StGB in der Fassung des BGBl. 1974/60 (vgl. hiezu Art. XX Abs 1 des Strafrechtsänderungsgesetzes 1987, BGBl. 1987/605) die Aufhebung des Ersturteils erforderlich, weil sich aus den Akten durchaus Umstände ergeben (: Abnahme der Kennzeichentafeln wegen mangelnder Verkehrs- und Betriebssicherheit - S 15, 51), die nach der (zitierten) Judikatur strafrechtliche Bedeutung haben könnten (§ 285 e StPO). Durch diese kassatorische Entscheidung wurden die Berufungen gegenstandslos.

Anmerkung

E13094

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0130OS00002.88.0211.000

Dokumentnummer

JJT_19880211_OGH0002_0130OS00002_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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