TE Vwgh Erkenntnis 1956/7/13 1578/55

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Veröffentlicht am 13.07.1956
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §177;
EStG 1953 §7 Abs3;
KStG 1934 §6;
KStG 1966 §8 Abs1 impl;
SteuerÄG 1951 Art4 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Rat Dr. Ondraczek und die Räte Dr. Wasniczek, Dr. Schirmer, Dr. Schimetschek und Dr. Eichler als Richter, im Beisein des Ministerialsekretärs Dr. Heinzl als Schriftführer, über die Beschwerde der B-GmbH in W gegen den Bescheid der Berufungskommission für Wien bei der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 31. März 1955, Zl. XIV- 80/4/55, betreffend Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer für 1950 und 1951, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Karl Fried, und des Vertreters der belangten Behörde, Oberfinanzrat Dr. OM, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wir als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin betreibt ein Braunkohlenbergwerk im Tagbau. In ihrer Bilanz für 1950 hatte sie unter den Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens unter der Post "Bergbaubesitz" auch den so genannten "Abraum" aktiviert und davon in diesem Jahre zu Lasten des Gewinnes 5,841.588 S abgeschrieben. In einer Beilage zu dieser Steuererklärung hatte sie außerdem unter Berufung auf Art. IV Abs. 3 des Steueränderungsgesetzes, BGBl. Nr. 191/1951 (StÄG 1951), die Absetzung eines weiteren Betrages von 2,920.794 S als erhöhte Absetzungen für Abnutzung (AfA) des "Abraumes" in Anspruch genommen. Im Falle der Anerkennung dieser Absetzung hätte sich für 1950 ein Verlust ergeben.

Das Finanzamt erkannte jedoch die erhöhte Absetzung der Abraumkosten im Betrage von 2,920.794 S bei der Veranlagung der Beschwerdeführerin zur Körperschaftsteuer für das Jahr 1950 nicht an. Die Aufwendungen für den am Bilanzstichtag vorhandenen Abraum seien Vorausleistungen auf die Kohlenförderung im kommenden Jahr oder in den folgenden Jahren. Sie seien daher in der Bilanz als aktive Rechnungsabgrenzungsposten auszuweisen. Von solchen könne aber schon begrifflich weder eine AfA noch eine Absetzung für Substanzverringerung vorgenommen werden. Deshalb sei auch eine erhöhte AfA nach Art. IV Abs. 3 StÄG 1951 nicht zulässig. Dementsprechend verminderte sich auch der auf das Steuerjahr 1951 vortragsfähige Verlust. Den gleichen Standpunkt vertrat das Finanzamt auch bei der Veranlagung der Beschwerdeführerin zur Körperschaftsteuer für 1951 und bei der Feststellung der Gewerbesteuermessbeträge für die Jahre 1950 und 1951.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen die Körperschaftsteuerbescheide und die Gewerbesteuermessbescheide für die erwähnten Jahre Berufung. Unter Anlagevermögen seien die Vermögensgegenstände zu verstehen, die am Bilanzstichtag dazu bestimmt sind, dem Unternehmen dauernd zu dienen. Zum Anlagevermögen gehöre auch das Kohlenvorkommen. Alle Aufwendungen, die zur Schaffung dieses Wirtschaftsgutes notwendig gewesen sind, seien aktivierungspflichtige Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Die Aufwendungen für den Abraum seien daher ebenso aktivierungspflichtig und abschreibungsfähig wie z. B. ein für die Nutzung eines Geschäftsraumes gezahltes Abstandsgeld. Es gehe nicht an, nur einen Teil des von der Beschwerdeführerin in der Bilanz ausgewiesenen Bergbaubesitzes (die erschlossene Gerechtsame und den Grubenbesitz) als abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens anzuerkennen, den anderen Teil aber als Rechnungsabgrenzungsposten zu behandeln. Schließlich seien alle Anschaffungs- und Herstellungsaufwendungen für Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens Vorausausgaben, also Rechnungsabgrenzungsposten. Das Finanzamt gehe offenbar von dem Urteil des Reichsfinanzhofes vom 30. Jänner 1935 aus, das den Abraum als transitorische Vorausausgabe ansehe. Dem Reichsfinanzhof sei es aber hauptsächlich auf die Einstellung des Abraumvorrates als Besitzpost in der Bilanz angekommen. Dagegen sei die Frage, ob er als abnutzbares Wirtschaftsgut des Anlagevermögens zu aktivieren sei, nicht ausdrücklich geprüft worden. Dieses Urteil sei überdies auf die Verhältnisse im österreichischen Kohlenbergbau nicht anwendbar. Bei der laufenden Abbautätigkeit im deutschen Bergbau stelle der Abraum unter Umständen Vorausauslagen dar. Im österreichischen Kohlentagbau müsse aber neben sonstigen Anschaffungen ein gewaltiger Abraum durchgeführt werden, um das Vorkommen abbaufähig zu machen. Es könne deshalb von einer Vorausgabe hier nicht die Rede sein und es handle sich vielmehr um die Anschaffung eines abnutzbaren Wirtschaftsgutes. Soweit von diesem AfA durchgeführt und von der Finanzbehörde anerkannt worden seien, müsse auch die erhöhte AfA nach dem Steueränderungsgesetz 1951 zugebilligt werden. Nachdem das Finanzamt die Berufungen mit Einspruchsbescheiden abgewiesen hatte, beantragte die Beschwerdeführerin die Entscheidung der Berufungskommission. Sie stellte gleichzeitig den Antrag, "ihren Vertreter der Verhandlung zuzuziehen". Im weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens beantragte sie noch, eine Stellungnahme der Obersten Bergbehörde darüber einzuholen, dass der Abraum und vor allem der so genannte Vorabraum "bergwirtschaftlich Herstellungskosten zur Gewinnung des Kohlenvermögens" bilde und daher zu den Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens gehöre.

Die Berufungskommission wies die Berufungen ab. Die in Art. IV Abs. 3 StÄG 1951 vorgesehene zusätzliche halbe AfA sei nur bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens und nur im Ausmaße der nach § 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zulässigen Absetzung für gewöhnliche Abnutzung zulässig. Unter Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens seien im Hinblick auf § 131 Abs. 4 des Aktiengesetzes und auf §§ 6 und 7 EStG nur solche Wirtschaftsgüter zu verstehen, die bestimmt sind, einem Unternehmen für längere Zeit als Erwerbsgrundlage zu dienen und deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten auf eine längere Zeit zu verteilen sind. Solche Wirtschaftsgüter seien aber durch die Aufwendungen für den Abraum nicht geschaffen worden. Es handle sich vielmehr um Vorausausgaben zum Zwecke der Freilegung und der Abbeförderung der unter der Erdoberfläche liegenden Kohle. Die Höhe der Aufwendungen sei von der Menge der zu beseitigenden Erd- oder Schottermassen abhängig und nach den einzelnen Kohlenlagern verschieden. Im Gegensatz zu den Anschaffungs- und Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens handle es sich um laufende nach Maßgabe der geplanten Kohlenförderung anfallende Ausgaben. Im Hinblick auf den engen Zusammenhang mit der geförderten Kohlenmenge seien die Aufwendungen unmittelbar mit den Erlösen zu verrechnen. Sie dürften nur das Ergebnis des Jahres belasten, in dem die entsprechende Kohlenmenge gefördert und veräußert worden ist. Nach den von der Beschwerdeführerin für die Jahre 1950 und 1951 vorgelegten Bilanzen seien auch die Abraumkosten zum Teil noch im selben Jahr, zum Teil bereits im nächsten Jahr mit den Fördererlösen verrechnet worden. Der Vorausaufwand für den Abraum erschöpfe sich also innerhalb kurzer Zeit ebenso wie der Aufwand für die Herstellung von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens. Die Abraumkosten seien demnach Reduktionskosten. Während die Gerechtsame dem Bergbauunternehmen die ganze Dauer des Betriebes hindurch diene und eine feste Größe darstelle, seien die Abraumkosten von dem jeweiligen Lohn- und Materialeinsatz und von dem so genannten Deckenverhältnis abhängig. Der Preis des Erzeugnisses werde unmittelbar von diesen Kosten beeinflusst. Wenn es nicht möglich sei, den Abraum durch den Verkaufserlös zu decken, dann seien diese Aufwendungen auch für einen Erwerber des gesamten Unternehmens wertlos, weil die freigelegte Kohle bereits gefördert und verkauft sei. Dagegen würde ein Erwerber des Unternehmens für die Gerechtsame im Hinblick auf die Nutzungsmöglichkeit während der ganzen Dauer des Betriebes einen entsprechenden Kaufpreisanteil entrichten. Die Berufungskommission wies auch auf das bereits erwähnte Urteil des Reichsfinanzhofes, auf Stellungnahmen im Fachschrifttum, auf eine von der Beschwerdeführerin schon im Verfahren vor dem Finanzamt vorgelegte Äußerung der Kohlenholdinggesellschaft und schließlich darauf hin, dass ein Unterschied gegenüber den Verhältnissen im deutschen Kohlentagbau nur so weit bestehe, als dort die Abraumkosten durchschnittlich geringer seien. Selbst wenn man aber den "Abraum" zu den Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens zähle, sei zu bedenken, dass nach § 7 Abs. 3 EStG für Bergbauunternehmungen eine Absetzung wegen Substanzverringerung in Betracht komme, während Art. IV Abs. 3 StÄG 1951 auf die nach § 7 EStG zulässigen Absetzungen für die gewöhnliche Abnutzung verweise. Eine mündliche Verhandlung über die Berufung sei nicht anzuberaumen gewesen, weil die Beschwerdeführerin den Antrag nicht in der Berufungsschrift gestellt habe. Auch die Einholung eines Gutachtens der Obersten Bergbehörde sei unterblieben, weil es sich im vorliegenden Fall hauptsächlich um die Entscheidung über eine Rechtsfrage gehandelt habe. Überdies sei dem Rechtsstreit ein eingehender Schriftwechsel der Beschwerdeführerin mit der Kohlenholdinggesellschaft und mit ihrer Wirtschaftsprüferin vorangegangen (dieser Schriftwechsel ist der belangten Behörde vorgelegen). Schließlich habe die Beschwerdeführerin den Antrag auf Erstattung eines Gutachtens durch die Oberste Bergbehörde nicht anlässlich der Einbringung der Berufungsschrift gestellt, obwohl ihr dies auch schon damals möglich gewesen wäre. Der Antrag sei deshalb nach § 17 Abs. 2 Z. 5 des Abgabenrechtsmittelgesetzes (BGBl. Nr. 60/1949, Abg. R. G.) als verspätet anzusehen.

Die Beschwerdeführerin bekämpft diesen Bescheid der Berufungskommission vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Sie führt aus, der Gegenstand des Streites sei in erster Linie eine bergbautechnische und betriebswissenschaftliche Frage und erst in zweiter Linie eine Frage des Steuerrechtes. Sie legte auch ein Gutachten des Seminars für Betriebswirtschaft an der Montanistischen Hochschule in Leoben vor, das sie nach Zustellung des angefochtenen Bescheides eingeholt hatte. Im übrigen beharrt sie auf den im Verwaltungsverfahren eingenommenen Standpunkt, dass die Abraumkosten als Wirtschaftsgut des Anlagevermögens anzusehen und deshalb der erhöhten AfA nach Art. IV Abs. 3 StÄG 1951 teilhaft seien. Sie rügt es als Verfahrensmangel, dass ein Gutachten der Obersten Bergbehörde nicht eingeholt worden sei und führt auch aus, dass der Antrag auf Zuziehung eines Vertreters zur mündlichen Verhandlung rechtzeitig gestellt worden sei. In der Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerdeführerin ferner die Annahme der belangten Behörde, die Abraumkosten seien zum großen Teil in dem Jahre, in dem sie entstanden waren, und der Rest im nächsten Jahre abgeschrieben worden, als irrig und aktenwidrig bezeichnet. Dieser Irrtum sei darauf zurückzuführen, dass die belangte Behörde auch die Gebarung mit den Abraumkosten berücksichtigt habe, die in einem anderen Tagbauunternehmen entstanden seien, mit dem das der Beschwerdeführerin im Jahre 1951 vereinigt worden war.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1.) Zur Frage der Verfahrensmängel:

Gemäß § 51 Abs. 1 Abg. R. G. muss der Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung in der Berufungsschrift gestellt werden. Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin einen solchen Antrag in der Berufungsschrift nicht gestellt. Sie hat erst nach Erlassung des Einspruchsbescheides in ihrem Antrag auf Entscheidung der Berufungskommission "die Beiziehung eines Vertreters zur Verhandlung" verlangt. Selbst wenn man in diesem Begehren einen Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung erblicken wollte, wäre er nach dem Vorgesagten verspätet gewesen. Wenn die belangte Behörde eine mündliche Verhandlung nicht durchgeführt hat, sind somit Rechte der Beschwerdeführerin nicht verletzt worden. In dieser Hinsicht wird auf das hiergerichtliche Erkenntnis vom 17. Februar 1956, Zl. 499/54, hingewiesen, von dem den Parteien auf Antrag Abschriften zugestellt werden.

Die Beschwerdeführerin hat kurz vor Erlassung des angefochtenen Bescheides noch den Antrag gestellt, eine Stellungnahme der Obersten Bergbehörde darüber einzuholen, "dass die Aufwendungen für Abraum, insbesondere den so genannten Vorabraum, bergwirtschaftlich Herstellungskosten zur Gewinnung des Kohlenvermögens bilden, daher bilanzmäßig und steuerrechtlich Kosten des Anlagevermögens darstellen". Nach dem Antrag sollte also dieses Gutachten nicht Beweis über Tatsachen erbringen, die bereits vorgebracht, aber von der Behörde noch nicht anerkannt waren. Nach der Aktenlage bestand zwischen Partei und Behörde keine Meinungsverschiedenheit über die technischen Vorgänge bei der Kohlenförderung im Tagbau. Zur Beurteilung der Rechtsfrage - und nur über die steuerrechtliche Seite der Frage sollte ja das Gutachten Aufschluss geben - waren aber allein die Finanzbehörden zuständig. Die belangte Behörde war deshalb nicht gehalten, dem Antrag auf Einholung des Gutachtens stattzugeben und in der Unterlassung der Einholung eines solchen Gutachtens kann demnach auch kein wesentlicher Verfahrensmangel erblickt werden. Wenn aber durch das Gutachten etwa neue, bisher nicht bekannt gegebene Tatumstände hätten erwiesen werden sollen, wäre es Sache der Beschwerdeführerin gewesen, diese noch nicht vorgebrachten Tatumstände in einem Beweisantrag näher zu bezeichnen. In diesem Zusammenhang sei überdies bemerkt, dass auch das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof neu vorgelegte Gutachten des Seminars für Betriebswirtschaft an der Montanistischen Hochschule in Leoben im Hinblick auf § 41 Abs. 1 VwGG nicht berücksichtigt werden kann, soweit es Schlüsse aus Tatsachen ableitet, die im Verwaltungsverfahren nicht geltend gemacht worden sind.

2.) Zur Frage der steuerlichen Behandlung des "Abraums":

Nach Art. IV Abs. 3 StÄG 1951 ist der Gewinn des Wirtschaftsjahres 1950 unter anderem bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb auf Antrag des Steuerpflichtigen um den halben Betrag der nach § 7 EStG zulässigen Absetzung für gewöhnliche Abnutzung der in den Jahren 1948 und 1949 angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens zu kürzen. Der angefochtene Bescheid geht mit Recht davon aus, dass die erwähnte Absetzung nur bei Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens vorgenommen werden darf, für die eine gewöhnliche Abnutzung in Betracht kommt. Diese Voraussetzung ist aber im vorliegenden Fall nicht erfüllt:

Beim "Abraum" handelt es sich nach der unbestrittenen Darstellung der Beschwerdeführerin um die Beseitigung der Schotter- und Erdmassen, die die Kohlenflöze überlagern (des so genannten Deckgebirges). Die Entfernung des Deckgebirges ist die Voraussetzung für die Ausbeutung des Kohlenlagers. Sie ist ein Betriebsvorgang im Rahmen der Kohlenförderung. Naturgemäß schreiten beide Arbeitsvorgänge nicht gleichmäßig vorwärts. Schon dadurch, dass zuerst das Deckgebirge entfernt werden muss, bleibt die Kohlenförderung zeitlich hinter den Abraumarbeiten zurück. Außerdem ist für den Fortschritt der Freilegung - abgesehen von anderen Umständen technischer und wirtschaftlicher Art - die Mächtigkeit des Deckgebirges, für die Kohlenförderung die Mächtigkeit des betreffenden Kohlenflözes maßgebend. Nur ausnahmsweise wird innerhalb eines Wirtschaftsjahres gerade die Kohlenmenge gefördert - und auch verkauft -, die in demselben Wirtschaftsjahr freigelegt worden ist. In der Regel aber wird die Ausbeutung des freigelegten Kohlenvorkommens hinter den betreffenden Freilegungsarbeiten zurückbleiben. Daraus erhellt, dass die Abraumkosten in der Regel zu einem großen Teil in einem Wirtschaftsjahr entstehen, in dem sie der Kohlenförderung nicht zugute kommen. Da aber bei der Besteuerung der tatsächliche wirtschaftliche Erfolg im Ermittlungszeitraum erfasst werden soll, müssen rechnungsmäßig die Ausgaben in das Wirtschaftsjahr gebracht werden, das sie wirtschaftlich belasten. Ausgaben, die einem späteren Wirtschaftsjahr zugute kommen, müssen in dem vorangehenden Jahr oder in den vorangehenden Jahren, in denen sie entstanden sind, als Besitzposten in die Bilanz aufgenommen werden. Dieser buchmäßige Vorgang wird gemeinhin als "Aktivierung" bezeichnet. Nicht jeder aktivierte Betrag muss aber deswegen schon ein "Wirtschaftsgut" darstellen. Aktivierungen kommen außer bei - abnutzbaren oder nicht abnutzbaren - Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens auch beim Umlaufvermögen vor und auch die so genannten aktiven Rechnungsabgrenzungsposten, unter die die belangte Behörde die Abraumkosten einreihen will, stellen derartige Aktivierungen dar.

Bei der Entfernung des Deckgebirges im Kohlenbergbau handelt es sich nun - ähnlich wie bei der industriellen Erzeugung - um eine Produktionsphase. Gewiss ist ein freigelegtes Kohlenlager mehr wert, weil ein wesentlicher Schritt zur Gewinnung des Endproduktes getan ist. Die Sachlage ist aber die gleiche, wie wenn bei der Gewinnung eines Industrieerzeugnisses im Ablauf des Herstellungsvorganges eine höhere Erzeugungsstufe erreicht worden ist. So gelten auch für die Verrechnung im Bergbau die gleichen Grundsätze wie für die Verrechnung in einem Erzeugungsunternehmen. Dass die buchtechnischen Besonderheiten im Bergbau durch die Verwendung eines Abraumverrechnungskontos berücksichtigt werden, weil der Abraum und die Kohlenförderung nicht in eine unmittelbare Wechselbeziehung gebracht werden können, spielt für die Entscheidung der vorliegenden Streitfrage keine Rolle. In diesem Zusammenhang ist es auch ohne Bedeutung, dass sich die österreichischen Kohlenlagerstätten von den deutschen in der Mächtigkeit und der Ausdehnung der Kohlenflöze und durch die Bildung flözleerer Rücken unvorteilhaft unterscheiden. Diese Unterschiede sind nur solche dem Grade nach. Die Entfernung des Deckengebirges schafft zwar auch den Zutritt zur Kohlenlagerstätte und soweit damit auch die Möglichkeit zur Schaffung eines Förderweges geboten wird, können diese Kosten zur Schaffung eines -

technisch und wirtschaftlich abnutzbaren - Anlagegutes "Straße" führen. Dieses Anlagegut wäre aber gesondert zu aktivieren und beispielsweise unter der "erschlossenen Gerechtsame" in der Bilanz auszuweisen.

Welcher Vorgang nun bei der Beseitigung des Deckengebirges der wirtschaftlich richtige ist, ist für die streitige Frage ohne Bedeutung. Es ist nämlich gleichgültig, ob die Freilegung der Lagerstätte schrittweise oder für das Ganze Grubenfeld auf einmal oder nach einer bestimmten den technischen Arbeits- oder Absatzverhältnissen entsprechenden Weise durchgeführt wird, denn die Abraumarbeit bleibt dennoch ein Arbeitsvorgang zur Kohlengewinnung. Auch die Notwendigkeit, die Preise der gewonnenen Kohle möglichst gleichmäßig zu gestalten, spricht nicht für den Standpunkt der Beschwerde. Gerade der von der Bfrin, bei der Aktivierung der Abraumkosten und der späteren Auflösung dieser Besitzpost gewählte Vorgang ermöglicht eine bessere Verteilung der Belastung der einzelnen Wirtschaftsjahre als die gleichmäßige Abschreibung von einem Wirtschaftsgut auf Grund seiner betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer. Dabei ist es auch gleichgültig, ob die Abraumkosten noch im Jahre ihrer Entstehung oder im nächsten Jahre wieder abgeschrieben werden oder ob sich diese Abschreibung auf einen längeren Zeitraum verteilt. Insoweit ist die von der Beschwerde gerügte Aktenwidrigkeit des angefochtenen Bescheides für das Ergebnis der Beschwerde nicht von wesentlicher Bedeutung.

Sicherlich wird der Erwerber eines Kohlentagbaues im Rahmen des Gesamtkaufpreises auch den Betrag zahlen müssen, der auf die Freilegung noch abbaufähiger Kohlenflöze entfällt. Dabei handelt es sich aber wirtschaftlich um keinen anderen Vorgang als den, dass auch der Erwerber eines Industrieunternehmens im Rahmen des Teilwertes die Herstellungskosten für Halberzeugnisse ersetzen muss. Die Beschwerde kann also aus dem Gedanken des höheren Teilwertes eines freigelegten Kohlenvorkommens nichts für ihren Standpunkt gewinnen. Allerdings handelt es sich bei den Halberzeugnissen um Umlaufgüter und im Bergbau sind Umlaufgüter bloß die schon geförderten, aber noch nicht aus dem Unternehmen entfernten Mineralien, nicht aber das Mineralvorkommen als solches. Wollte man aber selbst dem Standpunkt der Beschwerdeführerin darin beipflichten, dass es sich bei den Kosten des Abraums entgegen der Meinung der belangten Behörde nicht um Rechnungsabgrenzungsposten handle, sondern dass durch sie ein Wirtschaftsgut des Anlagevermögens geschaffen werde, so wäre damit für den Standpunkt der Beschwerdeführerin nichts gewonnen. Denn auch das Anlagegut müsste einer "gewöhnlichen Abnutzung" unterworfen sein, um der Steuerbegünstigung nach Art. IV Abs. 3 StÄG 1951 teilhaft zu werden. Abgenützt werden aber nicht die durch die Abraumarbeiten entfernten und an anderen Orten, etwa auf Halden aufgeschütteten Massen des Deckgebirges. Diese Massen selbst sind ja für den Bergbaubetrieb wertlos. Soferne sie aber selbst wieder veräußert werden sollen, bilden sie Umlaufvermögen. Die Kosten des Abraumes gehen vielmehr in den Wert des Kohlenvorkommens über. Wenn man hier von einem Anlagegut sprechen kann, so käme nur das durch die Abraumarbeiten wertvoller gemachte Kohlenvorkommen als ein solches Anlagegut in Betracht. Dieses unterliegt aber nicht der "gewöhnlichen Abnutzung", sondern nur infolge fortschreitenden Abbaues einer Wertverminderung infolge Substanzverringerung, für die im § 7 Abs. 3 EStG gleichfalls die Möglichkeit von Absetzungen vorgesehen ist. Die von der Beschwerdeführerin selbst angewendete Art der Abschreibung der aktivierten Abraumkosten nach Maßgabe der geförderten Kohlenmengen entspricht sogar dem üblichen Vorgang bei der Berechnung der nach § 7 Abs. 3 EStG zulässigen Absetzung für Substanzverringerung. Wenn man Art. IV Abs. 3 StÄG 1951 schlechthin von den nach § 7 EStG zulässigen Absetzungen für gewöhnliche Abnutzung spricht, dann bedeutet dies, wie der Verwaltungsgerichtshof in einem ähnlichen Zusammenhang mit Erkenntnis vom 9. Dezember 1955, Zl. 3200/54, ausgesprochen hat, lediglich einen Hinweis auf die AfA nach § 7 Abs. 1, dagegen ist eine Erhöhung der Absetzungen für Substanzverringerung nach § 7 Abs. 3 EStG ausgeschlossen. Auf Verlangen wird der Beschwerdeführerin eine Abschrift des genannten Erkenntnisses übermittelt werden.

Da, wie dargelegt, durch die Aufwendungen für den Abraum nicht ein abnutzbares Wirtschaftsgut des Anlagevermögens geschaffen worden ist, können sie, mag man nun den Abraum als Teil des Anlagegutes "Kohlenvorkommen" oder die Aufwendungen dafür als Rechnungsabgrenzungsposten behandeln, nicht der Begünstigung des Art. IV Abs. 3 StÄG teilhaft werden. Dabei soll nicht verkannt werden, dass auch bei der Auflösung der aktivierten Abraumkosten Scheingewinne entstehen können. Der Besteuerung können sie aber nach dem das Einkommensteuerrecht beherrschenden Grundsatz des Bilanzenzusammenhanges nur soweit entzogen werden, als ein Gesetz dies ausdrücklich anordnet.

Es erweisen sich somit alle Einwendungen der Beschwerde als unbegründet und die Beschwerde musste demgemäß abgewiesen werden.

Wien, am 13. Juli 1956

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1956:1955001578.X00

Im RIS seit

13.07.1956

Zuletzt aktualisiert am

11.11.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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