TE Vwgh Erkenntnis 1965/4/13 1861/64

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Veröffentlicht am 13.04.1965
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §63 Abs5;
AVG §71 Abs1 lita;
AVG §71 Abs2;
AVG §71 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Werner, und die Hofräte Dr. Hrdlitzka, Dr. Striebl, Dr. Skorjanac und Dr. Rath als Richter, im Beisein des Schriftführers, Bezirksrichters Dr. Angst, über die Beschwerde des J R in N, vertreten durch Dr. Otmar Franiek, Rechtsanwalt in Pöllau, gegen die Bescheide des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung, mittelbare Bundesverwaltung, vom 17. September 1964, Zl. 11-337 Re 9/4-1964, betreffend Zurückweisung einer Berufung, und Zl. 11-337 Re 9/5-1964, betreffend Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrages, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Ein Kostenzuspruch an den Beschwerdeführer findet nicht statt.

Begründung

Die Bezirkshauptmannschaft Hartberg sprach mit ihrem Straferkenntnis vom 7. Dezember 1963 den Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung nach dem § 3 des Güterbeförderungsgesetzes (vom 27. März 1952), BGBl. Nr. 63, schuldig und verhängte über ihn gemäß den §§ 131 und 132 (lit.) a GewO eine Geldstrafe von S 500,--

(Ersatzarreststrafe 10 Tage). Nach der Annahme der Behörde hatte der Beschwerdeführer in der Zeit vom 27. bis zum 29. Juli 1963 in N das Güterbeförderungsgewerbe mit einem Lastkraftwagen unbefugt ausgeübt. Das Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer mit der Post nach N 32 zugesandt und am 18. Dezember 1963 beim Postamt N hinterlegt. Die Berufung des Beschwerdeführers gegen dieses Straferkenntnis langte bei der Bezirkshauptmannschaft Hartberg am 13. Jänner 1964 ein; der Briefumschlag, der die Berufung offensichtlich enthalten hatte, trägt die Anschrift "An das Finanzamt Hartberg" und das Aufgabedatum 9. Jänner 1964. Am 24. Jänner 1964 legte die Bezirkshauptmannschaft die Berufung als rechtzeitig eingebracht dem Amt der Steiermärkischen Landesregierung vor. In der Berufung ist als Tag der Zustellung des Straferkenntnisses der 2. Jänner 1964 angegeben. Das Amt der Landesregierung trug nun der Bezirkshauptmannschaft auf, den Tag der ordnungsgemäßen Zustellung des Straferkenntnisses festzustellen. Hiezu berichtete das Gendarmeriepostenkommando Neudau am 14. April 1964, beim Postamt N habe erhoben werden können, dass der in Rede stehende Brief am 18. Dezember 1963 wegen Abwesenheit der Partei hinterlegt, dem Beschwerdeführer aber am 31. Dezember 1963 persönlich gegen Empfangsbestätigung ausgefolgt worden sei. Nach Akteneinsicht überreichte der Beschwerdeführer am 23. Mai 1964 einen Schriftsatz, in welchem er seine Behauptung, das Straferkenntnis erst am 2. Jänner 1964 erhalten zu haben, aufrechterhielt, zugleich aber, wie er sagte, vorsichtshalber einen Wiedereinsetzungsantrag in Ansehung einer allfälligen Versäumung der Berufungsfrist bezüglich des Straferkenntnisses vom 7. Dezember 1963 stellte, den er mit einem allfälligen Irrtum über den Tag der Zustellung begründete. Dem Wiedereinsetzungsantrag gab die Bezirkshauptmannschaft Hartberg mit ihrem Bescheid vom 2. Juli 1964 gemäß dem § 71 Abs. 1 AVG 1950 nicht Folge, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür, die zugleich angeführt wurden, nicht gegeben seien. Dagegen berief der Beschwerdeführer.

Mit dem namens des Landeshauptmannes erlassenen Bescheid vom 17. September 1964, Zl. 11-337 Re 9/4-1964, wies das Amt der Steiermärkischen Landesregierung gemäß den §§ 66 (Abs. 4) AVG 1950 und 24 VStG 1950 die Berufung des Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis vom 7. Dezember 1963 als verspätet eingebracht zurück. Die Behörde stellte hiezu fest, dass das Straferkenntnis dem Beschwerdeführer laut eigenhändiger Unterfertigung am 31. Dezember 1963 vom Postamt N ausgefolgt worden sei; demgemäß wurde angenommen, dass die Berufungsfrist am 7. Jänner 1964 abgelaufen sei. Weiters wurde festgestellt, dass die Berufung erst am 9. Jänner 1964 zur Post gegeben worden sei und dass die Bezirkshauptmannschaft Hartberg den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit dem Bescheid vom 2. Juli 1964, der vom Amt der Steiermärkischen Landesregierung bestätigt worden sei, keine Folge gegeben habe.

Mit dem gleichfalls namens des Landeshauptmannes und am 17. September 1964 erlassenen Bescheid Zl. 11-337 Re 9/5-1964, gab das Amt der Steiermärkischen Landesregierung der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hartberg vom 2. Juni 1964 unter Hinweis auf die gleichen gesetzlichen Bestimmungen wie in dem zuvor bezeichneten Bescheid vom 17. September 1964 nicht statt, wobei die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides als im wesentlichen zutreffend erachtet und übernommen wurde. Zudem wurde gesagt, der Einwand des Beschwerdeführers, derart viele (behördliche) Zustellungen zu erhalten, dass ein Irrtum im Bereich des Möglichen liege, und wenn der Beschwerdeführer daher seinen Anwalt hinsichtlich des Zustelldatums falsch informiert haben sollte, so sei dies aus einem entschuldbaren Irrtum geschehen, erscheine nicht stichhältig; ein solcher Umstand stelle kein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dar, liege im ausschließlichen Verschulden des Beschwerdeführers und könne eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht begründen.

Mit der vorliegenden Beschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die beiden Bescheide des Amtes der Landesregierung vom 17. September 1964, die er als ihrem Inhalt nach rechtswidrig und als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bezeichnet; er erachtet sich in den ihm durch das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz und das Verwaltungsstrafgesetz gewährleisteten Rechten verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer legt dar, die Bezirkshauptmannschaft habe ausdrücklich festgestellt, dass seine Berufung (gegen das Straferkenntnnis vom 7. Dezember 1963) am 9. Jänner 1964 rechtzeitig eingebracht worden sei; er besitze dies also schwarz auf weiß von der Behörde erster Instanz bestätigt. Er übersieht hiebei aber die in den Abs. 4 eingeschaltete, gemäß dem § 24 VStG 1950 auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendende Bestimmung des § 66 AVG 1950, wonach die sachliche Behandlung einer Berufung durch die Berufungsbehörde die Rechtzeitigkeit der Berufung voraussetzt; mangels Rechtzeitigkeit ist die Berufung dem Gesetz gemäß von der Berufungsbehörde als verspätet zurückzuweisen. Der Berufungsbehörde obliegt mithin die Prüfung der Rechtzeitigkeit einer ihr vorgelegten Berufung. Daran wird durch die wie im Beschwerdefall von der Behörde erster Instanz in ihrem Vorlagebericht ausgedrückte Auffassung, die Berufung sei rechtzeitig eingebracht, nichts geändert. Durch einen solchen Vorlagebericht wird die Berufungsbehörde nicht von ihrer zuvor bezeichneten Verpflichtung enthoben und ein solcher Bericht steht auch der Zurückweisung der Berufung durch die Berufungsbehörde, wenn diese die verspätete Einbringung der Berufung feststellt, nicht im Wege. Bei einem bloßen Vorlagebericht handelt es sich nicht etwa um einen der Rechtskraft fähigen Feststellungsbescheid über die Rechtzeitigkeit der Berufung.

Der Beschwerdeführer rügt im Zusammenhang mit der von ihm behaupteten Rechtzeitigkeit seiner Berufung gegen das Straferkenntnis, die Behörden beider Rechtsstufen hätten kein Ermittlungsverfahren durchgeführt und es unterlassen, die notwendigen Klärungen herbeizuführen. Die Unrichtigkeit dieses Vorbringens zeigt die eingangs wiedergegebene Lage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens. Die belangte Behörde stellte fest, dass das Straferkenntnis dem Beschwerdeführer laut eigenhändiger Unterfertigung am 31. Dezember 1963 vom Postamt N ausgefolgt worden sei, welche Feststellung im Gendarmeriebericht vom 14. April 1964 ihre Grundlage hatte. Auf Grund der bloßen, nach Kenntnisnahme des Gendarmerieberichtes vom Beschwerdeführer in dessen Schriftsatz vom 23. Mai 1964 aufgestellten Behauptung, das Straferkenntnis erst am 2. Jänner 1964 erhalten zu haben und der Zusteller müsse irrtümlich ein falsches Datum eingesetzt haben, vermag der Gerichtshof in der Beweiswürdigung der belangten Behörde, die offensichtlich dem Gendarmeriebericht folgte, eine Unschlüssigkeit nicht zu erkennen, zumal der Beschwerdeführer einen Nachweis für seine Behauptung der späteren Zustellung zu erbringen im Verwaltungsstrafverfahren nicht unternahm. Im übrigen zielen auch seine Beschwerdeausführungen nicht in die Richtung einer Bekämpfung der diesbezüglichen Beweiswürdigung durch die belangte Behörde. Von dem Unterbleiben eines Ermittlungsverfahrens aber kann schon im Hinblick auf die Einholung eines Gendarmerieberichtes in Ansehung der Zustellung und des Tages derselben nicht die Rede sein.

Des weiteren vertritt der Beschwerdeführer, wie schon im Verwaltungsstrafverfahren, den Standpunkt, sein allfälliger Irrtum bei der Information seines Anwaltes, dass ihm nämlich das Straferkenntnis erst am 2. Jänner 1964 zugestellt worden sei, bilde einen Wiedereinsetzungsgrund, wobei er sich auf zahlreiche gegen ihn bei den Bezirkshauptmannschaften Hartberg und Güssing gelaufene Verwaltungsstrafverfahren und eine damit zusammenhängende große Zahl von Zustellungen beruft. Sein Irrtum sei deshalb entschuldbar; er verweist hier auf die Rechtsprechung von Zivilgerichten. Auch diesem Standpunkt des Beschwerdeführers ist nicht beizupflichten. Gemäß dem § 71 Abs. 1 lit. a AVG 1950 ist unter anderem gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden gehindert war, die Frist einzuhalten. Dem Abs. 2 im § 71 AVG 1950 zufolge ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand binnen einer Woche nach Aufhören des der Einhaltung der Frist entgegenstehenden Hindernisses einzubringen, wobei nach der Vorschrift im Abs. 3 dieses § 71 die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen ist. Nach dieser Rechtslage setzt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 22. März 1955, Slg. N. F. Nr. 3692/A, ausgesprochen und woran er in der Folge festgehalten hat, vlg. diesbezüglich das Erkenntnis vom 2. Februar 1960, Zl. 1419/58) voraus, dass die Frist zur Vornahme einer Prozesshandlung abgelaufen, diese Handlung aber noch nicht vorgenommen worden ist. Eine solche Prozesssituation kann nicht mehr hergestellt und ebenso wenig als noch bestehend angenommen werden, wenn, wie in dem die vorliegende Beschwerde gegen die Bestätigung der Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages betreffenden Fall, die Berufung bereits am 9. Jänner 1964 eingebracht, der Wiedereinsetzungsantrag aber erst am 23. Mai 1964 gestellt wurde, das versäumte Rechtsmittel also bei Stellung des Wiedereinsetzungsantrages längst vorlag; der Wiedereinsetzungsantrag war in diesem Fall verspätet und wäre kraft der aufgezeigten Konstruktion der zugrundeliegenden Begriffe als unzulässig zurückzuweisen gewesen. Durch die meritorische Erledigung seines Antrages wurde der Beschwerdeführer aber in keinem Recht verletzt, denn der Antrag war zu einer aufrechten Erledigung nicht geeignet.

Den Beschwerdeführer kann jedoch zu seinen sachlichen Ausführungen noch folgendes gesagt werden:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. im besonderen das Erkenntnis vom 11. Oktober 1961, Slg. N. F. Nr. 5643/A, und etwa das Erkenntnis vom 8. Jänner 1963, Zl. 236/61) ist nur ein von außen kommendes, dem Einflussbereich des Antragstellers entzogenes Ereignis ein unvorhergesehenes oder unabwendbares im Sinne des Gesetzes. Ein selbst erwiesener Irrtum, hervorgerufen durch zahlreiche behördliche Zustellungen, ist kein Ereignis der eben umschriebenen Art, lag seine Ursache doch offensichtlich allein in einer durch sonst nichts begründeten Nachlässigkeit des Beschwerdeführers bei der Behandlung der in Rede stehenden Zustellung; dadurch wurde zugleich die Annahme einer Entschuldbarkeit der Verhinderung ausgeschlossen.

Die sonach unbegründete Beschwerde war gemäß dem § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen. Ein Kostenzuspruch gemäß dem diesbezüglichen Antrag des Beschwerdeführers hatte schon mangels Obsiegens desselben (§ 47 Abs. 1 VwGG 1965) nicht stattzufinden.

Wien, am 13. April 1965

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1965:1964001861.X00

Im RIS seit

15.11.2001

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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