TE Vwgh Erkenntnis 1974/12/16 1396/74

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Veröffentlicht am 16.12.1974
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

BauO NÖ 1969 §100 Abs4 Z5;
BauO NÖ 1969 §20 Abs2 Z2;
WRG 1959 §32;
WRG 1959 §34 Abs1;
WRG 1959 §34 Abs2;

Beachte

Fortgesetztes Verfahren:0697/77 E 31. März 1978 VwSlg 9513 A/1978;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Striebl und die Hofräte Dr. Rath, Dr. Hrdlicka, Dr. Straßmann und Dr. Draxler als Richter, im Beisein des Schriftführers Landesgerichtsrat Dr. Kremzow, über die Beschwerde der JN in M, vertreten durch Dr. Leopold Schön, Rechtsanwalt in Wien 5, Schönbrunnerstraße 60, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 20. Juni 1974, GZ. II/2-925-2/1973, betreffend die Abweisung einer Vorstellung gegen einen baupolizeilichen Auftrag (mitbeteiligte Partei: Gemeinde M, vertreten durch den Bürgermeister), nach durchgeführter mündlicher Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters und der Ausführungen des Vertreters der beschwerdeführenden Partei, Rechtsanwalt Dr. Leopold Schön, des Vertreters der belangten Behörde, Regierungsrat Dr. VV und des Vertreters der mitbeteiligten Partei, Bürgermeister FB, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 4.891,80-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde M vom 17. Mai 1972 wurde der Beschwerdeführerin aufgetragen, zwei Holzhäuser auf den Grundstücken Nr. n2, n3, n4, n5 in EZ. nn2 und Grundstück Nr. n6 in EZ. nn3, Katastralgemeinde M, sowie einen Geräteschuppen auf Grundstück Nr. n7 derselben Katastralgemeinde, welche ohne Baubewilligung errichtet worden seien, gemäß § 113 Abs. 3 der Niederösterreichischen Bauordnung, LGBl. für Niederösterreich Nr. 166/1969, abzubrechen und den ursprünglichen Zustand herzustellen, weil es sich um Bauführungen im Grünland handle, für welches gemäß § 20 der Niederösterreichischen Bauordnung Bauverbot bestehe, und die Grundvoraussetzungen für die Errichtung von Baulichkeiten auf diesen Grundstücken überhaupt fehlten. Die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde M vom 13. Oktober 1972, Zl. 153-0/304/72, abgewiesen. Dieser Bescheid wurde im wesentlichen damit begründet, dass bisher eine sichtbare landwirtschaftliche Nutzung der Grundstücke nicht erfolgt sei und die Baulichkeiten in keiner Weise landwirtschaftlichen Zwecken dienen könnten. Auf Grund einer dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Vorstellung gemäß § 61 der Niederösterreichischen Gemeindeordnung hob die Niederösterreichische Landesregierung den letzterwähnten Bescheid des Gemeinderates vom 13. Oktober 1972 mit Bescheid vom 14. März 1973, GZ. II/2-768/1972, auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Behandlung und Entscheidung an den Gemeinderat als Baubehörde zweiter Instanz. Dieser Bescheid wurde im wesentliche wie folgt begründet: Gemäß § 113 Abs. 2 Z. 3 der Niederösterreichischen Bauordnung habe die Baubehörde den Abbruch einer Baulichkeit anzuordnen, wenn für diese keine baubehördliche Bewilligung vorliege und eine solche auch im Fall einer nachträglichen Antragstellung nicht erteilt werden könnte. Nach der Aktenlage erscheine es unbestritten, dass die Einschreiterin auf den erwähnten Grundstücken zwei Holzhäuser und einen Geräteschuppen errichtet habe, ohne hiefür eine baubehördliche Bewilligung gemäß § 92 der Niederösterreichischen Bauordnung zu besitzen. Auf Grund dieses Sachverhaltes habe die Baubehörde erster Instanz gemäß § 113 Abs. 3 der Niederösterreichischen Bauordnung die Einschreiterin zur Entfernung dieser Baulichkeiten aufgefordert. Dem Akteninhalt sei jedoch nicht zu entnehmen, auf Grund welcher Feststellungen dieser baupolizeiliche Auftrag erlassen worden sei. Insbesondere sei vor der Bescheiderlassung eine örtliche Verhandlung, bei welcher das Ausmaß sowie die tatsächliche Widmung und Verwendung der Baulichkeiten hätten festgestellt werden können, unterblieben und auch das Ergebnis offenbar durchgeführter Ermittlungen der Einschreiterin nicht zur Kenntnis gebracht worden. Das Verfahren sei somit im wesentlichen mangelhaft geblieben und auch der Berufungsbescheid mit dieser Mangelhaftigkeit belastet. Es erübrige sich, auf das weitere Vorbringen in der Vorstellung näher einzugehen. Mit Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde M vom 6. Juni 1973, Zl. 153-0/118/73, wurde hierauf der Bescheid des Bürgermeisters vom 13. Oktober 1972 gemäß § 66 Abs. 2 AVG 1950 behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an den Bürgermeister als Baubehörde erster Instanz zurückverwiesen. In der Begründung wurde im wesentlichen auf den vorerwähnten aufsichtsbehördlichen Bescheid Bezug genommen. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung erteilte der Bürgermeister der Gemeinde M mit Bescheid vom 9. August 1973, Zl. 153-0/306/73, der Beschwerdeführerin gemäß § 113 Abs. 2 Z. 3 der Niederösterreichischen Bauordnung den Auftrag, die beiden Holzhäuser und den Geräteschuppen sowie das darin befindliche Trockenklosett abzubrechen und den ursprünglichen Zustand herzustellen. In der Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, es handle sich um konsenslose, jedoch konsensbedürftige Bauten. Im Grünland bestehe gemäß § 20 Abs. 2 der Niederösterreichischen Bauordnung ein Bauverbot, wenn die Wasserversorgung oder die Abwasserbeseitigung nicht sichergestellt sei bzw. eine Gefährdung durch den hohen Grundwasserstand erfolgen könne. Dies treffe im vorliegenden Falle zu, weil in einer Entfernung von zirka 80 m ab der Grundstückseinfriedung von der NÖSIWAG Trinkwasser gefördert werde und somit die eingezäunten Grundstücke zum Brunnenschutzgebiet zu zählen seien. Wegen des hohen Grundwasserspiegels in dieser Gegend sei eine funktionierende Ableitung von Fäkalien und Abwässern durch das Wohnen und die Tierhaltung nicht möglich, sodass eine dauernde Gefahr einer Verschmutzung bzw. Verseuchung des Brunnenschutzgebietes bestehe. Außerdem befänden sich die Grundstücke im Grundwasserschutzgebiet Mitterndorfer Senke der III. Wiener Wasserleitung. Da somit die Voraussetzungen zur Errichtung von Baulichkeiten im Grünland nicht gegeben erschienen und eine ständige Verunreinigung des Grundwassers durch Fäkalien und Abwasserversickerung nicht zu verantworten sei, habe der Abbruch der Baulichkeiten gemäß § 113 Abs. 2 der Niederösterreichischen Bauordnung angeordnet werden müssen. Die gegen diesen Bescheid von der Beschwerdeführerin eingebrachte Berufung wurde auf Grund einer Beschlussfassung des Gemeinderates der Gemeinde M vom 7. September 1973 mit Bescheid vom 19. Oktober 1973, Zl. 153-0/450/73, abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides heißt es im wesentlichen: Die Beschwerdeführerin mache geltend, dass eine ordnungsgemäße, bzw. gefahrlose Abwasserbeseitigung durch Einleitung der Fäkalien in eine Blechtonne sichergestellt erscheine, weil diese Art von Klosettanlage nur fallweise benützt werde. Demgegenüber müsse festgestellt werden, dass § 55 der Niederösterreichischen Bauordnung genaue Angaben über die Ausgestaltung der Aborte enthalte und daher eine Klosettanlage, wie sie von der Beschwerdeführerin errichtet und verwendet werde, baubehördlich überhaupt nicht genehmigt werden könne. Wenn weiters in den Berufungsangaben behauptet werde, dass eine Grundwasserverseuchung nicht eintreten könne, weil die Abwässer nur in das Oberflächenwasser versickern könnten und eine Versickerung in das Grundwasservorkommen der Mitterndorfer Senke durch eine, angeblich mehrere Meter starke, Tegelschichte verhindert werde, könne nur auf die Anzeigen der NÖSIWAG an die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung als Wasserrechtsbehörde hingewiesen werden, worin ausdrücklich festgehalten sei, dass durch die unkontrollierten Ableitungen von Fäkalien und Abwässern, die sich durch eine auch nur fallweise Benützung von Gebäuden auf den Grundstücken Nr. n2 und n7 und durch die Tierhaltung der Beschwerdeführerin ergäben, die latente Gefahr einer Verunreinigung der unmittelbaren Umgebung des Brunnenschutzgebietes bewirkt werde. Die Zustimmung der Grundverkehrsbezirkskommission Schwechat beziehe sich nur auf den Verkauf der Liegenschaft und sei daher nicht maßgeblich. Bezüglich des in der Berufung enthaltenen Hinweises, die auf dem Grundstück Nr. n7 bestehende alte Holzhütte sei im Versteigerungsweg erworben worden, werde festgestellt, dass diese Hütte kurz nach Kriegsende errichtet worden sei. Es könne mit Bestimmtheit angenommen werden, dass sie in den ersten Nachkriegswirren ohne Genehmigung der zuständigen Baubehörde (Stadt Wien) errichtet worden sei. Es treffe auch die Berufungsbehauptung nicht zu, dass die III. Wiener Wasserleitung noch nicht existent sei. Vielmehr sei allgemein bekannt, dass bereits vor längerer Zeit der Stadt Wien die wasserrechtliche Genehmigung zum Bau und Betrieb dieser Wasserleitung erteilt worden sei und die Vorarbeiten bereits im vollen Gange seien. Es könne daher weder die in der Berufung beantragte teilweise Benützungsbewilligung noch eine Ausnahme nach § 101 der Niederösterreichischen Bauordnung erteilt werden.

Die gegen den letzterwähnten Berufungsbescheid von der Beschwerdeführerin erhobene Vorstellung gemäß § 61 der Niederösterreichischen Gemeindeordnung 1973, LGBl. 1000-0, wurde mit dem nun beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 20. Juni 1974 von der belangten Behörde als unbegründet abgewiesen. In der Vorstellung war geltend gemacht worden, die Beschwerdeführerin benötige die Gebäude als zeitweilige Unterkunft für sich und als Hofstelle, auf der sie Schafzucht betreibe. Falls ihr die Übernachtungsmöglichkeit entzogen werde, hätte sie einen großen wirtschaftlichen Schaden. Sie habe auf ihren Grundstücken einen landwirtschaftlichen Zuchtbetrieb errichtet und müsse demzufolge die Möglichkeit haben, sich dort aufzuhalten, um die nötigen Arbeiten durchführen zu können, zumal der Betrieb eine Grundfläche von fast 3 ha aufweise. Darauf hätten die Bescheide der Baubehörde erster und zweiter Instanz nicht Bedacht genommen. In der Begründung des nun angefochtenen Bescheides wurde im wesentlichen ausgeführt: Gemäß § 113 Abs. 2 Z. 3 der Niederösterreichischen Bauordnung habe die Baubehörde den Abbruch einer Baulichkeit anzuordnen, wenn für diese eine baubehördliche Bewilligung nicht vorliege und eine solche auch im Fall einer nachträglichen Antragstellung nicht erteilt werden könnte. Laut § 100 Abs. 4 der Niederösterreichischen Bauordnung sei die baubehördliche Bewilligung zu versagen, wenn durch die Ausführung des Vorhabens die Bestimmungen dieses Gesetzes verletzt würden und insbesondere ein Bauverbot gemäß § 20 das Bauvorhaben unzulässig mache, bzw. die sanitären Verhältnisse beeinträchtigt würden. Die gegenständlichen Grundstücke lägen nach dem rechtskräftigen Flächenwidmungsplan der Gemeinde M, welcher gemäß § 24 des Niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes, LGBl. für Niederösterreich Nr. 275/1968, als vereinfachter Flächenwidmungsplan in Geltung stehe, im Grünland. Es bestehe demnach unabhängig von der Frage der Zulässigkeit der errichteten Objekte auf Grund dieser Flächenwidmung ein Bauverbot gemäß § 20 Abs. 2 der Niederösterreichischen Bauordnung, wenn die Abwasserbeseitigung nicht sichergestellt sei. Die Objekte seien unbestrittenermaßen ohne baubehördliche Bewilligungen errichtet worden. Die Baubehörde erster und zweiter Instanz hätten nach dem Akteninhalt durchaus schlüssige Feststellungen darüber getroffen, dass die Beseitigung der auf der Liegenschaft der Beschwerdeführerin anfallenden Abwässer nicht sichergestellt, bzw. diese unkontrollierbar sei und demnach die ständige Gefahr einer Verunreinigung des Grundwassers bestehe. Auf Grund dieser Feststellungen sei demnach völlig zu Recht das Vorliegen eines Bauverbotes gemäß § 20 Abs. 2 Z. 2 der Niederösterreichischen Bauordnung angenommen und die Frage, ob im Fall einer nachträglichen Antragstellung die baubehördliche Bewilligung für die errichteten Objekte hätte erteilt werden können, verneint worden, weil auf Grund der Bestimmungen des § 100 Abs. 4 Z. 3 und 5 der Niederösterreichischen Bauordnung (Bauverbot, bzw. Beeinträchtigung der sanitären Verhältnisse) die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung nicht möglich wäre. Bei dieser Sach- und Rechtslage erübrige es sich, auf die Behauptung, dass ein landwirtschaftlicher Betrieb vorliege, näher einzugehen.

In der Beschwerde wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes beantragt. Die belangte Behörde beantragt unter Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens die Abweisung der Beschwerde. Ebenso beantragt die mitbeteiligte Partei (Gemeinde M) in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zur Rechtswidrigkeit des Inhaltes wird in der Beschwerde im wesentlichen der Standpunkt vertreten, es handle sich um Bauten, die für einen landwirtschaftlichen Betrieb erforderlich seien, weshalb ihre Unzulässigkeit nicht aus § 14 des Niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes abgeleitet werden könne, womit sich die belangte Behörde im übrigen gar nicht auseinander gesetzt habe. Aber auch das Bauverbot nach § 20 Abs. 2 der Niederösterreichischen Bauordnung treffe auf den vorliegenden Fall nicht zu, weil die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung ohnehin sichergestellt sei. Die Annahme der belangten Behörde, der Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung stünden die Bestimmungen des § 100 Abs. 4 der Niederösterreichischen Bauordnung entgegen, sei daher schon deshalb verfehlt. Die belangte Behörde habe aber auch zu Unrecht keine Rücksicht auf die Ausnahmebestimmungen des § 63 und des 101 der Niederösterreichischen Bauordnung genommen. Die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften ergebe sich aus einer mangelhaften Begründung des angefochtenen Bescheides, insbesondere der mangelnden Darlegung, warum die Abwasserbeseitigung nicht sichergestellt, bzw. unkontrollierbar und demnach die Gefahr einer Verunreinigung des Grundwassers gegeben sei. Die belangte Behörde habe aber auch zu Unrecht Feststellungen über die landwirtschaftliche Nutzung der Grundstücke unterlassen und eine Reihe von Beweisanträgen der Beschwerdeführerin übergangen.

In der Gegenschrift der belangten Behörde wird dazu im wesentlichen vorgebracht, es sei durch die Feststellungen der Baubehörde erster und zweiter Instanz klargestellt worden, dass sich auf der Liegenschaft der Beschwerdeführerin lediglich ein Trockenklosett befinde und die Fäkalien provisorisch in einer Blechtonne aufgefangen würden, aber auch für eine einwandfreie Abfuhr der im Zuge der Tierhaltung anfallenden Abwässer überhaupt keine Vorsorge getroffen sei, weshalb mit Recht für die im Grünland gelegenen Grundstücke das Bauverbot nach § 20 Abs. 2 Z. 2 der Niederösterreichischen Bauordnung angewendet worden sei. Die Beschwerdeführerin habe die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens in ihrer Vorstellung überhaupt nicht bekämpft. Mit Rücksicht auf das Bauverbot und die Beeinträchtigung der sanitären Verhältnisse durch die vorgeschilderten Umstände sei die Erteilung einer Baubewilligung nach § 100 Abs. 4 Z. 3 und 5 der Niederösterreichischen Bauordnung ausgeschlossen, somit aber auch nach der zwingenden Vorschrift des § 113 Abs. 2 Z. 3 dieses Gesetzes der Abbruch der Baulichkeiten anzuordnen gewesen. Da das Bauverbot nach § 20 der Niederösterreichischen Bauordnung auch dann angewendet werden müsste, wenn erwiesen wäre, dass die Baulichkeiten für einen landwirtschaftlichen Betrieb notwendig seien, habe die letztere Frage unerörtert bleiben können. Im wesentlichen zu demselben Ergebnis gelangt die mitbeteiligte Partei (Gemeinde M) in ihrer Gegenschrift.

Im § 14 des Niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes ist bestimmt: "(1) Alle nicht als Bauland oder Verkehrsflächen gewidmeten Flächen gehören zum Grünland. (2) Als Grünland sind jedenfalls Flächen vorzusehen, die für land- und forstwirtschaftliche Nutzung, für Gärtnereien und Kleingärten, für Kur-, Erholungs-, Spiel- und Sportzwecke, für Parkanlagen, für Friedhöfe u.dgl. bestimmt sind. Alle Flächen des Grünlandes, die nicht der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung dienen und nicht Ödland sind, müssen im Flächenwidmungsplan unter Angabe der besonderen Nutzung ausgewiesen werden. (3) Im Grünland dürfen nur solche Gebäude, Bauwerke und Anlagen errichtet werden, die für eine bestimmungsgemäße Nutzung nach Abs. 2 erforderlich sind."

Gemäß § 24 Abs. 2 desselben Gesetzes gelten die auf Grund des § 5 der Bauordnung für Niederösterreich erlassenen Regulierungspläne als vereinfachte Flächenwidmungspläne im Sinne der Abs. 3 und 4. Gemäß Abs. 3 dieser Gesetzesstelle sind die Gemeinden, welche bisher keinen Regulierungsplan (Abs. 2) erlassen haben, ... verpflichtet, ... einen vereinfachten Flächenwidmungsplan (Abs. 4) zu erlassen. Im vereinfachten Flächenwidmungsplan sind nach § 24 Abs. 4 des Niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes in der Fassung der Novelle LGBl. 8000-1/73 für alle Flächen im Gemeindegebiet wenigstens die Widmungen Bauland, Grünland und Verkehrsflächen festzulegen.

Wie von allen Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unbestritten blieb, gehören die Liegenschaften der Beschwerdeführerin zum Grünland.

§ 20 Abs. 2 der Niederösterreichischen Bauordnung lautet: "Im Grünland besteht, unbeschadet § 14 NÖ Raumordnungsgesetz, auf

Grundstücken Bauverbot, wenn ... 2. die Wasserversorgung oder die

Abwasserbeseitigung nicht sichergestellt ist ..."

Gemäß § 113 Abs. 2 der Niederösterreichischen Bauordnung hat die Baubehörde den Abbruch einer Baulichkeit anzuordnen, "wenn ...

3. für die Baulichkeit keine baubehördliche Bewilligung vorliegt und eine solche auch im Fall der nachträglichen Antragstellung nicht erteilt werden könnte".

Gemäß § 100 Abs. 4 der Niederösterreichischen Bauordnung ist die Bewilligung zu versagen, "wenn durch die Ausführung des Vorhabens Bestimmungen dieses Gesetzes oder die §§ 12 bis 16 und 19 NÖ Raumordnungsgesetz verletzt werden. Sie ist insbesondere zu versagen, wenn ... 3. ein Bauverbot gemäß § 20 das Vorhaben

unzulässig macht; ... 5. die Feuersicherheit, die sanitären

Verhältnisse oder das Orts- und Landschaftsbild beeinträchtigt werden".

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid auf zwei Erwägungen gestützt: zum ersten auf die Ansicht, die nachträgliche Baubewilligung sei wegen des Bauverbotes nach § 20 Abs. 2 Z. 2 der Niederösterreichischen Bauordnung, und zwar deswegen, weil die Abwasserbeseitigung nicht sichergestellt sei, ausgeschlossen, zum zweiten aber auf die Annahme, die Versagung ergebe sich nach § 100 Abs. 4 der Niederösterreichischen Bauordnung zwangsläufig aus der Beeinträchtigung der sanitären Verhältnisse durch die von den Baubehörden erster und zweiter Instanz festgestellte Gefährdung des Grundwassers. Beide Erwägungen erweisen sich als nicht tragfähig; dies aus folgenden Gründen:

Was das Bauverbot nach § 20 Abs. 2 Z. 2 der Niederösterreichischen Bauordnung anlangt, so misst ihm die belangte Behörde die Bedeutung bei, es bestehe immer dann, wenn ein bestimmtes Bauvorhaben keine ausreichende Abwasserbeseitigung vorsehe. Aus dem Wesen eines generellen Bauverbotes für eine bestimmte Widmungskategorie, wie sie im Flächenwidmungsplan ausgewiesen ist, ergibt sich jedoch, dass es hier nicht auf die Gestaltung des einzelnen Vorhabens, sondern auf die Frage ankommt, ob in dem betreffenden Gebiet, bzw. in Teilen des betreffenden Gebietes eine ordnungsgemäße Abwasserbeseitigung möglich ist. Ist die Abwasserbeseitigung möglich, aber im konkreten Bauvorhaben nicht vorgesehen, dann hat die Baubehörde den Bauwerber zu einer Änderung des Vorhabens einzuladen und nur dann, wenn er sich nicht zur Änderung seines Vorhabens bereit findet, das Bauansuchen abzuweisen (siehe hiezu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Oktober 1955, Zl. 3349/54, auf welches unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen wird). Das Bauverbot gemäß § 20 Abs. 2 Z. 2 der Niederösterreichischen Bauordnung besteht nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes dann, wenn entweder ein absolutes gesetzliches (durch Gesetz oder Verordnung festgelegtes) Verbot der Herstellung einer Abwasserableitung besteht oder die Ableitung mit rechtskräftigem Bescheid untersagt wurde, nicht aber schon dann, wenn für diese Maßnahme die Bewilligung einer anderen Behörde - etwa der Wasserrechtsbehörde - erforderlich ist; im letzteren Falle kann nur dann angenommen werden, dass die Abwasserbeseitigung nicht sichergestellt ist, wenn entweder ein Ansuchen von der zuständigen Behörde bereits rechtskräftig abgewiesen wurde oder die Baubehörde im Rahmen einer Vorfragenentscheidung (§ 38 AVG 1950) zu dem Ergebnis kommt, dass die Bewilligung von der zuständigen Behörde nicht einmal unter entsprechenden Bedingungen oder Auflagen erteilt werden kann.

Im vorliegenden Falle hat sich die belangte Behörde bei ihrer Annahme, die Abwasserbeseitigung sei nicht sichergestellt, lediglich darauf gestützt, dass sich in der Nähe der Liegenschaft der Beschwerdeführerin ein Brunnenschutzgebiet für eine Wasserversorgungsanlage der "NÖSIWAG" befinde und dass in dieser Gegend ein Schutzgebiet für die III. Wiener Wasserleitung festgesetzt worden sei. Die belangte Behörde ist aber nicht davon ausgegangen, dass die erforderlichen Abwasserbeseitigungsanlagen - bei Fehlen eines öffentlichen Kanales käme gemäß § 56 Abs. 4 der Niederösterreichischem Bauordnung die Errichtung einer Senkgrube, bzw. bei Stallgebäuden die Errichtung einer Jauchegrube in Betracht - gegen ein konkretes, absolutes gesetzliches Verbot verstießen oder durch rechtskräftigen Bescheid - etwa auf Grund des § 34 Abs. 1 des Wasserrechtsgesetzes - untersagt worden wären. Eine nach § 34 Abs. 2 des Wasserrechtsgesetzes erlassene Verordnung aber - eine solche wurde zum Schutze des Grundwasservorkommens in der Mitterndorfer Senke vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft am 11. April 1969 erlassen und im Bundesgesetzblatt unter Nr. 126/1969 kundgemacht - begründet lediglich eine wasserrechtsbehördliche Bewilligungspflicht, nicht aber ein absolutes gesetzliches Verbot. Selbst Maßnahmen, welche zur Verunreinigung des Grundwassers führen, sind nach § 32 des Wasserrechtsgesetzes nicht schlechthin verboten, sondern bewilligungspflichtig, abgesehen davon, dass Senkgruben und Jauchegruben bei ordnungsgemäßer Herstellung und Instandhaltung flüssigkeitsdicht sind, also das Grundwasser nicht beeinträchtigen. Die mit den Baulichkeiten nicht zusammenhängenden Vorgänge auf der Liegenschaft der Beschwerdeführerin im Rahmen ihrer Tierhaltung können bei Beurteilung der nachträglichen Bewilligungsfähigkeit der Bauten von Haus aus nicht berücksichtigt werden.

Was nun den § 100 Abs. 4 Z. 5 der Niederösterreichischen Bauordnung anlangt, so können die Worte "die sanitären Verhältnisse" bei der gebotenen verfassungskonformen Auslegung (siehe etwa das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Slg. Nr. 2109) nicht in dem Sinne verstanden werden, dass darunter auch die Berücksichtigung einer Beeinträchtigung des Grundwassers fällt, weil eine solche Regelung gemäß Art. 10 Abs. 1 Z. 10 des Bundes-Verfassungsgesetzes ("... Wasserrecht ...") nur dem Bundesgesetzgeber zustünde. Andere Momente als die Gefährdung des Grundwassers hat die belangte Behörde aber für ihre Annahme, dass die sanitären Verhältnisse beeinträchtigt würden, nicht herangezogen.

Die belangte Behörde hat es auch ausdrücklich unerörtert gelassen, ob im vorliegenden Falle etwa ein Hindernis für die Erteilung der Baubewilligung aus § 100 Abs. 4, erster Satz, der Bauordnung für Niederösterreich in Verbindung mit § 14 Abs. 3 des Niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes abzuleiten wäre.

Somit hat die belangte Behörde, ebenso wie die Baubehörden erster und zweiter Instanz, nicht dargetan, dass für die vom Abtragungsauftrag erfassten Baulichkeiten eine Baubewilligung im Fall der nachträglichen Antragstellung nicht erteilt werden könnte. Daher fehlt es auch an einer der im § 113 Abs. 2 Z. 3 der Niederösterreichischen Bauordnung festgelegten Voraussetzungen für die Anordnung des Abbruches einer Baulichkeit.

Da die Beschwerdeführerin folglich durch den angefochtenen Bescheid im Beschwerdepunkt auf Grund einer unzutreffenden Rechtsauffassung der belangten Behörde in ihren Rechten verletzt wurde, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Es ist deshalb entbehrlich, auf die weiteren Ausführungen in der Beschwerde, insbesondere auch die Verfahrensrüge, einzugehen.

Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 und die Verordnung des Bundeskanzlers vom 14. November 1972, BGBl. Nr. 427. Das Mehrbegehren (Umsatzsteuer) war abzuweisen, weil der in der zitierten Verordnung vorgesehene Schriftsatzaufwand eine Pauschalsumme darstellt, die nicht überschritten werden darf.

Wien, am 16. Dezember 1974

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1974:1974001396.X00

Im RIS seit

21.01.2003

Zuletzt aktualisiert am

08.06.2016
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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