TE Vfgh Erkenntnis 1987/6/15 A7/85

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Veröffentlicht am 15.06.1987
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art137 / Bescheid
B-VG Art137 / Liquidierungsklage
Oö GdBedG §2 Abs1
Oö LBG - 20. Ergänzung ArtI Abs1 Z12 lita und ArtIV Z10
GehG 1956 §13 Abs3 Z2
Oö GdBedG §26 Abs1
ZPO §43 Abs1

Leitsatz

Klage gegen eine Gemeinde wegen Ansprüchen aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis; ein allgemeiner Grundsatz, nach dem aus mangelnder Leistungsbereitschaft eine Verwirkung der Dienstbezüge abgeleitet werden könne, ist dem öffentlichen Dienstrecht fremd; insoweit die Gebührlichkeit der Dienstbezüge strittig ist - mangelnde Zuständigkeit des VfGH; Zurückweisung der Klage in diesem Umfang; insoweit die Rechtslage (Bestehen des Dienstverhältnisses) durch die Aufsichtsbehörde klargestellt wurde - Zulässigkeit der Klage in diesem Umfang (Liquidierung der aufgrund dienstrechtlicher Bescheide gebührender Geldansprüche); ab dem Zeitpunkt der Klarstellung ist die Klage begründet

Spruch

Die beklagte Marktgemeinde ist schuldig, dem Kläger zuhanden seines Vertreters an Dienstbezügen für die Zeit vom 1. Jänner 1983 bis 31. Dezember 1984 267.040,84 S und 4 % Zinsen ab 16. Mai 1985 binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu bezahlen.

Im übrigen wird die Klage als unzulässig zurückgewiesen.

Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Am 1. September 1978 wurde der Kläger als Gemeindebeamter im Personalstand der beklagten Marktgemeinde aus der Verwendungsgruppe D in C überstellt und ausgesprochen, daß ihm die Bezüge der Gehaltsstufe 3, Dienstklasse II, Verwendungsgruppe C gebühren. Um die Mitte des Jahres 1981 kam es im Gefolge von Auseinandersetzungen zum Austausch von Erklärungen mit dem Bürgermeister, die beide Seiten als Beendigung des Dienstverhältnisses werteten. Mehreren Aufforderungen, die Dienstentsagung (im Sinne des §40 Abs1 OÖ GemeindebedienstetenG) schriftlich nachzureichen, kam der Kläger nicht nach; am 6. Dezember 1982 erklärte er in einem Brief an den Bürgermeister, in den letzten Jahren sei in seine Rechte eingegriffen worden und die schikanöse und brutale Behandlung habe zu seiner Erkrankung geführt, er wäre daher "auch jetzt gesundheitlich noch nicht in der Lage", den Dienst zu versehen. Aus Anlaß der Verleihung des vom Kläger innegehabten Dienstpostens an einen anderen Bediensteten ordnete die Aufsichtsbehörde am 27. Dezember 1982 unter Hinweis auf das Fehlen der schriftlichen Entsagungserklärung und den genannten Brief Ermittlungen an, ob die angebliche Dienstverhinderung bekanntgegeben worden sei; andernfalls sei Dienststrafanzeige zu erstatten. Am 6. Dezember 1983 erklärte sich der Kläger durch seinen Anwalt mit dem Hinweis auf den im Dienststrafverfahren hervorgekommenen Irrtum über die Beendigung des Dienstverhältnisses ab sofort für dienstbereit.

Ein auf die Entlassung des Klägers lautendes Erkenntnis des Dienststrafausschusses vom 5. Dezember 1983 wurde mit Erkenntnis des Dienststrafoberausschusses vom 7. August 1984 aufgehoben und der Kläger von der Anschuldigung, seine Standesund Amtspflichten dadurch verletzt zu haben, daß er seit 1. Juli 1981 ohne ausreichenden Entschuldigungsgrund vom Dienst ferngeblieben sei, freigesprochen. Er sei wie der Bürgermeister der - irrigen - Auffassung gewesen, das Dienstverhältnis sei gelöst, weshalb ihm daraus, daß er nicht mehr zum Dienst erschienen sei, nicht der Vorwurf schuldhafter Pflichtverletzung gemacht werden könne. Auch ab Dezember 1982 könne sein Nichterscheinen nicht als Dienstvergehen gewertet werden, weil er eine Verhinderung aus gesundheitlichen Gründen geltend gemacht habe, nach dem Gesetz aber der Grund der Verhinderung nur auf Verlangen nachzuweisen sei; ein solches Verlangen sei an ihn aber nicht gestellt und er auch nicht zum Dienstantritt aufgefordert worden.

Am 26. September 1984 beschloß der Gemeinderat der beklagten Marktgemeinde einen (am 27. September ausgefertigten) Bescheid, worin festgestellt wurde, daß die vom Gemeinderat am 4. August 1981 angenommene Erklärung des Klägers vom 25. Juni 1981 das Dienstverhältnis mit Ablauf des 30. Juni 1981 beendet habe. Über Vorstellung des Klägers hob jedoch die OÖ Landesregierung mit Bescheid vom 24. Juni 1985 den Bescheid des Gemeinderates auf; sie ging davon aus, daß dem für die Annahme der Dienstentsagung zuständigen Gemeinderat nur über eine mündliche Dienstentsagung berichtet und auch ein Beschluß über die Annahme nicht gefaßt worden sei. Die Begründung des Vorstellungsbescheides mündet in die Aussage, der Kläger sei "somit nach Ansicht der Vorstellungsbehörde noch als Gemeindebeamter im Dienststand der Marktgmeinde Kefermarkt anzusehen". Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde der Marktgemeinde hat der VwGH mit Erkenntnis Zl. 85/12/0224 vom 23. Juni 1986 als unbegründet abgewiesen: auch er sah die Einhaltung der Schriftform für ein Gültigkeitserfordernis der Dienstentsagung an. Die nachträgliche Heilung eines Formmangels sei nicht vorgesehen, die Berufung auf Treu und Glauben scheitere schon daran, daß den Organen der beklagten Marktgemeinde das Erfordernis der Schriftlichkeit bekannt gewesen sei, und ein im Ermessen der Behörde liegender Auftrag zur Verbesserung von Formgebrechen (§13 Abs3 AVG) setze voraus, daß mündliche Anbringen überhaupt zulässig seien.

Noch während des Vorstellungsverfahrens wurde am 3. Mai 1985 die vorliegende Klage erhoben, worin die Zahlung des Gehaltes samt Zulagen für die Zeit vom 1. Juli 1981 bis zum Ende des Jahres 1984 im Betrag von 451.066 S (samt 4 % Zinsen) und die laufenden Bezüge für 1985, soweit sie fällig sind oder im Laufe des Verfahrens fällig werden, begehrt wurde.

Die beklagte Marktgemeinde hält den VfGH auch nach der Entscheidung des VwGH noch für unzuständig, weil nach wie vor strittig sei, ob der Kläger vom 1. Juli 1981 bis Ende 1984 überhaupt in ihren Diensten gestanden sei; darüber habe die Dienstbehörde zu entscheiden. Nach der Entscheidung der Vorstellungsbehörde gebe es weder eine Entscheidung über den Fortbestand des Dienstverhältnisses noch eine solche über seine Beendigung. Die Prüfung der Höhe der behaupteten Ansprüche sei gleichfalls einem Verwaltungsverfahren vorbehalten.

Mit Schriftsatz vom 11. Juni 1987 hat der Kläger die Klage auf Zahlung der Dienstbezüge bis zum 31. Dezember 1984 in der von der beklagten Marktgemeinde errechneten Höhe von 585.151 S brutto oder 447.930,90 S netto samt 4 % Zinsen ab 16. Mai 1985 eingeschränkt.

II. Die Klage ist teilweise zulässig.

Der Kläger begehrt die Liquidierung der ihm aufgrund der dienstrechtlichen Bescheide gebührenden Geldansprüche (Monatsbezüge samt Verwaltungsdienstzulagen und Haushaltszulagen). Für solche Klagen ist nach der ständigen Rechtsprechung die Zuständigkeit des VfGH nach Art137 B-VG gegeben (VfSlg. 8371/1978 m w Nw).

Zwischen den Parteien war wohl strittig, ob das Dienstverhältnis in jenem Zeitraum noch bestanden hat, für den die Liquidierung begehrt wird. Diese Frage ist aber durch den Vorstellungsbescheid der OÖ Landesregierung, nach welchem der von Amts wegen erlassene negative Feststellungsbescheid des Gemeinderates der beklagten Marktgemeinde aufgehoben wurde, dahin erledigt, daß der Nichtbestand des Dienstverhältnisses nicht mehr festgestellt werden kann. Die Auffassung der beklagten Marktgemeinde, der VfGH sei in der Frage des Bestandes des Dienstverhältnisses nicht an das Erkenntnis des VwGH gebunden, verfehlt den entscheidenden Punkt, denn der Spruch der Vorstellungsbehörde hat den Streit rechtskräftig entschieden. Unter diesen Umständen kann der Kläger nicht auf die Möglichkeit der Erwirkung eines bescheidmäßigen Abspruches über das Bestehen seines Dienstverhältnisses verwiesen werden.

Der im ergänzenden Schriftsatz der beklagten Marktgemeinde unternommene Versuch, unter Hinweis auf "arbeitsrechtliche Grundsätze" aus der mangelnden Leistungsbereitschaft des Klägers (während der Zeit, in der er selbst von der Beendigung seines Dienstverhältnisses überzeugt gewesen sei) eine Verwirkung der Dienstbezüge abzuleiten, tut nicht dar, daß der Kläger Gelegenheit hätte, eine Entscheidung der Dienstbehörde über seine Leistungsbereitschaft zu erwirken. Die Behauptung, daß ein Streit über die Frage der Gebührlichkeit der Dienstbezüge unter dem Blickwinkel des eigenmächtigen Fernbleibens vom Dienst ohne ausreichenden Entschuldigungsgrund im Sinne des §13 Abs3 Z2 GehaltsG 1956 (als landesgesetzliche Vorschrift in Kraft gemäß ArtI Abs1 Z12 lita und IV Z10 der 20. Ergänzung zum LandesbeamtenG, LGBl. 68/1981, iVm §§26 Abs1 sowie 2 Abs1 GemeindebedienstetenG) vorliege - der von der Dienstbehörde zu entscheiden wäre (vgl. VfSlg. 7260/1974) -, ist dem Vorbringen der beklagten Marktgemeinde nicht zu entnehmen und liegt vor dem Hintergrund des freisprechenden Erkenntnisses des Dienststrafoberausschusses auch nicht nahe. Ein allgemeiner Grundsatz der von der beklagten Marktgemeinde behaupteten Art ist dem öffentlichen Dienstrecht aber fremd.

Gleichwohl kann der VfGH nicht ausschließen, daß es für die Gebührlichkeit der Dienstbezüge von Bedeutung ist, wenn sowohl die Dienstbehörde wie der Beamte ihr Verhalten insgesamt an der (falschen) Überzeugung ausgerichtet haben, das Dienstverhältnis sei beendet. Da ein solcher Zustand jahrelang dauern kann, sind Zweifel am Fortbestand des Anspruchs auf Dienstbezüge in solchen Fällen nicht schlechthin unvertretbar. Der Gerichtshof ist daher der Auffassung, daß über diese Frage die Dienstbehörde zu entscheiden hat.

Für die Zeit, für welche die Rechtslage aus diesem Gesichtspunkt strittig ist, geht es also nicht um die bloße Liquidierung der gebührenden Dienstbezüge. Insoweit ist der VfGH zur Entscheidung über das Klagebegehren nicht zuständig.

Strittig kann die Gebührlichkeit der Bezüge unter dem Gesichtspunkt der vermeintlichen Beendigung des Dienstverhältnisses aber nur bis zur Klarstellung der Rechtslage durch die Aufsichtsbehörde Ende Dezember 1982 gewesen sein. Von da an war beiden Teilen die Möglichkeit des Fortbestehens des Dienstverhältnisses bewußt. Für die Zeit ab 1. Jänner 1983 kann der VfGH dem Parteienvorbringen keine Behauptungen entnehmen, die noch Gegenstand einer Entscheidung der Dienstbehörde sein könnten. Für die Jahre 1983 und 1984 ist die Klage daher zulässig.

III. Im zulässigen Umfang ist das Klagebegehren begründet.

Die dem Kläger als Beamten im Dienststande der beklagten Marktgemeinde auf Grund des Bescheides vom 24. November 1978 zustehenden Ansprüche (an Monatsgehalt, Haushaltszulage und Verwaltungsdienstzulage) stehen der Höhe nach außer Streit. Ihrer Liquidierung steht nichts entgegen.

Der Klage ist daher stattzugeben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §43 ZPO (§35 VerfGG).

Schlagworte

VfGH / Klagen, VfGH / Liquidierungsklage, Bescheid Rechtskraft, Dienstrecht Bezüge, Arbeitsrecht, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:A7.1985

Dokumentnummer

JFT_10129385_85A00007_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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