TE Vwgh Erkenntnis 1990/2/27 86/07/0108

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Veröffentlicht am 27.02.1990
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Index

L66504 Flurverfassung Zusammenlegung landw Grundstücke
Flurbereinigung Oberösterreich;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);

Norm

ABGB §1452;
ABGB §1460;
ABGB §1468;
ABGB §1497;
FlVfLG OÖ 1979 §11;
FlVfLG OÖ 1979 §13;

Betreff

AH gegen Landesagrarsenat beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung vom 3. April 1986, Zl. Bod-1534/11-1986, betreffend Zusammenlegung Weißenkirchen, Besitzstandsausweis (mitbeteiligte Parteien: AD und PD)

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- und den Mitbeteiligten zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 10.590,--, jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Zusammenlegungsverfahren Weißenkirchen wurde durch Auflage zur allgemeinen Einsicht in der Zeit vom 13. bis 28. Mai 1985 von der Agrarbezirksbehörde Gmunden (ABB) der Besitzstandsausweis und Bewertungsplan erlassen. Gegen diesen beriefen die nun am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof mitbeteiligten Parteien insoweit, als mit diesem nicht das gesamte Grundstück nnn/1 KG Weißenkirchen ihrem Besitzstand zugerechnet wurde.

Der Landesagrarsenat beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung gab dieser Berufung mit Erkenntnis vom 3. April 1986 gemäß § 1 AgrVG 1950, § 66 Abs. 4 AVG 1950, §§ 11 und 13 des OÖ Flurverfassungs-Landesgesetzes 1979, LGBl. Nr. 73 (FLG), sowie §§ 1451, 1452, 1460 und 1468 ABGB Folge und änderte den bekämpften Besitzstandsausweis dahin ab, daß die als M 19 bezeichnete Teilfläche des Altgrundstückes nnn/1 KG Weißenkirchen - welche nach dem Besitzstandsausweis dem Beschwerdeführer zugeschrieben worden war - im Eigentum der Mitbeteiligten stehe. Begründend wurde auf die Berufung, die in erster Instanz in der Angelegenheit geführten Ermittlungen sowie auf eine von Mitgliedern des Landesagrarsenates gemeinsam mit den betroffenen Parteien und Auskunftspersonen vorgenommene Erhebung und Besprechung Bezug genommen und unter Hinweis auf § 11 FLG ausgeführt:

Die ABB habe im vorliegenden Besitzstandsausweis die südlich des das Grundstück nnn/1 teilenden Gerinnes gelegene Fläche im Ausmaß von 884 m2 dem Beschwerdeführer zugesprochen.

Mit Kaufvertrag vom 17. Juli 1917 hätten die Rechtsvorgänger der Mitbeteiligten von MS und TS unter anderem das 531 Quadratklafter (1.910 m2) große Grundstück nnn/1 erworben. Dieser Vertrag sei grundverkehrsbehördlich genehmigt und verbüchert worden, sodaß die gesamte Parzelle in der EZ nnn2 des Grundbuches Weißenkirchen im Eigentum der Mitbeteiligten vorgetragen sei.

Im Hinblick darauf, daß die Mitbeteiligten als bücherliche Eigentümer dieser Fläche anzusehen seien, habe sich die Frage ergeben, ob ihnen dieses Recht auf Grund der Ersitzung durch den Beschwerdeführer verlorengegangen sei oder ob durch sonstige Umstände das Eigentumsrecht nicht mehr bestehe.

Zur Klärung dieser Frage habe die ABB bereits umfangreiche Erhebungen und Zeugeneinvernahmen durchgeführt und sei zum Ergebnis gekommen, daß - insbesondere in Ansehung der Angaben von M.B. - der genannte Flächenteil auf Grund der Ersitzung dem Beschwerdeführer zuzusprechen gewesen sei.

§ 1451 ABGB verstehe unter Verjährung den Verlust eines Rechtes, welches während der vom Gesetz bestimmten Zeit nicht ausgeübt worden sei. Werde das verjährte Recht vermöge des gesetzlichen Besitzes zugleich auf jemand anderen übertragen, so heiße es ein ersessenes Recht und die Erwerbsart Ersitzung (§ 1452 ABGB). § 1468 ABGB führe aus, daß in bezug auf unbewegliche Sachen die Ersitzung erst nach 30 Jahren vollendet sei. Die Ersitzung erfordere, daß jemand die Sache oder das Recht, die auf diese Wiese erworben werden sollten, wirklich besitze, wobei der Besitz rechtmäßig, redlich und echt zu sein habe (§ 1460 ABGB). Unbestritten stehe fest, daß vor dem Verkauf der bezeichneten Fläche der Gewässer-Durchstich errichtet und der strittige Grundstücksteil aufgeforstet worden sei; es könne auch nicht außer acht gelassen werden, daß die Parzelle nnn/1 zur Gänze im Kaufvertrag vom 17. Juli 1917 genannt und demgemäß auch als Eigentum der Rechtsvorgänger der Mitbeteiligten intabuliert worden sei (§ 431 ABGB). An dem damit geschaffenen Eigentum könne die Aussage der M.B. nichts ändern, da diese nur über die seinerzeitigen Verkaufsabsichten ihrer Eltern (der Verkäufer) Vermutungen habe äußern können; einerseits habe M.B. angegeben, ihres Wissens sei davon ausgegangen worden, daß die Wiesenfläche nur bis zum Durchstich habe verkauft werden sollen, andererseits sei von ihr erklärt worden, sie könne nicht sagen, warum im Zuge des Verkaufes keine Vermessung erfolgt und ob Grenzzeichen gesetzt worden seien. Dazu sei festzustellen, daß, wenn von den Rechtsvorgängern der Mitbeteiligten die Fläche nur bis zum Durchstich erworben worden wäre, auf jeden Fall eine Vermessung hätte durchgeführt werden müssen, weil nur auf Grund eines derartigen Planes die Verbücherung möglich gewesen wäre.

Zur Äußerung der M.B., die Rechtsvorgänger der Mitbeteiligten hätten nur bis zum neuen Bach kaufen können, weil der andere Teil bereits aufgeforstet gewesen sei, werde bemerkt, daß die ebenfalls (wie die strittige Fläche) südlich des Durchstichs liegende westliche dreiecksförmige Fläche der Parzelle nnn/1 als Eigentum der Mitbeteiligten anerkannt worden sei. Von der strittigen Parzelle gehöre den Mitbeteiligten also auch auf der anderen (südlichen) Seite des neuen Baches eine Grundfläche, die ebenfalls ein Teil der Altparzelle nnn/1 sei. Insoweit decke sich die Aussage der M.B. nicht mit den gegebenen und unbestrittenen Eigentumsverhältnissen. Für die Annahme der M.B., die genannte Parzelle hätte nur bis zum Durchstich verkauft werden sollen, spreche, daß die aufgeforstete Fläche auch nach dem Verkauf von den Verkäufern bewirtschaftet worden sei. Dies ändere jedoch nichts an der Tatsache, daß im zitierten Kaufvertrag eindeutig die gesamte Parzelle nnn/1 als von den Verkäufern übergeben und von den Käufern übernommen angegeben und auch in diesem Umfang das Eigentumsrecht im Grundbuch einverleibt worden sei. Wenn, wie M.B. angebe, nicht die gesamte Parzelle nnn/1 verkauft worden wäre, hätten die Verkäufer gemäß § 1487 ABGB den Vertrag (gerechnet vom Tag des Abschlusses) innerhalb von drei Jahren anfechten können; diese Möglichkeit sei offenbar nicht ergriffen worden, sodaß die ganze Parzelle nnn/1 aus der Liegenschaft der Verkäufer ab- und den Käufern zugeschrieben worden sei.

Zur Frage, ob der südlich des neuen Baches liegende 884 m2 große Teil der Parzelle nnn/1 vom Beschwerdeführer bzw. von seinen Rechtsvorgängern ersessen worden sei, werde festgestellt, daß von beiden Parteien bzw. den von ihnen namhaft gemachten Zeugen angegeben worden sei, sie hätten den strittigen Grundstücksteil bewirtschaftet.

Auf Grund dieser Aussagen sei die Annahme, daß wahrscheinlich beide Parteien zeitweise die strittige Fläche genutzt hätten, durchaus zulässig; es könne daher nicht gefolgert werden, daß sich die Vorbesitzer der Mitbeteiligten bzw. diese selbst ihres grundbücherlich abgesicherten Eigentumsrechtes an der strittigen Fläche durch Nichtausübung über einen Zeitraum von 30 Jahren begeben hätten und dadurch ihr Recht verjährt sei - dies wäre jedoch die Voraussetzung gewesen, damit der Beschwerdeführer das Eigentumsrecht an der beschriebenen Fläche hätte ersitzen können. Der Landesagrarsenat sei daher der Auffassung, daß die Parzelle nnn/1 - wie sie mit dem Kaufvertrag aus dem Jahre 1917 erworben und im Grundbruch einverleibt worden sei - zum Besitzstand der Mitbeteiligten gehöre.

Dieses Erkenntnis wird mit der vorliegenden Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bekämpft, wobei sich der Beschwerdeführer nach seinem ganzen Vorbringen in dem Recht auf Anerkennung seines Eigentums an der im angefochtenen Erkenntnis bezeichneten Grundfläche und dementsprechende Berücksichtigung im Besitzstandsausweis verletzt erachtet.

Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Parteien haben Gegenschriften erstattet und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auszugehen ist sachverhaltsmäßig davon, daß die Mitbeteiligten bücherliche Eigentümer des ganzen Grundstückes nnn/1 sind und der dem Eigentumserwerb als Rechtstitel zugrundeliegende - in der Folge nicht (etwa wegen Irrtums) angefochtene - Kaufvertrag aus 1917 nach seinem Wortlaut das gesamte Grundstück nnn/1 betrifft, so daß ein Eigentumserwerb der vom Beschwerdeführer beanspruchten Teilfläche nur im Weg der Ersitzung hätte erfolgen können. Soweit die Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis und in der Beschwerde die Frage des wahren Parteiwillens bezüglich des bezeichneten Kaufvertrages betreffen, sind sie daher lediglich für die Frage der Redlichkeit und Echtheit des vom Beschwerdeführer behaupteten Besitzes während der entsprechenden Zeit (§§ 1452 ff ABGB) von Bedeutung. Dies stimmt mit dem Beschwerdepunkt überein, in dem vom Erwerb von "Eigentum durch Ersitzung" zugunsten des Beschwerdeführers und seiner Rechtsvorgänger ausgegangen wird. Im Vordergrund der maßgebenden Auseinandersetzungen auf Verwaltungsebene stehen jedoch nicht die eben hervorgehobenen beiden Momente, sondern die Frage, ob der Beschwerdeführer und seine Rechtsvorgänger die betroffene Grundfläche allein - das heißt insbesondere unter Ausschluß des Besitzes der Mitbeteiligten und ihrer Rechtsvorgänger - besessen habe und dieser Besitz durch die ganze vom Gesetz bestimmte Zeit, nämlich dreißig Jahre (§§ 1460, 1468 ABGB), fortgesetzt wurde. Nun hat die belangte Behörde zwar in teilweiser Übereinstimmung mit dem Beschwerdeführer eine Besitzausübung durch diesen in Form der Bewirtschaftung des betreffenden bewaldeten Grundstücksteiles für gegeben angesehen, sie ist jedoch zu dem Ergebnis gelangt, daß auch die Ersitzungsgegner die strittige Fläche zeitweise genutzt und sich demnach ihres Rechtes durch Nichtausübung während der gesetzlichen Ersitzungszeit nicht begeben hätten, so daß der Beschwerdeführer bzw. seine Rechtsvorgänger nicht zu dem von ihm beanspruchten Alleinbesitz im Weg der Ersitzung gelangt sei. Diese Annahme erweist sich - wie im folgenden zu zeigen ist - anhand des von den Agrarbehörden ermittelten Sachverhaltes nicht als rechtswidrig. Die belangte Behörde konnte sich nämlich auf die Aussagen von Zeugen stützen, die über dahin gehende Wahrnehmungen zu berichten in der Lage waren. So hat ein Zeuge über Waldarbeiten der Ersitzungsgegner im Jahr 1934, ein anderer Zeuge über Waldschlägerungen von seiten dieser im Herbst 1941, ein weiterer von deren Holznutzungen in den Jahren 1940 oder 1941, zu einem nicht genauer bezeichneten Zeitpunkt zwischen 1945 und 1960 sowie aus den "50er Jahren" berichtet und der Erstmitbeteiligte ausgesagt, sich an die Beteiligung an einer Schlägerung im Jahr 1955 oder 1956 erinnern zu können. Der Beschwerdeführer hat demgegenüber lediglich angegeben, eine Nutzung des betreffenden Grundstücksteiles durch die Ersitzungsgegner nie beobachtet zu haben, was die Richtigkeit der Angaben nicht ausschließt, und seine eigene Bewirtschaftung während seines ganzen Lebens behauptet. Der Beschwerdeführer hat darüber hinaus selbst eingeräumt, nicht ausschließen zu können, daß im Jahre 1934 oder im Jahre 1940, 1941 oder 1948 ohne sein Wissen "Holzschlägerungen im geringfügigen Ausmaß" in dem betreffenden Waldteil seitens der Ersitzungsgegner vorgenommen worden seien. Nun kommt es aber auf das Wissen oder Wahrnehmungen des Beschwerdeführers, soweit es um das Moment der Besitzausübung geht, nicht an, und es genügt eine auch nur einmalige Eigentumsausübung des Gegners während der Ersitzungszeit, um die Ersitzung zu unterbrechen (vgl. dazu die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes SZ 33/32). Da die auf Grund der Ermittlungen festgestellte erste Unterbrechungshandlung 1934 und die letzte in den 50er Jahren bzw. 1955 oder 1956 stattgefunden hat, wäre eine zunächst frühestens ab 1917 laufende (später wieder neu beginnende) kontinuierliche Ersitzungszeit zugunsten des Beschwerdeführers frühestens in den 80er Jahren bzw. 1985 abgelaufen. Da jedoch bezogen auf diese letzten dreißig Jahre der Beschwerdeführer - dem insofern die Beweislast oblag - seinerseits keinen Nachweis kontinuierlicher Besitzausübung erbracht hat und das bloße Fortdauern eines äußerlich nicht in entsprechender Weise in Erscheinung tretenden Besitzwillens für die (Vollendung der) Ersitzung nicht ausreicht (vgl. dazu Schubert in Rummel, ABGB, Rdz 7 und 8 zu § 1460), kann der Verwaltungsgerichtshof nicht finden, daß die belangte Behörde bei der gegebenen Sachlage durch eine unschlüssige Beweiswürdigung dahin gelangt wäre, ein durch Ersitzung erworbenes Eigentum des Beschwerdeführers in bezug auf die im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses angeführte Fläche zu verneinen. Die in der Beschwerde neuerlich behauptete Anerkennung eines Eigentums des Beschwerdeführers durch die Mitbeteiligten schließlich hat sich schon auf Verwaltungsebene als nicht stichhaltig, sondern als ein Mißverständnis erwiesen.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG und der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989; von den mitbeteiligten Parteien zum Ersatz beantragte Stempelgebühren im entrichteten, aber nicht erforderlichen Ausmaß von S 240,-- sowie für eine zur Rechtsverfolgung nicht erforderliche Beilage in der Höhe von S 60,-- konnten nicht vergütet werden.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1986070108.X00

Im RIS seit

27.02.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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