TE Vwgh Erkenntnis 1990/5/9 89/02/0220

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Veröffentlicht am 09.05.1990
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §45 Abs2;
KFG 1967 §99 Abs5 idF 1977/615;
KFG 1967 §99 Abs5 idF 1982/362 ;
KFG 1967 §99 Abs5 idF 1982/362;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

N gegen Landeshauptmann von Wien vom 8. November 1989, Zl. MA 70-10/2512/88/Str betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.810,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 8. November 1989 wurde der Beschwerdeführer einer Übertretung nach § 99 Abs. 5 KFG 1967 schuldig erkannt und hiefür bestraft, weil er am 25. März 1988 um 16.49 Uhr in Wien 23, auf der A 23 Höhe Lichtmast 033 in Richtung Süden, ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt und trotz Sichtbehinderung durch Regen weder das Abblendlicht noch die Nebelscheinwerfer verwendet habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer bestreitet - wie schon im Verwaltungsstrafverfahren - die Begehung der ihm zur Last gelegten Tat; er bekämpft damit die Beweiswürdigung der belangten Behörde. Diese unterliegt der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zwar nur in der Richtung, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die hiebei vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind (vgl. dazu insbesondere das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053). Der angefochtene Bescheid leidet aber an derartigten wesentlichen Verfahrensmängeln. Die belangte Behörde hat nämlich ihrer Entscheidung die Angaben des Meldungslegers und das "meteorologische Gutachten" (richtiger: die Auskunft) der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik vom 8. Februar 1989 zugrunde gelegt, wobei ihre Annahme, daraus sei abzuleiten, daß - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - zur Tatzeit am Tatort eine Sichtbehinderung durch Regen gegeben gewesen sei, nicht zutrifft.

In der Anzeige heißt es, daß der betreffende Fahrzeuglenker (also der Beschwerdeführer) "trotz Sichtbehinderung durch Regen während der Dämmerung" weder Abblendlicht noch Nebelscheinwerfer verwendet habe. In seiner Zeugenaussage vom 19. Juli 1988 hat der Meldungsleger bekundet, daß er damals zu einem Verkehrsunfall gerufen worden sei und sich dieser ereignet habe, "weil es bereits regnete und mehrere Fahrzeuge zu schnell unterwegs waren", sowie daß "die Sichtverhältnisse ohne Licht nicht mehr ausreichend waren, da es bereits dämmerte und es bewölkt war"; abschließend erklärte er, er "halte daher meine Angaben in der Anzeige vollinhaltlich aufrecht". Versucht man diese Angaben miteinander in Einklang zu bringen, so wären sowohl Regen als auch Dämmerung gemeinsam für die Sichtbehinderung maßgebend gewesen. Daß allerdings zur Tatzeit bereits Dämmerung geherrscht habe, erscheint durch die Auskunft der Zentralanstalt widerlegt, weshalb sich die belangte Behörde auch veranlaßt gesehen hat, den Spruch neu zu fassen, indem sie die im Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses zusätzlich zu den Worten "trotz Sichtbehinderung durch Regen" enthaltenen Worte "während der Dämmerung" eliminiert hat. Die Angaben des Meldungslegers sind daher nicht geeignet, darauf den Schuldspruch, es habe eine (ausschließlich) durch Regen verursachte Sichtbehinderung bestanden, zu stützen. Der Hinweis der belangten Behörde auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Mai 1971, Zl. 2211/70 (veröffentlicht in ZVR 1972/9), in welchem gesagt wurde, daß den zur Wahrnehmung der Vorgänge des öffentlichen Straßenverkehrs bestellten und geschulten Organen der Sicherheitswache zugebilligt werden müsse, mit Sicherheit festzustellen, ob und welche Witterungsverhältnisse die Beleuchtung eines Kraftfahrzeuges erforderlich machen, ist schon aus diesem Grunde verfehlt. Im übrigen war der dort gegebene Sachverhalt vom vorliegenden insofern verschieden, als hier die Möglichkeit einer objektiven Überprüfung der Angaben des Meldungslegers durch die Einholung einer Auskunft der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik nicht ausgeschlossen werden konnte (vgl. bezüglich eines insofern gleichartigen Beschwerdefalles das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. November 1979, Zl. 2311/79).

Aber auch aus der diesbezüglich eingeholten Auskunft ist für den Standpunkt der belangten Behörde nichts zu gewinnen. Daraus ergibt sich eindeutig, daß es zur Tatzeit noch "taghell" und eine "Sichtbehinderung durch Nebel nicht gegeben" war. Daß es demnach "seit ca. 13.00 Uhr mit leichter bis mäßiger Intensität regnete", bedeutet noch keineswegs das Vorliegen einer dadurch bewirkten Sichtbehinderung. Wenn die belangte Behörde ausführt, die Auskunft enthalte "zwar den Hinweis, daß eine Sichtbehinderung durch Nebel damals nicht gegeben war, jedoch ergibt sich daraus auch nicht, daß eine derartige Behinderung durch Regen ausgeschlossen werden kann", womit sie offenbar zum Ausdruck bringt, daß diese Auskunft nicht im Widerspruch zu den Angaben des Meldungslegers stehe, sodaß sie verwertet werden könnten, so ist ihr nicht nur die bereits aufgezeigte Unbrauchbarkeit dieser Angaben zu Lasten des Beschwerdeführers entgegenzuhalten, sondern darauf hinzuweisen, daß diese Auskunft eher für die Darstellung des Beschwerdeführers spricht und es für die Annahme des Gegenteils einer entsprechenden Ergänzung dieser Auskunft bedurft hätte. Dazu kommt, daß die belangte Behörde es unterlassen hat, Feststellungen darüber zu treffen, von welcher konkreten Sichtweite sie tatsächlich ausgegangen ist (vgl. auch dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. November 1979, Zl. 2311/79).

Da somit der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf und Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Allgemein Beweismittel Sachverständigenbeweis Besonderes Fachgebiet Beweismittel Zeugenbeweis Zeugenaussagen von Amtspersonen Sachverhalt Beweiswürdigung Verfahrensbestimmungen Beweiswürdigung Antrag freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989020220.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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