TE Vwgh Erkenntnis 1990/6/19 89/07/0174

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Veröffentlicht am 19.06.1990
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

AVG §13 Abs1;
AVG §44 Abs1;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §67;
WRG 1959 §111 Abs1;
WRG 1959 §21 Abs2;

Betreff

A u B gegen Landeshauptmann von Steiermark vom 25. September 1989, Zl. 3-30 P 185-89/13, betreffend wasserrechtliche Bewilligung mit zeitlicher Beschränkung (§ 21 Abs. 2 WRG 1959)

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 10.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid vom 9. Oktober 1984 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Liezen (BH) gemäß den §§ 9 Abs. 2, 11, 12, 13, 21 Abs.2, 98 Abs. 1, 107, 111 und 122 WRG 1959 den nunmehrigen Beschwerdeführern unter einer Reihe von Auflagen die wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung einer (im Spruch näher beschriebenen) hydroelektrischen Wasserkraftanlage am R-Bach in der Marktgemeinde W. Diese Bewilligung wurde spruchmäßig "auf die Dauer von 30 Jahren, das ist bis 31.10.2014", beschränkt.

Die Begründung des Bescheides erschöpft sich im wesentlichen in der wörtlichen Wiedergabe des Inhaltes der Verhandlungsschrift vom 24. September 1984 (darunter auch des Satzes: "Die Konsenswerber nehmen ausdrücklich zur Kenntnis, daß die Bewilligung auf 30 Jahre befristet erteilt werden wird.").

2. Die gegen diesen Bescheid, und zwar "nur insoweit, als die Bewilligungsdauer des Wasserrechtes mit 31. Oktober 2014 festgesetzt wurde und nicht mit der im Gesetz vorgesehenen Frist von 90 Jahren", erhobene Berufung der Beschwerdeführer wies der Landeshauptmann von Steiermark (die belangte Behörde) im zweiten Rechtsgang - die erste über diese Berufung ergangene Entscheidung der belangten Behörde vom 1. Oktober 1985 wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 23. Mai 1989, Zl. 85/07/0300, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben - mit Bescheid vom 23. September 1989 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als unbegründet ab; gleichzeitig setzte er den "Ablauf der Bewilligungsdauer mit 30.9.2019" fest.

Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen folgendes aus: Die Beschwerdeführer hätten laut Verhandlungsschrift vom 24. September 1984 ausdrücklich zur Kenntnis genommen, daß die Bewilligung auf 30 Jahre befristet erteilt werden würde. Es sei daher zunächst zu prüfen gewesen, welche Bedeutung dieser Erklärung der Beschwerdeführer zukomme. Das AVG 1950 lasse sich vom Prinzip der Verfahrensökonomie leiten. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung solle gewährleisten, daß alle Parteien und Beteiligten unmittelbar an der Beweisaufnahme teilnähmen und sich zu dieser auch äußerten. Den Parteien komme aber nicht nur die Möglichkeit zur Äußerung, sondern vielmehr die Pflicht zu, etwaige Einwendungen gegen das Vorhaben oder das Verhandlungsergebnis bei sonstiger Präklusion zu erhoben. Aus den Erfahrungen des "täglichen (Verhandlungs-)Lebens" ergebe sich, daß in nahezu 99 % der Fälle Änderungen, Ergänzungen oder Präzisierungen des Anbringens (des Projektes, des Umfanges der angestrebten Benützung etc.) in Form der ausdrücklichen Zustimmung oder Kenntnisnahme des Antragstellers zum Verhandlungsergebnis, insbesondere zu den Gutachten der Sachverständigen, zu vorgeschlagenen Auflagen oder zu Forderungen von Parteien, erfolge. Dies stehe keineswegs in Widerspruch zum AVG 1950, da - außer in besonderen Fällen, die hier nicht vorlägen - völlige Formfreiheit gegeben sei. In diesem Sinne sei die ausdrückliche Zurkenntnisnahme der vorgesehenen Befristung durch die Beschwerdeführer anläßlich der Bewilligungsverhandlung als Präzisierung ihres Ansuchens anzusehen. Nur so lasse sich das Fehlen einer Begründung für die Befristung durch die Behörde erster Instanz erklären. Eine solche zu finden, wäre ihr "leicht gewesen", da im Hinblick auf eine zukünftige wasserwirtschaftliche Entwicklung eine längere Bewilligungsdauer nicht in Frage gekommen wäre. Die Beschwerdeführer hätten daher nicht in ihren Rechten verletzt werden können, wenn die Erstbehörde diese Befristung (30 Jahre) festgesetzt habe.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführer behaupten Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und begehren deshalb die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

4. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 21 Abs. 2 WRG 1959 ist die Bewilligung zur Ausnutzung der motorischen Kraft des Wassers für Betriebe, die nach ihrer Eigenart nur vorübergehend einer Wasserkraft bedürfen, auf die voraussichtliche Dauer des betreffenden Unternehmens, für Bahnzwecke auf die Dauer des Bahnbetriebes, für Bergbauzwecke auf die Dauer der Bergbauberechtigung, in allen anderen Fällen auf die Dauer von höchstens 90 Jahren, gerechnet vom Tage der Rechtskraft des Bewilligungsbescheides, zu erteilen.

2.1. Für inhaltlich rechtswidrig hält die Beschwerde den bekämpften Bescheid deshalb, weil die belangte Behörde den Beschwerdeführern eine Präzisierung ihres Antrages durch ausdrückliches Zurkenntnisnehmen unterstellt habe. Einem "ausdrücklichen Zurkenntnisnehmen" könne nicht die Bedeutung einer - auch nur impliziten - Zustimmung beigelegt werden. Dies ergebe sich bereits aus der Bedeutung des Wortes "Kenntnis" bzw. "Kenntnisnahme", handle es sich doch dabei um einen reinen Erkenntnis- und nicht um einen Willensakt. Darüber hinaus sei der Textzusammenhang der Verhandlungsschrift vom 24. September 1984 zu beachten, aus dem sich ergebe, daß die Beschwerdeführer keine (zeitliche) Einschränkung ihres Antrages vorgenommen hätten.

2.2. Der Gerichtshof teilt die in der Beschwerde vertretene Auffassung. Abgesehen davon, daß das "ausdrückliche Zurkenntnisnehmen" seitens der Beschwerdeführer, "daß die Bewilligung auf 30 Jahre befristet erteilt werden wird" (Verhandlungsschrift vom 24. September 1984, Seite 4 verso), objektiv schon von der Wortbedeutung her nicht als Zustimmung zu (Einverständnis mit) dieser zeitlichen Beschränkung bzw. als "Präzisierung" des Bewilligungsantrages dergestalt gewertet werden kann, daß ein ursprünglich ohne jede zeitliche Einschränkung gestelltes Ansuchen nunmehr als mit der besagten Beschränkung auf 30 Jahre gestellt anzusehen sei, spricht im Beschwerdefall noch zusätzlich die genannte Verhandlungsschrift gegen das von der belangten Behörde der Wendung: "Die Konsenswerber nehmen ausdrücklich zur Kenntnis, daß ...."

beigelegte Verständnis. In jener wurde nämlich von der Erstbehörde dort, wo tatsächlich das Einverständnis (die Zustimmung) einer Partei niederschriftlich festgehalten werden sollte, eine entsprechende, zu keinerlei Zweifel Anlaß gebende Formulierung gewählt: "Mit den von der Gemeinde geforderten Bedingungen sind die Konsenswerber vollinhaltlich einverstanden."; "Ebenso werden die übrigen Stellungnahmen, und

zwar ... (von den Beschwerdeführern) zustimmend zur Kenntnis

genommen."; "Mit der Beschränkung der Bauarbeiten auf eine Woche im Bereich des Weges sind die Konsenswerber einverstanden."; "Wir nehmen die Ausführungen der Konsenswerber AB zur Kenntnis und erklären ausdrücklich unsere Zustimmung."

Von diesen Aussagen hebt sich die im Beschwerdefall bedeutsame Wendung: "Die Konsenswerber nehmen ausdrücklich zur Kenntnis, daß ..." deutlich ab. Die von der Erstinstanz gewählten Formulierungen lassen in ihrem spezifischen Zusammenhang ohne weiteres den Schluß zu, daß mit der zuletzt zitierten Wendung eben gerade nicht das zum Ausdruck gebracht werden sollte, was die belangte Behörde aus ihr entnehmen zu können glaubte - nämlich eine von den Beschwerdeführern vorgenommene Einschränkung des von ihnen gestellten Antrages dahingehend, daß die angestrebte Bewilligung für die Wasserkraftanlage (nur) auf die Dauer von 30 Jahren erteilt werde.

3.1. Da somit die belangte Behörde zu Unrecht davon ausgegangen ist, daß die Beschwerdeführer eine wasserrechtliche Bewilligung lediglich befristet auf 30 Jahre anstrebten, bleibt zu prüfen, ob im angefochtenen Bescheid die auf diese Dauer beschränkte Bewilligung in einer dem Gesetz entsprechenden Weise begründet worden ist. Die Beschwerdeführer verneinen dies und meinen, daß der bloße Hinweis, es wäre der Erstbehörde ein Leichtes gewesen, eine Begründung zu finden, da im Hinblick auf eine künftige wasserwirtschaftliche Entwicklung eine längere Bewilligungsdauer nicht in Frage gekommen wäre, keine Begründung darstelle. Außerdem werde von der belangten Behörde nicht dargetan, worin eine solche zukünftige wasserwirtschaftliche Entwicklung bestehe, und weshalb diese eine längere Bewilligungsdauer als 30 Jahre nicht erlauben würde. Auch mit diesem Vorbringen ist die Beschwerde im Recht.

3.2. Gemäß §§ 60, 67 AVG 1950 hatte die belangte Behörde in der Begründung des bekämpften Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Diesen Anforderungen hat die belangte Behörde - von ihrer hier als unzutreffend erkannten Rechtsansicht her gesehen durchaus folgerichtig - nicht entsprochen. Daß der Hinweis, die Erstinstanz hätte leicht eine Begründung für die Befristung der Bewilligung auf 30 Jahre finden können, keine Begründung darstellt, bedarf keiner weiteren Darlegungen. Aber selbst wenn man zu dem Ergebnis gelangte, die belangte Behörde hätte mit diesem Hinweis (im Sinne einer von ihr gegebenen Begründung) hinreichend deutlich zu erkennen gegeben, daß eine längere als die mit 30 Jahren befristete Dauer der Bewilligung deswegen nicht in Betracht käme, weil dem "eine zukünftige wasserwirtschaftliche Entwicklung" entgegenstünde, so könnte diese Begründung keineswegs als ausreichend betrachtet werden. Denn die Bezugnahme auf "eine zukünftige wasserwirtschaftliche Entwicklung" müßte als viel zu unbestimmt angesehen werden, um nachvollziehbar und damit in einer sowohl die Rechtsverfolgungsmöglichkeiten der Beschwerdeführer nicht beeinträchtigenden als auch die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes ermöglichenden Weise darzulegen, weshalb im Beschwerdefall die nach § 21 Abs. 2 WRG 1959 für Wasserkraftanlagen mit höchstens 90 Jahren zu begrenzende Bewilligungsdauer auf 30 Jahre beschränkt worden ist. Der mehrfach erwähnte Hinweis auf "eine" künftige Entwicklung vermag - dies sei ausdrücklich hinzugefügt - der angefochtenen zeitlichen Beschränkung umso weniger eine tragfähige Grundlage zu bieten, als nach der in den vorgelegten Akten erliegenden fachlichen Stellungnahme der "Landesbaudirektion, Referat für wasserwirtschaftliche Rahmenplanung" vom 12. Dezember 1984 "eine Befristung von 50 Jahren" vorgeschlagen wurde.

4. Da nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde, hätte sie ihre Entscheidung - in Auseinandersetzung mit dem Berufungsvorbringen - ausreichend begründet, zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre, der Begründungsmangel sich somit als wesentlich erweist, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989070174.X00

Im RIS seit

12.11.2001

Zuletzt aktualisiert am

01.06.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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