TE Vwgh Erkenntnis 1990/11/6 90/07/0089

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Veröffentlicht am 06.11.1990
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Index

L55003 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Niederösterreich;
L55053 Nationalpark Biosphärenpark Niederösterreich;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

AVG §38;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art140 Abs1;
LSchV NÖ 1979 §2 Abs18;
NatSchG NÖ 1977 §6 Abs1;
NatSchG NÖ 1977 §8;
NaturparkV NÖ 1979 §2 Abs4;
WRG 1959 §105 litf;
WRG 1959 §105 litm;
WRG 1959 §105;
WRG 1959 §111 Abs1;
WRG 1959 §12 Abs1;
WRG 1959 §38 Abs1;
WRG 1959 §41 Abs1;
WRG 1959 §41 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger und Dr. Kremla als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Boigner, über die Beschwerde der N reg. Gen.m.b.H. gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 18. April 1990, Zl. III/1-29.125/2-90, betreffend Abweisung eines Ansuchens um wasserrechtliche Bewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ersuchte am 8. Februar 1989 aus Anlaß der geplanten (und baurechtlich bewilligten) Errichtung mehrerer Wohnhäuser in X die Bezirkshauptmannschaft Mödling (BH) um wasserrechtliche Bewilligung für die "Verlegung" eines offenen Gerinnes.

Die BH ersuchte dazu das NÖ. Gebietsbauamt I um Abgabe einer sachverständigen Beurteilung dieses Ansuchens. Das Gebietsbauamt stellte auf Grund der vorgelegten Unterlagen und einer Besichtigung an Ort und Stelle fest, daß es sich um ein Ansuchen um Verlegung und Verrohrung eines Gerinnes handle. Dieses Gerinne erfülle neben seiner wasserwirtschaftlichen Funktion als Vorfluter für Oberflächenwasser und Grundwasser auch eine bedeutende ökologische Rolle als vielfältiger Lebensraum für Pflanzen und Tiere. Durch eine Verrohrung werde dieser Charakter des Gewässers nicht nur verändert, sondern sogar völlig zerstört. Es liege daher im öffentlichen Interesse, das Gerinne zumindest in einem den natürlichen Verhältnissen ähnlichen Zustand zu erhalten. Es könnte daher nur allenfalls eine offene Grabenverlegung, nicht aber die geplante Verrohrung positiv begutachtet werden. Diese Begutachtung wurde der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht, welche in einem Schreiben vom 17. März 1989 um Bescheiderlassung ersuchte, damit die zweite Instanz mit diesem Problem befaßt werden könne.

Mit Bescheid vom 7. April 1989 wies die BH das Ansuchen der Beschwerdeführerin unter Bezugnahme auf die §§ 98, 104, 105 lit. m und 106 WRG 1959 idF gemäß BGBl. Nr. 238/1985 ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab. Begründend verwies die BH darauf, daß die Beschwerdeführerin trotz des Hinweises, daß eine Verrohrung kaum bewilligungsfähig sei, eine Gerinneverrohrung projektiert habe. Diese sei vom Amtssachverständigen nicht positiv begutachtet worden. Das Vorhaben der Beschwerdeführer falle unter die wasserrechtliche Bewilligungspflicht nach § 38 WRG 1959, da abgesehen von der Verrohrung auch eine Bauführung in weiterer Folge im Hochwasserabflußbereich des Gerinnes vorgesehen sei. Da dem Ansuchen öffentliche Interessen im Sinne des § 105 lit. m WRG 1959 entgegenstünden, sei es gemäß § 104 leg. cit. ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung abzuweisen gewesen.

In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung verwies die Beschwerdeführerin darauf, daß ihr Baugrundstück im Flächenwidmungsplan als Bauland-Wohngebiet ausgewiesen sei, und daß demnach raumordnungsmäßig auf die im Gemeindegebiet angestrebten Ziele Bedacht zu nehmen sei. Um eine flächenwidmungsgemäße Verbauung durchzuführen, müßten nur 50 m des insgesamt 800 m langen Gerinnes verrohrt werden; anderenfalls müßten von den geplanten zehn Reihenhäusern mindestens fünf entfallen. Der Bebauungsvorschlag der Beschwerdeführerin habe eine offene Gerinneführung nicht berücksichtigen können. Eine Belassung des Gerinnes würde daher dem großen Wohnbedarf in X im Wege stehen, außerdem müßte mit einer Gefährdung durch Hochwasser gerechnet werden. Auf diese Umstände sei im erstinstanzlichen Bescheid nicht Rücksicht genommen worden.

Die belangte Behörde holte im Berufungsverfahren ein Gutachten ihres wasserbautechnischen Amtssachverständigen ein, der nach einer Befundaufnahme an Ort und Stelle zu folgendem Ergebnis kam:

"Durch die geplante Verrohrung würde der Y-Bach im Bereich der Parz. 290/4, KG X, zur Gänze zum Fortfall kommen. Dies bedeutet eine Verhinderung des Gemeingebrauches und eine Beeinträchtigung der ästhetischen Wirkung des Gerinnes. Weiters bewirkt die Verrohrung eine wesentliche Beeinträchtigung der ökologischen Funktionsfähigkeit des Gewässers. In der Verrohrungsstrecke ist durch das Fehlen von Licht und die glatten Wandungen die Ausbildung einer Bachbiozönose nicht möglich. Die Verrohrung stellt somit die gänzliche Vernichtung des Baches hinsichtlich landschaftlicher und ökologischer Wirkung dar."

In ihrer Stellungnahme zu diesem Gutachten hielt die Beschwerdeführerin daran fest, daß ihrer Auffassung nach eine wesentliche Beeinträchtigung der ökologischen Funktionsfähigkeit dieses Gewässers nicht zu besorgen wäre. Auch sei die Wertigkeit der Erhaltung eines kleinen Teiles des Gerinnes den Nachteilen für die Bebauung gegenüberzustellen. Die Beschwerdeführerin stelle daher weiterhin den Antrag auf Verrohrung des Gerinnes auf ca. 50 m; im Falle der Nichtstattgebung ersuche die Beschwerdeführerin um Genehmigung einer Verrohrung von 15 m im Sinne des (in den vorgelegten Akten nicht enthaltenen) Kompromißvorschlages.

Darüber hielt die belangte Behörde am 16. November 1989 eine Verhandlung an Ort und Stelle ab. Nach Erörterung des Sachverhaltes und des Projektes hielt der wasserbautechnische Amtssachverständige in seinem Gutachten zwar daran fest, daß die vorgesehene Verrohrung einen Eingriff in das natürliche Gewässerregime darstelle; durch den Umstand, daß nunmehr von den rund 50 m der natürlichen Fließstrecke 32 m wiederum als offenes Gerinne ausgebildet würden, würden aber die nachteiligen Auswirkungen auf die landschaftlichen und ökologischen Verhältnisse gering gehalten. Außerdem wurde in dieser Verhandlung das Gutachten eines Amtssachverständigen für Naturschutz eingeholt, in welchem ausgeführt wurde wie folgt:

"Derzeit erfüllt der gegenständliche Y-Bach als offenes Gerinne die Funktion eines Lebensraumes für die Pflanzen und Tiere der Bachbiozönose. Eine genaue Analyse des Artenspektrums kann auf Grund der Jahreszeit nicht vorgenommen werden. Neben der ökologischen Bedeutung des Gerinnes ist durch den Umstand, daß sich das gegenständliche Grundstück im Landschaftsschutzgebiet Wienerwald und im Naturpark Föhrenberge befindet, bei der Beurteilung des Vorhabens besondere Rücksicht auf den landschaftlichen Aspekt zu legen. Einer Verrohrung eines offenen Gerinnes wird von seiten des Naturschutzes prinzipiell nur in äußersten Notfällen, d.h. wenn eine offensichtliche Gefährung für Menschen besteht und absolut keine andere Alternative zur Verfügung steht, zugestimmt. Beim gegenständlichen Vorhaben ist dies nicht der Fall, weil es sich um ein völlig neues Projekt handelt, das auf die natürlichen Gegebenheiten, d.h. auf das Vorhandensein eines offenen Gerinnes, nur sehr beschränkt Rücksicht nimmt.

Die Verrohrung des Y-Baches auf einer Länge von 18 m stellt einen schweren Eingriff in das Bachökosystem dar, da innerhalb eines Rohres die Ausbildung einer Bachbiozönose auf Grund des mangelnden Substrates bzw. Sonnenlichtes ein Leben von Pflanzen und Tieren nicht möglich ist. Dies bewirkt selbstverständlich auch eine Verschlechterung der Selbstreinigungskraft des Gewässers. Neben der ökologischen Unverträglichkeit erfährt auch das Landschaftsbild durch den Wegfall der 18 m langen Gerinnestrecke als landschaftsgestalterisches Element eine Beeinträchtigung.

Es wird vorgeschlagen, die als zu hoch erscheinende Ausbauwassermenge nochmals zu überprüfen, sodaß das Argument einer geringeren Ausbauwassermenge nicht mehr ins Gewicht fällt. Es könnte somit die Verrohrung auf ein auch für den Naturschutz akzeptables Ausmaß reduziert werden.

Gegen die Verlegung des Gerinnes bestehen im Gegensatz zu einer Verrohrung bei entsprechend naturnaher Ausgestaltung keine Bedenken. Diese naturnahe Ausgestaltung beinhaltet die Ausbildung einer Natursohle, den weitgehenden Verzicht auf die Befestigung der Böschung, die Anlage von variablen Böschungsneigungen und Sohlbreiten, um ein geometrisches Aussehen des Gerinnes zu unterbinden, bzw. sollte soweit möglich versucht werden, das Gerinne mit standorttypischen Gehölzen zu bepflanzen."

Die Beschwerdeführerin hielt dazu ihr Berufungsvorbringen aufrecht und verwies neuerlich darauf, daß ihrer Auffassung nach die Schaffung von Wohnraum als höherwertig zu erachten sei als die vom Sachverständigen für Naturschutz vorgebrachten Einwendungen. Die Verrohrung zumindest der vom Sachverständigen für Wasserbau als Kompromiß angesehenen Strecke von 18 m sei aus näher erläuterten technischen Gründen unbedingt erforderlich.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 18. April 1990 wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ab.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides gab die belangte Behörde einleitend eine ausführliche Darstellung des bisherigen Verfahrensverlaufes, wobei sie die eingeholten Gutachten in ihrem vollen Wortlaut wiedergab. In ihrer rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde, ausgehend von den Bestimmungen der §§ 12 Abs. 1 und 105 lit. e, f und m WRG 1959, aus, daß ein Unternehmen, dessen Ausführung einschließlich seiner künftigen Folgewirkung öffentlichen Interessen zuwiderlaufe, abgewiesen werden müsse, es sei denn, daß dem Interessenwiderstreit durch Bedingungen (Auflagen) abgeholfen werden könne. Solche "Bedingungen" könnten aber naturgemäß nur eine Modifizierung des zur Bewilligung stehenden Projektes zum Gegenstand haben, nicht aber Maßnahmen, die in den Rahmen des Projektes nicht mehr einzufügen wären. Aus den im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten gehe übereinstimmend hervor, daß bei einer Verrohrung der Gerinnesstrecke die Ausbildung einer Bachbiozönose nicht möglich sei. Ein Gedeihen von Lebewesen sei nicht denkbar, weil zu der verrohrten Strecke kein Sonnenlicht gelangen könne. Das Gerinne verliere dadurch in diesem Bereich seine ökologische Funktion als Lebensraum für Pflanzen und Tiere. Dies sei sicherlich als eine wesentliche Beeinträchtigung der ökologischen Funktionsfähigkeit des Gewässers anszusehen, wobei es weniger auf die Länge der beeinträchtigten Strecke als auf den Grad der Auswirkungen im betroffenen Bereich ankomme. Werde ein Gerinne so verbaut, daß es im verbauten Bereich als tot bezeichnet werden müsse, dann sei die ökologische Beeinträchtigung wesentlich. Eine Gerinnestrecke von 50 m oder auch 18 m könne nicht als vernachlässigbarer Bereich angesehen werden. Auch das Argument, daß das Gerinne unterhalb des Baugrundstückes bereits durch ein Rohr fließe, könne daran nichts ändern, weil das Neuansuchen der Beschwerdeführerin nach der jetzigen Rechtslage zu beurteilen sei.

Zusätzlich zu den geschilderten Auswirkungen habe die Wasserrechtsbehörde nach § 105 WRG 1959 auch die Auswirkungen des Projektes auf die Naturschönheit und auf die Beschaffenheit des Wassers zu berücksichtigen. Durch die Verrohrung eines Gerinnes werde dessen Selbstreinigungskraft beeinträchtigt, was wiederum Auswirkungen auf seine Beschaffenheit nach sich ziehe. Das Wiesengerinne sei ein im betroffenen Bereich landschaftsgestaltendes Element. Sein teilweiser Wegfall sei somit nachteilig für die Schönheit der Natur.

Zusammenfassend sei daher festzustellen, daß die beantragte Verrohrung des Wiesengerinnes sowohl auf eine Länge von 50 m als auch von 18 m den von der Wasserrechtsbehörde zu wahrenden öffentlichen Interessen widerspreche. Dieser Widerspruch könne auch nicht durch die Vorschreibung von Bedingungen (Auflagen) gelöst werden, weil die Vorschreibungen so tief in das Projekt eingreifen würden, daß sie zu seiner weitgehenden Abänderung führen müßten; die Vorschreibung solcher Bedingungen wäre unzulässig.

Die von der Beschwerdeführerin zum NÖ. Raumordnungsgesetz und zur NÖ. Bauordnung vorgebrachten Argumente seien für das wasserrechtliche Verfahren nicht relevant. Die Wasserrechtsbehörde habe ein Bauvorhaben nach den für sie maßgeblichen Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes zu prüfen. Die rechtskräftig erteilte Baubewilligung könne die Wasserrechtsbehörde bei ihrer Entscheidung nicht binden. Geplante Bauvorhaben müßten letztlich allen für sie geltenden Gesetzen entsprechen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Nach dem Inhalt des Beschwerdevorbringens erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Erteilung der von ihr beantragten wasserrechtlichen Bewilligung verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Die Beschwerdeführerin hat auf die Gegenschrift mit einer

weiteren schriftlichen Stellungnahme repliziert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin macht zwar nicht ausdrücklich Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde geltend, doch enthält die Beschwerde auch Vorbringen in dieser Richtung, wenn sie ausführt, die belangte Behörde wäre zur Entscheidung über das (erst im Berufungsverfahren erstellte) "Alternativprojekt" der Beschwerdeführerin funktionell nicht zuständig gewesen. Nun trifft es zwar zu, daß sich die belangte Behörde sowohl in der von ihr abgehaltenen mündlichen Verhandlung als auch in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf eine Erörterung des "Kompromißvorschlages" der Beschwerdeführerin eingelassen hat, nach welchem nur 18 m Fließstrecke der ursprünglich zur Verrohrung geplanten 50 m verrohrt werden sollten. Der Beschwerdeführerin ist darin Recht zu geben, daß die belangte Behörde über einen somit ein anderes Projekt betreffenden (Eventual-) Antrag nicht entscheiden hätte dürfen, solange darüber nicht die Wasserrechtsbehörde erster Instanz abgesprochen hatte (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Oktober 1986,

Zlen. 86/07/0021, 0064). In Wahrheit hat jedoch die belangte Behörde über dieses "Alternativprojekt" der Beschwerdeführerin, trotz seiner Erwähnung in den Gründen, im Spruch des angefochtenen Bescheides gar nicht erkannt, zumal sie dort nur - im Rahmen der "Sache" des bei ihr anhängigen Berufungsverfahrens - die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der BH vom 7. April 1989 abgewiesen hat, mit welchem ausschließlich das ursprüngliche Projekt der Beschwerdeführerin (Verrohrung von 50 m) als wasserrechtlich nicht bewilligungsfähig abgewiesen worden war.

Auch die Ausführungen der Beschwerde zu § 38 WRG 1959 gehen ins Leere. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, handelt es sich bei der Verrohrung eines fließenden Gewässers nicht um eine "Anlage innerhalb der Grenzen des Hochwasserabflusses" desselben fließenden Gewässers, wenn dieses wie im Beschwerdefall zur Gänze, also einschließlich eines allfälligen Hochwassers, in die Anlage aufgenommen und in dieser fortgeleitet wird. In einem solchen Fall gibt es keinen Freiraum für Hochwasser mehr, der durch eine derartige Anlage nicht über Gebühr eingeengt werden dürfte, um den ungehinderten Abfluß des Hochwassers zu gewährleisten und Schäden durch dieses an einer Anlage, die sich innerhalb des Hochwasserabflußbereiches befände, hintanzuhalten. Die projektierte Verrohrung stellt vielmehr einen Schutz- und Regulierungswasserbau gemäß § 41 WRG 1959 dar, weil auf diese Weise schädlichen Einwirkungen des Wassers auf die von der Beschwerdeführerin geplanten Wohnhäuser begegnet werden sollte (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Dezember 1989, Zl. 88/07/0010, und die dort angeführte Vorjudikatur). Gemäß § 41 Abs. 1 WRG 1959 ist zu allen Schutz- und Regulierungswasserbauten in öffentlichen Gewässern die Bewilligung der Wasserrechtsbehörde erforderlich; gemäß § 41 Abs. 4 WRG 1959 sind Schutz- und Regulierungswasserbauten so auszuführen, daß öffentliche Interessen nicht verletzt werden und eine Beeinträchtigung fremder Rechte vermieden wird. Der von der belangten Behörde bestätigte erstinstanzliche Bescheid entbehrte somit trotz der irrigen Anführung des § 38 WRG 1959 in seiner Begründung nicht der gesetzlichen Grundlage. Es erübrigte sich aus diesen Gründen, auf die in der Beschwerde zur Anwendung des § 38 WRG 1959 gemachten Ausführungen einzugehen. Daran vermögen auch die Ausführungen der Beschwerdeführerin in ihrer Replik auf die Gegenschrift nichts zu ändern, zumal die Beschwerdeführerin auch dort nicht aufzuzeigen vermochte, daß die ausdrückliche Bezugnahme auf § 41 WRG 1959 zu einem anderen Ergebnis des Verwaltungsverfahrens hätte führen können.

    Gemäß § 105 WRG 1959 in der im Beschwerdefall anzuwendenden

Fassung vor der WRG-Novelle 1990 kann ein Unternehmen im

öffentlichen Interesse insbesondere dann als unzulässig

angesehen oder nur unter entsprechenden Bedingungen bewilligt

werden, wenn u.a. f) ... eine wesentliche Beeinträchtigung oder

Gefährdung ... eines Naturdenkmales, der ästhetischen Wirkung

eines Ortsbildes oder der Naturschönheit entstehen kann, und m)

eine wesentliche Beeinträchtigung der ökologischen

Funktionsfähigkeit der Gewässer zu besorgen ist.

Im Beschwerdefall ist die von den Sachverständigen übereinstimmend abgegebene Beurteilung unbekämpft geblieben, daß die Verrohrung auch nur eines Teiles des offenen Wiesengerinnes die ökologische Funktionsfähigkeit dieses Gewässers nachhaltig beeinträchtigen würde. Des weiteren steht im Beschwerdefall unbestritten fest, daß sich dieses Gerinne im Landschaftschutzgebiet "Wienerwald" (§ 6 Abs. 1 des NÖ. Naturschutzgesetzes, LGBl. Nr. 5500-3, und § 2 Abs. 18 der Verordnung über die Landschaftsschutzgebiete, LGBl. Nr. 5500/35) und zugleich im Gebiet des Naturparkes "Föhrenberge" (§ 8 des NÖ. Naturschutzgesetzes, LGBl. Nr. 5500-3, und § 2 Abs. 4 der Verordnung über die Naturparks, LGBl. Nr. 5500/50) befindet. Die belangte Behörde ist daher zu Recht davon ausgegangen, daß die von der Beschwerdeführerin beantragte Verrohrung mit den im § 105 lit. f und m WRG 1959 genannten öffentlichen Interessen im Widerspruch steht. Dabei kann zur Verfassungsmäßigkeit des § 105 lit. f WRG 1959 auf die im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. September 1990, Zl. 86/07/0264, angestellten Erwägungen hingewiesen werden. Zur Abgrenzung von dem in der Beschwerde angeführten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Februar 1962, Zlen. 605, 792/61 = Slg. 5719/A, ist darauf zu verweisen, daß es damals um einen Fall des § 38 WRG 1959 gegangen ist, und daß das NÖ. Naturschutzgesetz eine eigene Genehmigung für eine in einem Landschaftsschutzgebiet oder in einem Naturpark geplante Gewässerverrohrung nicht vorsieht.

In der Beschwerde wird schließlich noch ausgeführt, die belangte Behörde habe den angefochtenen Bescheid deshalb mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weil sie keine Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Schaffung von Wohnraum und jenem an der Erhaltung des gegenständlichen Gerinnes in seiner ursprünglichen Form vorgenommen habe. Darauf ist zu erwidern, daß das allein für die Entscheidung der belangten Behörde maßgebende Wasserrechtsgesetz eine derartige Interessenabwägung nicht vorsieht. Ebensowenig hatte die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung davon auszugehen, daß die der Beschwerdeführerin bereits erteilte baurechtliche Bewilligung rechtlichen Einfluß auf die Prüfung der nach § 105 WRG 1959 dem Projekt allenfalls entgegenstehenden öffentlichen Interessen hätte haben können.

Da sich der angefochtene Bescheid somit als frei von der von der Beschwerdeführerin behaupteten Rechtswidrigkeit erweist, war die dagegen erhobene Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 VwGG in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung von 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

Schlagworte

Inhalt der BerufungsentscheidungAnspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive Bescheide

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990070089.X00

Im RIS seit

12.11.2001

Zuletzt aktualisiert am

19.07.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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