TE Vwgh Erkenntnis 1990/11/23 87/17/0359

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Veröffentlicht am 23.11.1990
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Index

L34009 Abgabenordnung Wien;
L37049 Ankündigungsabgabe Wien;
10/11 Vereinsrecht Versammlungsrecht;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

AnkündigungsabgabeG Wr 1983 §3 Abs2;
BAO §115 Abs1;
BAO §119 Abs1;
BAO §35 Abs1;
LAO Wr 1962 §32 Abs1;
LAO Wr 1962 §90 Abs1;
LAO Wr 1962 §92 Abs1;
VereinsG 1951 §4;

Beachte

Besprechung in: ÖStZB 1992, 45;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hadaier, über die Beschwerde des X-Vereins gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 30. September 1987, Zl. MDR - V 6/87, betreffend Befreiung von der Ankündigungsabgabe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit zwei gleichlautenden, an den Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 4, gerichteten Schriftsätzen je vom 26. März 1987 ersuchte der beschwerdeführende Verein gemäß § 3 Abs. 2 des Wiener Ankündigungsabgabegesetzes 1983, LGBl. Nr. 19 (WAAG), um Befreiung von der Ankündigungsabgabe für die Jahre 1986 und 1987, da die Tätigkeit des Vereins Bildungszwecken diene und nicht auf Gewinn gerichtet sei.

Mit Bescheid vom 16. April 1987 wies der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 4, diese Ansuchen unter Hinweis auf die Bestimmung des § 3 Abs. 2 des Beschlusses des Wiener Gemeinderates vom 26. April 1985 sowie auf § 33 Abs. 1 und 2 WAO ab. Da laut den Statuten des Vereines für den Vereinszweck erforderliche Mittel durch Erträgnisse aus Veranstaltungen und vereinseigenen Unternehmungen aufgebracht werden sollten, könne die Erwerbsabsicht nicht ausgeschlossen und somit die Gemeinnützigkeit gemäß § 33 WAO nicht zuerkannt werden.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung und brachte darin im wesentlichen vor, wie aus den derzeit geltenden Vereinsstatuten (§ 2) ersichtlich sei, vertrete der Beschwerdeführer folgende Grundsätze (Auszug):

"1. Förderung einer universellen Brüderlichkeit unabhängig von Rasse, Geschlecht, Hautfarbe, Religion, sozialer Schicht und Nationalität.

4. Eine klassische Haltung ethischen Verhaltens zu fördern, um dem heutigen Materialismus und der Auflösung der Sitten entgegenzuwirken.

7. Der Verein ist gemeinnützig und nicht auf Gewinn gerichtet.

10. Jegliche Mitarbeit im Verein erfolgt ehrenamtlich."

Da der Verein finanziell völlig autonom arbeite und auch von keiner anderen Institution finanzielle Subventionen beziehe, sei er darauf angewiesen, die Mittel zur Erreichung des Vereinszweckes selbst aufzubringen. Diese Mittel seien im § 4 der Vereinssatuten angeführt. Aus der Vereinstätigkeit sei jedoch zu ersehen, daß die Beschaffung der Mittel zur Erreichung des Vereinszweckes "eher ideeller als materieller Natur sind"; mehr noch, oft deckten die Einnahmen aus den Veranstaltungen oder aus dem Verkauf der vereinsinternen Zeitschrift nicht einmal die Unkosten. Nicht zuletzt sollte eine begründete Abweisung eines Ansuchens nicht auf bloßen Vermutungen aufbauen, wie dies im bekämpften Bescheid mit den Worten "die Erwerbsabsicht nicht ausgeschlossen" geschehe. Der Beschwerdeführer bitte daher, ihm mitzuteilen, welche genaueren Informationen benötigt würden, damit er seine tatsächliche Gemeinnützigkeit unter Beweis stellen könne.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde diese Berufung als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerdeführer verkenne, daß die Befreiungsbestimmungen des § 3 Abs. 2 WAAG nicht an die Qualifikation des Antragstellers anknüpften, sondern für die ANKÜNDIGUNGEN, die von der Ankündigungsabgabe befreit werden sollten, bestimmte Voraussetzungen normierten. Daß die Ankündigungen diese Voraussetzungen erfüllten, habe der Beschwerdeführer nicht dargelegt, zumal selbst eine Angabe des konkreten Inhaltes der ANKÜNDIGUNGEN unterblieben sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach seinem Vorbringen erachtet sich der Beschwerdeführer im wesentlichen in seinem Recht auf Befreiung von der Ankündigungsabgabe verletzt. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 3 Abs. 2 WAAG sind Ankündigungen, die ausschließlich oder vorwiegend und ohne Erwerbsabsichten wissenschaftlichen, gemeinnützigen oder Bildungszwecken dienen, über Ansuchen von der Abgabe zu befreien.

Vorweg sei bemerkt, daß der Gesetzeswortlaut eine gesonderte Antragstellung und einen gesonderten Abspruch über einen solchen Antrag auf Befreiung von der Abgabe nicht ausschließt. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 24. Mai 1967, Slg. Nr. 3617/F, eine gesonderte Antragstellung und eine gesonderte Entscheidung betreffend Befreiung von der Ankündigungsabgabe erkennbar für zulässig erachtet. Diese Vorgangsweise wird sich insbesondere dann als zweckmäßig erweisen, wenn, wie im vorliegenden Fall, die Befreiung für einen bestimmten Zeitraum begehrt wird.

In demselben Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof auch dargetan, daß es sich bei der genannten Gesetzesstelle um eine sachliche Befreiungsvorschrift und nicht um eine persönliche Begünstigungsvorschrift handelt. Es ist daher nicht erforderlich, aber auch nicht entscheidend, daß der Ankündigende selbst die Voraussetzungen etwa für eine Gemeinnützigkeit im Sinne der § 32 f. WAO erfüllt, wie dies die Abgabenbehörde erster Instanz vermeinte. Es ist vielmehr nur zu prüfen, ob die Ankündigungen auf Grund ihrer sachlichen Beschaffenheit als solche anzusehen sind, auf die die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 leg. cit. zutreffen (vgl. auch Höld, Kommentar zu den Anzeigenabgabe- und Ankündigungsabgabegesetzen, S. 154).

Nun ist es zwar richtig, daß der Beschwerdeführer in seinen Anträgen vom 26. März 1987 nicht in diesem Sinne auf einzelne Ankündigungen Bezug nahm, sondern (generell) vorbrachte, seine Tätigkeit diene Bildungszwecken und sei nicht auf Gewinn gerichtet. Offenbar dadurch, daß die Abgabenbehörde erster Instanz auf Grund des oben aufgezeigten Rechtsirrtumes (lediglich) auf die Qualifikation des Beschwerdeführers als gemeinnützige Personenvereinigung im Sinne des § 32 Abs. 1 BAO abstellte, sah sich der beschwerdeführende Verein in seiner Berufung (lediglich) zu weiteren Ausführungen in dieser Richtung veranlaßt. Hiezu bringt die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift vor, dafür, daß der Beschwerdeführer die im § 3 Abs. 2 des Beschlusses des Wiener Gemeinderates vom 26. April 1985 (übereinstimmend mit § 3 Abs. 2 WAAG) normierten Voraussetzungen erfüllt habe, habe ihn die Behauptungs- und Beweislast getroffen. Sie beruft sich hiezu auf Stoll, BAO-Handbuch, Seite 270, der allerdings dort keine derartige Aussage trifft. An der von der belangten Behörde bezogenen Stelle heißt es vielmehr:

"Insbesondere auch dann, wenn es um abgabenrechtliche Begünstigungen (Ermäßigungen, Befreiungen u.ä.) geht, tritt der Grundsatz der strikten Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung in den Hintergrund (VwGH 24.1.1978, 2192/76). Es liegt an der Partei, die Umstände darzulegen, die für die Begünstigungen, Befreiungen usw. sprechen. Von der Pflicht zur Überprüfung der gemachten Angaben ist die Behörde in Beachtung des Amtswegigkeitsgrundsatzes selbstverständlich ebensowenig enthoben (vgl. VwGH 22.4.1966, 1395/65), wie auch naheliegende oder zu vermutende anspruchsmindernde Sachverhalte, die von der Partei nicht geltend gemacht werden, nicht unberücksichtigt bleiben dürfen. Die amtswegigen Nachforschungen müssen aber nicht auf Feststellungen eines jeden nur erdenklichen begünstigten Sachverhaltes ausgedehnt werden, wenn es hiefür keine Anhalte gibt und die Partei im Verfahren bei der Sachaufklärung nicht mitwirkt ..."

In dem von Stoll erwähnten Erkenntnis vom 24. Jänner 1978, Slg. Nr. 5215/F, hat der Verwaltungsgerichtshof dargetan, der Abgabepflichtige, der eine Begünstigung in Anspruch nimmt, habe selbst einwandfrei und unter Ausschluß jeden Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzulegen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden könne. Behaupte er ohne jede Einschränkung einen Sachverhalt, der die erwünschte abgabenrechtliche Begünstigung GAR NICHT zulasse, sei die Prüfung eines solchen Vorbringens auf seine materielle Richtigkeit entbehrlich.

Der Verwaltungsgerichtshof ist der Auffassung, daß der beschwerdeführende Verein im Sinne dieser Lehre und Rechtsprechung genügend Hinweise auf jene Umstände gegeben hat, die eine Abgabenbefreiung im Sinne der genannten Gesetzesstelle bewirken könnten. Insbesondere war es im Sinne der zitierten Ausführungen Stolls naheliegend, daß der Beschwerdeführer zum Ausdruck bringen wollte, die von ihm getätigten ANKÜNDIGUNGEN dienten Bildungszwecken und erfolgten ohne Erwerbsabsichten. Damit waren jedoch die Abgabenbehörden auf Grund ihrer aus § 90 WAO hervorleuchtenden Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des Sachverhaltes gehalten, die Behauptungen des Beschwerdeführers in dieser Richtung zu prüfen; dies umso mehr, als die Statuten des Vereines aktenkundig sind. Dem Beschwerdeführer ist beizupflichten, wenn er vorbringt, bis zum Beweis des Gegenteils müsse davon ausgegangen werden, daß ein Verein seine Tätigkeit statutenkonform ausübe. Zutreffend ist auch sein Hinweis, die belangte Behörde hätte ihn zur Vorlage der entsprechenden Ankündigungen bzw. zur Konkretisierung des Inhaltes der Ankündigungen auffordern müssen, falls sie solche Aufklärungen für relevant hielt.

Da sohin der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf und Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2. Stempelgebühren waren nur im erforderlichen Ausmaß zuzusprechen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1987170359.X00

Im RIS seit

18.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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