TE Vfgh Erkenntnis 1988/3/16 B662/87, B701/87, B816/87, B834/87, B1053/87, B1153/87, B1325/87

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.03.1988
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Index

33 Bewertungsrecht
33/01 Bewertungsrecht

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art144 Abs1 / Sachentscheidung
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
StGG Art5
BewG 1955 §6 Abs1
BewG 1955 §13
BewG 1955 §64 Abs1
AngG §23 Abs7

Leitsatz

Nichtanerkennung von Abfertigungsrücklagen und Pensionsrückstellungen als vom Rohvermögen abzugsfähige Schulden; keine gleichheitswidrige Gesetzesauslegung bei der Berücksichtigung von Körperschaftssteuerrückstellungen bei Ermittlung des Einheitswertes

Spruch

Die bf. Gesellschaften sind durch die angefochtenen Bescheide weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerden werden abgewiesen.

Die von der Neusiedler Aktiengesellschaft zu B662/87, von der Hans Glimberger Vermögensverwaltungsgesellschaft m.b.H. zu B701/87, von der Hans Glimberger Gesellschaft zu B816/87 und von der Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-Gräf & Stift Aktiengesellschaft zu B1325/87 eingebrachten Beschwerden werden dem VwGH zur Entscheidung darüber abgetreten, ob diese Gesellschaften durch die bekämpften Bescheide in einem sonstigen Recht verletzt worden sind.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Ein Berufungssenat der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland hat mit Berufungsbescheid vom 14. Mai 1987, Z6/2-2074/3/87, die Berufungen der Neusiedler AG gegen die Bescheide des Finanzamtes für Körperschaften, betreffend den Einheitswert, die Vermögensteuer und das Erbschaftssteueräquivalent ab dem 1. Jänner 1983, 1. Jänner 1984 und 1. Jänner 1985 als unbegründet abgewiesen, der Berufung gegen den Bescheid betreffend Einheitswert, Vermögenssteuer und Erbschaftssteueräquivalent ab dem 1. Jänner 1986 hingegen teilweise stattgegeben. Die Bf. erachtet sich in ihrer zu B662/87 protokollierten Beschwerde durch den angefochtenen Berufungsbescheid deshalb im Gleichheitsrecht verletzt, weil die bel. Beh. dem Gesetz zu Unrecht einen gegen das Gleichheitsgebot verstoßenden Inhalt beigemessen hätte und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des Berufungsbescheides.

Eine dem Gleichheitssatz widersprechende Auslegung des dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Bewertungsgesetzes 1955 sieht die Bf. darin, daß die bel. Beh. Rückstellungen für Abfertigungsverpflichtungen, Pensionsverpflichtungen und Körperschaftsteuerschulden nicht oder (hinsichtlich der Körperschaftsteuerschulden) nicht zur Gänze als am Bewertungsstichtag bereits entstandene Schuldposten anerkannte und vom Rohvermögen gem. §64 Abs1 Bewertungsgesetz 1955 abzog.

2. Ein Berufungssenat der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland hat mit Berufungsbescheid vom 15. Mai 1987, Z6/2-2073/1/87, die Berufung der beschwerdeführenden H G Vermögensverwaltungsgesellschaft m.b.H. gegen die Bescheide des Finanzamtes für Körperschaften betreffend Einheitswert des Betriebsvermögens, Vermögensteuer und Erbschaftssteueräquivalent ab dem 1. Jänner 1985 als unbegründet abgewiesen. In ihrer dagegen zu B701/87 protokollierten Beschwerde erachtet sich die Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt, weil die bel. Beh. dem Gesetz dadurch zu Unrecht einen gegen das Gleichheitsgebot verstoßenden Inhalt beigemessen hätte, daß sie Abfertigungsverpflichtungen im Gegensatz zu anderen Schuldposten nicht als wertmindernd anerkannt habe. Die Bf. beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des Berufungsbescheides.

3. Mit Berufungsbescheid eines Berufungssenates der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 15. Mai 1987, Z6/2-2111/1987, wurde die Berufung der bf. H G Gesellschaft m.b.H. gegen den Bescheid des Finanzamtes für Körperschaften betreffend Einheitswert des Betriebsvermögens, Vermögensteuer und Erbschaftssteueräquivalent ab dem 1. Jänner 1986 als unbegründet abgewiesen. In der zu B816/87 protokollierten, gegen diesen Berufungsbescheid erhobenen Beschwerde wird die Verletzung des Gleichheitssatzes aus den gleichen Gründen wie in der unter 2. geschilderten Beschwerde behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Berufungsbescheides beantragt.

4. Mit Berufungsbescheid eines Berufungssenates der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 15. Mai 1987, Z6/2-2072/2/87, wurde die Berufung der Bf. E B Gesellschaft m.b.H. gegen den Bescheid des Finanzamtes für Körperschaften, betreffend den Einheitswert des Betriebsvermögens, die Vermögensteuer sowie das Erbschaftssteueräquivalent ab dem 1. Jänner 1984, 1. Jänner 1985 und 1. Jänner 1986 als unbegründet abgewiesen. In der dagegen erhobenen, zu B834/87 protokollierten Beschwerde begehrt die Bf. die kostenpflichtige Aufhebung des Berufungsbescheides, weil die bel. Beh. dem Gesetz zu Unrecht einen gegen das Gleichheitsgebot verstoßenden Inhalt dadurch beigemessen hätte, daß sie "unter Berufung auf §6 Abs1 Bewertungsgesetz 1955 die Rückstellungen für Pensionsanwartschaft und die Rückstellungen für die Vorsorge für Abfertigungen nicht als Schuldposten in Abzug gebracht hat".

5. Mit Bescheid vom 19. August 1987, Z GA 8-1260-1987, hat die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland den Bescheid des Finanzamtes für Körperschaften in Wien über den Einheitswert des Betriebsvermögens der bf. G AG zum 1. Jänner 1986 in Ausübung des Aufsichtsrechtes gem. §299 Abs2 BAO wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Mit der zu B1053/87 protokollierten Beschwerde bekämpft die bf. Gesellschaft diesen Bescheid mit der Begründung, daß dem von der bel. Beh. herangezogenen Bewertungsgesetz 1955 von dieser entweder ein gleichheitswidriger Inhalt unterstellt worden sei, weil Abfertigungsrückstellungen ohne sachliche Rechtfertigung nicht als vom Rohvermögen abzugsfähige Schulden bewertet worden seien oder daß §6 Bewertungsgesetz 1955 gleichheitswidrig sei. In der Beschwerde, in der ansonsten die kostenpflichtige Aufhebung des genannten Bescheides begehrt wird, wird daher auch angeregt, die Verfassungsmäßigkeit des §6 Bewertungsgesetz 1955 von Amts wegen zu überprüfen.

6. Mit Berufungsbescheid vom 20. August 1987, Z GA 6/2-2071/1/87, hat die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland die Berufung der bf. B & Co Gesellschaft m.b.H. gegen die Bescheide des Finanzamtes für Körperschaften betreffend Abweisung der Anträge auf Feststellung der Einheitswerte des Betriebsvermögens ab dem 1. Jänner 1984 und 1. Jänner 1985 als unbegründet abgewiesen. In der gegen diesen Berufungsbescheid eingebrachten und zu B1153/87 protokollierten Beschwerde beantragt die Bf. die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides und behauptet die Verletzung ihrer verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit vor dem Gesetz. Die Bf. vermeint, daß die Behörde §6 Bewertungsgesetz 1955 fälschlich einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt, zugleich aber das Gesetz denkunmöglich ausgelegt und die Bf. in ihrem Eigentumsrecht dadurch verletzt habe, daß sie Abfertigungsrücklagen und Pensionsrückstellungen nicht als vom Rohvermögen abzugsfähige Schulden anerkannte.

7. Mit Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland wurde der Bescheid über den Einheitswert des Betriebsvermögens der ÖAF-G & S AG vom 19. März 1987, Z St.Nr.150/2211, zum 1. Jänner 1986 des Finanzamtes für Körperschaften in Ausübung des Aufsichtsrechtes gem. §299 Abs2 BAO aufgehoben. In der dagegen eingebrachten, zu B1325/87 protokollierten Beschwerde behauptet die bf. Gesellschaft, durch den angefochtenen Bescheid in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit vor dem Gesetz und Wahrung des Eigentums dadurch verletzt worden zu sein, daß

"die Rückstellung für Abfertigungen bei dem Einheitswert des gewerblichen Betriebes nicht als Schulden anerkannt worden sind und ferner dadurch, daß die Rückstellung für Pensionen ohne jede Bezugnahme auf eine Gesetzesstelle und damit begründungslos gleichfalls nicht als Schulden beim Einheitswert des gewerblichen Betriebes anerkannt worden sind."

8. Die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland hat in den zu B834/87, B1053/87 und B1325/87 protokollierten Beschwerdefällen jeweils eine Gegenschrift erstattet, in welcher die Abweisung der betreffenden Beschwerden beantragt wird.

In ihren zu B662/87, B701/87, B816/87 und B1153/87 erstatteten Äußerungen brachte die bel. Beh. dieselben Argumente vor wie zu B834/87 und B1294/86. Im übrigen teilte sie mit, daß von einer weiteren Gegenschrift Abstand genommen werde.

9. Der VfGH hat beschlossen, die unter 1. bis 7. geschilderten Beschwerden zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung gemäß §35 Abs1 VerfGG in Verbindung mit §187 ZPO wegen Identität der zu entscheidenden Rechtsfragen und der bel. Beh. zu verbinden.

II. Die Beschwerden sind zulässig, aber nicht begründet.

1. Zur bewertungsrechtlichen Einordnung von Abfertigungsrückstellungen

a. Mit den in Beschwerde gezogenen Bescheiden wurden von der bel. Beh. entsprechend der vom VwGH in ständiger Rechtsprechung (VwSlg 1279 F/1955, E.v. 11.3.1983, Zl. 81/17/0048, u.a.) vertretenen Rechtsauffassung Rückstellungen für Abfertigungen bei der Ermittlung des Einheitswertes des gewerblichen Betriebes gem. §64 Abs1 Bewertungsgesetz 1955 nicht als Schulden vom Rohvermögen abgezogen. Demgegenüber wird in den Beschwerden die Auffassung vertreten, daß es sich bei Abfertigungsrückstellungen um Schulden wie andere auch handle und daher kein sachlicher Grund dafür auffindbar sei, bei der Einheitswertermittlung den Abzug zu verweigern, sodaß die Auslegung der §§64 Abs1 iVm 6 Abs1 Bewertungsgesetz 1955 durch die bel. Beh. gegen den Gleichheitssatz verstoße oder die betreffenden Bestimmungen selbst gleichheitswidrig seien. Dabei wird von den Bf. unter Heranziehung der Argumente von Jabornegg-Strasser (Die bewertungsrechtliche Behandlung von Abfertigungsansprüchen aus zivilrechtlicher und arbeitsrechtlicher Sicht, ÖStZ 1984, 114 ff.) behauptet, daß der Abfertigungsanspruch der Arbeitnehmer eines Betriebes nicht erst mit der Beendigung des Dienstverhältnisses, sondern schon sukzessive - mit der Zurücklegung von Dienstzeiten entstehe und nur seine Fälligkeit von der Beendigung des Dienstverhältnisses abhänge. Da die Abfertigung Entgelt sei, das der Arbeitnehmer durch seine Tätigkeit verdiene, erwerbe dieser den Anspruch darauf schon sukzessive während der Dauer des Arbeitsverhältnisses, sodaß der Abfertigungsanspruch "als solcher bereits vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses existent" sei (Jabornegg-Strasser, a.a.O., 118).

Hingewiesen wird ferner auf die große statistische Wahrscheinlichkeit, ja Sicherheit des Entstehens von Abfertigungsansprüchen bei einer entsprechend großen Anzahl von Dienstnehmern.

"Wer mit einem Betrieb auch die Dienstnehmer übernimmt, der muß mit der dazugehörigen Abfertigungsbelastung rechnen und tut dies auch. Es muß daher unrichtig sein, derartige Lasten, die am Bewertungsstichtag bereits entstanden sind, nicht mehr einseitig abgeschüttelt werden können und mit größter statistischer Wahrscheinlichkeit über kurz oder lang in Zukunft fällig werden und bezahlt werden müssen, nicht zum Abzug zuzulassen". (So die Beschwerde zu B662/87.)

Die Beschwerde zu B834/87 verweist ferner darauf, daß durch die Angestelltengesetznovelle 1971, BGBl. 292, mit der §23 a in das Angestelltengesetz eingefügt wurde, "sich der Charakter der Abfertigungsansprüche, die seither auch bei Selbstkündigung anläßlich des Pensionseintritts bestehen, ganz entscheidend verändert (hat)". Nicht nur, daß dadurch der Abfertigungsanspruch zum "Normalfall" wurde, sondern der Gesetzgeber habe dadurch die Bestandfunktion der Abfertigung gegenüber ihrer Entgeltfunktion in den Hintergrund treten lassen. Ferner bezeichnet es diese Beschwerde als sachlich durch nichts zu rechtfertigen, bei der Bewertung von Unternehmensbeteiligungen künftige Abfertigungslasten zu berücksichtigen, bei der Bewertung des Unternehmens selbst hingegen die Abzugsfähigkeit derartiger Lasten von vornherein auszuschließen.

In der zu B1053/87 protokollierten Beschwerde versucht die bf. Gesellschaft die Gleichheitswidrigkeit des §6 Bewertungsgesetz 1955 damit zu begründen, daß diese Bestimmung "aufschiebend bedingten Lasten schlechthin die Berücksichtigung versagt, ohne auf den Grad der Wahrscheinlichkeit des Bedingungseintritts Rücksicht zu nehmen". Insbesondere läßt nach Meinung der Bf. das Gesetz der großen Zahl eine solche, durch §6 Bewertungsgesetz 1955 bewirkte Ungleichbehandlung als sachwidrig erscheinen, weil die hohe Wahrscheinlichkeit der tatsächlichen Belastung mit zukünftigen Abfertigungen keinesfalls eine ungleiche Behandlung gegenüber einer mit Sicherheit eingetretenen Last rechtfertige. Ferner soll die vermögensteuerliche Gleichstellung von Unternehmen mit abfertigungsberechtigten Arbeitnehmern mit Unternehmen, die keine Soziallasten zu tragen haben, sachlich nicht gerechtfertigt und daher gleichheitswidrig sein.

Die zu B1325/87 protokollierte Beschwerde versucht die Gleichheitswidrigkeit des §6 Abs1 Bewertungsgesetz 1955 im Hinblick auf die Nichtberücksichtigung von Abfertigungslasten in Auseinandersetzung mit dem und unter Ablehnung des Erkenntnisses des VfGH VfSlg. 5628/1967 darzutun. Gerügt wird, "daß durch die in §6 Abs1 Bewertungsgesetz 1955 festgelegte Nicht-Differenzierung Unternehmen mit hohen Soziallasten und Unternehmen mit geringen Soziallasten steuerlich gleich behandelt werden. Das ist eine steuerliche Regelung, durch welche gleiche Unternehmen teils steuerlich begünstigt, teils steuerlich diskriminiert werden. Die 'verschiedenartige Gestaltung' der Wirklichkeit erfordert eine 'differenzierende Regelung', die wohl auch für das Gebiet der aufschiebend bedingten Lasten 'eingesehen' werden kann." Gleichheitswidrig ist nach Meinung der Beschwerde die Vorschrift des §6 Bewertungsgesetz 1955 ferner deshalb, weil bei Berechnung des gemeinen Wertes von Unternehmen Belastungen aus den Abfertigungsverpflichtungen berücksichtigt würden und preisbildend seien, bei der Berechnung des Einheitswertes hingegen nicht. Schließlich wird behauptet, daß §6 Abs1 Bewertungsgesetz 1955 der "verschiedenartigen Gestaltung" der Wirklichkeit nicht Rechnung trage und daher gegen das Gleichheitsgebot verstoße.

b. Die bel. Beh. verteidigt in ihrer zu B834/87 erstatteten Gegenschrift die Nichtberücksichtigung von Rückstellungen für Abfertigungen damit, daß §23 Abs1 Angestelltengesetz den Anspruch des Angestellten auf Abfertigung an die Beendigung seines Dienstverhältnisses binde, "sodaß davon ausgegangen werden muß, daß eine Rückstellung für Abfertigungsvorsorgen eine Last darstellt, deren Entstehung vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängt". Zur Regelung des §23 a Angestelltengesetz vermeint die bel. Beh., daß "für den Zeitpunkt der Entstehung des Abfertigungsanspruches ... nicht entscheidend (ist), daß die Gesetzgebung sowohl durch Erweiterung des Kreises der Anspruchsberechtigten als auch durch Erleichterung der Erwerbsvoraussetzungen die Zahl der Anspruchsfälle vermehrt hat". Ferner wird "das Maß der Aussichten, die am Stichtag für den Eintritt bzw. Nichteintritt einer Bedingung bestehen, (als) nicht dafür maßgeblich" bezeichnet, "ob es sich um eine aufschiebende Bedingung handelt", sodaß es nach Meinung der bel. Beh. gleichgültig sei, "welche Wahrscheinlichkeit für oder gegen den Eintritt des Abfertigungsfalles spricht". Die bel. Beh. steht daher auf dem Standpunkt, daß "eine Last, deren Entstehung vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängt, ... auch nicht dadurch zu einer auflösend bedingten (wird), daß der Eintritt der Bedingung für die Entstehung der Last wahrscheinlich ist und nach der Verkehrsauffassung mit ihrem Eintritt gerechnet werden kann". Anders als bei dem gemäß §13 Abs2 Bewertungsgesetz 1955 für die Ermittlung des gemeinen Wertes von Anteilen gebotenen Schätzungsverfahren auf Basis des Gesamtvermögens und der Ertragsaussichten, welches eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zulasse, sei diese bei der ausdrücklich an das Zivilrecht anknüpfenden Bestimmung des §6 Abs1 Bewertungsgesetz 1955 hinsichtlich der Unterscheidung aufschiebender und auflösender Bedingungen nicht angebracht.

Insgesamt stellt die Behörde zusammenfassend fest:

"Rückstellungen für Abfertigungsverpflichtungen entsprechen daher nicht einer Verbindlichkeit, die bereits am Bewertungsstichtag bestanden hat, sondern beziehen sich auf künftige Zahlungen, deren Eintritt in einem höheren Maß ungewiß ist, als dies bei anderen Rückstellungen angenommen werden muß.

Für diese Ungewißheit sind aber nicht etwa wirtschaftliche Erwartungen, die statistisch erhärtbar sind, maßgeblich, sondern ausschließlich die hiebei zu beachtenden Bestimmungen der §§23 ff. AngG.

Es erscheint daher sachlich gerechtfertigt, Rückstellungen für Abfertigungsverpflichtungen rechtlich anders zu behandeln als jene Rückstellungen, die einer bereits am Bewertungsstichtag entstandenen Verbindlichkeit entsprechen, weshalb die Auffassung der Bf, die bekämpfte Berufungsentscheidung verletze das Gleichheitsgebot und sei geeignet, in das Eigentumsrecht der Gesellschaft einzugreifen, nicht geteilt werden kann."

In ihrer Gegenschrift zu B1053/87 vertritt die bel. Beh. die Auffassung, daß der Nichtabzug der Rückstellungen für Abfertigungen vom Rohvermögen nicht in Anwendung des §6 Bewertungsgesetz 1955, sondern ausschließlich gem. §64 Abs1 Bewertungsgesetz 1955 erfolge, sodaß schon aus diesem Grunde die Gleichheitsbedenken der Bf. gegen die Bestimmung des §6 Bewertungsgesetz 1955 grundlos seien. Den Abfertigungsvorsorgen wurde nach Meinung der bel. Beh. deswegen die Abzugsfähigkeit in Anwendung des §64 Abs1 Bewertungsgesetz 1955 verweigert, weil es diesbezüglich an einem "bereits im Feststellungszeitpunkt existenten Verbunden-Sein zu einer geldwerten, eine wirtschaftliche Belastung darstellenden, Leistung" fehle. Nach Meinung der bel. Beh. ist "eine diese Kriterien zur Beurteilung des Tatbestandsmerkmales Schulden heranziehende Auslegung des §64 Abs1 Bewertungsgesetz ... weder denkunmöglich noch willkürlich."

In ihrer Gegenschrift zu B1325/87 vermeint die bel. Beh., daß sie mit dem angefochtenen Bescheid

"nicht die Abzugsfähigkeit der Last (Schulden) von Abfertigungen verneint und somit §64 Abs1 Bewertungsgesetz ungleich angewendet, weil sie andere Lasten als abzugsfähig anerkennt, sondern das Vorliegen einer Last bei einem solchen Sachverhalt verneint (hat), wie er in der Rückstellung für Abfertigungen zum Ausdruck kommt, ...".

Dies begründet die bel. Beh. damit,

"daß die in Rede stehenden Abfertigungen nach Maßgabe des Angestelltengesetzes zu leisten sein werden. Demnach entsteht die Verpflichtung, also die Verbindlichkeit zur Leistung dieser Abfertigungen aus dem Grunde des §23 Angestelltengesetz. Wie aber schon vorher ausführlich dargelegt, wird dieser Rechtsgrund erst mit der Erfüllung sämtlicher Tatbestandsmerkmale, also auch das der 'Auflösung des Dienstverhältnisses', wirksam. Deshalb waren aber auch die Abfertigungsverpflichtungen, für die Rückstellungen gebildet wurden, als nicht bereits im Feststellungszeitpunkt im Grunde nach entstanden zu beurteilen."

c. Der VfGH hat erwogen:

Der VfGH kann unter dem Aspekt der von ihm ausschließlich zu prüfenden Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte, insbesondere des Gleichheitssatzes und des Eigentumsrechtes, dahingestellt sein lassen, ob sich die Nichtberücksichtigung von Abfertigungsvorsorgen bei der Einheitsbewertung eines Betriebes auf §6 Abs1 Bewertungsgesetz 1955 stützt, wie er selbst in VfSlg. 5628/1967 angenommen hat, oder ausschließlich auf §64 Abs1 Bewertungsgesetz 1955. Denn in Anbetracht des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitssatzes hat der VfGH lediglich zu überprüfen, ob eine gesetzliche Regelung, die Rückstellungen für Abfertigungen bei der Ermittlung des Einheitswertes eines gewerblichen Betriebes nicht als Schulden bzw. Lasten vom Rohvermögen abziehen läßt, an sich sachlich gerechtfertigt ist oder nicht.

Der VfGH kann nicht finden, daß eine derartige Regelung dem Gleichheitssatz widerspricht. Der Zeitpunkt des Entstehens eines Abfertigungsanspruchs muß aufgrund der Anspruchsvoraussetzungen nach den arbeitsrechtlichen Vorschriften schon mit Rücksicht auf §23 Abs7 Angestelltengesetz als variabel, also in jedem Einzelfall gesondert betrachtet werden. Das Fehlen eines einheitlichen Entstehungszeitpunktes ist arbeitsrechtlich regelmäßig auch belanglos, weil danach nur die Voraussetzungen des einzelnen Anspruchs für sein Vorliegen und dessen Fälligkeit von Bedeutung sind. Wenn der Steuerrechtsgesetzgeber davon ausgeht, daß Schulden erst dann abzugsfähig sind, wenn sie zum Stichtag nicht nur möglicherweise, sondern unzweifelhaft entstanden sind, erscheint es dem Gerichtshof als sachlich gerechtfertigt, Abfertigungsansprüche steuerrechtlich erst dann als Schulden oder Lasten zu bewerten und vom Rohvermögen abzuziehen, wenn alle gesetzlichen Voraussetzungen (vgl. VwGH 11.3.1983, Zl. 81/17/0048) für den Anspruch vorliegen. Dem Gleichheitssatz entspricht eine derartige steuerliche Regelung sohin schon deshalb, weil der Entstehungszeitpunkt des Abfertigungsanspruchs nicht nur abstrakt in Lehre und Judikatur (vgl. die Nachweise bei Jabornegg-Strasser, a.a.O., 117) umstritten ist, sondern weil er wegen der bis zur Auflösung des Dienstverhältnisses gegebenen Möglichkeit des Nichtbestehens des Anspruchs gem. §23 Abs7 Angestelltengesetz letztlich offenbleibt.

Daran kann auch der Umstand nichts ändern, daß der überwiegenden Zahl von Arbeitnehmern der Abfertigungsanspruch mangels Vorliegen eines Grundes für dessen Nichtbestehen gem. §23 Abs7 Angestelltengesetz zukommt.

Daß nämlich eine bloß wahrscheinlich entstehende Last nicht abzugsfähig ist, bildet einen Grundsatz des Bewertungsrechts, das die Möglichkeit des Erwerbs ebenso wie des Verlusts von Vermögen zum jeweiligen Bewertungsstichtag unberücksichtigt läßt

(Twaroch-Frühwald-Wittmann-Rupp-Fiala-Binder, Kommentar zum Bewertungsgesetz, 1986, 66; Rössler-Troll-Langner, Bewertungsgesetz und Vermögenssteuergesetz, 1986, 897). Dem Gesetzgeber kann vom Standpunkt des Gleichheitssatzes nicht entgegengetreten werden, wenn er aus Gründen der Praktikabilität (VwGH 29.9.1963, Zl. 1914/61) von einer Wahrscheinlichkeitsschätzung, die je nach Art der Bedingung oder Befristung schwierig oder kaum lösbar ist, Abstand genommen hat, zumal das Stichtagsprinzip für den Erwerb von Wirtschaftsgütern in gleicher Weise gilt wie für das Entstehen von Lasten. Daß eine andere gesetzliche Lösung, die das Maß der Aussichten berücksichtigen läßt, die am Stichtag für den Erwerb eines Wirtschaftsgutes oder für das Entstehen einer Last durch Eintritt einer Bedingung oder Ablauf einer Frist sprechen, vielleicht zweckmäßiger wäre und den wirtschaftlichen Verhältnissen besser entsprechen würde (Ruppe, Bedingungen und Befristungen:

Rechtsanwendungsprobleme im Bereich der §§4 - 8 BewG, ÖStZ 1985, 82), kann den bestehenden bewertungsrechtlichen Grundsatz noch nicht gleichheitswidrig machen. Auch der diesbezügliche Unterschied zum Ertragssteuerrecht begründet keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz, weil es durchaus von der Sache her gerechtfertigt ist, daß das Ertragssteuerrecht einen möglichst periodenrichtigen Jahresgewinn ermitteln will, während das Bewertungsrecht das Vermögen zu einem bestimmten Zeitpunkt in jenem Umfang erfassen will, wie es mit Sicherheit vorliegt.

Der VfGH bleibt daher bei seiner in VfSlg. 5628/1967 vertretenen Auffassung, daß die Nichtberücksichtigung von Abfertigungsrückstellungen bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens die Vorschrift des §6 Abs1 Bewertungsgesetz 1955 nicht wegen Verletzung des Gleichheitsgebotes verfassungswidrig macht. Er ist ferner der Meinung, daß eine Auslegung des §6 Abs1 Bewertungsgesetz 1955 oder/und des §64 Abs1 Bewertungsgesetz 1955, welche Abfertigungsrückstellungen nicht als vom Rohvermögen abzugsfähige Lasten oder/und Schulden versteht, aus den angeführten Gründen nicht dem Gleichheitssatz widerstreitet.

Ob die von den Beschwerden im Anschluß an die Literatur (insbesondere Jabornegg-Strasser, a.a.O.) aufgezeigten Bedenken gegen die Deutung der Abfertigungsansprüche als "aufschiebend bedingte Lasten" gem. §6 Abs1 Bewertungsgesetz 1955 zutreffen, hat nicht der VfGH, sondern der VwGH als Frage der einfachgesetzlichen Rechtsauslegung zu beantworten.

Auch vor dem Hintergrund des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrechtes, in dem die bf. Gesellschaften mit Ausnahme der zu B1053/87 und B1325/87 erhobenen Beschwerden (- weil die dort zu beurteilende Aufhebung von Bescheiden gem. §299 Abs2 BAO von vornherein nicht in das Eigentumsrecht der bf. Gesellschaften eingreifen konnte, vgl. VfSlg. 5006/1965, 7748/1976, - ) verletzt wären, wenn die bel. Beh. eine Abgabe in denkunmöglicher Anwendung eines Abgabengesetzes vorschreibt oder feststellt, bleibt der VfGH bei seiner in VfSlg. 5628/1967 vertretenen Meinung:

"Die Behörde hat nicht angenommen, daß Abfertigungsansprüche bereits existent geworden sind, sondern daß es sich um in der Zukunft liegende Verpflichtungen handelt, deren Eintritt und Höhe von verschiedenen Umständen abhängt. Deren rechtliche Beurteilung als eine aufschiebend bedingte Last kann nicht als denkunmöglich angesehen werden. Sollte die Behörde damit die Rechtslage unrichtig entschieden haben, so hätte sie nur gegen einfachgesetzliche Vorschriften verstoßen, aber nicht das nur unter dem Vorbehalt des Gesetzes gewährleistete Eigentumsrecht verletzt."

Durch die Beurteilung der Rückstellung für Abfertigungsansprüche als eine aufschiebend bedingte Last gem. §6 Abs1 Bewertungsgesetz 1955 bzw. als nicht abzugsfähige Schuld im Sinne des §64 Abs1 Bewertungsgesetz 1955 sind somit die bf. Gesellschaften weder im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsrecht noch im Eigentumsrecht verletzt worden.

2. Zur bewertungsrechtlichen Beurteilung von Pensionszusagen

a. Bei Verweigerung der Abzugsfähigkeit der rückgestellten Pensionslasten hat die bel. Beh. nach Meinung der Bf. zu B662/87, B834/87, B1153/87 und B1325/87 dem Bewertungsgesetz einen gleichheitswidrigen Sinn unterstellt. Unter Hinweis auf Ruppe-Tomandl (Zur Auswirkung von Pensionszusagen auf die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens, ÖStZ 1987, 125 ff.) machen die Beschwerden geltend, daß in der Regel die Entstehung des Pensionsanspruches mit der Zusage anzunehmen sei; die Festlegung des Pensionsalters regle dann lediglich die Fälligkeit der Pensionszahlungen. Möge auch die einzelne Verpflichtung aus der Pensionszusage ungewiß sein, so resultiere aus der Gesamtheit der Zusagen bei entsprechend großer Anzahl mit größter statistischer Wahrscheinlichkeit eine Belastung, die bereits am Bewertungsstichtag existent und nach dem Zweck der bewertungsrechtlichen Regelungen auch zu berücksichtigen sei. Eine Außerachtlassung dieser Verpflichtungen wäre umso unverständlicher, als bei der Bewertung von Unternehmensbeteiligungen (§13 Bewertungsgesetz 1955) Belastungen durch Pensionszusagen nach den einschlägigen Bewertungsvorschriften (gemeiner Wert) jedenfalls berücksichtigt werden müßten.

Bemängelt wird auch die Auffassung, daß Verpflichtungen aus Pensionszusagen bewertungsrechtlich als aufschiebend bedingte Lasten und daher vom Rohvermögen nicht abzugsfähig anzusehen seien, während deren Abzugsfähigkeit beim Betriebsvermögensvergleich im Ertragssteuerrecht nicht in Abrede gestellt werde.

b. Die bel. Beh. hat in ihrer Gegenschrift zu B834/87 diesen Bedenken entgegengehalten, daß der Ansatz von Pensionszusagen als ertragsteuerlich wirksame Rückstellung geboten sei,

"weil die mit Pensionszusagen im Zusammenhang stehende wirtschaftliche Belastung des Dienstgebers schon aufgrund der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung nicht unbeachtet bleiben darf und bei Bewertung des Betriebsvermögens Rücksichten kaufmännischer Vorsicht stets ihren Niederschlag zu finden haben.

Demgegenüber können derartige Pensionszusagen bewertungsrechtlich aber deshalb nicht Berücksichtigung finden, weil das Bewertungsrecht von der statischen Bilanzauffassung getragen ist und der Abzug einer Belastung nur dann vertreten werden könnte, wenn zum Bewertungsstichtag eine wirksame Verpflichtung im Sinne des §64 Abs1 BewG bestanden hätte. Im verwaltungsbehördlichen Verfahren sind jedoch keinerlei Sachverhaltsmomente offenkundig geworden, die den Schluß zuließen, die gegenständlichen Pensionszusagen hätten zu den jeweiligen Bewertungsstichtagen eine wirksame Verpflichtung dargestellt."

Dem Beschwerdevorbringen könnte nach Meinung der bel. Beh. nur dann gefolgt werden,

"wenn die Pflicht zur Erbringung der Pensionsleistungen vom Eintritt des Pensionsfalles unabhängig wäre (vgl. Verwaltungsgerichtshof vom 11. März 1983, Zl. 81/17/0048). Dies könnte aber allenfalls nur dann als erfüllt gelten, wenn für den Begünstigten die Möglichkeit bestünde, Zahlungen aus einer derartigen Zusage bereits vor Eintritt in die Pension zu erhalten."

Dem Argument der hohen Wahrscheinlichkeit des Eintritts von Pensionsfällen hält die bel. Beh. die diesbezügliche Auffassung des VwGH (22.4.1966, Zl. 332/65; 22.9.1966, Zl. 877/65) entgegen, wonach "der Begriff 'aufschiebende Bedingung' zivilrechtlich zu verstehen (sei) und nicht im Wege der wirtschaftlichen Betrachtungsweise umgedeutet werden (könne)".

c. Der VfGH hat erwogen:

Gemäß §64 Abs1 Bewertungsgesetz 1955 sind zur Ermittlung des Einheitswertes des gewerblichen Betriebes vom Rohvermögen diejenigen Schulden abzuziehen, die mit der Gesamtheit oder mit einzelnen Teilen des gewerblichen Betriebes in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.

Durch ArtI Z2 Abschnitt IV des 2. Abgabenänderungsgesetzes 1977, BGBl. 645, wurde der mit ArtI Z23 der Bewertungsgesetz-Nov. 1971, BGBl. 172, dem angeführten Wortlaut des §64 Abs1 Bewertungsgesetz 1955 angefügte Satz "§6 ist auf Pensionsrückstellungen nicht anzuwenden" aufgehoben.

Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des 2. Abgabenänderungsgesetzes 1977 (626 d B StProt NR, XIV. GP) begründen diese Aufhebung wie folgt:

"Der letzte Satz des §64 Abs1 Bewertungsgesetz wurde anläßlich der parlamentarischen Behandlung der Regierungsvorlage der Bewertungsgesetznovelle 1970 (150 der Beilage zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates, XII. GP) in das Gesetz aufgenommen. Wie die bisherige Praxis gezeigt hat, stellt diese Bestimmung sowohl für die Abgabepflichtigen als auch für die Finanzverwaltung auf Grund der anzuwendenden Bewertungsmethode eine nicht unerhebliche Arbeitsbelastung dar. Die grundlegende Verschiedenheit der für die Bilanzierung der Pensionsrückstellungen einerseits und die Ermittlung des Einheitswertes des Betriebsvermögens andererseits maßgebenden Bewertungsgrundsätze, die von der Rechtsprechung des VwGH bestätigt wurde, bewirkte bereits bisher zum Teil sehr weit voneinander abweichende Wertansätze, wobei die Ansätze nach Bewertungsgesetz zum Teil wesentlich über den Bilanzansätzen liegen. Die nunmehr vorgesehene Änderung der einkommensteuerlichen Behandlung von Pensionsrückstellungen würde ein noch größeres, nicht vertretbares Auseinanderklaffen der Wertansätze bewirken. Im Hinblick darauf, daß es sich bei dieser Begünstigung um die einzige Ausnahme vom bewertungsgesetzlichen Grundsatz der Nichtberücksichtigung aufschiebend bedingter Schulden, d.h. um Verpflichtungen handelt, die die Unternehmer erst in Zukunft tatsächlich zu tragen haben, erscheint der Wegfall dieser Begünstigung vertretbar."

Gemäß §6 Abs1 Bewertungsgesetz 1955 werden Lasten nicht berücksichtigt, deren Entstehung vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängt.

In seinem Erkenntnis VfSlg. 5653/1968 hatte sich der VfGH bereits mit der Verfassungsmäßigkeit der §6 Abs1 und §64 Bewertungsgesetz 1955 vor dem Hintergrund der Nichtanerkennung von Pensionsanwartschaften als Schulden zu befassen. Er hat damals die Auffassung vertreten, daß die rechtliche Beurteilung der Behörde, "die sich auf Judikate des VwGH zu stützen vermag, ..., auch wenn man anderer Ansicht wäre, als eine denkmögliche Auslegung des §6 Bewertungsgesetz 1955 keinesfalls eine Verfassungswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu begründen" vermag. Eine Verletzung des Eigentumsrechtes wurde daher verneint.

Vom Standpunkt des Gleichheitssatzes aus hat der VfGH in VfSlg. 5653/1968 lediglich die fragliche Regelung mit der Bestimmung des §64 Abs4 (damals §64 Abs3) Bewertungsgesetz 1955 verglichen, welche die Abzugsfähigkeit versicherungstechnischer Rücklagen bei Versicherungsunternehmen zuläßt. Der VfGH hat eine Verletzung des Gleichheitssatzes durch diese, Versicherungsunternehmen begünstigende Sonderregelung verneint.

In VfSlg. 8457/1978 hat der VfGH §14 Abs7 EStG 1972 idF des 2. Abgabenänderungsgesetzes 1977, BGBl. 645, mit welcher die Möglichkeit, gewinnmindernde Rückstellungen für Pensionen zu bilden, entgegen handelsrechtlichen Bilanzierungsgrundsätzen eingeschränkt wurde, am Maßstab des Gleichheitssatzes überprüft. Er hat in der Regelung, die durch die Einschränkung der steuerbegünstigten Bildung des sogenannten Sozialkapitals Überdotierungen zu Lasten der laufenden Gewinne verhindern sollte, den Verstoß gegen den Gleichheitssatz verneint und insbesondere ausgeführt (S. 461):

"Der Gesetzgeber ist vielmehr grundsätzlich frei, im Steuerrecht für künftige Pensionsverpflichtungen eine Passivierungspflicht und auch ein Passivierungsrecht vorzusehen oder (teilweise) zu beseitigen und derartige künftige Verpflichtungen nicht oder nur teilweise als Betriebsausgaben und damit als gewinnmindernd anzuerkennen; dies auch dann, wenn nach handelsrechtlichen Vorschriften eine derartige Passivierungspflicht besteht."

Der VfGH ist der Meinung, daß vom Standpunkt des Gleichheitssatzes der Gesetzgeber auch im Bewertungsrecht grundsätzlich frei ist, Pensionsrückstellungen als vom Rohvermögen abzugsfähige oder nicht abzugsfähige Lasten einzustufen, sofern seine Regelung nicht zu sachlich unbegründbaren Differenzierungen führt. Der in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage angeführte, oben wiedergegebene Zweck der Beseitigung der Abzugsfähigkeit von Pensionsrückstellungen durch das 2. Abgabenänderungsgesetz 1977 bildet nach Meinung des VfGH einen hinreichend sachlichen Grund für diese Regelung. Auch nach Meinung des VfGH ist es "vertretbar", Verpflichtungen, "die die Unternehmen erst in Zukunft tatsächlich zu tragen haben", auch erst zu diesem zukünftigen Zeitpunkt bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens berücksichtigen zu lassen. Keinesfalls kann der Gesetzgeber im Bewertungsrecht vom Standpunkt des Gleichheitssatzes aus verhalten werden, noch ungewisse wirtschaftliche Belastungen eines Betriebes schlechthin als "Schulden" im Sinne des §64 Abs1 Bewertungsgesetz 1955 vom Rohvermögen abziehen zu lassen. Auch der Umstand, daß ein Unternehmen den Grundsätzen ordnungsgemäßer kaufmännischer Buchführung und kaufmännischer Vorsicht entsprechend für zukünftige Pensionsverpflichtungen Rückstellungen bildet und bilanziert, kann für das Bewertungsrecht außer acht bleiben. Wenn das Bewertungsrecht - ausgehend von der statischen Bilanzauffassung - lediglich die zum Bewertungsstichtag wirksamen Verpflichtungen im Sinne des §64 Abs1 Bewertungsgesetz 1955 vom Rohvermögen abziehen läßt, kann dem Gesetzgeber diesbezüglich nicht entgegengetreten werden. Wenn aber nicht die wirtschaftlichen Belastungen eines Betriebes im allgemeinen, sondern nur konkret entstandene Schulden bewertungsrechtlich abzugsfähig sind, so kann auch die "aus der Gesamtheit der Zusagen bei entsprechend großer Anzahl mit größter statistischer Wahrscheinlichkeit" gegebene Belastung unberücksichtigt bleiben. Daß die Nichtberücksichtigung wahrscheinlicher Lasten einen verfassungsrechtlich unbedenklichen Grundsatz des Bewertungsrechts bildet, wurde oben (1.) zu den Abfertigungsrückstellungen näherhin ausgeführt.

Daß bei Beteiligungen gem. §13 Bewertungsgesetz 1955 der gemeine Wert heranzuziehen ist - und insoweit auch Pensionssowie Abfertigungsrückstellungen zu berücksichtigen sind -, liegt im Rahmen der rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, zumal derartige Anteile als positive Wirtschaftsgüter des Anteilsinhabers bewertungsrechtlich zu betrachten sind.

§6 Abs1 Bewertungsgesetz 1955 verletzt daher die verfassungsgesetzlich gewährleistete Gleichheit vor dem Gesetz nicht, mögen danach auch Rückstellungen für Pensionen als aufschiebend bedingte Lasten nicht vom Rohvermögen abzuziehen sein.

Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der von der bel. Beh. herangezogenen Rechtsgrundlage erübrigt es sich, auf die in den Beschwerden behauptete Verletzung des Gleichheitsgebotes einzugehen, die darin erblickt wird, daß die bel. Beh. es angeblich verabsäumte, in einem entscheidungswesentlichen Punkt den maßgeblichen Sachverhalt, nämlich den Inhalt der von bf. Parteien getroffenen Pensionsvereinbarungen, festzustellen. Wenn nämlich Pensionszusagen generell als aufschiebend bedingte Lasten vom Gesetzgeber qualifiziert werden können, bestand für die bel. Beh. kein Anlaß, auf den konkreten Inhalt der einzelnen Pensionsvereinbarungen näher einzugehen. Der bel. Beh. kann sohin auch kein willkürliches Verhalten, das in die Verfassungssphäre eingreift, deshalb vorgeworfen werden, weil sie in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hätte.

3. Zur bewertungsrechtlichen Abzugsfähigkeit von Körperschaftssteuerschulden

a. Mit dem zu B662/87 angefochtenen Bescheid hat die bel. Beh. jeweils nur die (rückgestellte) halbe Körperschaftssteuerschuld zum Abzug zugelassen, die sich nach dem gespaltenen Körperschaftssteuersatz (§22 Abs2 KStG) im Falle einer offenen Gewinnausschüttung ergebe, nicht jedoch den gesamten Körperschaftssteuerbetrag. Nach Meinung des Bf. hat sie dabei nicht berücksichtigt, daß die Körperschaftssteuer solange auf der Basis des normalen Steuersatzes geschuldet werde, als nicht tatsächlich ein Ausschüttungsbeschluß gefaßt worden sei. Unter Hinweis auf das Urteil des BFH vom 24.4.1985, BStBl 1985 II, 361, wird in der Beschwerde ausgeführt:

"Da am Bewertungsstichtag weder der Jahresabschluß festgestellt noch ein Beschluß über die Gewinnausschüttung gefaßt ist, ist eine Minderung der Körperschaftsteuerschuld auf den halben Satz an diesem Stichtag noch nicht eingetreten; ...

Da die bel. Beh. vom Stichtagsprinzip ohne sachlichen Grund abgewichen ist und anders als in allen anderen Fällen auch nach dem Stichtag gelegene Ereignisse in Betracht genommen hat, hat sie die bf. Partei auch hier im Gleichheitsrecht verletzt."

b. Der VfGH hat erwogen:

Ob Körperschaftssteuerrückstellungen bei Ermittlung des Einheitswertes eines gewerblichen Betriebes in einem nach dem normalen Körperschaftssteuersatz gem. §22 Abs1 KStG oder nach dem gespaltenen Körperschaftssteuersatz gem. §22 Abs2 KStG ermittelten Ausmaß als Schuld zu berücksichtigen sind, ist eine Frage der richtigen Auslegung des §64 Abs1 und 2 Bewertungsgesetz 1955. Gleichheitswidrig ist das Ergebnis der von der bel. Beh. vorgenommenen Auslegung des Gesetzes jedenfalls nicht, weil bei Ermittlung der bewertungsrechtlich abziehbaren Körperschaftssteuerschuld das tatsächliche Ausschüttungsverhalten der Gesellschaft berücksichtigt wird. Der zu B662/87 angefochtene Bescheid der bel. Beh. leidet sohin auch diesbezüglich unter keinem in die Verfassungssphäre reichenden Fehler. Ob die bel. Beh. das einfache Gesetz aber richtig angewendet hat, wird der VwGH zu entscheiden haben.

4. Die bf. Gesellschaften sind daher insgesamt durch die angefochtenen Bescheide in keinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden. Ihre Beschwerden waren vom VfGH abzuweisen.

Die von der Neusiedler AG (B662/87), von der Hans Glimberger Vermögensverwaltungsgesellschaft m.b.H. (B701/87), von der Hans Glimbergergesellschaft m.b.H. (B816/87) und von der Österreichischen Automobilfabrik ÖAF-Gräf & Stift AG (B1325/87) eingebrachten Beschwerden waren antragsgemäß gem. Art144 Abs3 B-VG dem VwGH abzutreten.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Prüfungsmaßstab, Bewertung, Arbeitsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:B662.1987

Dokumentnummer

JFT_10119684_87B00662_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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