TE Vwgh Erkenntnis 1991/3/4 90/19/0183

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Veröffentlicht am 04.03.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

AVG §31 Abs2;
AVG §66 Abs4;
BArbSchV §44 Abs2;
VStG §24;
VStG §31 Abs2;
VStG §32 Abs2;
VStG §44a lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Großmann und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 22. Dezember 1989, Zl. Ge-40.325/3-1989/Pan/Lb, betreffend Bestrafung wegen Übertretung der Bauarbeitenschutzverordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung (BH) vom 4. Jänner 1989 war der nunmehrige Beschwerdeführer schuldig erkannt worden, er habe am 3. November 1988 nicht dafür Sorge getragen, daß drei Arbeitnehmer bei den Dacharbeiten auf der Baustelle in K. Nr. 134 die gemäß § 44 Abs. 2 der Bauarbeitenschutzverordnung vorgeschriebenen Schutzblenden, die ein Abstürzen von Menschen und Material verhindern sollten, verwendet hätten. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 44 Abs. 2 der Bauarbeitenschutzverordnung, BGBl. Nr. 267/1954, in Verbindung mit § 31 Abs. 2 lit. p des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 234/1972 idgF, begangen. Es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Auf Grund der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers bestätigte der Landeshauptmann von Oberösterreich (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 22. Dezember 1989 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 das Straferkenntnis mit der Ergänzung, "daß das Dach, auf dem die Arbeitnehmer beschäftigt waren, eine Dachneigung von 40 Grad und eine Traufenhöhe von 6 m aufgewiesen hat".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht verletzt, auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes nicht wegen der genannten Übertretung der Bauarbeitenschutzverordnung bestraft zu werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 44 Abs. 2 der Bauarbeitenschutzverordnung müssen bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20 Grad und auf einer Traufenhöhe von mehr als 5 m über dem Gelände bei Neu- und Umdeckungen und bei umfangreichen Reparaturarbeiten geeignete Schutzblenden (Scheuchen) vorhanden sein, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern.

Unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften wird vom Beschwerdeführer zunächst ausgeführt, es sei ihm im Verwaltungsstrafverfahren die Aufforderung zur Rechtfertigung in einem Kuvert gemeinsam mit einem anderen Schriftstück, ein anderes bei derselben Behörde gegen ihn geführtes Verwaltungsstrafverfahren betreffend, zugestellt worden. Auf welches der beiden anhängigen Verfahren sich die Aufforderung zur Rechtfertigung bezogen habe, sei dem Beschwerdeführer nicht mehr erinnerlich. Er habe daher erstmals durch das erstinstanzliche Straferkenntnis von der gegenständlichen verwaltungsstrafrechtlichen Verfolgung Kenntnis erhalten. Das Straferkenntnis stelle somit die erste taugliche und nachweisliche Verfolgungshandlung der Behörde gegen den Beschwerdeführer dar.

Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.

Gemäß § 32 Abs. 2 VStG 1950 ist Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung u.dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

Auch wenn daher der Beschwerdeführer aus welchen Gründen immer die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 18. November 1988 nicht zur Kenntnis genommen haben sollte, so vermag dies nichts an der Tatsache zu ändern, daß die genannte Aufforderung die erste Verfolgungshandlung in dem streitgegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren darstellt und, da sie innerhalb der 6-Monate-Frist des § 31 Abs. 2 VStG 1950 erlassen worden ist, den Ausschluß der Verfolgungsverjährung bewirkt hat.

Soweit der Beschwerdeführer des weiteren eine Verletzung des Parteiengehörs darin erblickt, daß die belangte Behörde ihm die Stellungnahme des Arbeitsinspektorates im Berufungsverfahren nicht zur Kenntnis gebracht habe, so muß dieses Vorbringen schon deshalb ins Leere gehen, weil laut dem Verwaltungsstrafakt dem Beschwerdeführer die Stellungnahme des Arbeitsinspektorates vom 16. Februar 1989 mit Schreiben vom 23. Februar 1989 mit der Einladung zur Kenntnis gebracht worden ist, innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Erhalt dieses Schreibens hiezu eine Gegenäußerung abzugeben. Vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wurde übrigens mit Schriftsatz vom 10. April 1989 eine Gegenäußerung erstattet.

Da somit dem angefochtenen Bescheid die vom Beschwerdeführer behaupteten Verfahrensmängel nicht anhaften, kann eine Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens zur Verfahrensrüge, das das Vorliegen dieser Verfahrensmängel zur Voraussetzung hat, unterbleiben.

Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes wendet der Beschwerdeführer zunächst ein, es wäre im Hinblick darauf, daß es gemäß § 44 a lit. a VStG 1950 im Spruch der Anführung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale bedürfe, notwendig gewesen, innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist von sechs Monaten gemäß § 31 Abs. 2 leg. cit. die Tatanlastung dahin gehend zu konkretisieren, daß die Arbeitnehmer mit Dacharbeiten auf einem Dach beschäftigt gewesen seien, das auf Grund seiner Höhe und Neigung die Verwendung von Schutzblenden erfordere. Dies sei erstmals im Spruch des angefochtenen Bescheides konkret umschrieben worden.

Auch insofern kann der Beschwerde nicht gefolgt werden. Wie bereits ausgeführt, wurde dem Beschwerdeführer mit der "Aufforderung zur Rechtfertigung" vom 18. November 1988, also innerhalb der 6-Monate-Frist des § 31 Abs. 2 VStG 1950, jenes Verhalten zur Last gelegt, das in der Folge den Gegenstand des angefochtenen Bescheides bildete. In dieser Aufforderung waren die Angaben über die Maße des betreffenden Daches angeführt. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers handelt es sich daher bei der Spruchergänzung durch die belangte Behörde nicht um eine unzulässige Auswechslung der Tat, sondern um eine für die Berufungsbehörde im Rahmen des § 66 Abs. 4 AVG 1950 (§ 24 VStG 1950) zulässige Präzisierung des Spruches des Straferkenntnisses.

    Der Beschwerdeführer bringt des weiteren vor, die Behörde

erster Instanz habe, da sie ihm im Spruch des

Straferkenntnisses vom 4. Jänner 1989 angelastet habe, er habe

nicht dafür Sorge getragen, daß drei Arbeitnehmer ... die

vorgeschriebenen Schutzblenden ... verwendet hätten, obwohl der

Tatvorwurf in der erwähnten Aufforderung zur Rechtfertigung

gelautet habe "Sie haben als Betriebsinhaber ... 3 Arbeitnehmer

mit Dacharbeiten ... ohne Anbringung von Schutzblenden

beschäftigt", eine unzulässige Änderung der Tatanlastung vorgenommen. Auch dieser Einwand ist verfehlt.

Bei der vom Beschwerdeführer aufgezeigten unterschiedlichen Fassung der Tatumschreibung in der Aufforderung zur Rechtfertigung und im Spruch des Straferkenntnisses erster Instanz handelt es sich lediglich um eine im sprachlichen Ausdruck unterschiedliche Darstellung derselben Tatanlastung. Für den Standpunkt der Beschwerde wäre aber selbst dann nichts gewonnen, wenn die Behörde erster Instanz in dem Straferkenntnis vom 4. Jänner 1989 dem Beschwerdeführer insoweit eine andere Tat als in der Aufforderung zur Rechtfertigung angelastet hätte, da das Straferkenntnis innerhalb der 6-Monate-Frist des § 31 Abs. 2 VStG 1950 ergangen ist.

Auch der schließlich vom Beschwerdeführer erhobene Vorwurf, die belangte Behörde habe, ohne Feststellungen darüber zu treffen, ob der Beschwerdeführer Arbeitgeber oder bloß Betriebseigentümer gewesen sei, den Beschwerdeführer zur Verantwortung gezogen, ist nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen. Ungeachtet dessen, daß im Spruch des Straferkenntnisses die ausdrückliche Bezeichnung des Beschwerdeführers als "Arbeitgeber" fehlt, läßt die Tatumschreibung in ihrer Gesamtheit in Verbindung mit der Begründung des angefochtenen Bescheides keinen Zweifel daran, daß der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Arbeitgeber der drei auf der gegenständlichen Baustelle beschäftigten Arbeitnehmer zur Verantwortung gezogen worden ist.

Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Berufungsverfahren Befugnisse der Berufungsbehörde hinsichtlich Tatbestand und Subsumtion Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verwaltungsstrafrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990190183.X00

Im RIS seit

04.03.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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