TE Vwgh Erkenntnis 1991/5/28 90/04/0164

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Veröffentlicht am 28.05.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1973 §156 Abs2;
VStG §44a lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Weiss und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 13. März 1990, Zl. MA 63-R 12/89/Str, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt :

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 13. März 1990 wurde die Beschwerdeführerin im Verwaltungsrechtszug schuldig erkannt, sie habe es als handelsrechtliche Geschäftsführerin der M-Ges.m.b.H., welche Komplementärgesellschaft der MN-KG sei, und somit als zur Vertretung der MN-KG nach außen Berufene im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG 1950 zu verantworten, daß diese Gesellschaft Mitte Juli 1988 beim Bauvorhaben in Wien XXIII, D-Gründe, Bauteil 7/1 (A-Gasse - B-Straße - C-Gasse) an mehreren Wohnhäusern Stahlrohrgerüste aufgestellt habe, ohne die dafür erforderliche Konzession für das Baumeistergewerbe zu besitzen. Sie habe dadurch die Verwaltungsvorschrift des § 366 Abs. 1 Z. 2 GewO 1973 verletzt. Gemäß § 366 Einleitungssatz GewO 1973 wurde über die Beschwerdeführerin eine Geldstrafe in der Höhe von S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage) verhängt. Zur Begründung wurde ausgeführt, der der Beschwerdeführerin zur Last gelegte Sachverhalt stehe unbestritten fest. Die Beschwerdeführerin sei jedoch der Meinung, daß die Aufstellung der gegenständlichen Stahlrohrgerüste keine gemäß § 156 Abs. 2 GewO 1973 den Baugewerbetreibenden vorbehaltene Tätigkeit darstelle, weil hiefür keine statischen Kenntnisse erforderlich seien. Die bei der Errichtung der Wohnhausanlage in Wien 23, D-Gründe, als Baubetreuer tätige S-Ges.m.b.H. habe in einem Aktenvermerk vom 24. November 1988 die Ansicht vertreten, daß für die Aufstellung der gegenständlichen, bis 10 m hohen Gerüste keine statischen Kenntnisse erforderlich seien; die Gerüstarbeiten seien von Technikern der bauführenden "Firmen" geprüft worden und es seien die Einhaltung der Handwerksregeln und die vorgeschriebenen Befestigungen kontrolliert worden. Die Magistratsdirektion-Stadtbaudirektion habe hiezu in ihrem Schreiben vom 10. Jänner 1989 angeführt, daß für die Herstellung von Gerüsten bei mehrstöckigen Bauvorhaben wie im vorliegenden Fall jedenfalls statische Kenntnisse notwendig seien. Neben genauen Kenntnissen über das verwendete Material (Lastannahmen für Holz- und Stahlgerüste) seien insbesondere genaue Kenntnisse über die notwendigen Verankerungen am Bauvorhaben und über die Tragfähigkeit des Untergrundes, auf dem das Gerüst aufgestellt werde, erforderlich. Offensichtlich seien aus diesem Grund die gegenständlichen Gerüstbauarbeiten von Technikern der bauführenden "Firmen" geprüft und die vorgeschriebenen Befestigungen kontrolliert worden. Auf Grund dieser überzeugenden Darlegungen der Magistratsdirektion-Stadtbaudirektion, denen die Beschwerdeführerin nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten sei, stehe es außer Zweifel, daß die Aufstellung der gegenständlichen, bis 10 m hohen Stahlrohrgerüste statische Kenntnisse erfordert habe. Die Aufstellung der Gerüste habe im Hinblick darauf, daß die Gerüste aus Stahl bestanden hätten, gemäß § 156 Abs. 2 GewO 1973 eine Konzession für das Baumeistergewerbe im Sinne des § 157 GewO 1973 vorausgesetzt. Da die MN-KG unbestritten keine solche Konzession besessen habe, habe die Aufstellung der Gerüste eine unbefugte Ausübung des Baumeistergewerbes dargestellt. Der Schuldspruch des erstbehördlichen Straferkenntnisses bestehe daher zu Recht; er sei lediglich zur genaueren Anführung der als erwiesen angenommenen Tat und der durch sie verletzten Verwaltungsvorschrift abgeändert worden. Als verletzte Verwaltungsvorschrift sei nur § 366 Abs. 1 Z. 2 GewO 1973 - nicht aber auch § 156 Abs. 2 GewO 1973 - zu zitieren gewesen, weil die der Beschwerdeführerin angelastete unbefugte Ausübung eines konzessionierten Gewerbes ausschließlich durch § 366 Abs. 1 Z. 2 GewO 1973 unter Strafe gestellt werde.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht verletzt, der ihr zur Last gelegten Verwaltungsübertretung nicht schuldig erkannt und nicht dafür bestraft zu werden.

Sie trägt in Ausführung dieses Beschwerdepunktes vor, auch aus dem von der belangten Behörde abgeänderten Straferkenntnis ließen sich die Tatumstände nicht hinreichend konkretisieren. Weder entspreche die Angabe der Tatzeit mit "Mitte Juli 1988" den Erfordernissen einer ausreichenden Konkretisierung, noch die ungenaue Angabe des Tatortes. Insbesondere bleibe unklar, an welchen "mehreren" Wohnhäusern die Beschwerdeführerin Stahlrohrgerüste durch die MN-KG aufstellen hätte lassen sollen. Auch die Bezeichnung "Bauteil 7/1" (A-Gasse - B-Straße - C-Gasse) lasse die Tatörtlichkeit nicht unverwechselbar mit der für das Verwaltungsstrafverfahren ausreichenden Sicherheit erkennen. Das Straferkenntnis sei darüber hinaus auch insofern nicht hinreichend konkretisiert, als sich daraus nicht ergebe, welche Art von Gerüstungen aufgestellt worden sei, insbesondere ob und aus welchen Gründen statische Kenntnisse für die Aufstellung dieser Gerüste erforderlich gewesen seien. Auch die belangte Behörde habe es überhaupt unterlassen, festzustellen, daß die Beschwerdeführerin das Aufstellen von Gerüsten durch die MN-KG veranlaßt hätte, für die statische Kenntnisse erforderlich seien.

Der Gewerbewortlaut der von der Beschwerdeführerin vertretenen MN-KG laute unstrittig auf "Gewerbsmäßiger Verleih von Baugerüsten". Es würde der durch § 29 in Verbindung mit § 33 Z. 9 GewO 1973 gegebenen Rechtslage widersprechen, wenn man davon ausgehen wollte, daß unter gewerbsmäßigem Verleih von Baugerüsten lediglich der Verleih von Gerüstbestandteilen, die dann nur von einem Baumeister oder aber, falls es sich um Holzgerüste handelt, von einem Zimmermeister zusammengesetzt werden dürften, zu verstehen sei. Derjenige, der das freie Gewerbe des Verleihes (Vermietens) von Baugerüsten ausübe, werde daher wohl auch berechtigt sein, die von ihm vermieteten Gerüste aufzustellen, soferne der Charakter des Betriebes als Dienstleistungsbetrieb, dessen primärer Gegenstand das Vermieten sei, gewahrt bleibe. § 156 Abs. 2 GewO 1973 verlange wohl nur besondere statische Kenntnisse, die über die grundsätzlich erforderlichen statischen Kenntnisse zur Aufstellung eines normalen Gerüstes, wozu auch der Gerüstverleiher berechtigt sei, hinausgingen. Andernfalls wäre der Verleiher von Gerüsten nur zum Verleih von Gerüstbestandteilen berechtigt. Die Behörde habe sich aber nicht einmal der Mühe unterzogen, festzustellen, welche Gerüste in welcher Höhe auf welchem Untergrund und mit welcher Verankerung im Mauerwerk die Beschwerdeführerin durch die MN-KG aufstellen lassen haben sollte. Lediglich auf tahlrohrgerüste abzustellen, erscheine schon insofern nicht gerechtfertigt, als die Beschwerdeführerin, wie auch vorgebracht, Gerüste verwenden habe lassen, die den Ö-Normen, die die erforderliche Belastbarkeit und Verankerung sicherstellten, entsprächen. Unberücksichtigt lasse die belangte Behörde auch, daß im Zweifelsfalle - und offenbar liege ein solcher vor - eine dem § 29 GewO 1973 entsprechende Rechtsanwendung vorzunehmen sei. Nach den Kriterien dieser Bestimmung sei aber der Gerüstverleiher berechtigt, die von ihm verliehenen Gerüste auch aufzubauen. Ob diese Befähigung durch § 156 Abs. 2 GewO 1973 eine Einschränkung erfahre, wäre erst in zweiter Linie zu prüfen. Darüber hinaus sei aktenkundig, daß die durchgeführten Gerüstbauarbeiten sowie die vorgeschriebenen Befestigungen der Gerüste von Technikern der Arge, die über eine Baumeisterkonzession verfügten, geprüft worden seien. Selbst wenn man davon ausgehe, daß die MN-KG als Gerüstverleiher zum Aufstellen der gegenständlichen, im übrigen nicht konkret umschriebenen, Gerüste nicht befugt gewesen sei, stehe fest, daß die verliehenen Gerüste allen allfälligen besonderen statischen Kenntnissen entsprochen hätten und erst nach fachgerechter Überprüfung durch einen Baumeister in Verwendung genommen worden seien. Schlechtestenfalls habe die Beschwerdeführerin daher Gerüstbestandteile zur Aufstellung eines Gerüstes, für das besondere statische Kenntnisse erforderlich seien, vermietet und sich zur Fertigstellung der Aufstellungsarbeiten eines Baumeisters, der für derartige Gerüstaufstellungen befugt sei, bedient. Selbst dann habe die Beschwerdeführerin kein konzessioniertes Gewerbe ohne die erforderliche Konzession ausgeübt. Ihr Verhalten wäre demnach nicht unter § 366 Abs. 1 Z. 2 GewO 1973 zu subsumieren gewesen.

Die vorliegende Beschwerde ist im Hinblick auf die Umschreibung des Tatverhaltens im Spruch des angefochtenen Bescheides im Ergebnis berechtigt.

Nach § 366 Abs. 1 GewO 1973 begeht eine Verwaltungsübertretung, (Z. 2) wer ein konzessioniertes Gewerbe (§ 5 Z. 2) ohne die erforderliche Konzession ausübt.

Im Grunde des § 156 Abs. 1 GewO 1973 unterliegen die Tätigkeiten der Baumeister (§ 157 Abs. 1), Zimmermeister (§ 158 Abs. 1), Steinmetzmeister (§ 159 Abs. 1) und Brunnenmeister (§ 160 Abs. 1) der Konzessionspflicht.

Die Aufstellung von Gerüsten, für die statische Kenntnisse erforderlich sind, ist zufolge § 156 Abs. 2 GewO 1973 den Baugewerbetreibenden im Rahmen ihres Berechtigungsumfanges vorbehalten.

Gemäß § 44a lit.a. VStG 1950 hat der Spruch eines Straferkenntnisses "die als erwiesen angenommene Tat" zu enthalten.

Der mit dem angefochtenen Bescheid getroffene Schuldspruch nimmt unter Hinweis auf das Erfordernis der Konzession für das Baumeistergewerbe unter dem Gesichtspunkt des Aufstellens von Gerüsten lediglich auf folgende Sachverhaltsmerkmale Bezug:

Es handle sich um das - näher bezeichnete - Bauvorhaben, und zwar um mehrere Wohnhäuser, und es handle sich um Stahlrohrgerüste. Diese Sachverhaltsmerkmale lassen als solche nicht hinlänglich erkennen, daß durch das in diesem Zusammenhang umschriebene Tatverhalten in den für den Baumeister vorgesehenen Konzessionsvorbehalt im Bereich der Bestimmung des § 156 Abs. 2 GewO 1973 eingegriffen worden wäre. Diese Sachverhaltsmerkmale enthalten in sich nämlich nicht auch schon einen Bezug auf das gesetzliche Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit statischer Kenntnisse. Solcherart wurde durch den angefochtenen Bescheid die Bestimmung des § 44a lit.a VStG 1950 verletzt.

Ergänzend sei vermerkt, daß die Sachverhaltsmerkmale der Mehrstöckigkeit der in Bau befindlichen Wohngebäude und die Höhe der Gerüste von 10 m in der Tatumschreibung im Spruch des angefochtenen Bescheides nicht enthalten sind, sondern nur in der Begründung des angefochtenen Bescheides erwähnt werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich unter dem Blickwinkel der aufgezeigten Verletzung der Bestimmung des § 44a lit.a VStG 1950 somit nicht mit der Frage auseinanderzusetzen, ob mit einer Anführung der aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ersichtlichen zusätzlichen Sachverhaltselemente im Spruch der Bestimmung des § 44a lit.a VStG 1950 hinlänglich hätte Rechnung getragen werden können oder ob vielmehr eine ausdrückliche - und in der Begründung zu untermauernde - Bezugnahme auf die Erforderlichkeit statischer Kenntnisse für die aufgestellten Gerüste im Spruch geboten gewesen wäre.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990040164.X00

Im RIS seit

28.05.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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