TE Vfgh Erkenntnis 1988/10/12 B792/88, B793/88, B794/88, B795/88, B796/88, B798/88

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Veröffentlicht am 12.10.1988
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Index

32 Steuerrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
B-VG Art145
Konkordat 1934 ArtXIII §4
KStG 1966 §5 Abs1 Z6
BG BGBl 327/1986 Abschn I ArtII Z1

Leitsatz

KörperschaftsteuerG; BG über die Einführung der Zinsertragsteuer; keine Befreiung von der Verpflichtung zur Entrichtung der Zinsertragsteuer für nach §5 Abs1 Z6 iVm. §5 Abs2 KStG beschränkt steuerpflichtige Körperschaften; keine gleichheitswidrige Gesetzesanwendung in diesem, nicht als Anlaßverfahren zu VfSlg. 11666/1988 anzusehenden Fall Art145 B-VG; keine Zuständigkeit des VfGH, über Anträge nach Art145 B-VG vor Erlassung des dort vorgesehenen, besonderen Bundesgesetzes zu entscheiden

Spruch

I.       Die bf. Parteien sind durch die angefochtenen

Bescheide weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten

Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm

in ihren Rechten verletzt worden.

I.       Die Beschwerden werden abgewiesen.

II.      Die Anträge gemäß Art145 B-VG werden zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit den hier angefochtenen 6 letztinstanzlichen Bescheiden von Finanzlandesdirektionen wurden Anträge betreffend Rückerstattung entrichteter Zinsertragsteuer gemäß §240 Abs3 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen diese Bescheide haben die insgesamt 6 betroffenen Einrichtungen der katholischen Kirche in Österreich (Kongregationen, Stifte und Provinzialate) auf Art144 B-VG gestützte Beschwerden eingebracht, welche nach dem 8. März 1988 beim VfGH eingelangt sind.

In diesen Beschwerden wird vorgebracht, die den angefochtenen Bescheiden zugrundeliegenden Bestimmungen über die Zinsertragsteuer in den BG BGBl. 587/1983, 531/1984 und 327/1986 seien wegen Verstoßes gegen §6 F-VG verfassungswidrig. Sollten die Bestimmungen über die Zinsertragsteuer vom VfGH nicht aufgehoben werden, dann seien die bf. Parteien durch die angefochtenen Bescheide im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt, weil die bel. Beh. dem Gesetz zu Unrecht dadurch einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hätten, daß sie den beschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Körperschaften öffentlichen Rechts das Recht auf Rückforderung der Zinsertragsteuer abgesprochen hätten. Nähere Ausführungen behielten sich die bf. Parteien "aus prozeßökonomischen Gründen" für den Fall vor, daß der VfGH die Bestimmungen über die Zinsertragsteuer nicht als verfassungswidrig aufheben sollte.

2. Nach Zustellung des die Bestimmungen über die Zinsertragsteuer in den BG BGBl. 587/1983, 531/1984 und 327/1986 aufhebenden Erkenntnisses des VfGH vom 17. März 1988, G7/88 und andere Zahlen, brachten die bf. Parteien

Schriftsätze ein, in denen weitere Rechtsausführungen zu den Beschwerden gemäß Art144 B-VG vorgebracht und Anträge gemäß Art145 B-VG gestellt wurden.

a) In den Schriftsätzen wird zunächst eingeräumt, daß die vorliegenden Fälle nicht (mehr) Anlaßfälle im Sinne der ständigen Rechtsprechung des VfGH seien, weil die Beschwerden erst nach der am 8. März 1988 stattgefundenen mündlichen Verhandlung zu G7/88 eingebracht worden seien. Das Beschwerdevorbringen sei somit auf dem Boden der bisherigen und nicht der bereinigten Rechtslage zu beurteilen. Die aufgehobenen Gesetzesvorschriften über die Zinsertragsteuer seien insoweit verfassungsrechtlich unangreifbar geworden.

In den Schriftsätzen wird sodann darauf hingewiesen, daß die bel. Beh. auf dem Standpunkt stünden, die entrichtete Zinsertragsteuer dürfe nicht angerechnet oder zurückerstattet werden, weil ArtII Z1 des BG BGBl. 327/1986 die Anrechnung der Zinsertragsteuer insoweit verbiete, als sie auf steuerfreie Einkünfte entfällt. Die bf. Parteien seien als Körperschaften, die nach ihrer Satzung, Stiftung oder sonstigen Verfassung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienten, gemäß §5 Abs1 Z6 Körperschaftsteuergesetz von der Körperschaftsteuer persönlich befreit. Die bel. Beh. hätten dem Gesetz dadurch einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt, daß sie die von den persönlich körperschaftsteuerbefreiten Körperschaften erzielten Zinserträge als steuerfreie Einkünfte im Sinne des ArtII Z1 BGBl. 327/1986 gewertet hätten. Diese Gesetzesbestimmung könne nämlich bei verfassungskonformer Auslegung als steuerfreie Einkünfte nur solche Zinserträge im Auge haben, die sachlich steuerbefreit sind. Die von den Finanzbehörden gewählte Auslegung würde - in evidenter Verletzung des Gleichheitsgebotes - bedeuten, daß alle Steuerpflichtigen, sogar unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Rechtsträger, die vom Gesetzgeber als allgemeine, von jedermann zu entrichtende Abgabe konzipierte Zinsertragsteuer angerechnet oder erstattet bekämen, während hingegen die gemeinnützigen, mildtätigen und kirchlichen Körperschaften, die um dieser Zielsetzung willen persönlich von der Körperschaftsteuer befreit seien, ausgerechnet die Zinsertragsteuer nicht angerechnet oder erstattet erhielten, sondern sie aus eigenen Mitteln tragen müßten. Wenn der Begriff steuerfreie Einkünfte in ArtII Z1 BGBl. 327/1986 im Sinne einer sachlichen und nicht einer persönlichen Steuerbefreiung ausgelegt werden könne, dann müsse eine solche verfassungskonforme Auslegung von der Behörde auch gewählt werden.

Die Interpretation des Gesetzes durch die bel. Beh. sei auch völkerrechtswidrig - heißt es in den Schriftsätzen weiter - und verstoße gegen ArtXIII §4 des Konkordates zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Österreich, BGBl. 1934 II/2. Diese Bestimmung des Konkordates 1933 enthalte die für die Republik Österreich bindende völkerrechtliche Verpflichtung, kirchliche Rechtssubjekte keiner Sondersteuer udgl. Abgaben zu unterwerfen, die nicht auch für andere Rechtssubjekte gelten. Lege man nun - wie die bel. Beh. - ArtII Z1 BGBl. 327/1986 so aus, daß alle anderen - sogar die körperschaftsteuerpflichtigen - Körperschaften im Ergebnis von der Zinsertragsteuer befreit werden, gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Körperschaften aber die Zinsertragsteuer aus eigenen Mitteln tragen müssen, so laufe das auf eine Sonderbesteuerung der persönlich körperschaftsteuerbefreiten Körperschaften hinaus, deren Schwergewicht die kirchlichen Körperschaften treffe. Gewiß seien neben den kirchlichen Körperschaften auch andere Rechtsgebilde von der Körperschaftsteuer persönlich befreit. Die Zahl der Ausnahmen sei aber so beschränkt, daß man bei Anwendung des ArtXIII §4 erster Satz des Konkordates 1933 immer noch von einer Sondersteuer sprechen müsse, die nicht auch für andere Rechtssubjekte gelte. Mit den angefochtenen Bescheiden würden die bf. Parteien somit völkerrechtswidrig einer Sondersteuer unterworfen. Dieses Ergebnis lasse sich nur mit der bereits oben dargelegten verfassungskonformen Auslegung des ArtII Z1 BGBl. 327/1986 vermeiden, welche auch den persönlich körperschaftsteuerbefreiten Körperschaften die Anrechnung oder Erstattung der Zinsertragsteuer zubillige und den Anwendungsbereich dieser Gesetzesbestimmung auf sachliche Steuerbefreiungen beschränke.

b) In den Schriftsätzen wird auch der Antrag gestellt, der VfGH wolle gemäß Art145 B-VG erkennen, daß die angefochtenen Bescheide eine Verletzung des Völkerrechtes bewirkt haben. Diese Anträge werden wie folgt begründet:

"Nach Art145 B-VG erkennt der VfGH über Verletzungen des Völkerrechtes nach den Bestimmungen eines besonderen BG. Generationen von Juristen haben die Auffassung vertreten und gelehrt bekommen, daß ein solches besonderes BG noch nicht erlassen und Art145 B-VG daher unanwendbar sei.

Dies ist ein Irrtum.

Zunächst ist klarzustellen, daß der Begriff 'besonderes Bundesgesetz' in Art145 B-VG kein eigenes, der Ausführung dieses - und nur dieses - Verfassungsartikels gewidmetes, für sich allein bestehendes BG verlangt. So ist etwa das in Art141 Abs3 B-VG (hinsichtlich der Anfechtung des Ergebnisses von Volksbegehren oder Volksabstimmungen) vorgesehene 'Bundesgesetz' heute identisch mit dem in Art148 (zur Regelung der Organisation und des Verfahrens des Verfassungsgerichtshofes) vorgesehenen 'besonderen Bundesgesetz', nämlich dem Verfassungsgerichtshofgesetz 1953.

Niemand könnte von einer Verfassungswidrigkeit sprechen, wenn die in Art145 B-VG vorgesehenen Verfahrensvorschriften nicht in einem eigenen BG, sondern gleich im Verfassungsgerichtshofgesetz angesiedelt wären.

Eben das ist seit langem der Fall.

Der Zweite Abschnitt des VfGG regelt das 'Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof' ohne jede Einschränkung. Der 1. Teil dieses Abschnittes enthält 'Allgemeine Vorschriften' (§§15 bis 36) der 2. Teil 'Besondere Vorschriften' (§§17 ff).

§15 VfGG lautet:

'§15. (1) Die an den VfGH gemäß Art137 bis 145 des Bundes-Verfassungsgesetzes gerichteten Anträge sind schriftlich zu stellen.

(2) Der Antrag hat zu enthalten die Bezugnahme auf den Artikel des Bundes-Verfassungsgesetzes, auf Grund dessen der VfGH angerufen wird, die Darstellung des Sachverhaltes, aus dem der Antrag hergeleitet wird, und ein bestimmtes Begehren.'

Diese Bestimmung und damit die 'Allgemeinen Vorschriften' des VfGG über das Verfahren vor dem VfGH sind ihrem klaren Wortlaut nach auch auf den Fall des Art145 B-VG anzuwenden. Es dürfte nicht einmal ein Redaktionsversehen vorliegen, denn nichts hätte den Gesetzgeber des VfGG gehindert, statt 'Art137 bis 145' im Einklang mit der herrschenden Meinung 'Art137 bis 144' zu sagen.

Daß das VfGG unter seinen 'Besonderen Vorschriften' keine speziellen Regelungen für den Fall des Art145 B-VG enthält, macht die 'Allgemeinen Vorschriften' der §§15 bis 36 dieses Gesetzes für ein solches Verfahren nicht unanwendbar.

Dies umso weniger, als zu den 'Allgemeinen Vorschriften' auch noch §35 Abs1 VfGG gehört, der lautet:

'§35. (1) Soweit dieses Gesetz keine anderen Bestimmungen enthält, sind die Bestimmungen der Zivilprozeßordnung und des Einführungsgesetzes zur Zivilprozeßordnung sinngemäß anzuwenden.'

Es ist also des Falles, daß das VfGG keine anderen, spezielleren Vorschriften enthält, ausdrücklich gedacht, und es kann angesichts des umfassenden Charakters der subsidiär anzuwendenden Zivilprozeßordnung und ihres Einführungsgesetzes auch kein Normenmangel auftreten.

Für Anträge nach Art145 B-VG besteht somit ein geschlossenes Netz von Verfahrensvorschriften. Es könnte sich nur noch die Frage stellen, ob Art145 B-VG eine nähere materiell-rechtliche Umschreibung des in diesem Verfassungsartikel vorgesehenen Prozeßgegenstandes durch einfaches BG fordert.

Diese Frage stellt sich aber in Wahrheit nicht. Art145 B-VG enthält seinem klaren Wortlaut nach (arg.: '... erkennt ... nach den Bestimmungen ...') eine Ermächtigung des einfachen Bundesgesetzgebers zu näheren Regelungen nur in verfahrensrechtlicher Hinsicht. Prozeßgegenstand, über den der VfGH zu erkennen hat, sind nach dem eindeutigen und für sich vollziehbaren Text des Art145 B-VG 'Verletzungen des Völkerrechtes'. Auch in den anderen Artikeln des B-VG, die dem VfGH Zuständigkeiten übertragen, ist der Prozeßgegenstand auf der Ebene der Verfassung abschließend umschrieben.

Das Verfassungsgerichtshofgesetz schränkt den Prozeßgegenstand bei den einzelnen Kompetenztatbeständen nicht ein und dürfte das auch gar nicht, weil Art148 B-VG den einfachen Gesetzgeber nur zu näheren Bestimmungen über (die Organisation und) das Verfahren des VfGH, nicht aber zu einer materiellen Umschreibung oder gar Einengung des Prozeßgegenstandes ermächtigt.

Über die von der bf. Partei nunmehr geltend gemachte Verletzung des Völkerrechtes durch den angefochtenen Bescheid wird daher vom VfGH gemäß Art145 B-VG in Verbindung mit §§15 bis 36 VfGG und im übrigen - zufolge §35 Abs1 VfGG - der ZPO und des EGZPO zu entscheiden sein.

Der VfGH wird zu erkennen haben, ob der angefochtene Bescheid eine Verletzung des Völkerrechtes bewirkt hat oder nicht."

3. Die belangten Finanzlandesdirektionen haben in Gegenschriften die Abweisung der Beschwerden sowie die Zurückweisung der unter Berufung auf Art145 B-VG gestellten Anträge begehrt.

II. Der VfGH hat über die Beschwerden erwogen:

a) Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 17. März 1988, G7/88 und andere Zahlen, die auch den hier angefochtenen Bescheiden zugrundeliegenden Bestimmungen über die Zinsertragsteuer in den BG BGBl. 587/1983, 531/1984 und 327/1986 wegen Verstoßes gegen §6 F-VG als verfassungswidrig aufgehoben.

Wie die bf. Parteien selbst einräumen, sind die vorliegenden Fälle nicht als Anlaßfälle anzusehen, weil die Beschwerden erst nach dem Beginn der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren G7/88 am 8. März 1988 eingebracht worden sind (s. die ständige Rechtsprechung des VfGH zum Begriff des Anlaßfalles, zB VfSlg. 10616/1985).

Aufhebende Erkenntnisse des VfGH wirken, außer im Anlaßfall, vom Tage des Wirksamkeitsbeginnes der Aufhebung an für die Zukunft. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände - mit Ausnahme des Anlaßfalls - ist jedoch kraft der ausdrücklichen Anordnung in Art140 Abs7 B-VG das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Gerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis nichts anderes ausspricht (was im vorliegenden Fall im genannten Erkenntnis vom 17. März 1988 nicht geschehen ist). Die vom VfGH aufgehobene Gesetzesbestimmung ist daher von Gerichten und Verwaltungsbehörden - mit Ausnahme des Anlaßfalls - auf alle jene Sachverhalte anzuwenden, die vor dem Wirksamkeitsbeginn der Aufhebung liegen. Dies gilt auch für den VfGH selbst (vgl. die ständige Rechtsprechung des VfGH, zB VfSlg. 9321/1982).

Allerdings kann, wie der VfGH bereits mehrfach ausgesprochen hat, eine von ihm aufgehobene Gesetzesbestimmung nicht neuerlich Gegenstand einer Gesetzesprüfung sein (vgl. auch hiezu VfSlg. 9321/1982, S. 40 und die dort bezogene weitere Judikatur).

b) Aus all dem folgt, daß in den vorliegenden Beschwerdefällen zu untersuchen ist, ob die bf. Parteien durch die angefochtenen Bescheide auf Grund eines in die Verfassungssphäre reichenden Fehlers in der Vollziehung in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden sind, insbesondere ob - wie in den Beschwerden behauptet wird - die Behörde dem Gesetz fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat.

Dies ist aus folgenden Erwägungen nicht der Fall:

Körperschaften wie die hier bf. Parteien (vgl. VfSlg. 9544/1982, S. 272), die nach ihrer Satzung, Stiftung oder sonstigen Verfassung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen, sind gemäß §5 Abs1 Z6 des Körperschaftssteuergesetzes 1966, BGBl. 156 (KStG), nach Maßgabe der Vorschriften der §§34 bis 47 BAO von der Körperschaftsteuer befreit. Diese Befreiung wird aber durch den Abs2 des §5 KStG (u.a. für solche Körperschaften) insoweit eingeschränkt, als inländische Einkünfte dem Steuerabzug unterliegen. In §22 Abs7 KStG ist zusätzlich festgelegt, daß die Körperschaftsteuer für Einkünfte, die dem Steuerabzug unterliegen, durch den Steuerabzug abgegolten sind, wenn der Bezieher der Einkünfte nur beschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist (abgesehen von bestimmten - hier nicht relevanten Einkünften aus einem gewerblichen Betrieb oder aus gewissen Beteiligungen).

Dieses System des KStG - dessen Sachlichkeit auch in den Beschwerden nicht angezweifelt wird - bewirkt im Ergebnis für bestimmte Abgabepflichtige in einem bestimmten Rahmen die Einschränkung einer Ausnahme von der Besteuerung, im Ergebnis also eine beschränkte Steuerpflicht. Das bedeutet, daß Körperschaften wie die hier bf. generell verpflichtet sind, alle im Abzugsweg erhobenen Steuern zu entrichten (darunter auch die gemäß §6 Abs1 des Abschnittes XIV. des Gesetzes BGBl. 587/1983 durch Steuerabzug erhobene Zinsertragsteuer).

Wenn diese Regelung des KStG in den Vorschriften über die Zinsertragsteuer insofern ihre Entsprechung gefunden hat, als mit der Bestimmung des ArtII Z1 des Abschnittes I. des Gesetzes BGBl. 327/1986 über die Nichtanrechnung steuerfreier Einkünfte ebenfalls eine teilweise Steuerpflicht herbeigeführt wurde (und zwar in der Weise, daß diese Abgabe auf Einkünfte nicht anzurechnen ist, für welche ohnehin keine Steuer zu entrichten ist, also im übrigen auch das für eine Anrechnung erforderliche Objekt fehlt), dann ist dies (ebenfalls) nicht unsachlich. Es ist durchaus folgerichtig, wenn jene Abgabepflichtigen, die im Bereich des Körperschaftsteuerrechts für bestimmte Arten ihrer Einkünfte steuerpflichtig sind, dies auch bei der spezifischen Regelung der Besteuerung für eine dieser Arten (hier: der Zinsertragsteuer) bleiben. Insbesondere kann darin nicht etwa (wie im Falle des Erk. VfSlg. 11368/1987) eine sachlich nicht gerechtfertigte Abweichung innerhalb einer vom Gesetzgeber im Rahmen seines rechtspolitischen Spielraumes gewährten Begünstigung erblickt werden; die in den Beschwerden kritisierte Regelung ist im Gegenteil - wie bereits ausgeführt eine Folge der Konstruktion der Begünstigung. Eine Schlechterstellung gegenüber den übrigen Steuerpflichtigen ist schon deshalb nicht gegeben, weil die unbeschränkt Steuerpflichtigen die Zinsertragsteuer - in Form der Anrechnung ebenfalls zu entrichten haben. Die von den bf. Körperschaften beanstandete Regelung hat vielmehr (lediglich) zur Folge, daß sie nicht auch noch von der Verpflichtung zur Entrichtung der Zinsertragsteuer befreit sind.

c) Zu dem - allerdings im Rahmen der Anträge nach Art145 B-VG erfolgten - Hinweis auf ArtXIII §4 erster Satz des Konkordats vom 5. Juni 1933, BGBl. II Nr. 2/1934, bleibt im Zusammenhang mit den Beschwerden nach Art144 B-VG zu bemerken, daß im Hinblick auf das soeben Ausgeführte eine Diskriminierung der bf. Körperschaften nicht gegeben ist und keine Rede davon sein kann, daß sie einer Abgabe (der Zinsertragsteuer) unterworfen wären, die nicht auch die anderen Abgabepflichtigen zu entrichten hätten.

d) Da die belangten Finanzlandesdirektionen dem Gesetz somit nicht fälschlicherweise einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt haben und weder behauptet wurde noch hervorgekommen ist, daß den bel. Beh. ein sonstiger, in die Verfassungssphäre reichender Fehler unterlaufen ist, sind die Beschwerden abzuweisen.

Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

III. Der VfGH hat über die Anträge gemäß Art145 B-VG erwogen:

1.a) Gemäß Art145 B-VG erkennt der VfGH über Verletzungen des Völkerrechts nach den Bestimmungen eines besonderen BG.

Die Auffassung, daß ein BG, welches diesen Erfordernissen entspricht, nicht erlassen worden ist, wird auch in der Literatur einhellig vertreten (vgl. Adamovich-Funk, Österreichisches Verfassungsrecht3, S. 351; Walter-Mayer, Grundriß des Österreichischen Bundesverfassungsrechts6, Rz 1222, Klecatsky-Morscher, Bundesverfassungsrecht3, Anm. 1 zu Art145, Klecatsky-Öhlinger, Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts, Anm. 1 zu Art145; Simma, Probleme um den Art145 B-VG, JBl. 1969, S. 257, sowie Machacek, "Die Justitiabilität sozialer Grundrechte" in Festschrift für Gerhard Schnorr, Wien 1988, S. 552). Auch der VfGH ist in seiner Judikatur von dieser Auffassung ausgegangen (s. VfSlg. 2586/1953, 2680/1954 und 5378/1966). In den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage der Bundesverfassungsnovelle vom 4. März 1964 heißt es im hier maßgeblichen Zusammenhang: "Eine Diskussion der Möglichkeiten, die Art145 B-VG bietet, zeigt ein so vielfältiges Bild, daß eine Ausführung dieser Verfassungsnorm durch einfaches BG jedenfalls noch reiflicher Überlegungen bedarf" (287 Blg.Sten.Prot. NR X. GP, S. 8).

b) Die Argumente der Antragstellerinnen sind nicht geeignet, den VfGH zu einem Abgehen von seiner - mit der Lehre übereinstimmenden - Auffassung zu veranlassen. Die §§15 Abs1 und 35 Abs1 des (wiederverlautbarten) Verfassungsgerichtshofgesetzes, BGBl. 85/1953, auf welche sich die Antragstellerinnen berufen, standen mit demselben Wortlaut bereits zur Zeit des Entstehens der oben zitierten Auffassungen in Rechtsprechung, Lehre und parlamentarischen Materialien in Geltung, ohne daß ihnen jene Bedeutung beigemessen wurde, welche nach Auffassung der Antragstellerinnen aus ihnen hervorgeht.

Daß die Vorschriften des VerfGG und der ZPO weder die erforderliche bundesgesetzliche Einrichtung noch wesentliche Elemente einer Verfahrensregelung - die im Ergebnis als eine Einrichtung im Sinne des Art145 B-VG qualifiziert werden könnten - aufweisen, ergibt sich schon daraus, daß sie - im Gegensatz zu den Bestimmungen betreffend die Entscheidungen des VfGH nach Art126a, 137 bis 144 sowie 148 f B-VG - nicht erkennen lassen, welche Arten von Rechtsakten (generelle, individuelle) beim VfGH bekämpfbar sein sollten, wer zur Anfechtung legitimiert sein sollte, welche Art der Entscheidung mit welchen Konsequenzen der VfGH zu treffen hätte und in welchem Verhältnis diese Kompetenz zu den anderen Zuständigkeiten des VfGH stehen sollte (dementsprechend weit gehen auch die in der oben zitierten Literatur vertretenen Meinungen über die normative Bedeutung des Art145 B-VG auseinander). Es bedarf keiner näheren Erörterung, daß die ZPO gerade diesbezüglich keine sinngemäß anwendbaren Bestimmungen enthält.

2. Da Art145 B-VG somit vor Erlassung des dort vorgesehenen BG nicht anwendbar ist, fehlt dem VfGH die Zuständigkeit, über die Anträge gemäß Art145 B-VG zu entscheiden.

Die Anträge sind daher - gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung - zurückzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Prüfungsmaßstab, Zinsertragsteuer, Körperschaftsteuer, Konkordat, Völkerrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:B792.1988

Dokumentnummer

JFT_10118988_88B00792_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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