TE Vwgh Erkenntnis 1991/10/15 90/05/0168

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Veröffentlicht am 15.10.1991
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Index

L78103 Starkstromwege Niederösterreich;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);

Norm

B-VG Art12 Abs3;
StarkstromwegeG NÖ 1979 §22;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde 1. des Harald Y, 2. der Maria Y und 3. des Josef X in N, alle vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 29. Juli 1990, Zl. 551.439/36-VIII/6/90, betreffend Einräumung einer Leitungsdienstbarkeit (mitbeteiligte Partei: EVN Energie-Versorgung Niederösterreich AG in Maria Enzersdorf, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 12.130,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Auf Ansuchen der mitbeteiligten Partei erteilte die Niederösterreichische Landesregierung mit Bescheid vom 12. April 1988 die Bau- und Betriebsbewilligung für die Errichtung und den Betrieb einer 110 (220) KV Doppelhochspannungsfreileitungsanlage vom Umspannwerk Dürnrohr zum Umspannwerk Eggenburg. Betroffene Grundeigentümer brachten daraufhin einen Antrag gemäß Art. 12 Abs. 3 B-VG ein. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 24. November 1990 wurde der mitbeteiligten Partei die beantragte Bau- und Betriebsbewilligung für die geplante Doppelhochspannungsleitung erteilt.

Die mitbeteiligte Partei hat am 1. Juni 1990 an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten den Antrag gerichtet, in Fortführung des durchgeführten Baubewilligungsverfahrens das Enteignungsverfahren gemäß den Bestimmungen der §§ 18 ff. des Niederösterreichischen Starkstromwegegesetzes betreffend die im Eigentum des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin stehende Liegenschaft Nr. n1, in EZ nn1, KG Groß Riedenthal, sowie die Überspannung der Grundparzellen Nr. n2, n3, n4, n5 und n6, sämtliche inneliegend in EZ nn2, KG Neudegg, sowie die Überspannung der Grundparzellen Nr. n7, n8, n9, n10, sämtliche in EZ nn3, KG Neudegg und die Überspannung der Grundparzelle Nr. n11, EZ nn4, KG Neudegg durchzuführen. Diese Liegenschaften stehen zur Gänze im Eigentum des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin, dem Drittbeschwerdeführer ist hinsichtlich dieser Liegenschaften ein Fruchtgenußrecht eingeräumt. Privatrechtliche Übereinkommen zwischen den Beschwerdeführern und der mitbeteiligten Partei über die Einräumung von Dienstbarkeiten konnten nicht geschlossen werden. Die belangte Behörde hat mit Kundmachung vom 29. Juni 1990 zur Durchführung des Ermittlungsverfahrens eine mündliche Verhandlung angeordnet und diese am 24. und 25. Juli 1990 in der Gemeinde Großriedenthal abgeführt.

Aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid die Enteignung durch die Einräumung von Dienstbarkeiten zur Errichtung von Tragmasten sowie der Überspannung von Grundparzellen bewilligt. Gleichzeitig wurden Entschädigungsbeträge festgesetzt. Gegen diesen Bescheid, nach dem Beschwerdevorbringen allerdings nur gegen den Teil des Bescheides, mit dem die Dienstbarkeiten eingeräumt wurden, richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 22 des NÖ Starkstromwegegesetzes, LGBl. 7810-0, ist Behörde im Sinne dieses Gesetzes die Landesregierung. Diese Behörde ist daher grundsätzlich sowohl für die Erteilung der Bau- und Betriebsbewilligung (§ 7 leg. cit.) als auch für die Durchführung des Enteignungsverfahrens (§§ 18 ff. leg. cit.) zuständig. Gemäß Art. 12 Abs. 3 B-VG, geht, wenn und insoweit in den Angelegenheiten des Elektrizitätswesens die Bescheide der Landesinstanzen voneinander abweichen oder die Landesregierung als einzige Landesinstanz zuständig war, die Zuständigkeit in einer solchen Angelegenheit, wenn es eine Partei innerhalb der bundesgesetzlich festzusetzenden Frist verlangt, an das sachlich zuständige Bundesministerium über. Sobald dieses entschieden hat, treten die bisher gefällten Bescheide der Landesbehörden außer Kraft.

Wie bereits in der Sachverhaltsdarstellung ausgeführt, ging aufgrund eines Antrages von Grundeigentümern gemäß Art. 12 Abs. 3 B-VG im Bau- und Betriebsbewilligungsverfahren die Zuständigkeit zur Erteilung dieser Bewilligungen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten über, nachdem die Niederösterreichische Landesregierung mit Bescheid vom 12. April 1988 die beantragten Bewilligungen erteilt hatte. Sowohl die belangte Behörde als auch die mitbeteiligte Partei vertreten den Standpunkt, der Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung gemäß Art. 12 Abs. 3 B-VG bewirke, daß das gesamte Verfahren für die Errichtung und Inbetriebnahme der durch einen derartigen Antrag zuständig gewordenen Behörde von dieser weiterzuführen und für die Leitungsanlage abzuschließen sei. Die Erteilung der Bau- und Betriebsbewilligung sei nichts anderes als ein Teilbescheid im Sinne des § 59 Abs. 1 AVG, sodaß im Zusammenhang mit dem zeitlich und logisch vorgeordneten Bau- und Betriebsbewilligungsbescheid nach Art. 12 Abs. 3 B-VG die eingetretene Zuständigkeit des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auch für die konsequenterweise notwendigen folgenden Teilbescheide, insbesondere auch für den Enteignungsbescheid, gegeben sei.

Diese Ansicht findet im Art. 12 Abs. 3 B-VG keine Deckung. Diese Bestimmung normiert ausdrücklich, daß die Zuständigkeit "in einer solchen Angelegenheit", wenn es eine Partei innerhalb der bundesgesetzlich festzusetzenden Frist verlangt, an das sachlich zuständige Bundesministerium übergeht. Sobald dieses entschieden hat, treten die bisher gefällten Bescheide der Landesbehörde außer Kraft. Daraus geht hervor, daß ein Antrag gemäß Art. 12 Abs. 3 B-VG immer nur das jeweilige Verfahren betrifft und überdies die Stellung eines derartigen Antrages nur dann möglich ist, soweit in DIESER ANGELEGENHEIT ein Bescheid der Landesbehörde vorliegt. Entsprechend dieser Rechtsansicht hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Beschluß vom 15. Dezember 1987, Zl. 84/05/0121, ausgesprochen, daß dann, wenn in einem Verfahren nach dem (Stmk) Elektrizitätswirtschaftsgesetz von einem Dritten der Antrag auf Beiziehung als Partei bei der Landesregierung gestellt, darüber aber nicht entschieden wurde, wohl aber in der Hauptsache, mit der Anrufung des Bundesministers gemäß Art. 12 Abs. 3 B-VG in der Hauptsache nicht auch die Pflicht zur Entscheidung über den Antrag auf Beiziehung als Partei auf den Bundesminister übergehe.

Da im gegenständlichen Fall die gemäß § 22 des NÖ Starkstromwegegesetzes zunächst zuständige Niederösterreichische Landesregierung über den Enteignungsantrag der mitbeteiligten Partei nicht entschieden hat und in diesem Verfahren kein Antrag gemäß Art. 12 Abs. 3 B-VG gestellt worden war, war die belangte Behörde zur Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht zuständig.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990050168.X00

Im RIS seit

15.10.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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