TE Vwgh Erkenntnis 1992/6/12 92/18/0210

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Veröffentlicht am 12.06.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

AAV §81;
AVG §8;
Nachtarbeit der Frauen 1969 §3 Abs1;
Nachtarbeit der Frauen 1969 §4 Abs1 litb;
Nachtarbeit der Frauen 1969 §9 Abs1;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs4;
VwRallg;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 92/18/0240 E 29. Jun i1992

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 27. März 1992, Zl. VII/2a-V-1245/10/1-92, betreffend Übertretung des Bundesgesetzes über die Nachtarbeit der Frauen (mitbeteiligte Partei: A, per Adresse L-Handelsges.m.b.H. in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 20. März 1991 wurde die mitbeteiligte Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens als zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer näher angeführten Gesellschaft für schuldig befunden, am 15. Februar 1990 in einer örtlich beschriebenen Filiale die Arbeitnehmerin M. F. im Zuge von Inventurarbeiten bis 22.30 Uhr beschäftigt zu haben und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 9 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 lit. b des Bundesgesetzes über die Nachtarbeit der Frauen begangen zu haben.

Auf Grund der dagegen erhobenen Berufung behob die belangte Behörde dieses Straferkenntnis und stellte das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 lit. b VStG 1950 ein.

In der Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die Behörde sei in einem näher angeführten Verfahren zur Überzeugung gelangt, daß die Leiterin der gegenständlichen Filiale, M. F., für den in Betracht kommenden Zeitraum als die verantwortliche Beauftragte, insbesondere für die Einhaltung der Dienstnehmervorschriften verantwortlich gewesen sei und nicht das zur Vertretung nach außen berufene Organ des Unternehmens. Es sei somit amtsbekannt, daß seitens der Unternehmensleitung die Verantwortung für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften und damit insbesondere für die Einhaltung des Bundesgesetzes über die Nachtarbeit der Frauen auf M. F. im Sinne des § 9 Abs. 3 VStG 1950 (richtig wohl: Abs. 2) übertragen worden sei. Es wäre nicht logisch, wollte man den Standpunkt einnehmen, daß die erwähnte Person zwar für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften für das gesamte Personal in dieser Filiale, nicht aber in bezug auf ihre eigene Person verantwortlich wäre. Daraus folge, daß der Mitbeteiligte des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens als das zur Vertretung nach außen berufene Organ für die gegenständliche Verwaltungsübertretung nicht zur Verantwortung gezogen werden könnte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 9 Abs. 2 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1974 gestützte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Der Beschwerdeführer stellt die Annahme der belangten Behörde, daß M. F. für die in Rede stehende Filiale zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 VStG 1950 bestellt worden sei, nicht in Frage. Er bringt allerdings vor, aus dem im Grunde des § 9 Abs. 4 VStG 1950 gegebenen Erfordernis einer entsprechenden "Anordnungsbefugnis" sei zu schließen, daß ein Arbeitnehmer nicht zum verantwortlichen Beauftragten für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften hinsichtlich der "eigenen" Person bestellt werden könne. Vielmehr sei die Übertragung einer Anordnungsbefugnis lediglich gegenüber unterstellten Personen möglich. Es sei sinnwidrig, § 9 Abs. 2 und 4 VStG 1950 in der Weise auszulegen, daß ein Arbeitnehmer sich selbst die Übertretung einer Vorschriften anordnen könne, deren Schutzobjekt er sei und daß dieser Arbeitnehmer auf Grund der von ihm an sich selbst gerichteten Anordnung verwaltungsstrafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen sei.

Gemäß § 9 Abs. 2 VStG 1950 sind die zur Vertretung nach außen Berufenen berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden. Nach § 9 Abs. 4 leg. cit. kann verantwortlicher Beauftragter nur eine Person mit Wohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag die aus dem in dieser Gesetzesstelle enthaltenen Begriff der "Anordnungsbefugnis" abgeleitete Rechtsansicht des Beschwerdeführers, die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten könne nicht dessen eigene Person umfassen, sondern sei nur gegenüber "unterstellten" Personen möglich, nicht zu teilen. Abgesehen davon, daß das Rechtsinstitut des verantwortlichen Beauftragten nicht nur auf den Bereich des Arbeitnehmerschutzes beschränkt ist und das Vorhandensein einer über- und einer untergeordneten Person nicht voraussetzt, ist selbst im Bereich des Arbeitnehmerschutzes nicht immer eine "Anordnung" (gemeint: in Form einer "Anweisung") an unterstellte Dienstnehmer geeignet, Verstöße gegen solche Vorschriften hintanzuhalten (vgl. etwa die im § 81 AAV normierte Vorsorge für erste Hilfeleistung). Der erwähnte Begriff der "Anordnungsbefugnis" ist daher im Sinne einer "Dispositionsbefugnis" zu verstehen, solche Entscheidungen zu treffen, welche die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften sicherstellen, was auch Entscheidungen in bezug auf die eigene Person des verantwortlichen Beauftragten mitumfaßt. Daß es sich bei dieser Person um ein Schutzobjekt einer Verwaltungsvorschrift handelt, steht einer solchen "Disposition" nicht entgegen; insbesondere ist nicht erkennbar, weshalb sie deshalb aus dem Schutzbereich ausgenommen wäre.

Da bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Arbeitsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992180210.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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