TE Vwgh Erkenntnis 1992/7/1 90/13/0169

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Veröffentlicht am 01.07.1992
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

ABGB §1376;
ABGB §983;
BAO §167 Abs2;
BAO §21 Abs1;
BAO §21;
BAO §22 Abs1;
BAO §22;
BAO §23 Abs1;
BAO §23;
BAO §25;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des Dr. J in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der FLD für Wien, NÖ und Bgld vom 1.6.1990, GZ. 6/1-1015/88-08, betreffend Einkommensteuer 1983 bis 1985, Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1. Jänner 1986 und Vermögensteuer ab dem 1. Jänner 1986, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war in den Streitjahren Wirtschaftstreuhänder und ermittelte den Gewinn aus seiner Tätigkeit durch eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung. Bei einer hinsichtlich der Jahre 1983 bis 1985 durchgeführten Betriebsprüfung wurde festgestellt, daß in der vor Prüfungsbeginn eingereichten Einheitswerterklärung für das Betriebsvermögen zum 1.1.1986 eine Verbindlichkeit mit der Bezeichnung "Lohnschuld" in Höhe von S 443.018,36 ausgewiesen wurde, die aus nicht ausbezahlten Löhnen der beiden Söhne des Beschwerdeführers in den vorangegangenen acht Jahren bestand. Nach den Feststellungen im Prüfungsbericht seien die nicht ausbezahlten Löhne in den Überschußrechnungen als "Werbungskosten" (richtig: Betriebsausgaben) enthalten. Im Zuge der Prüfung habe der Beschwerdeführer dem Prüfer eine berichtigte Einheitswerterklärung übergeben, in der keine "Lohnschuld" ausgewiesen war. In der gleichzeitig übergebenen berichtigten Vermögensteuererklärung zum 1.1.1986 wurden bei den Schulden "Leihgelder" gegenüber den Söhnen Mag. A W. in Höhe von S 276.748,96 und Mag. J W. in Höhe von S 166.269,40, zusammen also S 443.018,36, ausgewiesen.

Der Prüfer anerkannte die geltend gemachten Lohnkosten insoweit nicht als Betriebsausgaben, als sie in den Streitjahren tatsächlich nicht ausbezahlt worden waren. Bei der Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens zum 1.1.1986 wurde die "Lohnschuld" von S 443.018,36 jedoch berücksichtigt.

In der Berufung gegen die nach der Betriebsprüfung erlassenen Bescheide betreffend Einkommensteuer 1983 bis 1985, Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1.1.1986 und Vermögensteuer ab dem 1.1.1986 wurde die steuerliche Anerkennung der nicht ausbezahlten Löhne beantragt. Der Beschwerdeführer behauptete, es sei mit seinen Söhnen vereinbart gewesen, daß sie ihm einen Teil ihrer Bezüge "leihweise (als Darlehen)" zur Verfügung stellen. Das Geld habe er zur Anschaffung einer Computeranlage benötigt. Die Bezeichnung "Gehaltsschuld" in der Einheitswerterklärung sei deswegen erfolgt, weil "die Darlehensbegründung auf den Löhnen beruhte". Richtigerweise wäre die Schuld von Anfang in die Vermögensteuererklärung aufzunehmen gewesen. Beweis für die mündliche Vereinbarung sei, daß die Söhne des Beschwerdeführers ihre Lohnbezüge ordnungsgemäß versteuert hätten.

Die beiden Söhne des Beschwerdeführers gaben bei einer gemeinsamen Vernehmung als Auskunftspersonen an, sie seien in der Kanzlei des Beschwerdeführers als Revisionsassistenten beschäftigt gewesen. Die Beschäftigungsdauer sei unterschiedlich gewesen. Ein Teil der berechneten Nettolöhne sei dem Beschwerdeführer als Darlehen zur Verfügung gestellt worden. Darlehensverträge existierten nicht. Zinsen seien nicht vereinbart gewesen. Die Darlehen seien bis 1988 in Sach- und Geldwerten zurückgezahlt worden. Zu den Sachwerten habe z.B. ein Videorecorder gezählt. Die Rückzahlungen seien nicht belegt. Über die Darlehenshingabe seien keine Quittungen ausgestellt worden. Auf die Frage, warum die Darlehenssummen jeweils "unrunde" Beträge darstellten, gaben die Auskunftspersonen an, es gebe keine Verpflichtung, "gerade Summen" als Darlehen zu gewähren.

Diese Angaben wurden von Mag. J W. als Vertreter seines Vaters in der von der belangten Behörde durchgeführten Verhandlung im wesentlichen bestätigt. Auf die Frage, auf welche Weise festgestellt wurde, welche Beträge (der Darlehensschuld) jeweils noch aushafteten, gab der Vertreter des Beschwerdeführers an, dies sei im Vertrauen gegenüber dem Beschwerdeführer begründet gewesen.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung insoweit keine Folge, als in ihr die steuerliche Berücksichtigung der als Darlehen hingegebenen Teile des Lohns begehrt worden war. In Abänderung des angefochtenen Bescheides betreffend den Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1.1.1986 wurde die "Lohnschuld" weder als betriebliche noch - hinsichtlich der Festsetzung der Vermögensteuer - als private Schuld anerkannt. Nach Auffassung der belangten Behörde enthält die behauptete Vereinbarung weder die wesentlichen Vertragsbestandteile eines Darlehens noch hält sie einem Fremdvergleich stand.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach ständiger Rechtsprechung können vertragliche Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen für den Bereich des Steuerrechts nur als erwiesen angenommen werden und damit Anerkennung finden, wenn sie

1.

nach außen ausreichend zum Ausdruck kommen,

2.

einen eindeutigen, klaren und jeden Zweifel ausschließenden Inhalt haben und

              3.              auch zwischen Familienfremden unter den gleichen Bedingungen abgeschlossen worden wären (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. März 1985, 84/13/0242, u.v.a.m.).

Auch die Ausführung vertraglicher Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen muß diesen Anforderungen genüge tun (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. April 1992, 90/13/0280).

Vom Beschwerdeführer wurden in den Streitjahren bestimmte Teile des auf den Lohnkonten ausgewiesenen Nettolohnes seiner beiden Söhne nicht ausbezahlt. Diese Beträge wurden mit der Begründung als Betriebsausgaben geltend gemacht, daß die strittigen Beträge zwar ausbezahlt, aber dem Beschwerdeführer von seinen Söhnen als Darlehen zur Verfügung gestellt worden seien.

Gemäß § 983 ABGB entsteht ein Darlehensvertrag, wenn jemandem vertretbare Sachen unter der Bedingung übergeben werden, daß er zwar willkürlich darüber verfügen könne, aber nach einer gewissen Zeit ebensoviel von derselben Gattung und Güte zurückgeben soll. Wesentlich für das Darlehen ist die Verpflichtung zur Rückzahlung der Darlehensvaluta (vgl. z.B. OGH vom 28. April 1988, 7 Ob 568/88, WBl 1988, S. 369). Der Darlehensvertrag gehört zu den entgeltlichen Rechtsgeschäften; die Gegenleistung des Darlehensnehmers sind die Zinsen (vgl. OGH vom 29. Juni 1989, 8 Ob 553/89, WBl 1989, S. 351).

Es trifft zwar zu, daß die Zuzählung der Darlehensvaluta auch durch Erklärung erfolgen kann. Die Darlehensschuld kann also auch durch Novation begründet werden (vgl. Stanzl in Klang2, IV/1, S. 697; Schubert in Rummel I2, S. 1508).

Im Verwaltungsverfahren konnte jedoch vom Beschwerdeführer nicht dargestellt werden, welchen Inhalt die zu den jeweiligen Fälligkeiten der Gehaltszahlungen abgeschlossenen Vereinbarungen betreffend die Hingabe von Teilen des Gehalts als Darlehen im einzelnen gehabt haben. Insbesondere ist aus dem durchgeführten Beweisverfahren ersichtlich, daß über die Rückzahlungsverpflichtung keine eindeutige Absprache getroffen worden ist. Von einem jeden Zweifel ausschließenden Inhalt der Darlehensvereinbarungen kann keine Rede sein, wenn die Darlehensgeber zu keinem Zeitpunkt während der Laufzeit der Darlehen die Höhe ihrer Darlehensforderung feststellen konnten.

Darüberhinaus hat die belangte Behörde zu Recht den Schluß gezogen, daß die behaupteten Vereinbarungen einem Fremdvergleich nicht standhalten. Es scheint ausgeschlossen, daß zwischen Fremden Darlehen ohne Verzinsung und ohne konkrete Vereinbarung über die Rückzahlungsmodalitäten abgeschlossen werden. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers hat dabei die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht die Auffassung vertreten, die Darlehen könnten mangels vereinbarter Rückzahlungsverpflichtung nicht zurückverlangt werden - in welchem Zusammenhang der Beschwerdeführer auf § 904 ABGB verwies -; vielmehr hat sie aus den Behauptungen über die Rückzahlungen, - mangelnde Aufzeichnungen, gleichzeitige Hingabe von Heiratsgut, kompensationsweise Tilgung der Darlehensforderung durch Überlassung eines Videorecorders - den Schluß gezogen, daß derartige Vereinbarungen zwischen Familienfremden nicht abgeschlossen werden würden. Diese von der belangten Behörde angestellten Überlegungen erweisen sich als schlüssig, sie entsprechen also den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut. Davon ausgehend hat die belangte Behörde zutreffend gefolgert, daß ein Dienstverhältnis zu den Söhnen des Beschwerdeführers mit der vom Beschwerdeführer behaupteten Entlohnung nicht vorgelegen ist.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kommt bei dem vorliegenden Sachverhalt dem Umstand keine entscheidende Bedeutung zu, daß Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge den behaupteten Gehaltszahlungen entsprechend abgeführt (entrichtet) worden sind.

Der vom Beschwerdeführer erhobenen Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe nicht festgestellt, inwieweit ein Dienstverhältnis zu den Söhnen des Beschwerdeführers vorgelegen sei und was Inhalt des Dienstvertrages zwischen ihm und den Söhnen gewesen sei, ist entgegenzuhalten, daß die Abgabenbehörden sowohl bei der Vernehmung der Söhne als Auskunftspersonen als auch in der mündlichen Verhandlung Fragen nach dem Inhalt der Dienstverträge bzw. dem Umfang der Tätigkeit der beiden Dienstnehmer gestellt haben. Der Umstand, daß diese Erhebungen der Abgabenbehörde zu keinem konkreten Ergebnis hinsichtlich Umfang und Dauer der Tätigkeit der Söhne des Beschwerdeführers geführt haben, kann der belangten Behörde im Hinblick auf den Verfahrensgegenstand nicht als Verfahrensmangel angelastet werden.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, wobei von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden konnte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1990130169.X00

Im RIS seit

01.07.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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