TE Vwgh Erkenntnis 1992/12/17 91/16/0136

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.12.1992
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
24/01 Strafgesetzbuch;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs2 impl;
FinStrG §17;
FinStrG §19 Abs1;
FinStrG §35 Abs1;
FinStrG §8 Abs1;
FinStrG §98 Abs3;
StGB §5 Abs1;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Ladislav, über die Beschwerde des L in B, vertreten durch Dr. X, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz) vom 26. September 1991, Zl. 6-1a/K2/1/1986, Bi, betreffend Finanzvergehen des versuchten Schmuggels, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit der im Spruch dieses Erkenntnisses näher bezeichneten Rechtsmittelentscheidung wies die in der Folge als belangte Behörde bezeichnete Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz) die Berufung des Beschwerdeführers gegen das Erkenntnis des in der Folge als ZA bezeichneten Zollamtes Linz als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom 14. April 1986 als unbegründet ab.

Mit diesem Erkenntnis des ZA war der Beschwerdeführer schuldig erkannt worden, er habe am 19. November 1985 anläßlich seiner Einreise aus der BRD nach Österreich über das Zollamt Burghausen unter vorsätzlicher Verletzung der im § 48 ZollG (1955) normierten Stellungspflicht eingangsabgabepflichtige Waren ausländischer Herkunft, nämlich 140 Bände Lexika und 100 Faltkartons im Gesamtwert von S 14.560,-- (darauf entfallende Eingangsabgaben S 1.540,--), dem Zollverfahren zu entziehen versucht. Er habe dadurch das Finanzvergehen des versuchten Schmuggels nach §§ 35 Abs. 1 in Verbindung mit 13 FinStrG begangen. Gemäß § 35 Abs. 4 FinStrG war über ihn eine Geldstrafe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe zwei Tage) verhängt worden. Auf Grund des § 19 Abs. 1 FinStrG war für die angeführten Waren statt auf Verfall auf Wertersatz in der Höhe von S 16.065,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 16 Tage) erkannt worden.

In der Begründung ihrer Rechtsmittelentscheidung führte die belangte Behörde - soweit für das nunmehrige verwaltungsgerichtliche Verfahren von Bedeutung - unter Hinweis auf die Bestimmungen der §§ 8, 9, 13 Abs. 1, 17, 19 Abs. 1 lit. b, 23 Abs. 1 bis 3 und 35 Abs. 1 und 4 FinStrG sowie 28 Abs. 5, 48 Abs. 1 und 172 Abs. 1 ZollG 1955 im wesentlichen folgendes aus:

Nach den auch im Berufungsverfahren unbestritten gebliebenen Sachverhaltsfeststellungen des ZA stehe fest, der Beschwerdeführer habe am 19. November 1985 anläßlich der Eingangsabfertigung beim Zollamt Burghausen die Frage des Abfertigungsorganes "Führen Sie irgendwelche Waren mit, die Sie in Österreich belassen wollen oder durch Österreich durchführen wollen?" zweimal mit "nein" beantwortet. Erst im Zuge der angekündigten Revision des Pkws habe der Beschwerdeführer angegeben, die oben erwähnten Lexika, die zur bloßen Durchfuhr durch das Zollgebiet bestimmt gewesen seien, mitzuführen. Nach seinen Angaben (Einvernahme am 26. November 1985) habe der Beschwerdeführer durch die Verschweigung der Waren Grenzformalitäten und einen längeren Aufenthalt beim Zollamt (Burghausen) vermeiden wollen.

Da keiner der Befreiungstatbestände des § 172 Abs. 1 ZollG 1955 für den Anlaßfall zutreffe, habe der Beschwerdeführer durch die Verneinung der ihm vom Zollorgan gestellten Frage die genannten Waren nicht gestellt und damit das objektive Tatbild des § 35 Abs. 1 FinStrG erfüllt, da mit der erfolgten Nichtstellung versucht worden sei, die Waren jedwedem Zollverfahren zu entziehen.

Der Beschwerdeführer mache nun sowohl in der vom ZA durchgeführten mündlichen Verhandlung als auch in der vorliegenden Berufung geltend, er sei sich über die Stellungspflicht der angeführten, lediglich zur Durchfuhr durch das Zollgebiet bestimmten Waren, nicht im klaren gewesen. Er habe sich somit in einem entschuldbaren und damit schuldhaftes Handeln im Sinne des § "8" (richtig offensichtlich "9") FinStrG ausschließenden Rechtsirrtum befunden.

Diesem Einwand bleibe es jedoch verwehrt, dem Berufungsbegehren auf Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses zum Erfolg zu verhelfen. So spreche zum einen das Vorbringen des Beschwerdeführers anläßlich seiner Einvernahme am 26. November 1985, wonach er sich durch die Nichtangabe der Waren Grenzformalitäten bzw. einen längeren Aufenthalt an der Grenze habe ersparen wollen, selbst gegen den nunmehr behaupteten Irrtum. Folge man der "von der Judikatur aufgestellten Richtlinie", bei einer sich widersprechenden Verantwortung des Beschuldigten sei grundsätzlich der ursprünglich - noch unter dem Eindruck der Tatbetretung und in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Tat - abgegebenen "Aussage" erhöhte Glaubwürdigkeit gegenüber einer späteren, nicht zuletzt unter dem Eindruck der "verhängten" Strafe stehenden Verantwortung einzuräumen, so stellten sich die diesbezüglichen Einwendungen des Beschwerdeführers als bloße unsubstantiierte Schutzbehauptungen dar.

Aber selbst wenn man der nunmehrigen Verantwortung des Beschwerdeführers folge, er habe aus Unkenntnis der Rechtslage die Frage des Zollorganes verneint, gelange man nicht zur Annahme eines Irrtums im Sinne des § 9 FinStrG. Aus der Formulierung der Frage des Abfertigungsorganes, das ausdrücklich auch nach durchzuführenden Waren gefragt habe, sei nämlich auch für einen nicht mit den Zollvorschriften Vertrauten klar ersichtlich, daß sie sich auf SÄMTLICHE zu diesem Zweck mitgeführten, also auch auf nicht stellungspflichtige Waren beziehe, und biete somit, da sie sich lediglich auf das Sachverhaltselement der Warendurchfuhr beziehe, für eine eigenständige Interpretation über die zollrechtliche Behandlung von Waren keinen Raum. Somit habe aber der Beschwerdeführer von vornherein gar nicht in die Lage eines Rechtsirrtums versetzt sein können.

Im vorliegenden Fall ergebe sich der Vorsatz, die zollamtliche Behandlung der angeführten Ware zu vereiteln, zwingend daraus, daß erwiesenermaßen die Ware weder gestellt noch erklärt worden sei. Der Beschwerdeführer habe die vom Zollorgan an ihn gerichtete Frage nach mitgeführten Waren bewußt wahrheitswidrig verneint.

Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der gegen diese Rechtsmittelentscheidung eingebrachten - zunächst an ihn gerichteten - Beschwerde mit Beschluß vom 2. Dezember 1991, B 1271/91-3, abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wird in der Beschwerde die Aufhebung der angefochtenen Rechtsmittelentscheidung wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt.

Der Bundesminister für Finanzen legte die betreffenden Verwaltungsstrafakten und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor. In dieser wird die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wenn der Beschwerdeführer im wesentlichen zunächst vermeint, die angefochtene Rechtsmittelentscheidung sei wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben, weil sich die belangte Behörde in keiner Weise mit der seit 1. August 1988 geltenden Bestimmung des § 19 Abs. 5 FinStrG auseinandergesetzt habe, zumal die - seines Erachtens wegen Rechtsirrtums ihm zu Unrecht angelastete - Tat in keinem Verhältnis zu den ausgesprochenen Straffolgen (voller Wertersatz und die angeführte Geldstrafe) stehe, dann scheint er folgendes zu übersehen:

§ 19 Abs. 5 FinStrG in der Fassung durch Art. I Z. 5 des nach seinem Art. II mit 1. August 1988 in Kraft getretenen Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988, BGBl. Nr. 414, wonach von der Auferlegung des Wertersatzes ganz oder teilweise abzusehen ist, wenn der Wertersatz (Abs. 3) oder der Wertersatzanteil (Abs. 4) zur Bedeutung der Tat oder zu dem den Täter treffenden Vorwurf außer Verhältnis stünde, kann mangels einer anderen ausdrücklichen Anordnung des Gesetzgebers im vorliegenden Fall (Zeit der Entscheidung erster Instanz: 18. April 1986 - Zustellung des mündlich nicht verkündeten Erkenntnisses) gemäß dem Grundsatz des § 4 Abs. 2 FinStrG nicht Anwendung finden, weil der Wertersatz eine Strafe, und zwar gleich dem Verfall, an dessen Stelle er tritt, eine Nebenstrafe ist (siehe z. B. das in gleicher Weise wie die in der Folge zitierten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG angeführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Mai 1988, Zl. 88/16/0002, ÖStZB 24/1988, S. 560) und sich die Strafe auf Grund der zuletzt zitierten Gesetzesstelle nach dem ZUR ZEIT DER TAT geltenden Recht richtet, es sei denn, daß das ZUR ZEIT DER ENTSCHEIDUNG ERSTER INSTANZ geltende Recht in seiner Gesamtauswirkung für den Täter günstiger wäre.

Wenn der Beschwerdeführer weiters vorbringt, die belangte Behörde habe sich mit seiner subjektiven "Verantwortung" bzw. dem behaupteten Irrtum nicht auseinandergesetzt, dann erscheint es zunächst zweckmäßig, ihm folgende Rechtslage darzustellen:

Dem klaren Wortlaut des § 35 Abs. 1 FinStrG entsprechend muß der Vorsatz des Schmuggels keineswegs auf die Hinterziehung von Eingangsabgaben gerichtet sein. Es genügt vielmehr, daß sich beim Vorliegen einer eingangsabgabepflichtigen Ware der Vorsatz des Täters auf die Verletzung seiner Stellungs- oder Erklärungspflicht sowie darauf bezieht, daß die Ware dem Zollverfahren entzogen werde (siehe z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Juni 1992, Zl. 90/16/0077, mit weiterem Hinweis). Es genügt aber dolus eventualis hiefür. Bedingter Vorsatz ist gegeben, wenn der Täter die Verwirklichung des Unrechtes des Sachverhaltes zwar nicht anstrebt, nicht einmal mit Bestimmtheit mit dem Eintritt des verpönten Erfolges rechnet, dies jedoch für möglich hält, d.h. als naheliegend ansieht und einen solchen Erfolg hinzunehmen gewillt ist (siehe z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Februar 1990, Zl. 89/16/0201, ÖStZB 22/1990, S. 392, mit weiterem Hinweis).

Entgegen der vom Beschwerdeführer aufgestellten Behauptung zeigt bereits die oben wiedergegebene Begründung der angefochtenen Rechtsmittelentscheidung, daß die belangte Behörde doch auf den von ihm geltend gemachten Irrtum im Sinne des § 9 FinStrG einging. In Wahrheit bekämpft der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang die Beweiswürdigung durch die belangte Behörde. Dabei scheint er jedoch folgendes zu übersehen:

Wegen des dem Verwaltungsgerichtshof durch § 41 Abs. 1 VwGG gezogenen Prüfungsrahmens darf die Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht in dem Sinne einer Kontrolle unterzogen werden, daß sie an der Beweiswürdigung gemessen wird, die der Verwaltungsgerichtshof selbst vorgenommen hätte, wäre er erkennende Behörde gewesen. Er darf vielmehr die Beweiswürdigung der belangten Behörde nur auf ihre Schlüssigkeit, gemessen an den Denkgesetzen und am menschlichen Erfahrungsgut, überprüfen (siehe z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. September 1992, Zl. 91/16/0093, mit weiterem Hinweis). Die Richtigkeit eines Aktes der Beweiswürdigung aber in dem Sinne, daß z.B. eine den Beschwerdeführer belastende Darstellung und nicht dessen Vorbringen den Tatsachen entspricht, kann der Verwaltungsgerichtshof in einem Verfahren über eine Bescheidbeschwerde nicht überprüfen (siehe z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Februar 1992, Zl. 90/16/0156, mit weiterem Hinweis).

    Vor allem unter Bedachtnahme darauf, daß

    1. der Beschwerdeführer ausdrücklich von dem

Zollwachebeamten G... u.a. gefragt worden war, ob er

"irgendwelche Waren ... durch Österreich durchführen" wolle,

2. dies vom Beschwerdeführer auch zugegeben wurde und wird (seine Behauptung am 19. November 1985, er sei kein zweites Mal befragt worden, steht im Widerspruch zu den Angaben des deutschen Polizeimeisters der Grenzpolizei Burghausen Josef ... vom 19. November 1985 und wurde weder vom Beschwerdeführer bei seiner Vernehmung am 26. November 1985 noch vom Verteidiger in der mündlichen Verhandlung am 19. Februar 1986 noch in der Berufung aufrecht erhalten),

3. der Beschwerdeführer nach dem Schreiben des Eigentümers der beschlagnahmt gewesenen Waren an das ZA vom 3. Dezember 1985 diese als dafür Verantwortlicher im Lager abgeholt hatte, um sie "wie jede Woche" für Bestellungen aus dem deutschen Bundesgebiet zum Versand zu bringen,

4. der Beschwerdeführer bei seiner Vernehmung am 26. November 1985 angab, er habe die Frage des österreichischen Zollwachebeamten mit nein beantwortet, "weil die im Kofferraum des Pkws verwahrten" Waren nicht in Österreich habe belassen, "sondern sofort wieder nach Deutschland" habe ausführen wollen ... "Ich wollte lediglich Grenzformalitäten und einen längeren Aufenthalt beim Zollamt vermeiden.", wozu der - erstmals vom Verteidiger des Beschwerdeführers am 19. Februar 1986 behauptete - Irrtum, es handle sich um österreichische Bücher, die er nicht anzugeben brauche, in einem - trotz Vorhalt des ZA in der mündlichen Verhandlung im wesentlichen unaufgeklärt gebliebenen - Widerspruch steht, vermag der Verwaltungsgerichtshof in dem oben erwähnten, durch § 41 Abs. 1 VwGG gezogenen Prüfungsrahmen im Beschwerdefall die Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht als fehlerhaft zu erkennen.

Die vorliegende Beschwerde ist daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Zuerkennung des Aufwandersatzes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Allgemeinfreie BeweiswürdigungSachverhalt Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991160136.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

19.09.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten