TE Vwgh Erkenntnis 1993/1/26 92/11/0207

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Veröffentlicht am 26.01.1993
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Index

90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KDV 1967 §30 Abs2;
KFG 1967 §64 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des V in S, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 22. Juli 1992, Zl. 9/01-13/42/4-1992, betreffend Erteilung einer Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.750,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war zuletzt im Besitze einer im Jahr 1985 erteilten, mit fünf Jahren (bis 6. November 1990) befristeten Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A und B. Der Grund für die Befristung lag in der beim Beschwerdeführer festgestellten Zuckerkrankheit ("Diabetes mellitus Typ I") und seinem eingeschränkten Sehvermögen. Mit Antrag vom 28. August 1990 begehrte der Beschwerdeführer bei der Erstbehörde, der Bundespolizeidirektion Salzburg, die "Verlängerung" seiner Lenkerberechtigung. Mit einem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 20. März 1991 wurde dieser Antrag mit der Begründung abgewiesen, der Beschwerdeführer weise nicht die körperliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen auf.

Mit Antrag vom 24. Juni 1991 begehrte der Beschwerdeführer bei der Erstbehörde neuerlich die Wiedererteilung der Lenkerberechtigung, wobei er im Verwaltungsverfahren geltend machte, daß sich sein maßgeblicher Gesundheitszustand gebessert habe.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 24. Juni 1991 gemäß § 64 Abs. 2 KFG 1967 abgewiesen.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Der Beschwerdeführer hat gemäß § 36 Abs. 8 VwGG eine Äußerung zur Gegenschrift der belangten Behörde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat den Antrag des Beschwerdeführers der Sache nach wegen des Mangels seiner körperlichen Eignung abgewiesen. Sie stützte sich dabei auf ein amtsärztliches Sachverständigengutachten vom 3. März 1992, welches wiederum einen augenfachärztlichen Befund vom 25. Oktober 1991 und einen internistischen Befund vom 2. Februar 1992 verwertete. In diesem Gutachten wurde ausgeführt, daß beim Beschwerdeführer ein vermindertes Sehvermögen festgestellt worden sei, welches mit Brillen gerade noch den gesetzlichen Anforderungen entspreche und durch den Augenfacharzt als entsprechend den Anforderungen an Einäugige beurteilt werde, weiters ein Strabismus divergens, ein chronisches Glaukom, welches derzeit gut eingestellt sei, eine diabetische Retinopathie, eine Einengung des rechten temporal oberen Quadranten des Gesichtsfeldes, bedingt durch eine Laserkoagulation vor 10 Jahren, ein Diabetes mellitus Typ I, welcher insulinabhängig sei und, wie aus den Befunden hervorgehe, nach wie vor große Schwankungsbreiten der Blutzuckerwerte zeige, sowohl was die höchsten als auch die niedrigsten Werte betreffe, und eine Neigung zu hypoglykämischen Perioden, wenn auch ohne Bewußtlosigkeit, aufzeige. Zudem sei eine allgemeine Verlangsamung und Schwerfälligkeit bei gedrückter Stimmungslage festgestellt worden.

Insgesamt habe sich der Befund gegenüber der letzten Untersuchung nicht geändert, es sei lediglich eine bessere Blutzuckerkontrolle durch den Patienten festzustellen, jedoch werde von der Augenfachärztin eine Einäugigkeit attestiert, welche im Verein mit der Einschränkung des Gesichtsfeldes rechts sowie der Grunderkrankung und der allgemeinen Verlangsamung als nicht kompensable Mängel aufschienen. Der Beschwerdeführer sei auf Grund dessen nicht geeignet, Kraftfahrzeuge der Gruppen A und B zu lenken. Die belangte Behörde faßte ihrerseits die ausschlaggebenden Mängel als "Einäugigkeit mit Einschränkung des Gesichtsfeldes rechts", die "aufgrund der bestehenden Grunderkrankung, nämlich des Diabetes, nicht kompensiert werden", zusammen.

Der Beschwerdeführer ist der Richtigkeit dieses Gutachtens im Verwaltungsverfahren nicht entgegengetreten.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag allerdings die im Gutachten geäußerte Meinung und die darauf gestützte Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei zum Lenken von Kraftfahrzeugen der in Rede stehenden Gruppen körperlich nicht geeignet, nicht als schlüssig zu erkennen.

Zunächst ist davon auszugehen, daß im augenfachärztlichen Befund vom 25. Oktober 1991 abschließend festgehalten wird, daß der Beschwerdeführer den "Anforderungen, die an einen Einäugigen zu stellen sind, entspricht". Damit hat der den Befund erstellende Facharzt offensichtlich zum Ausdruck gebracht, daß das Sehvermögen des Beschwerdeführers seiner Auffassung nach als ausreichend zu beurteilen ist (damit steht auch im Einklang, daß er beim Beschwerdeführer eine binoculare Sehschärfe von 6/9 festgestellt hat). Es ist daher nicht nachvollziehbar, wieso der amtsärztliche Sachverständige in seinem Gutachten vom 3. März 1992 davon spricht, daß die vom Augenfacharzt festgestellte Einäugigkeit "im Verein mit der Einschränkung des Gesichtsfeldes rechts sowie der Grunderkrankung und der allgemeinen Verlangsamung als nicht kompensable Mängel aufscheinen". Wenn das Sehvermögen als ausreichend anzusehen wäre, bedürfte es keiner Kompensierung eines Mangels. Dazu kommen noch folgende Umstände: Im augenfachärztlichen Befund vom 25. Oktober 1991 wird das Gesichtsfeld des Beschwerdeführers rechts und links mit "o.b."

beurteilt; die Aussage der belangten Behörde betreffend eine Einschränkung des Gesichtsfeldes des Beschwerdeführers findet somit in dem in diesem Verfahren erstellten Befund keine Grundlage. Der Zusammenhang der angenommenen Einschränkung des Sehvermögens des Beschwerdeführers mit anderen Krankheiten (Zuckerkrankheit) und Befindlichkeiten (allgemeine Verlangsamung) wird nicht begründet und ist schon aus diesem Grunde nicht nachvollziehbar.

Die Ausführungen der belangten Behörde in der Gegenschrift sind - abgesehen davon, daß eine fehlende schlüssige Begründung eines beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht nachgeholt werden kann - ebenfalls nicht geeignet, die geschilderten Verfahrensmängel als unwesentlich erscheinen zu lassen. Hinsichtlich der Behauptung, der Beschwerdeführer weise eine "abwechselnde funktionelle Einäugigkeit des rechten und des linken Auges" auf, die wegen der mangelhaften Sehschärfe jedes der beiden Augen (6/9 bzw. 6/12) und der Beeinträchtigung des Gesichtsfeldes den Beschwerdeführer als körperlich ungeeignet erscheinen lasse, entbehrt einer (fach)ärztlichen Grundlage. Zwar ist in dem in Rede stehenden augenfachärztlichen Befund von einem "Strabismus divergens rechts" mit den Zusätzen "meist Linksfixation" und "kann alternieren" die Rede. Mangels näherer begründeter sachverständiger Aussagen, es komme beim Beschwerdeführer zum Ausfall der Sehleistung abwechselnd seines rechten und seines linken Auges, sodaß er in diesem Zustand nur mit dem jeweils anderen Auge zu sehen vermag, wäre es für den Verwaltungsgerichtshof auch nicht nachvollziehbar, wenn diese Ausführungen bereits in der Begründung des angefochtenen Bescheides aufgeschienen wären.

Zu dem Vorbringen des Beschwerdeführers, ein bei ihm festgestelltes Gebrechen müsse als durch erlangte Geübtheit im Sinne des § 30 Abs. 2 KDV 1967 kompensiert angesehen werden, sei angemerkt, daß ein solcher Ausgleich deswegen nicht in Betracht kommt, weil der Beschwerdeführer seit 7. November 1990 keine Lenkerberechtigung mehr besitzt und er damit nicht im gesamten Zeitraum der beiden der nunmehrigen Feststellung seiner Nichteignung vorangegangenen Jahren (in zulässiger Weise) ein Kraftfahrzeug gelenkt haben konnte.

Die Zurückweisung des Antrages des Beschwerdeführers vom 24. Juni 1991 wegen entschiedener Sache nach § 68 Abs. 1 AVG im Hinblick auf den rechtskräftigen Bescheid der belangten Behörde vom 20. März 1991 kam nicht in Betracht. Der Beschwerdeführer hat in diesem Antrag eine wesentliche Besserung seines Gesundheitszustandes behauptet und die ärztlichen Untersuchungen haben auch solche Änderungen im Gesundheitszustand des Beschwerdeführers - wenngleich zum Teil andere als die behaupteten - ergeben. Auch lag der maßgebliche Grund für die damalige Annahme der körperlichen Nichteignung des Beschwerdeführers in seiner Zuckerkrankheit und den daraus potentiell resultierenden Bewußtseinsstörungen.

Der angefochtene Bescheid leidet an den oben dargestellten Verfahrensmängeln. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer in den Pauschalsätzen nach der zitierten Verordnung bereits enthalten ist und Stempelgebührenersatz nur im Betrag von S 630,-- zuzusprechen war (S 360,-- für drei Beschwerdeausfertigungen, S 30,-- für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides und S 240,-- für zwei Ausfertigungen des ergänzenden Schriftsatzes).

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992110207.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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