TE Vwgh Beschluss 1993/9/20 90/10/0141

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Veröffentlicht am 20.09.1993
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Index

L55007 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Tirol;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
10/10 Grundrechte;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §833;
ABGB §834;
AVG §8;
B-VG Art140 Abs1;
NatSchG Tir 1975 §13 Abs1;
NatSchG Tir 1975 §13 Abs2;
StGG Art5;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, in der Beschwerdesache des Dr. M in N, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 15. Mai 1990, Zl. U-11.995/3, betreffend naturschutzrechtliche Ausnahmebewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1.) H in T, und

2.) E in S), den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Antrag der mitbeteiligten Parteien um die Erteilung der naturschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung für folgende Maßnahmen im Zuge der Sanierung des Starkenberger Sees

a)

Reparatur der Seemauer samt Abfluß-Schacht;

b)

Befestigung bzw. Austausch verfaulter Holzbalken an der See-Nordseite;

c)

Erneuerung der Fundamente der bestehenden Fischerhütte am Westufer des Sees;

d)

teilweise Vorrohrung der Zuflüsse;

e)

Revitalisierung des alten verfallenen Springbrunnens an der Westseite des Sees;

f)

Anbringen von Hinweis- und Badeverbotstafeln;

g)

Geländeaufschüttungen zur Erhaltung der um den See führenden Wege;

h)

Ausbaggern

nach §§ 6 Abs. 1 lit. a und b, Abs. 3 lit. a, b und e und Abs. 5 in Verbindung mit § 13 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 des Tiroler Naturschutzgesetzes, LGBl. Nr. 15/1975 (in der Folge: TirNSchG), unter Vorschreibung einer Reihe von Nebenbestimmungen und der Bedingung (nachträglich) Folge gegeben, daß der landschaftspflegerische Begleitplan von der Tiroler Landesregierung genehmigt werde.

Nach der Begründung habe die Behörde zum nachträglichen Antrag der mitbeteiligten Parteien Befund und Gutachten erhoben. Dabei sei geprüft worden, ob durch die beantragten Anlagen eine Beeinträchtigung von Natur, Landschaft und Erholungswert verursacht würde. Die Mitbeteiligten hätten darauf hingewiesen, daß die ursprünglichen Verhältnisse möglichst bald wieder verwirklicht werden sollten. Der Sachverständige habe in seinem Gutachten dargelegt, daß die beantragten Anlagen keine Beeinträchtigung verursachten, wenn entsprechende Vorschreibungen eingehalten würden. Die mitbeteiligten Parteien hätten diesen Vorschreibungen ausdrücklich zugestimmt.

Mit Schriftsatz vom 12. Juni 1990 beantragte der dem Verfahren nicht beigezogene Beschwerdeführer die Zustellung dieses Bescheides. Er sei - wie die beiden Mitbeteiligten - Miteigentümer des Starkenberger Sees. Da der vorliegende Bescheid Rechtswirkungen gegenüber allen Miteigentümern habe, hätte auch der Beschwerdeführer, der zu 46/150 Anteilen ideeller Miteigentümer sei, dem Verfahren beigezogen werden müssen.

Dem Beschwerdeführer wurde daraufhin am 29. Juni 1990 eine Ausfertigung des Bescheides der Tiroler Landesregierung vom 15. Mai 1990 übermittelt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer erachtet sich seinem gesamten Vorbringen nach in seinem Recht auf Beiziehung zum Bewilligungsverfahren als verletzt. Er verweist dabei auf den Umstand, daß die Erstmitbeteiligte zu 58/150 Anteilen und die Zweitmitbeteiligte zu 46/150 Anteilen Miteigentümerinnen des gegenständlichen Sees seien. Seiner Auffassung nach komme ähnlich wie im Bauverfahren allen Miteigentümern Parteistellung zu. Wenn das Naturschutzgesetz vom Grundeigentümer spreche (z.B. §§ 13 Abs. 8 und 9, 14 Abs. 3), so seien darunter sämtliche Miteigentümer zu verstehen. Die im gegenständlichen Verfahren bewilligten Maßnahmen müßten auch vom Beschwerdeführer bezahlt werden. Der angefochtene Bescheid greife daher massiv in seine Miteigentumsanteile ein. Sollten die entsprechenden Bestimmungen des Tiroler Naturschutzgesetzes in der Richtung zu verstehen sein, daß ihm keine Parteienstellung zukomme, so erschienen diese Bestimmungen verfassungswidrig, weil sie den Schutz des Grundrechtes der Unverletzlichkeit des Eigentumes mißachteten. Für diesen Fall werde die Überprüfung des Naturschutzgesetzes durch den Verfassungsgerichtshof beantragt. Im übrigen stellten die bewilligten Maßnahmen erhebliche Eingriffe in die Natur dar, weshalb sie als landschaftsschädigend angesehen werden müßten.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die mitbeteiligten Parteien haben keine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde den mitbeteiligten Parteien, die insgesamt zu 104/150 Anteilen Miteigentümer des Starkenberger Sees sind, aufgrund ihres Antrages vom 6. April 1990 gemäß § 13 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 TirNSchG die naturschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung für eine Reihe von Maßnahmen unter Beifügung zahlreicher Nebenbestimmungen und einer Bedingung erteilt.

Gemäß § 13 Abs. 1 TirNSchG ist eine Bewilligung, die in einer Bestimmung dieses Abschnittes (d.i. § 6 des 2. Abschnittes "Landschaftsschutz") oder in einer aufgrund einer solchen Bestimmung erlassenen Verordnung vorgesehen ist - abgesehen von einer hier nicht in Betracht kommenden Ausnahme - zu erteilen, (lit. a) wenn das Vorhaben, für das die Bewilligung beantragt wurde, weder den Naturhaushalt noch den Erholungswert der Landschaft noch das Landschaftsbild in seiner Eigenart oder Schönheit noch die Grundlage von Lebensgemeinschaften von Tieren oder Pflanzen in einer Weise beeinträchtigt, die dem öffentlichen Interesse, das durch die Festsetzung der Bewilligungspflicht geschützt werden soll, zuwiderläuft.

Nach § 13 Abs. 2 leg. cit. ist eine Bewilligung befristet, mit Auflagen oder unter Bedingungen zu erteilen, soweit dies erforderlich ist, um Beeinträchtigungen der im Abs. 1 lit. a erwähnten Art auf ein möglichst geringes Ausmaß zu beschränken.

Vorweg ist darauf hinzuweisen, daß sich der Verwaltungsgerichtshof auf Grund des oben wiedergegebenen Beschwerdevorbringens nicht veranlaßt sieht, hinsichtlich der streitgegenständlichen Bestimmungen des Tiroler Naturschutzgesetzes beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG zu stellen.

Dem Beschwerdeführer ist einzuräumen, daß das TirNSchG in der Fassung LGBl. Nr. 15/1975 keine nähere Regelung über den Nachweis des Eigentums an Grundstücken enthält. Solche Bestimmungen finden sich erstmals im § 37b in der Fassung des Gesetzes vom 9. Mai 1990, LGBl. Nr. 52/1990. Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung sind im Antrag die Art, die Lage und der Umfang des Vorhabens anzugeben. Dem Antrag sind unter anderem der Nachweis des Eigentums am Grundstück, auf dem das Vorhaben ausgeführt werden soll, oder, wenn der Antragsteller nicht Grundeigentümer ist, die Zustimmungserklärung des Grundeigentümers anzuschließen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Regelungen baurechtlicher Art umfaßt das aus der Privatrechtsordnung dem Grundeigentümer zustehende Recht auch das Recht zur Bauführung (vgl. dazu etwa die Erkenntnisse vom 11. März 1960, Slg. Nr. 5236/A und vom 28. März 1977, Slg. Nr. 9284/A). Zu einem Ansuchen um die Erteilung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung ist somit jedenfalls der Eigentümer des Grundstückes, auf dem das Grundstück betreffende Vorhaben ausgeführt werden soll, legitimiert. Auf dem Boden der im Beschwerdefall maßgebenden Rechtslage nach dem Tiroler Naturschutzgesetz LGBl. Nr. 15/1975 war daher, mag das Gesetz auch eine ausdrückliche Regelung über die Antragslegitimation des Grundeigentümers im gegebenen Zusammenhang noch nicht enthalten haben, der Grundeigentümer antragsberechtigt.

Aus der aus der Privatrechtsordnung abzuleitenden Rechtsstellung des Grundeigentümers als zur Antragstellung nach baurechtlichen ebenso wie nach naturschutzrechtlichen Vorschriften Legitimierten folgt auch, daß in allen jenen Fällen, in denen die Bauführung keine wichtige Veränderung im Sinne der §§ 833 und 834 ABGB darstellt, die Antragstellung durch die Mehrheit der Miteigentümer genügt. Der Verwaltungsgerichtshof verweist in diesem Zusammenhang auch auf seine Rechtsprechung zu baurechtlichen Bestimmungen, in denen die Geltendmachung des dem Eigentümer zustehenden Rechtes zur Bauführung durch einen vom Grundeigentümer verschiedenen Bauwerber vorgesehen ist, in der er die Auffassung vertreten hat, daß die Zustimmung der Mehrheit der Miteigentümer zum Antrag des Bauwerbers, soweit die beantragte Bauführung keine wichtige Veränderung im Sinne der angegebenen Bestimmungen darstellt, genügt (vgl. zu den bereits genannten Erkenntnissen auch die Erkenntnisse vom 27. April 1970, Zl. 126/69 und vom 28. Februar 1972, Zl. 578/71).

Die - zivilrechtliche - Berechtigung der Miteigentümer hängt daher von der Frage ab, ob der (nachträgliche) Antrag auf bescheidmäßige Feststellung nach § 6 in Verbindung mit § 13 TirNSchG eine wichtige Veränderung im Sinne der §§ 833 ff ABGB darstellt oder nicht. Nur in einem solchen Fall wäre nämlich die Zustimmung ALLER Miteigentümer zum Antrag erforderlich gewesen. Wäre hingegen ein solcher Antrag der ordentlichen Verwaltung zuzuordnen, würde die Stimmenmehrheit der Miteigentümer genügen.

Zu den Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung gehören nach der ständigen Rechtsprechung der Zivilgerichte ständig wiederkehrende Ausbesserungen sowie notwendige Instandsetzungen einschließlich baulicher Veränderungen, die nicht über den bloßen Erhaltungszweck hinausgehen (vgl. z.B. die bei Dittrich-Tades, Das Allgemeines bürgerliche Gesetzbuch,

33.

Auflage, bei § 833 abgedruckte Rechtsprechung).

Im Beschwerdefall kann kein Zweifel bestehen, daß es sich bei den von den Mitbeteiligten durchgeführten Maßnahmen schon aufgrund ihrer Art (z.B. Reparatur, Austausch, Erneuerung, Revitalisierung und dgl.) lediglich um Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung handelt. Dafür spricht im übrigen auch ihr Antrag vom 6. April 1990, in dem darauf hingewiesen wird, daß durch die Maßnahmen eine grundlegende Instandsetzung des arg verschmutzten Sees samt seiner Umgebung herbeigeführt werden sollte. Auch nach der Begründung des angefochtenen Bescheides sollen durch die Maßnahmen nur die ursprünglichen Verhältnisse wieder hergestellt werden.

Die belangte Behörde handelte daher nicht rechtswidrig, wenn sie über den Antrag der über die Stimmenmehrheit verfügenden Mitbeteiligten ohne Beiziehung des Beschwerdeführers entschied. Da dieser somit nicht Partei dieses Verfahrens war, konnte er auch nicht in den von ihm geltend gemachten Rechte auf Mitsprache im Bewilligungsverfahren verletzt werden.

Durch die bloße Zustellung eines Bescheides kann die Parteistellung nicht begründet werden (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, bei § 8 AVG wiedergegebene Rechtsprechung).

Was den Inhalt des angefochtenen Bescheides anlangt, so hat die belangte Behörde damit den als Projektwerbern aufgetretenen mitbeteiligten Parteien die beantragte naturschutzrechtliche Ausnahmebewilligung erteilt. Diese werden dadurch ermächtigt, die genehmigten Maßnahmen durchzuführen. Mit dem angefochtenen Bescheid wurden jedoch keinerlei Maßnahmen angeordnet, die in die Rechtssphäre des Beschwerdeführers eingreifen; insbesondere ergibt sich daraus keine zivilrechtliche Duldungspflicht des Beschwerdeführers gegenüber den von den mitbeteiligten Parteien geplanten Maßnahmen. Die mit dem angefochtenen Bescheid verbundenen Auflagen sind nur sogenannte "bedingte Polizeibefehle", die erst dann wirksam werden, wenn die Bewilligungswerber von der ihnen erteilten Bewilligung Gebrauch machen (vgl. dazu z.B. das Erkenntnis vom 21. November 1966, VwSlg. 7028/A).

Der Beschwerdeführer konnte daher auch in den übrigen von ihm geltend gemachten Rechten durch den angefochtenen Bescheid nicht verletzt werden.

Die Beschwerde war daher mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung, somit auch ohne Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung, mit Beschluß zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1990100141.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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