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L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
ABGB §1053;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde
1) des Johann S, 2) der Maria S und 3) der Eleonore W in G, alle vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid der NÖ LReg vom 7.7.1993, Zl. R/1-V-92187/00, betr eine Bauangelegenheit (mP: 1) Franz K in X, 2) Marktgemeinde G, vertreten durch Dr. Y, Rechtsanwalt in X), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer zusammen haben dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der zweitmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 25. Juni 1992 wurde der erstmitbeteiligten Partei dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung einer "Maschineneinstellhalle und Einfriedung" auf den Grundstücken Nr. 3819/1 und 3819/2 des Grundbuches erteilt. Auf die bei der Bauverhandlung vorgebrachte Einwendung der beschwerdeführenden Nachbarn, wonach sie "durch die Errichtung der Halle keine ordnungsgemäße Zufahrt mehr haben", wurde in diesem Bescheid nicht eingegangen.
Die dagegen von den Beschwerdeführern eingebrachte Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 14. September 1992 abgewiesen und der erwähnte erstinstanzliche Bescheid "mit Maßgabe folgender Ergänzung bestätigt: Die Einwendung, daß die Grundstücke der Frau Maria S und der Frau Eleonore W durch die Errichtung der Halle keine ordnungsgemäße Zufahrt mehr haben, wird auf den Rechtsweg verwiesen. Im übrigen werden die Einwendungen" der Beschwerdeführer "abgewiesen".
Die Berufungsbehörde führte dazu in der Begründung ihres Bescheides im wesentlichen aus, die Beschwerdeführer hätten nicht behauptet, daß das in Rede stehende Bauvorhaben auf einer ihnen gehörenden Liegenschaft errichtet werde, was auch tatsächlich nicht der Fall sei. Die Beschwerdeführer hätten sich lediglich darüber beschwert, daß der (frühere) öffentliche Weg, auf dem teilweise Baulichkeiten errichtet werden sollen, ausschließlich von ihnen ins öffentliche Gut abgetreten worden sei und über dieses öffentliche Gut nicht gültig verfügt werden könne. Die von den Beschwerdeführern angesprochene Fläche sei ein Teil des Grundstückes Nr. 3832, wobei dieses öffentliche Gut auf Grund einer Verhandlung vom 6. April 1992 als Teil einer Gemeindestraße aufgelassen worden und daher nicht mehr dem öffentlichen Verkehr gewidmet sei. Die mitbeteiligte Gemeinde habe diese Fläche inzwischen an den mitbeteiligten Bauwerber verkauft, weshalb dieser außerbücherlicher Eigentümer derselben sei. Auf Grund dieses Kaufvertrages bestehe auch kein Zweifel an der Zustimmung des bücherlichen Eigentümers zur Verbauung dieser Fläche. Die die Zufahrt betreffende Einwendung sei auf den Zivilrechtsweg zu verweisen gewesen, weil es sich dabei um eine privatrechtliche Einwendung handle.
Mit Bescheid der NÖ Landesregierung vom 7. Juli 1993 wurde die gegen diesen Berufungsbescheid gerichtete Vorstellung der Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 4 der NÖ Gemeindeordnung 1973 als unbegründet abgewiesen.
Die Aufsichtsbehörde führte in der Begründung ihres Bescheides aus, es sei dem gesamten Vorbringen der Beschwerdeführer zu entnehmen, daß sie eigentlich das bisherige Ergebnis des Zusammenlegungsverfahrens bekämpften, da sie befürchteten, durch eine bewilligte Bauführung vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Vor der Baubehörde könnten jedoch lediglich Verletzungen von Anrainerrechten geltend gemacht werden, die auf baurechtlichen Normen beruhen. Nach einer Wiedergabe des Wortlautes des § 118 Abs. 9 der NÖ Bauordnung 1976 wies die Aufsichtsbehörde sodann darauf hin, den Aktenunterlagen könne ein "Zufahrtsverlust" nicht entnommen werden, zumal überdies im Zusammenlegungsverfahren die Frage der Zufahrten geregelt werde. Ein Anspruch auf ungehinderte Benützung von Straßen bzw. auf die Aufschließung jedes einzelnen Grundstückes durch Verkehrsflächen bestehe aber nicht. Durch das behauptete Fehlen der Zustimmung des Grundeigentümers zum Bauvorhaben könne kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht im Sinne der NÖ Bauordnung 1976 verletzt werden. Außerdem hätten die Beschwerdeführer nie behauptet, es sei ihre Zustimmung zum Bauvorhaben erforderlich gewesen, weil es auf einem in ihrem Eigentum stehenden Grundstück errichtet werden soll. Abschließend wies die Aufsichtsbehörde in der Begründung ihres Bescheides noch darauf hin, daß dem Flurverfassungs-Landesgesetz 1975 keine Bestimmung entnommen werden könne, derzufolge während eines laufenden Zusammenlegungsverfahrens eine Verpflichtung zur Genehmigung eines Kaufvertrages "von entwidmetem" öffentlichem Gut durch die Agrarbehörde bestehe, weshalb auch die diesbezügliche Einwendung ins Leere gehe. Die Ergebnisse bzw. Entscheidungen eines Zusammenlegungsverfahrens könnten daher nicht im Wege baurechtlicher Verfahren bekämpft werden. Die Baubehörde habe lediglich baurechtliche Belange wahrzunehmen.
Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und die mitbeteiligten Parteien erwogen:
Gemäß § 118 Abs. 9 der NÖ Bauordnung 1976 werden subjektiv-öffentliche Rechte der Anrainer durch jene Vorschriften begründet, welche nicht nur den öffentlichen Interessen dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer. Hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über 1. den Brandschutz; 2. den Schutz vor anderen Gefahren, die sich auf die Anrainergrundstücke ausdehnen können; 3. die sanitären Rücksichten wegen ihres Einflusses auf die Umgebung;
4. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe und die Abstände der Fluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung.
Der Erstbeschwerdeführer hat bei der im Gegenstande stattgefundenen, unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG anberaumten Bauverhandlung - auch im Namen der Zweit- und Drittbeschwerdeführerin - vorgebracht, daß "teilweise das öffentliche Gut an der östl. Grundgrenze seinerzeit von der Fam. S im Zuge der Kommassierung eingebracht wurde", und daß "die Grundstücke von Fr. S Maria und W Eleonore ... durch die Errichtung der Halle keine ordnungsgemäße Zufahrt mehr haben". Dem geplanten Bauvorhaben werde daher nicht zugestimmt.
Wie schon ausgeführt worden ist, wurde die Einwendung, "daß die Grundstücke der Frau Maria S und der Frau Eleonore W durch die Errichtung der Halle keine ordnungsgemäße Zufahrt mehr haben", mit dem Berufungsbescheid der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 14. September 1992 "auf den Rechtsweg verwiesen". In der Begründung dieses Bescheides wurde hervorgehoben, daß die Beschwerdeführer nicht einmal behauptet hätten, die geplanten baulichen Anlagen würden auf ihrem Grundstück errichtet werden.
Die Verweisung der erwähnten Einwendung auf den Rechtsweg stimmt mit der Vorschrift des § 99 Abs. 4 der NÖ Bauordnung 1976 überein, weil die Behauptung der Beschwerdeführer, daß ihre Grundstücke infolge des Bauvorhabens des mitbeteiligten Bauwerbers "keine ordnungsgemäße Zufahrt mehr haben", nicht die Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Nachbarrechtes der Beschwerdeführer im Sinne der eben wiedergegebenen Bestimmung der NÖ Bauordnung 1976 zum Gegenstand hat, weshalb durch die Verweisung dieser Einwendung auf den Rechtsweg keine Rechte der Beschwerdeführer verletzt worden sind. An diesem Beurteilungsergebnis vermag auch der Hinweis der Beschwerdeführer darauf nichts zu ändern, daß zu jenen Bestimmungen, welche subjektiv-öffentliche Nachbarrechte begründen, auch jene über die "Bebauungsweise" gehören, weil die Bestimmungen über die Bebauungsweise die Anordnung der Gebäude zu den Grenzen der Bauplätze festlegen (siehe § 5 Abs. 2 der NÖ Bauordnung 1976), aber keine Verpflichtung der Baubehörde enthalten, im Zusammenhang mit der Bewilligung eines Bauvorhabens auf die "Möglichkeit der Aufschließbarkeit von anderen Grundstücken Bedacht zu nehmen".
Im übrigen ist nochmals festzuhalten, daß die Beschwerdeführer nicht einmal behauptet haben, daß das Bauvorhaben des mitbeteiligten Bauwerbers auch nur teilweise auf ihrem Grundstück errichtet werden soll, weshalb aus der Sicht der Beschwerdeführer keine Verletzung der Vorschrift des § 96 Abs. 1 Z. 2 der NÖ Bauordnung 1976 vorliegt, wonach dem Ansuchen um die Erteilung einer Baubewilligung die Zustimmung des Grundeigentümers anzuschließen ist, wenn der Bewilligungswerber nicht Grundeigentümer ist. Ob diese baurechtliche Vorschrift in bezug auf andere Grundeigentümer eingehalten worden ist, braucht im gegebenen Zusammenhang nicht erörtert zu werden, weil den beschwerdeführenden Nachbarn aus diesen Bestimmungen kein subjektiv-öffentliches Recht erwächst (vgl. dazu u.a. das bei Hauer-Zaussinger, Die NÖ Bauordnung,
4. Aufl., auf S. 331 zitierte hg. Erkenntnis vom 23. Februar 1993, Zl. 92/05/0252). Die Beschwerdeführer könnten daher durch den angefochtenen Bescheid auch dann nicht in dem von ihnen ausdrücklich geltend gemachten Beschwerdepunkt (§ 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG), "daß die Baubewilligung dem Nichteigentümer erteilt wurde", verletzt worden sein, wenn von einem diesbezüglichen - jedoch nicht ihre fehlende Zustimmung als Grundeigentümer betreffenden - Sachverhalt auszugehen wäre. Ungeachtet dessen soll nicht unerwähnt bleiben, daß der von den Beschwerdeführern ins Treffen geführte Begriff "außerbücherlicher Eigentümer" in jenen Fällen verwendet wird, in welchen das Eigentumsrecht an einer Liegenschaft ausnahmsweise nicht durch Eintragung im Grundbuch erworben wird (z. B. im Falle des Erwerbes des Erben durch die Einantwortung, des Erwerbes des Erstehers bei der Zwangsversteigerung durch Zuschlag, des Erwerbes bei der Enteignung durch Erlag der Entschädigungssumme oder des Erwerbes durch Ersitzung nach Ablauf der Ersitzungszeit). Die Bezeichnung "außerbücherlicher Eigentümer" ist allerdings insofern irreführend, als der Erwerber einer Liegenschaft auf Grund des Kaufvertrages lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch auf Verschaffung des Eigentums hat (vgl. dazu die bei Hauer-Zaussinger, a.a.O., auf
S. 329 unter Z. 5 und 6 wiedergegebene diesbezügliche hg. Judikatur). Angesichts des einerseits durch die Bestimmungen über die Präklusion (§ 42 AVG) und andererseits durch die bereits wörtlich wiedergegebenen baurechtlichen Bestimmungen beschränkten Mitspracherechtes der Nachbarn im Baubewilligungsverfahren bedarf es auch keiner Erörterung, ob im Beschwerdefall vom Vorliegen der Zustimmung der Agrarbehörde zu dem Bauvorhaben des mitbeteiligten Bauwerbers auszugehen ist, weil sich den Bestimmungen der Bauordnung nicht entnehmen läßt, daß subjektiv-öffentliche, in der Bauordnung verankerte Nachbarrechte verletzt werden, wenn eine Baulichkeit ohne die allenfalls erforderliche Zustimmung der Agrarbehörde errichtet werden sollte. Ebensowenig ist unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Nachbarrechten der Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren von Bedeutung, ob nach den Bestimmungen des Flurverfassungs-Landesgesetzes ein Kaufvertrag über ein im Sinne des § 32 Abs. 5 des NÖ Landesstraßengesetzes "entwidmetes öffentliches Gut von der Agrarbehörde genehmigt werden muß".
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, daß die die Zufahrt zu ihren Grundstücken betreffende Einwendung der Beschwerdeführer zutreffend auf den Rechtsweg verwiesen worden ist, weshalb sie von den Baubehörden nicht zum Gegenstand meritorischer Erörterungen zu machen war und diesbezüglich auch keine Verletzung von Verfahrensvorschriften in Betracht gekommen ist. Ferner wurde von den Beschwerdeführern selbst nicht behauptet, daß ihre Zustimmung im Sinne des § 96 Abs. 1 Z. 2 der NÖ Bauordnung 1976 erforderlich gewesen sei, weshalb auch in dieser Hinsicht weder materielle noch im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG relevante verfahrensrechtliche Ansprüche der Beschwerdeführer verletzt worden sind.
Der Vorstellung der Beschwerdeführer ist daher mit Recht keine Folge gegeben worden, weshalb sich die Beschwerde als unbegründet erweist. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der Durchführung der von den Beschwerdeführern beantragten mündlichen Verhandllung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993050186.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
07.08.2009