TE Vwgh Erkenntnis 1994/2/4 93/02/0315

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Veröffentlicht am 04.02.1994
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

AAV §84 Abs1;
ASchG 1972 §14 Abs2;
ASchG 1972 §27 Abs1;
ASchG 1972 §27 Abs2;
ASchG 1972 §31 Abs2 litp;
VStG §22 Abs1;
VStG §44a Z1;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 93/02/0265 E 4. März 1994

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Bernard und Dr. Riedinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 4. November 1993, Zl. UVS-04/14/00742/93, betreffend Übertretung des Arbeitnehmerschutzgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin in ihrer Eigenschaft als eine gem. § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung einer näher bezeichneten OHG nach außen berufene Gesellschafterin schuldig erkannt, es verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten zu haben, daß in einer Verkaufsstelle der OHG in der sogen. Shopping City Süd (SCS) in Vösendorf am 26. September 1990 Arbeitnehmer beschäftigt gewesen seien, ohne daß diesen Waschwasser zur Verfügung gestellt gewesen sei. Dadurch habe sie eine Übertretung nach § 31 Abs. 2 lit p des Arbeitnehmerschutzgesetzes (ANSchG) in Verbindung mit § 84 Abs. 1 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV) begangen. Über sie wurde deswegen eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

In ihrer an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt, mitgeteilt, daß auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet wird und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach dem ersten Satz des § 84 Abs. 1 AAV muß in jedem Betrieb Vorsorge getroffen sein, daß einwandfreies Waschwasser zur Verfügung steht, das in hygienischer Hinsicht den an Trinkwasser zu stellenden Forderungen möglichst nahe kommt. Nach dem dritten Satz dieser Bestimmung müssen Waschplätze so eingerichtet sein, daß die Hände unter fließendem, nach Möglichkeit auch warmem Wasser gewaschen werden können; für diese Zwecke können auch Vorratsbehälter entsprechender Größe verwendet werden. Gesetzliche Grundlage dieser Bestimmung ist § 14 Abs. 2 ANSchG, wonach den Arbeitnehmern eine ausreichende Zahl von hygienisch unbedenklichen Waschplätzen mit fließendem, einwandfreiem Wasser zur Verfügung zu stellen ist, wobei für die Zwecke Vorratsbehälter verwendet werden können. Eine Möglichkeit zur Warmwasserbereitung muß gegeben sein. Gemäß § 31 Abs. 2 lit p ANSchG begehen u.a. Arbeitgeber eine Verwaltungsübertretung, wenn sie den Vorschriften der auf Grund des Gesetzes erlassenen Verordnungen zuwiderhandeln.

1. Unbegründet ist die Beschwerde, soweit sie einen Verstoß gegen § 44 a VStG wegen mangelhafter Bezeichnung der Tatzeit rügt. Der Verwaltungsgerichtshof vermag darin keine Rechte der Beschwerdeführerin verletzende Rechtswidrigkeit zu erblicken, daß als Tatzeit nur ein bestimmter Tag - an dem eine Erhebung des zuständigen Arbeitsinspektorates stattgefunden hat - und nicht ein Zeitraum angegeben wurde. Es wurde der Beschwerdeführerin lediglich zur Last gelegt, sie habe einen bestimmten Zustand zu verantworten. Daß dieser als rechtswidrig erachtete Zustand nicht nur am Tag seiner behördlichen Feststellung, sondern auch darüber hinaus (vorher und nachher) bestanden hat, belastet den auf den besagten Tag eingeschränkten Spruch nicht mit einer vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmenden Rechtswidrigkeit.

2. Verfehlt ist auch die unter Hinweis auf die für die gesamte Anlage der SCS erteilte gewerbliche Betriebsanlagegenehmigung erfolgte Berufung auf § 27 Abs. 2 ANSchG. Nach § 27 Abs. 1 leg. cit. dürfen Betriebe, bei deren Führung infolge der Art der Betriebseinrichtungen, der Betriebsmittel, der verwendeten Arbeitsstoffe oder der Arbeitsverfahren in besonderem Maße eine Gefährdung des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer auftreten kann, nur auf Grund einer Bewilligung der zuständigen Behörde geführt werden. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung ist eine Bewilligung nach Abs. 1 nicht erforderlich bei Betrieben, für die durch eine andere bundesgesetzliche Vorschrift eine Bewilligung vorgeschrieben ist, sowie bei sonstigen Betrieben, die unter die Bestimmungen der Gewerbeordnung fallen.

Davon, daß eine Bewilligung nach § 27 Abs. 1 leg. cit. für die gegenständlichen Betriebsräumlichkeiten erforderlich wäre, ist nach der Aktenlage keine Rede. Nur eine solche Bewilligung kann gem. § 27 Abs. 2 leg. cit. durch andere Bewilligungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften entbehrlich werden (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshof vom 20. Juni 1991, Zl. 90/19/0217). Es ist aber keineswegs so, daß die bestehende gewerbliche Betriebsanlagengenehmigung jede Abweichung von arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften zu decken vermöchte.

3. Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsstrafverfahren vorgebracht, daß in der SCS in unmittelbarer Nähe der von ihr gemieteten Verkaufsräumlichkeiten ausreichende Waschräume - speziell für Arbeitnehmer der in der in Rede stehenden Einrichtung befindlichen Handelsbetriebe - zur Verfügung stünden. Die belangte Behörde ist auf diese Verantwortung der Beschwerdeführerin mit dem Hinweis darauf nicht eingegangen, die Waschgelegenheit müsse im Betrieb selbst vorhanden sein, womit sie zum Ausdruck brachte, daß sich ihrer Auffassung nach die Waschgelegenheiten in den Verkaufsräumen der Beschwerdeführerin zu befinden hätten. Wenn die Einleitung von Wasser - der Behauptung der Beschwerdeführerin folgend - in diese Verkaufsräumlichkeiten nicht möglich sei, so genüge nach der Rechtslage die Aufstellung eines Wasserbehälters.

Damit hat die belangte Behörde den Inhalt der angewendeten arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschrift verkannt. Dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung ist mit den von der Beschwerdeführerin angesprochenen Waschräumen jedenfalls besser entsprochen als mit einem Wasserbehälter. Bei Gemeinschaftswaschräumen in einer Einrichtung wie der SCS kann nicht davon gesprochen werden, daß sie sich "in einem anderen Betrieb" (vgl. dazu das Erkenntnis vom 23. April 1990, Zl. 90/19/0075) befänden. Es muß vielmehr davon ausgegangen werden, daß - die tatsächliche leichte Zugänglichkeit der Waschräume für Arbeitnehmer vorausgesetzt - die gemeinschaftlichen Einrichtungen wie die in Rede stehenden als jedem einzelnen in der Gesamtanlage befindlichen Einzelbetrieb zugehörig anzusehen sind. Sollte die Behauptung der Beschwerdeführerin zutreffen, so hätte sie mit der Miete des Geschäftslokales auch die Berechtigung zur Benützung der gemeinschaftlichen Waschräume durch ihre Arbeitnehmer erworben und damit im Sinne des § 84 Abs. 1 AAV Vorsorge in ihrem Betrieb getroffen. Das Aufstellen von Wasserbehältern kann Waschräume nur dort ersetzen, wo es in weitem Umkreis keine andere Waschmöglichkeit gibt, wie etwa bei auf der Straße aufgestellten Verkaufskiosken. Daß auf Grund der Besonderheit des Betriebes, insbesondere der darin umgesetzten Waren, die Waschgelegenheit im Verkaufsraum selbst vorhanden sein müsse, kann bei einem Unternehmen wie dem der Beschwerdeführerin ("Kindermoden ... OHG") nicht gesagt werden.

Die belangte Behörde hätte daher auf die Verantwortung der Beschwerdeführerin eingehen und prüfen müssen, ob diese Verantwortung den Tatsachen entspricht und ob die Benützung der Gemeinschaftswaschräume den Zweck des § 84 Abs. 1 AAV erfüllt. Da sie dies in Verkennung der Rechtslage unterlassen hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Angemerkt sei, daß auch dann, wenn im Hinblick auf die Art der Zugänglichkeit der in Rede stehenden Waschräume Zweifel bestehen können, ob die Beschwerdeführerin in ihrem Betrieb Vorsorge für Waschwasser getroffen hat, die subjektive Tatseite einer näheren Prüfung zu unterziehen gewesen wäre. Die Beschwerdeführerin hat nämlich im Verwaltungsstrafverfahren vorgebracht, daß vor Erteilung der gewerberechtlichen Betriebsanlagengenehmigung in der diesbezüglichen mündlichen Verhandlung nach der Gewerbeordnung ein Bediensteter des zuständigen Arbeitsinspektorates anwesend gewesen sei und daß dieser auch bestimmte - andere arbeitnehmerschutzrechtliche Belange betreffende - Einwendungen erhoben habe. Daraus erhelle, daß allen Beteiligten klar gewesen sei, daß in den einzelnen, an Gewerbetreibende zu vermietenden Geschäftsräumlichkeiten Arbeitnehmer beschäftigt werden sollten. Die Beschwerdeführerin hätte - allenfalls objektiv zu Unrecht - darauf vertrauen dürfen, daß auch dem § 84 Abs. 1 AAV entsprochen sei und daß dann, wenn das Arbeitsinspektorat im nachhinein anderes vertreten sollte, zunächst eine Anleitung (Anhaltung, Unterstützung und Beratung im Sinne des § 2 Abs. 2 ArbIG 1974, nunmehr § 3 Abs. 2 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993) erfolgen würde.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VWGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. 104/1991.

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993020315.X00

Im RIS seit

01.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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