TE Vwgh Erkenntnis 1994/5/31 92/11/0268

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Veröffentlicht am 31.05.1994
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Index

90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §76 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des A in P, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 31. August 1992, Zl. 13/54-3/1992, betreffend vorläufige Abnahme eines Führerscheines, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer ist schuldig, dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 31. August 1992 wurde die Beschwerde gegen die am 22. Feber 1992 erfolgte vorläufige Abnahme des Führerscheines des Beschwerdeführers gemäß § 76 Abs. 1 KFG 1967 als unbegründet abgewiesen.

In der Begründung des Bescheides nahm die belangte Behörde im wesentlichen als erwiesen an, daß der Beschwerdeführer am 22. Feber 1992 gegen 3.55 Uhr in P nach Besuch eines Balls, während dem er zwei kleine Bier und vier bis fünf Sekt-Orange konsumiert hatte, zu seinem etwa 100 m entfernt abgestellten Fahrzeug zurückgekehrt und mit diesem etwa 200 m bis zum Haus P Nr. 46 gefahren sei, wo er sein Fahrzeug abgestellt und sich im Haus mit Freunden getroffen habe. Da der Standort des Fahrzeuges von den beiden Meldungslegern als "nicht ideal bewertet" worden sei, hätten sie sich in das Haus begeben, um den Beschwerdeführer aufzufordern, das Fahrzeug anderswo abzustellen. Da er gerade weiteren Alkohol konsumiert habe, sei er nicht dazu bereit gewesen, sodaß einige seiner Freunde das Fahrzeug in der Folge auf den neuen Abstellplatz geschoben hätten. Da der Beschwerdeführer Alkoholsymptome, und zwar gerötete Bindehäute und Alkoholgeruch der Atemluft aufgewiesen habe, sei er zu einer Atemluftalkoholuntersuchung am Gendarmerieposten aufgefordert worden. Der Beschwerdeführer sei dieser Aufforderung widerspruchslos nachgekommen, die Untersuchung habe um 4.10 Uhr bzw. um 4.12 Uhr 0,53 mg/l bzw. 0,5 mg/l Atemalkoholkonzentration erbracht. Das Angebot der Gendarmeriebeamten, ihn mit dem Dienstwagen zu seinem etwa 3 bis 4 km entfernten Wohnhaus zu bringen, habe der Beschwerdeführer abgelehnt. Der Abstellort seines Fahrzeuges habe sich zwischen dem Gendarmerieposten und dem Wohnhaus des Beschwerdeführers befunden, wobei vom Abstellort bis zu seinem Haus eine Strecke von ca. 700 m zurückzulegen gewesen sei. Im Hinblick darauf und weil der Beschwerdeführer zuvor (nach dem Ball) die kurze Strecke von ca. 200 m bis zum Haus Nr. 46 mit seinem Kraftfahrzeug gefahren sei, obwohl er Alkohol konsumiert hatte, habe für die Gendarmeriebeamten der begründete Eindruck bestanden, er werde die Strecke vom Abstellort des Fahrzeuges zu seinem Haus mit dem Fahrzeug zurücklegen, weshalb sie dem Beschwerdeführer um 4.20 Uhr den Führerschein und die Fahrzeugschlüssel abnahmen. Auch das Angebot, vom Gendarmerieposten aus eine Person telefonisch zu verständigen, ihn abzuholen, habe er abgelehnt und verärgert den Gendarmerieposten verlassen. In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde auf Grund des festgestellten Sachverhaltes die Auffassung, die vorläufige Abnahme des Führerscheines sei nicht rechtswidrig gewesen, weil die Gendarmeriebeamten das weitere Lenken des Fahrzeuges durch den Beschwerdeführer nicht hätten ausschließen können, sodaß die Führerscheinabnahme als Sicherungsmaßnahme erforderlich gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 76 Abs. 1 KFG 1967 haben Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einem Kraftfahrzeuglenker, aus dessen Verhalten deutlich zu erkennen ist, daß er insbesondere infolge eines übermäßigen Alkoholgenusses nicht mehr die völlige Herrschaft über seinen Geist und seinen Körper besitzt, den Führerschein vorläufig abzunehmen, wenn er ein Kraftfahrzeug lenkt, in Betrieb nimmt oder versucht, es in Betrieb zu nehmen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die vorläufige Abnahme des Führerscheines eine Sicherungsmaßnahme, die im Interesse der Verkehrssicherheit gesetzt wird. Sie soll verhindern, daß eine Person ein Kraftfahrzeug lenkt und am Straßenverkehr teilnimmt, obwohl sie sich in einem Zustand befindet, in dem sie das Kraftfahrzeug nicht zu beherrschen imstande ist. Es muß daher für die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Annahme berechtigt sein, die betreffende Person werde in ihrem die Fähigkeit hiezu ausschließenden Zustand ein Kraftfahrzeug lenken. Diese Annahme wird unter anderem dann nicht gerechtfertigt sein, wenn die gegebenen Umstände darauf schließen lassen, die betreffende Person habe eine allfällige vorangegangene Lenktätigkeit beendet, und NICHTS DAFÜR SPRICHT, sie werde ungeachtet ihres Zustandes ein Kraftfahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder versuchen, es in Betrieb zu nehmen (vgl. hiezu u.v.a. das hg. Erkenntnis vom 23. Feber 1993, Zl. 92/11/0064, mit weiteren Judikaturhinweisen).

Der Beschwerdeführer stützt sich darauf, daß auf Grund seiner Trinkverantwortung eine Alkoholisierung auszuschließen sei und im übrigen vom Zeitpunkt seines Alkoholkonsums bis zur Messung der Atemluft mittels Alkomaten nicht die nötige "Wartezeit von 20 Minuten" eingehalten worden sei und es auch im Hinblick auf den Mundrestalkohol zu einer Verfälschung des Meßergebnisses gekommen sei. Hiezu hätte die belangte Behörde ein medizinisches Gutachten einholen müssen.

Dem ist jedoch zu entgegnen, daß der Beschwerdeführer den Genuß von Alkohol in nicht unbeträchtlichem Ausmaß selbst zugestanden hat und sich sein Alkoholkonsum jedenfalls auch in dem von den Gendarmeriebeamten wahrgenommenen Geruch seiner Atemluft und in einer Rötung seiner Bindehäute niedergeschlagen hatte. Die Menge des genossenen Alkoholes und der genaue Zeitpunkt des Alkoholgenusses sind im gegebenen Zusammenhang unerheblich (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. März 1994, Zl. 94/11/0048).

Aus dem Akteninhalt ist erkennbar, daß für die Durchführung der Atemalkoholanalyse das Gerät Type Siemens M 52052-A15 verwendet wurde, bei dem ein allenfalls vorliegender Mundrestalkohol erkannt, angezeigt und in einem entsprechenen Protokollausdruck gekennzeichnet wird. Der Alkomat hätte kein Meßergebnis geliefert, wenn die Atemluft des Beschwerdeführers bei Durchführung des Tests noch durch Restalkohol beeinträchtigt gewesen wäre (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 21. Oktober 1992, Zl. 92/02/0191 und vom 24. Feber 1993, Zl. 91/03/0337). Zu der Behauptung des Beschwerdeführers, der Alkomat sei von den Beamten falsch bedient worden, fehlt jeglicher konkreter Anhaltspunkt. Schließlich ist dem Beschwerdeführer, insoweit er die Annahme seiner Alkoholsierung als Voraussetzung für die Führerscheinabnahme bekämpft, zu entgegnen, daß er offensichtlich selbst erkannt hatte, daß er auf Grund seines Zustandes nicht mehr in der Lage war, sein Fahrzeug in Betrieb zu nehmen, weil er - in Anwesenheit der Gendarmeriebeamten - ablehnte, selbst sein Kraftfahrzeug vom Abstellort zu entfernen, und es durch seine Freunde wegschieben ließ.

Der Beschwerdeführer wendet sich weiters gegen die Auffassung der belangten Behörde, die einschreitenden Gendarmeriebeamten hätten im Hinblick auf die gegebene Sachlage Grund zur Annahme gehabt, daß der Beschwerdeführer sein Fahrzeug wieder in Betrieb nehmen werde. Er bringt vor, er habe nicht die Absicht gehabt, mit seinem Fahrzeug die etwa 700 m zu seinem Wohnhaus zu fahren; die auch zum Beweise hiefür angebotenen Zeugen habe die belangte Behörde nicht einvernommen, was der Beschwerdeführer als Verfahrensmangel rügt. Hiezu ist zu erwidern, daß die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der vorläufigen Abnahme des Führerscheins als Sicherungsmaßnahme bezogen auf jenen Zeitpunkt zu erfolgen hat, in dem der Sicherungszweck, die betreffende Person am Lenken des Kraftfahrzeuges zu hindern, zum Tragen kommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1989, Zl. 88/11/0260). Dies war im vorliegenden Fall der Zeitpunkt, ab dem sich die eingeschrittenen Gendarmeriebeamten mit dem Beschwerdeführer nicht mehr befaßten, somit zum Zeitpunkt des Verlassens des Gendarmeriepostens. Welche Absicht der Beschwerdeführer zuvor anläßlich des Treffens mit seinen Freunden äußerte, ist unerheblich.

Die Fälle, zu denen der Verwaltungsgerichtshof mangels entgegenstehender Anhaltspunkte die Auffassung vertreten hat, daß die einschreitenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes den Eindruck haben mußten, die betreffende Person werde in nächster Zeit kein Kraftfahrzeug lenken, in Betrieb nehmen, oder versuchen, es in Betrieb zu nehmen, wurden unter anderem im Erkenntnis vom 6. März 1990, Zl. 89/11/0257, zusammengefaßt. Der vorliegende Fall ist mit jenen Fällen nicht vergleichbar: Das Kraftfahrzeug des Beschwerdeführers war uneingeschränkt fahrtüchtig, es war in erheblicher Entfernung vom Wohnhaus des Beschwerdeführers abgestellt, und zwar an einem Standort, den er auf dem Rückweg vom Gendarmerieposten passieren mußte. Zudem hatte der Beschwerdeführer durch sein früheres Verhalten zum Ausdruck gebracht, daß er auch kürzeste Strecken von wenigen 100 m in seinem Kraftfahrzeug zurücklegen will, woran ihn auch ein vorangegangener erheblicher Alkoholgenuß nicht hinderte. Daß er, als die Gendarmeriebeamten anwesend waren, sein Kraftfahrzeug nicht lenken wollte und ihnen gegenüber später erklärte, er werde zu Fuß gehen, schließt keineswegs aus, daß er doch am Heimweg sein Fahrzeug in Betrieb genommen hätte, um die restliche Strecke nach Hause zu fahren. Die Annahme der belangten Behörde, daß auf Grund des festgestellten Sachverhaltes die begründete Möglichkeit bestand, der Beschwerdeführer werde in seinem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand den Pkw wieder in Betrieb nehmen, war daher nicht rechtswidrig. Von einem allem Anschein nach abgeschlossenen Lenkvorgang konnte dagegen nicht die Rede sein.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1992110268.X00

Im RIS seit

19.03.2001

Zuletzt aktualisiert am

17.06.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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