TE Vwgh Erkenntnis 1994/6/20 94/10/0061

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Veröffentlicht am 20.06.1994
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Index

10/10 Grundrechte;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
70/04 Schulzeit;
70/05 Schulpflicht;
70/06 Schulunterricht;

Norm

AVG §66 Abs4;
MRKZP 01te Art2;
SchPflG 1985 §11 Abs2;
SchPflG 1985 §11 Abs3;
SchUG 1986 §49 Abs3;
SchulzeitG 1985 §2 Abs1;
StGG Art17;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde 1. des mj. P, vertreten durch die Erziehungsberechtigte K und 2. der K, beide in L, beide vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landesschulrates für Oberösterreich vom 21. Jänner 1993, Zl. A3-305/3-1992, betreffend Teilnahme am häuslichen Unterricht, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:

Der am 25. April 1980 geborene Erstbeschwerdeführer besuchte im Schuljahr 1992/93 eine Klasse der Hauptschule in X. Mit Bescheid des Bezirksschulrates (BSR) vom 12. Oktober 1992 wurde er gemäß § 49 Abs. 1, 3 und 9 SchUG für die Zeit vom 14. Oktober 1992 bis 10. November 1992 vom weiteren Schulbesuch suspendiert. In der Begründung des Bescheides wurde u.a. dargelegt, das aggressive und asoziale Verhalten des Erstbeschwerdeführers habe sich im besonderen Maße verstärkt. Mitschüler würden von ihm attackiert, angerempelt und ordinärst beschimpft; ein Mitschüler habe eine Gehirnerschütterung erlitten. Der Erstbeschwerdeführer störe den Unterricht durch Beschimpfungen, Klopfen, Pfeifen oder Singen; er entferne sich während des Unterrichts vom Platz, attackiere Mitschüler mit dem Zirkel und werfe mit Gegenständen herum. In Anwesenheit des Erstbeschwerdeführers könne in der Klasse keine Unterrichts- und Erziehungsarbeit geleistet werden.

Am 6. November 1992 zeigte die Zweitbeschwerdeführerin, die Mutter des Erstbeschwerdeführers, beim BSR die Teilnahme des Erstbeschwerdeführers am häuslichen Unterricht an. Mit dem am 3. Dezember 1992 zugestellten Bescheid vom 1. Dezember 1992 sprach der BSR aus, daß dem Erstbeschwerdeführer die Teilnahme am häuslichen Unterricht nicht bewilligt werde.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid ab; aus Anlaß der Berufung änderte sie den Spruch des bekämpften Bescheides dahin ab, daß die Anzeige des häuslichen Unterrichts gemäß § 11 Abs. 3 Schulpflichtgesetz, BGBl. Nr. 76/1985 (SchpflG), als verspätet zurückgewiesen werde. Nach Darlegung des Verfahrensganges und der Rechtslage vertrat die belangte Behörde im wesentlichen die Auffassung, die Anzeige des häuslichen Unterrichts sei vor Beginn des Schuljahres einzubringen. Dabei handle es sich um eine Präklusivfrist.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit seinem Beschluß vom 18. März 1994, Zl. B 379/93, ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 1 Abs. 1 SchpflG besteht für alle Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten, allgemeine Schulpflicht nach Maßgabe des Abschnittes I. Nach § 11 Abs. 2 leg. cit. kann die allgemeine Schulpflicht ferner durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule - ausgenommen den Polytechnischen Lehrgang - mindestens gleichwertig ist.

Nach § 11 Abs. 3 erster und zweiter Satz leg. cit. haben die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten die Teilnahme ihres Kindes an einem in Abs. 1 oder 2 genannten Unterricht dem Bezirksschulrat jeweils vor Beginn des Schuljahres anzuzeigen. Der Bezirksschulrat kann die Teilnahme an einem solchen Unterricht innerhalb eines Monates ab dem Einlangen der Anzeige untersagen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß die in Abs. 1 oder 2 geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichts nicht gegeben ist.

Nach § 24 Abs. 1 erster und zweiter Satz leg. cit. sind die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten verpflichtet, für die Erfüllung der Schulpflicht, insbesondere für den regelmäßigen Schulbesuch und die Einhaltung der Schulordnung durch den Schüler bzw. in den Fällen der §§ 11, 13 und 22 Abs. 4 für die Ablegung der dort vorgesehenen Prüfungen zu sorgen. Minderjährige Schulpflichtige treten, sofern sie das 14. Lebensjahr vollendet haben, hinsichtlich dieser Pflichten neben die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten.

Die Beschwerde macht geltend, durch den angefochtenen Bescheid werde dem Erstbeschwerdeführer die Möglichkeit genommen, während der Zeit der Suspendierung eine zeitgemäße Erziehung und Ausbildung zu erhalten. Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides müsse angesichts der durch den "Ausschlußbescheid" gestalteten Sach- und Rechtslage geprüft werden. Für den Erstbeschwerdeführer sei das Schuljahr durch den "Ausschluß" unterbrochen worden; es habe für ihn nach Ablauf des "Ausschlusses" ein neues Schuljahr begonnen. Die Anzeige sei somit vor Beginn des Schuljahres im Sinne des § 11 Abs. 3 SchpflG eingebracht worden.

Mit dieser Auffassung ist die Beschwerde nicht im Recht. Es ist nicht strittig, daß sich die Anzeige des häuslichen Unterrichts im Beschwerdefall auf das Schuljahr 1992/93 bzw. einen Teil desselben bezog. Der Zeitraum, der vom "Schuljahr" umfaßt wird, ergibt sich aus § 2 Abs. 1 Schulzeitgesetz, BGBl. Nr. 77/1985 (SchZG). Danach beginnt das Schuljahr in den Bundesländern Burgenland, Niederösterreich und Wien am ersten Montag, in den Bundesländern Kärnten, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol und Vorarlberg am zweiten Montag im September und dauert bis zum Beginn des nächsten Schuljahres.

Eine Anzeige im Sinne des § 11 Abs. 3 SchpflG wäre - betreffend das Schuljahr 1992/93 und den Schüler einer im Bundesland Oberösterreich gelegenen Schule - nur rechtzeitig gewesen, wenn sie vor dem zweiten Montag im September 1992 erstattet worden wäre. Die belangte Behörde hatte die nach diesem Zeitpunkt erstattete Anzeige des häuslichen Unterrichts als verspätet zurückzuweisen (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. September 1992,

Zlen. 92/10/0159 und 92/10/0160, auf deren Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).

Die Auffassung der Beschwerde, für den Erstbeschwerdeführer habe nach Beendigung der Suspendierung ein neues Schuljahr zu laufen begonnen, kann nicht geteilt werden; denn der Begriff "Schuljahr" umfaßt nach der dargestellten Rechtslage einen für alle Schulen bzw. Schüler generell bestimmten Zeitraum, auf den eine disziplinäre Maßnahme wie die in § 49 Abs. 3 SchUG normierte Suspendierung keinen Einfluß hat.

Es besteht insofern auch nicht die von der Beschwerde angenommene Regelungslücke. Soweit sich die Beschwerde in diesem Zusammenhang auf das Recht auf Bildung beruft, ist darauf hinzuweisen, daß vorübergehende Einschränkungen dieses Rechtes - soweit es in der Person des von der Suspendierung betroffenen Schülers besteht - durch die in § 49 Abs. 3 SchUG normierte Maßnahme ihre Rechtfertigung im Schutz des Rechtes der Mitschüler des Betreffenden auf einen Unterricht frei von dauernder Gefährdung hinsichtlich ihrer Sittlichkeit, körperlichen Sicherheit oder ihres Eigentums (vgl. § 49 Abs. 1 iVm Abs. 3 SchUG) finden. Im übrigen ist auf das Recht des Suspendierten zu verweisen, sich während der Suspendierung über den durchgenommenen Lehrstoff regelmäßig zu informieren (vgl. § 49 Abs. 3 dritter Satz SchUG).

Die Zurückweisung der verspäteten Anzeige durch die belangte Behörde entsprach somit dem Gesetz.

Es ist auch die Auffassung der Beschwerde verfehlt, die belangte Behörde habe eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihr nicht zukäme, weil sie die Anzeige mehr als zwei Monate nach ihrer Einbringung als verspätet zurückgewiesen habe. Die einmonatige Untersagungsfrist des § 11 Abs. 3 zweiter Satz SchpflG wurde im Beschwerdefall durch die Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides innerhalb der Monatsfrist gewahrt. Bei dieser Sachlage war die belangte Behörde befugt, im Rahmen der ihr durch § 66 Abs. 4 AVG eingeräumten Zuständigkeit im Berufungsverfahren die Verspätung der Anzeige aufzugreifen.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens Allgemein Inhalt der Berufungsentscheidung Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche Entscheidungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994100061.X00

Im RIS seit

02.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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