TE Vwgh Erkenntnis 1994/9/8 92/18/0182

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Veröffentlicht am 08.09.1994
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

AAV §8 Abs1;
VStG §44a Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der F in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 9. April 1992, Zl. MA 63-F 4/92/Str., betreffend Bestrafung wegen einer Übertretung der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (der belangten Behörde) vom 9. April 1992 wurde die Beschwerdeführerin einer Übertretung des § 8 Abs. 1 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV) schuldig erkannt, weil sie es als verantwortliche Beauftragte einer näher bezeichneten Aktiengesellschaft zu verantworten habe, daß am 19. April 1989 der Verkaufsraum einer näher bezeichneten Filiale des Unternehmens nicht Lichteintrittsflächen im Ausmaß von mindestens einem Zehntel der Fußbodenfläche besessen habe. Über die Beschwerdeführerin wurde deshalb eine Geldstrafe von S 15.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Wochen) verhängt.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, die als erwiesen angenommene Tat sei im Spruch ausreichend umschrieben. Die Feststellung, daß das erforderliche Ausmaß nicht erreicht werde, stütze sich auf die Wahrnehmungen des Organs des Arbeitsinspektorates bei der Überprüfung am 19. April 1989. Dies sei von der Beschwerdeführerin im erstinstanzlichen Verfahren auch nicht bestritten worden. Die in der Berufung erstmals aufgestellte Behauptung, die erforderliche Lichteintrittsfläche werde durch Oberlichten, Lichtkuppeln und Glastüren erreicht, stehe im Widerspruch zum Schreiben der Aktiengesellschaft an die erstinstanzliche Behörde vom 27. Juli 1989, in welchem zugestanden worden sei, daß der Aufforderung des Arbeitsinspektorates (Belichtungsfläche im Verkaufsraum) aus verkaufstechnischen Gründen nur teilweise entsprochen werden könne. Der erstmaligen Bestreitung der Erfüllung des objektiven Tatbestandes in der Berufung vom 4. März 1992 komme keine Glaubwürdigkeit zu.

Die Verständigung der technischen Abteilung in der Zentrale der Aktiengesellschaft stelle keine geeignete Maßnahme dar, welche die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen mit gutem Grund erwarten lasse. Die Beschwerdeführerin hätte die Entfernung der Verklebung der Fenster auch selbst veranlassen können, was ihr auf Grund ihrer Anordnungsbefugnis als verantwortliche Beauftragte möglich gewesen sei.

Bei der Strafbemessung sei zu berücksichtigen gewesen, daß die Beschwerdeführerin das strafbare Verhalten trotz rechtskräftiger Bestrafung fortgesetzt habe. Daß das strafbare Verhalten tatsächlich nachteilige Folgen für die Arbeitnehmer nach sich gezogen habe, sei nicht bekannt geworden. Unter Berücksichtigung der Einkommensverhältnisse und des Ausmaßes des Verschuldens der Beschwerdeführerin sei eine Geldstrafe in der Höhe von S 15.000,-- angemessen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1.1. Die Beschwerdeführerin hält den angefochtenen Bescheid für rechtswidrig, weil sie mehrfach in der für bauliche und marketingtechnische Maßnahmen zuständigen Zentrale der Aktiengesellschaft vorgesprochen und urgiert habe, daß das Werbematerial von den Fenstern entfernt werde, weil dies vom Arbeitsinspektorat beanstandet worden sei. Die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift des § 8 Abs. 1 AAV sei ihr unzumutbar gewesen, sodaß die belangte Behörde gemäß § 9 Abs. 5 VStG von der Verhängung der Strafe hätte Abstand nehmen müssen.

1.2. Verletzt der verantwortliche Beauftragte auf Grund einer besonderen Weisung des Auftraggebers eine Verwaltungsvorschrift, so ist er zufolge § 9 Abs. 5 VStG dann nicht verantwortlich, wenn er glaubhaft zu machen vermag, daß ihm die Einhaltung dieser Verwaltungsvorschrift unzumutbar war.

Auf diese Bestimmung kann sich die Beschwerdeführerin schon deshalb nicht mit Erfolg berufen, weil auch nach ihrem Vorbringen nicht davon ausgegangen werden kann, daß sie die Übertretung über besondere Weisung ihrer Auftraggeber - das sind die zur Vertretung nach außen Berufenen, die sie zur verantwortlichen Beauftragten bestellt haben - begangen hat. Im übrigen wäre es der Beschwerdeführerin zumutbar gewesen, es nicht bei der erfolglosen Vorsprache bei der zuständigen Abteilung in der Zentrale bewenden zu lassen, sondern die Übertretung durch geeignete Maßnahmen zu verhindern. Dabei kam - außer dem von der belangten Behörde genannten Entfernen der Verklebung - unter anderem in Betracht, die Auftraggeber von der erfolglosen Vorsprache zu unterrichten, weil von diesen auf Grund ihrer Verantwortlichkeit gemäß § 9 Abs. 6 VStG die Abstellung des verordnungswidrigen Zustandes in der Filiale zu erwarten gewesen wäre.

2.1. Die Beschwerdeführerin erblickt einen Verstoß gegen § 44a VStG darin, daß nicht festgestellt worden sei, daß auch andere Lichteintrittsflächen als Fenster bestünden, nämlich Glastüren, Oberlichten und Lichtkuppeln. Im übrigen habe die belangte Behörde zu ihrem Vorbringen, daß allein durch die Oberlichten, Lichtkuppeln und Glastüren die erforderliche Lichteintrittsfläche gemäß § 8 Abs. 1 AAV erreicht werde, nicht die entsprechenden Ermittlungen gepflogen, insbesondere nicht den in der Berufung beantragten Lokalaugenschein durchgeführt.

2.2. Der behauptete Verstoß gegen § 44a (gemeint offenbar lit. a) des von der belangten Behörde anzuwendenden VStG 1950 (numehr § 44a Z. 1 VStG) liegt nicht vor, weil es zur Umschreibung einer Übertretung nach § 8 Abs. 1 (erster Fall) AAV nicht erforderlich ist, im Spruch des Straferkenntnisses die Berechnung darzulegen, auf Grund welcher die Behörde zur Ansicht gelangt ist, daß die Summe aller ins Freie führenden Lichteintrittsflächen (Fenster, Oberlichten oder Lichtkuppeln) nicht mindestens ein Zehntel der Fußbodenfläche des Raumes beträgt. Die von der belangten Behörde gewählte Form der Tatumschreibung hat die Beschwerdeführerin jedenfalls in die Lage versetzt, zum konkreten Tatvorwurf Stellung zu nehmen. Auf Grund der Tatumschreibung ist die Beschwerdeführerin auch davor geschützt, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

2.3. Was die von der Beschwerdeführerin erhobene Verfahrensrüge wegen Unterbleibens von Ermittlungen über das Ausmaß anderer Lichteintrittsflächen als Fenster betrifft, ist zunächst festzuhalten, daß die Beschwerdeführerin nach der Aktenlage wegen des gleichen Deliktes mit Straferkenntnis vom 23. März 1989 rechtskräftig bestraft wurde. Danach waren am 18. November 1988 im Verkaufsraum (Ausmaß ca. 234 m2) keine ins Freie führenden Lichteintrittsflächen von mindestens einem Zehntel der Fußbodenfläche (23,4 m2) vorhanden, weil die Fenster und Oberlichten verklebt bzw. mit Regalen und Einbauten unwirksam gemacht worden waren. An Lichteintrittsflächen sei lediglich die Tür an der Straßenfront im Ausmaß von ca. 4,5 m2 zur Verfügung gestanden. Auch im vorliegenden Verfahren war davon auszugehen, daß alle Fenster verklebt waren.

Berücksichtigt man ferner, daß weder in dem auf Grund der Aufforderung der Beschwerdeführerin zur Rechtfertigung vom 11. Juli 1989 erstatteten Schriftsatz der Aktiengesellschaft vom 27. Juli 1989, noch in der Berufung der Beschwerdeführerin gegen das Straferkenntnis vom 30. Jänner 1990, noch in ihren Schriftsätzen vom 11. April 1991, 7. Juli 1991 und 6. September 1991 die Erfüllung des Tatbestandes des § 8 Abs. 1 AAV in objektiver Hinsicht in Zweifel gezogen worden war, so kann der in der Berufung vom 4. März 1992 (also knapp vor Eintritt der Strafbarkeitsverjährung) enthaltenen, nicht näher konkretisierten Behauptung, auch bei Verkleben aller Fenster werde das erforderliche Ausmaß durch andere Lichteintrittsflächen in Form von Oberlichten, Lichtkuppeln und Glastüren erreicht, und den dazu gestellten Beweisanträgen nur Verschleppungsabsicht unterstellt werden. Mangels konkreter Behauptungen war die belangte Behörde nicht gehalten, ein Ermittlungsverfahren über allfälliges Vorhandensein und Ausmaß anderer Lichteintrittsflächen als Fenster durchzuführen. Auch die vorliegende Beschwerde unternimmt nicht den Versuch aufzuzeigen, welche Lichteintrittsflächen vorhanden gewesen und welches Ausmaß diese gehabt haben sollen.

Die Verfahrensrüge erweist sich demnach als nicht berechtigt.

3. Ein Ermessensfehler der belangten Behörde bei der Strafbemessung ist nicht erkennbar. Die in der Beschwerde angesprochenen Milderungsgründe des § 34 Z. 2, 15, 16 und 18 StGB liegen nicht vor, und zwar jener der Z. 2 wegen der (noch dazu einschlägigen) Vorstrafe, jener der Z. 15, weil nicht erkennbar ist, inwieweit sich die Beschwerdeführerin ernstlich bemüht hat, nachteilige Folgen der Übertretung zu verhindern, jener der Z. 16, weil die Tat auf Grund der Anzeige des Arbeitsinspektorates bereits bekannt war, und jener der Z. 18, weil von einem Wohlverhalten der Beschwerdeführerin seit der Tat nach der Aktenlage (weitere Anzeigen des Arbeitsinspektorates wegen des gleichen Deliktes) nicht ausgegangen werden kann. Die Vorsprache der Beschwerdeführerin in der Zentrale stellt keinen Milderungsgrund dar, weil sie es nach der Ergebnislosigkeit der Vorsprache trotz rechtskräftiger Bestrafung bei dem verordnungswidrigen Zustand in der Filiale bewenden ließ. Umstände, die einem Schuldausschließungsgrund nahekommen, sind daher nicht gegeben.

4. Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1992180182.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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