TE Vwgh Erkenntnis 1994/9/15 94/09/0160

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Veröffentlicht am 15.09.1994
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §51 Abs1;
AVG §63 Abs3;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art140 Abs1;
VStG §24;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des A in X, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 10. Mai 1994, Zl. VwSen-250306/2/Gu/Atz, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Verwaltungsstrafsache nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit und Soziales), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X (BH) vom 11. April 1994, Zl. SV-96-7-1994/Gi, wurde der Beschwerdeführer zu drei Geldstrafen in der Höhe von insgesamt S 32.000,-- verurteilt, weil er drei namentlich genannte Ausländer auf dem Betriebsgelände der E-Gesellschaft m.b.H. (Ges.m.b.H.) bzw. auf jenem der F Gesellschaft m.b.H. in X, mit Fliesenlegerarbeiten beschäftigt habe.

Dagegen erhob der damals noch unvertretene Beschwerdeführer auf Geschäftspapier der Ges.m.b.H. Berufung "gegen Bescheid vom 11. April 1994, SV 96-7-1994/Gi". Die BH wird im Berufungsschriftsatz selbst nicht ausdrücklich genannt. Der Berufung waren zahlreiche schriftliche Unterlagen in Fotokopie als Anlagen angeschlossen, darunter auch die schriftlichen Stellungnahmen des Beschwerdeführers zu Verfahrensergebnissen der BH vom 17. März 1994 und vom 21. Februar 1994. Diese Stellungnahmen, auf welche im Text der Berufung verwiesen wird, waren an die BH zur obigen Geschäftszahl adressiert.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 10. Mai 1994 wies die belangte Behörde die "auf einem Geschäftspapier der E-Ges.m.b.H., verfaßte von A, unterfertigte Berufung gegen einen Bescheid vom 11. April 1994, SV 96-7-1994/Gi, einer unbekannten Behörde" unter Bezugnahme auf die §§ 51e Abs. 1 VStG, 63 Abs. 3 AVG und 24 VStG zurück. In der Begründung zitierte die belangte Behörde die Eingangsfloskeln der Berufung und verwies darauf, daß diesem Rechtsmittel zahlreiche Beilagen angeschlossen gewesen seien. In der gesamten Berufung finde sich keine Bezeichnung einer bestimmten Behörde, von welcher der Bescheid bzw. das Straferkenntnis stamme. Gemäß § 63 Abs. 3 AVG habe eine Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richte. Auf Grund der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, "die damit eine Selbstverständlichkeit des täglichen Lebens berücksichtigt", sei ein Bescheid nur dann (hinreichend) bezeichnet, wenn er neben dem Datum und der Geschäftszahl auch die erlassende Behörde benenne. Das Fehlen einer solchen ausreichenden Bezeichnung stelle kein der Verbesserung zugängliches Formgebrechen dar, weshalb ohne weitere Ermittlungen mit der sofortigen Zurückweisung der Berufung vorzugehen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 63 Abs. 3 AVG hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet. Diese Bestimmung ist gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden.

Ein Mangel der Bezeichnung des angefochtenen Bescheides führt aber nur dann zur Zurückweisung der Berufung, wenn infolge dieses Mangels die Behörde nicht erkennen kann, gegen welche Entscheidung sich die Berufung wendet (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 1994, Zl. 94/09/0055, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Das ist aber hier nicht der Fall. Zwar ist die BH als in erster Instanz eingeschrittene Strafbehörde im Berufungsschriftsatz nicht ausdrücklich genannt, der Beschwerdeführer hat aber diesem Schriftsatz Beilagen angeschlossen, aus denen die angerufene Berufungsbehörde ohne Verbesserungsauftrag, ohne weitere Recherchen und ohne unzumutbare gedankliche Rückschlüsse erkennen konnte (und mußte), daß die von einem aus X stammenden Beschwerdeführer erhobene Berufung sich gegen einen (mit Aktenzahl individualisierten) Bescheid der BH X und nicht gegen eine "unbekannte Behörde" richtete. Unter den gegebenen Umständen stellt die Zurückweisung der Berufung, wie der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorbringt, das Ergebnis eines dem Verwaltungsstrafverfahren fremden und übertriebenen Formalismus dar. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die Berufung gemäß § 63 Abs. 5 AVG - einer Bestimmung übrigens, die insoweit mit Wirkung ab 30. Juni 1995 vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 24. Juni 1994, Zl. G 20-23/94-6, als verfassungswidrig aufgehoben worden ist - nicht bei der BH, sondern bei der belangten Behörde (als jener, die über die Berufung zu entscheiden hatte) eingebracht worden ist.

Da der Berufung somit kein vom Gesetz als unverzichtbar vorgeschriebener Hinweis fehlte, sondern nur die Angabe eines (weiteren) Merkmales des bekämpften erstinstanzlichen Bescheides, das ohne weitere Mühe von der belangten Behörde durch bloße Kenntnisnahme der der Berufung angeschlossenen Urkunden ausfindig gemacht hätte werden können, hat die belangte Behörde mit ihrer Formalerledigung die Rechtslage verkannt, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994090160.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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