TE Vwgh Beschluss 1994/9/21 93/03/0157

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Veröffentlicht am 21.09.1994
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

B-VG Art129a Abs1;
B-VG Art129a Abs2;
B-VG Art140 Abs6;
B-VG Art140 Abs7;
VStG §51 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, in der Beschwerdesache des G in L, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 24. Mai 1993, Zl. IIb1-E-691/1-1993, betreffend Übertretung des Eisenbahngesetzes, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 5. September 1991, Zl. St-416/91, wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 12. Februar 1991 um 15.00 Uhr in Innsbruck, Brennerstrecke der ÖBB bei km 76,4 1) die Gleisanlagen betreten und sich auf diesen aufgehalten und somit eine Eisenbahnanlage an einer nicht dafür bestimmten Stelle und ohne eine vom Eisenbahnunternehmen ausgestellte Erlaubniskarte betreten und 2) trotz Auflösung der Versammlung, die gegen die Vorschriften des Versammlungsgesetzes veranstaltet wurde, den Versammlungsort nicht sogleich verlassen und sei nicht auseinandergegangen. Dadurch habe er eine Verwaltungsübertretung nach § 43 Abs. 1 Eisenbahngesetz (kurz EisbG) und nach § 14 Versammlungsgesetz begangen, weshalb über ihn gemäß § 54 Abs. 1 EisbG eine Geldstrafe von S 1.000,-- bzw. gemäß § 19 Versammlungsgesetz eine Geldstrafe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe jeweils 50 Stunden) verhängt wurde.

Mit Berufungsbescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 17. Dezember 1991, Zl. 15/71-3/1991, wurde der dagegen vom Beschwerdeführer rechtzeitig erhobenen Berufung hinsichtlich der Verwaltungsübertretung nach § 43 Abs. 1 EisbG keine Folge gegeben. Hinsichtlich der Verwaltungsübertretung nach § 19 Versammlungsgesetz wurde der Berufung insofern Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe auf S 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 25 Stunden) herabgesetzt wurde.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

Mit Erkenntnis vom 1. Oktober 1992, G 103-107/92 u.a., hob der Verfassungsgerichtshof § 51 Abs. 1 VStG 1991 als verfassungswidrig auf.

Mit Erkenntnis vom 30. November 1992, B 376/92-6, hob der Verfassungsgerichtshof das Berufungserkenntnis des unabhängigen Verwaltungssenates auf. Der Fall des Beschwerdeführers war einem Anlaßfall im Sinne des Art. 140 Abs. 7 B-VG, auf den die Aufhebung eines Gesetzes zurückwirkt, gleichzuhalten. Da der unabhängige Verwaltungssenat bei Erlassung des Bescheides die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung anwendete, war es nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, daß diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Innsbruck hinsichtlich der Verwaltungsübertretung nach § 43 Abs. 1 EisbG als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß Art. 140 Abs. 7 letzter Satz B-VG ist die aufgehobene Vorschrift des § 51 Abs. 1 VStG 1991 auf den vorliegenden Fall nicht mehr anzuwenden. Auf Grund des Art. 140 Abs. 6 B-VG sowie des Ausspruchs des Verfassungsgerichtshofes im Erkenntnis vom 1. Oktober 1992, G 103-107/92 u.a., tritt § 51 Abs. 1 VStG in der früheren Fassung (das ist die Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 358/1990) wieder in Kraft. Wird aber im Anlaßfall die Aufhebung sofort wirksam, so erlangen auch die früheren Bestimmungen mit diesem Zeitpunkt wieder Geltung (vgl. den Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 28. Februar 1994, B 1752/93).

Somit ist die für das fortgesetzte Verwaltungsverfahren im vorliegenden Anlaßfall maßgebende Rechtslage wie folgt zu beurteilen:

Nach dem Wortlaut des § 51 Abs. 1 VStG 1950 steht dem Beschuldigten im Verwaltungsstrafverfahren das Recht der Berufung an die im Instanzenzug sachlich übergeordnete Behörde zu. Entscheidungen solcher Behörden sind in allen Fällen endgültig.

§ 51 Abs. 1 VStG 1950 ist im Licht des Art. 129a Abs. 1 Z. 1 B-VG (idF BGBl. Nr. 685/1988) zu sehen. Danach erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate in Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges, sofern ein solcher (wie hier nach § 51 Abs. 1 VStG 1950) in Betracht kommt.

Nach dieser Rechtslage ist gegen die Entscheidung der Berufungsbehörde ein Rechtsmittel an den unabhängigen Verwaltungssenat zulässig. Dieses Ergebnis wird durch den ersten Satz des Art. 129a Abs. 2 B-VG untermauert, der (lediglich) eine Ermächtigung an den Gesetzgeber enthält, auch die unmittelbare Anfechtbarkeit erstinstanzlicher Entscheidungen beim unabhängigen Verwaltungssenat vorzusehen. Dem steht auch der zweite Satz des § 51 Abs. 1 VStG 1950 nicht entgegen, weil dieser nur vom administrativen Instanzenzug handelt und daher weder die Anrufung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts noch der unabhängigen Verwaltungssenate ausschließt (vgl. nochmals den Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 28. Februar 1994, B 1752/93).

Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde nach Erschöpfung des Instanzenzuges Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, daß gegen den angefochtenen Bescheid ein Rechtsmittel an den unabhängigen Verwaltungssenat zulässig ist. Mangels Erschöpfung des Instanzenzuges war die Beschwerde daher als unzulässig zurückzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Nichterschöpfung des Instanzenzuges Allgemein Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetze

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993030157.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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